Verfahren und Vorrichtung zur Ermittlung von chemischen Zuständen von lebendem, tierischem oder menschlichem Gewebe unter Verwendung von magnetischer Resonanz
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung von chemi¬ schen Zuständen von lebendem, tierischem oder menschlichem Gewebe unter Verwendung von magnetischer Resonanz mit einem homogenen Konstantmagnetfeld, wobei das Gewebe durch eine Magnetische-Resonanz-Messung ausgemessen wird und anschließend die erhaltenen Meßwerte durch Vergleich mit Meßwerten von Referenzmessungen von vergleichbarem Gewebe dahingehend aus¬ gewertet werden, ob der chemische Zustand des Gewebes einem chemischen Normalzustand oder einem abweichenden abnormalen Endzustand entspricht.
Die Erfindung betrifft ferner eine Vorrichtung zur Ermittlung von chemischen Zuständen von lebendem, tierischem oder mensch¬ lichem Gewebe unter Verwendung von magnetischer Resonanz, mit einem hochauflösenden Magnetischen-Resonanz-Spektrometer zum Durchführen einer Magnetischen-Resonanz-Messung am Gewebe, mit Mittel zum Bestimmen von Meßwerten der Magnetischen-Reso¬ nanz-Messung am Gewebe, mit Mittel zum Speichern von Referenz¬ werten von Messungen an vergleichbarem Gewebe, und mit Mitteln zum Vergleichen der Meßwerte von aktueller Messung und Referen messung.
Ein derartiges Verfahren bzw. eine solche Vorrichtung ist aus der US-A-3 789 832 bekannt.
Bei dem bekannten Verfahren wird das Gewebe in ein homogenes Konstantmagnetfeld gegeben, und anschließend durch eine mag¬ netische Resonanzmessung (Relaxationszeitmessung) ausgemessen. Das Gewebe kann dabei als Gewebeprobe in vitro gemessen werden, oder in vivo, wobei der gesamte menschliche oder tierische Körper in das homogene Konstantmagnetfeld eingebracht wird.
Bei der Messung wird die magnetische Resonanz der Protonen des gesamten Wassers im Gewebe gemessen. Dieses Verfahren beruht auf der Erkenntnis, daß sich der Grad der Assoziierung derjenigen Wassermoleküle, die mit Proteinketten in den Zellme branen assoziiert sind, ausgehend von einem Normalzustand, der einem gesunden Zustand des Gewebes entspricht, in einen davon abweichenden abnormalen Endzustand ändern kann, wobei diese Änderung über eine Magnetische-Resonanz-Messung erfaßbar ist. Der abnormale Endzustand entspricht dem eines bösartigen (malignen) Tumors. Liegen nun Meßwerte von den entsprechenden
Geweben in den beiden Zuständen, nämlich Normalzustand und abnormaler Endzustand vor, so kann aus einem Vergleich dieser Meßwerte mit den Meßwerten des aktuell gemessenen Gewebes eine Zuordnung getroffen werden, nämlich in welchem der beiden Zustände sich das Gewebe zum Zeitpunkt der Messung befunden hat.
Nachteilig an einem derartigen Verfahren und einer solchen Vorrichtung ist, daß lediglich eine Ja/Nein-Aussage gemacht werden kann, d.h., ob sich das Gewebe in dem einen oder dem anderen Zustand befindet. Die Aussage darüber, daß sich das Gewebe in dem abnormalen Endzustand mit groben morphologischen Veränderungen befindet, ist auch durch klassische histologi- sche Methoden auf einfachere Art und Weise erbringbar und bringt keine Informationen über chemische Prozesse oder Zwi¬ schenzustände. Hat sich die Assoziation der Wassermoleküle mit den Proteinketten in den Zellmembranen derart verändert, daß dies durch die genannten Magnetische-Resonanz-Messungen erfaßbar ist, so liegt bereits ein. weiterentwickelter Tumor vor, d.h. ein in andere Zellen eindringende Wucherung unter Bildung von Metastasen. In diesem fortgeschrittenen Zustand ist eine medizinische Behandlung des Gewebes nur schwer möglich und meist nicht erfolgreich. Es ist zwar aus den Messungen nach dem eingangs genannten Verfahren möglich, gewisse Aussagen über den Grad der Malignität zu machen, Voraussetzung dafür ist jedoch bereits das Vorhandensein eines malignen Tumors, d.h. die Aussage über das Vorhandensein des abnormalen Endzu¬ standes ist allenfalls dahingehend differenzierbar, wie weit fortgeschritten dieser Zustand innerhalb der gemessenen Gewebe¬ probe ist.
Ferner ist nachteilig an dem eingangs genannten Verfahren, daß sich die Veränderung in dem Ausmaß der Assoziierung der Wassermoleküle mit den Proteinen der Zellmembrane manifestiere muß, d.h., daß die gemessene Veränderung erst als Folge eines Tumorwachstums zu detektieren ist. Andere chemische Verände¬ rungen, die früher stattfinden oder selbst als Ursache für die spätere Entwicklung eines malignen Tumors in Frage kommen, werden nicht erfaßt.
Aus dem Dokument EP-A2-0 234 524 ist ein Verfahren bekannt, bei dem anhand magnetischer Resonanzmessungen von flüssigen Proben, z.B. Blutplasma, Serum oder dgl. Resonanzlinien in dem erhaltenen Spektrum ausgewählt werden, die anderen chemischen Substanzen als Wasser zugehörig sind, und die mit entsprechende charakteristischen Linien von Referenzspektren verglichen werden, die dem abweichenden abnormalen chemischen Zustand entsprechen, in dem ebenfalls diese Substanzen vorhanden sind. Bei der Vergleichsmethode werden die Halbwertsbreiten (Linien¬ breite im Spektrum, auf halber Höhe einer Linie) herangezogen, wobei die ausgewählten Linien Protonen von verschiedenen Klasse der Lipoproteine zuzuordnen sind. Die daraus abgeleiteten "Fossel-Indices" sind zwar praktisch handhabbare Zahlenwerte, die jedoch nur eine Ja/Nein-Aussage bezüglich Normalzustand oder malignem Endzustand ermöglichen, und die allenfalls eine Differenzierung über den Grad der Malignität des erreichten Endzustandes ermöglichen. Lipoproteine können auch bei chemi¬ schen Veränderungen im Blut festgestellt werden, die nicht auf einen malignen Tumor zurückzuführen sind. Ferner muß, damit ein maligner Endzustand eines Gewebes bestimmt werden kann, dieser schon sehr weit fortgeschritten sein, um aus dem Plasma verläßliche Aussagen zu treffen, die auch dadurch
erschwert sind, daß in dem ausgewählten Frequenzbereich im Plasma andere atypische Frequenzen zu beobachten sind (siehe dazu G.N. Chmurny et al., "A NMR Blood Test for Cancer: a Critical Assessment", NMR in Biomedicine, Vol. 1, No. 3, 1988).
Durch hochauflösende Magnetische-Resonanz-Messungen können Proteolipide sowohl in eindimensionalen als auch zweidimen- sionalen (2D-COSY = two-dimensional scalar correlated spectro- scopy) Spektren zur Ermittlung des chemischen Zustandes von Gewebe herangezogen werden können. L. C. Wright et al., "A proteolipid in cancer cells is the origin of their high-reso- lution NMR spectrum", FEBS letters, Vol. 203, No. 2, S. 164-168 (1986) .
Auch bei dem daraus bekannten Verfahren werden die Proteo¬ lipide im Plasma bestimmt, und lassen allenfalls den Rückschluß auf einen bedenklichen malignen Endzustand des Gewebes zu. Es ist zwar daraus bekannt geworden, daß durch hochauflösende Magnetisc e-Resonanz-Messungen gewisse, für den chemischen Endzustand charakteristische Substanzen möglicherweise bereits zu einem Zeitpunkt ermittelt werden können, zu dem klassische histologische Methoden dies noch nicht können, diese Verfah¬ rensweise erlaubt jedoch ebenfalls nur die Aussage, daß dieser Endzustand, nämlich der maligne Zustand des Gewebes, bereits vorhanden ist.
Weitere Untersuchungen haben die zuvor erwähnten Kenntnisse untermauert, nämlich daß über hochauflösende Magnetische- Resonanz-Messungen die chemischen Endzustände von Gewebe, die malignen Zuständen entsprechen, möglicherweise zu einem wesent¬ lich früheren Zeitpunkt erkannt werden können, als dies nach
klassischen histologischen Methoden möglich ist (C. E. Mountfo et al. "Classification of Human Tumours by High-Resolution Magnetic Resonance Spectroscopy", THE LANCET, Vol. 1, March 22, 1986, S. 651 - 653). Nachteilig auch an dieser Verfah¬ rensweise ist, daß allenfalls der chemische Endzustand zu einem früheren Zeitpunkt erkannt werden kann, dieser aber ebenfalls bereits eingetreten sein muß.
Weitere Untersuchungen haben ergeben, daß Magnetische-Resonanz Messungen zur Bestimmung des chemischen Zustandes von Gewebe auch andere Kerne als Protonen, nämlich z.B. Phosphor- oder Fluorkerne herangezogen werden können, wobei dies bei verschie denartigen Geweben des menschlichen und tierischen Körpers möglich ist. (C.E. Mountford et al., "NMR Analysis of Cancer Cells" Progress in Clinical Biochemistry and Medicine, 1986, Vol. 3, S. 73-112) .
Nachteilig an allen zuvor erwähnten Verfahren und Vorrichtunge ist, daß sie lediglich eine Aussage darüber ermöglichen, ob ein gewisser chemischer Endzustand bereits vorhanden ist, wobei allenfalls dahingehend differenziert werden kann, wie weit dieser chemische Zustand bereits in dem Gewebe fortge¬ schritten ist.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist daher, diese Nachteile zu überwinden und ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaf¬ fen, mittels derer die chemischen Übergangszustände zwischen einem chemischen Normalzustand und einem abweichenden abnormal Endzustand ermittelt werden können.
Erfindungsgemäß wird die Aufgabe bei einem Verfahren der eingangs genannten Art dadurch gelöst, daß die erhaltenen Meßwerte mit einer solchen Reihe an Referenzmessungen verglichen werden, die auch die erfaßbaren charakteristischen Obergangs- zustände zwischen dem chemischen Normalzustand und dem abnor¬ malen Endzustand enthalten, und daß aus dem Vergleich der chemische Obergangszustand der gemessenen Gewebeprobe bestimmt wird.
Erfindungsgemäß wird die Aufgabe bei einer Vorrichtung der eingangs genannten Art dadurch gelöst, daß die Mittel zum Speichern von Referenzwerten durch eine Datenbank gebildet werden, die eine solche Reihe an Referenzwerten von Referenz¬ messungen enthält, die auch die erfaßbaren charakteristischen Obergangszustände zwischen dem chemischen Normalzustand und dem chemisch abnormalen Endzustand umfassen, und daß eine Auswerteeinheit vorgesehen ist, die aus dem Vergleich der Meßwerte eine Zuordnung der aktuellen Messung zu einem chemi¬ schen Obergangszustand gibt.
Die erfindungsgemäße Aufgabe wird deswegen vollkommen gelöst, da durch den Vergleich mit Meßwerten von Obergangszuständen, die für den Endzustand selbst noch nicht charakteristisch sind, es möglich ist, den aktuellen chemischen Zustand des gemessenen Gewebes zwischen den beiden Grenzzuständen, nämlich Normalzustand (gesund) und abnormaler Endzustand (maligne) , qualifiziert einzuordnen. Dies beruht auf der Kenntnis, daß bei der Umwandlung von einem chemischen Normalzustand in einen davon abweichenden abnormalen Endzustand charakteristische chemische Obergangszustände durchlaufen werden, die über Magnetische-Resonanz-Messungen erfaßbar sind. Intensive Nach-
forschungen haben ergeben, daß sich die Veränderung des Gewebes von einem chemisch normalen Zustand in einen davon abweichenden abnormalen Endzustand in mehrstufigen chemischen Prozessen abspielt, bei denen charakteristische Substanzen gebildet oder verbraucht werden, die über Magnetische-Resonanz-Messungen erfaßt werden können. Dazu ist es dann notwendig, eine Datenban mit einer Reihe an Meßwerten von Referenzmessungen für diese Obergangszustände anzulegen, was beispielsweise dadurch ge¬ schehen kann, daß entsprechende Gewebeproben von verschiedenen tierischen oder menschlichen Individuen in verschiedenen chemi¬ schen Zuständen über Magnetische-Resonanz-Messungen ausgemessen werden und der entsprechende Datensatz in der Datenbank ge¬ speichert wird. Die Meßwerte einer aktuellen Messung des Gewebe wird dann mit den charakteristischen Referenzwerten dieser Datenbank verglichen und daraus der aktuelle chemische Zustand des Gewebes bestimmt. Die charakteristischen Daten zur Bestim¬ mung des Umwandlungszustandes einer Zelle ergeben sich durch das Speichern und Einordnen einer großen Anzahl an Messungen von entsprechendem Gewebe verschiedener Individuen in verschie¬ denen chemischen Zuständen, beispielsweise von verschiedenen Altersgruppen mit einer breiten Streuung. So haben zahlreiche und über längere Zeiträume durchgeführte Magnetische-Resonanz- Messungen deutlich aufgezeigt, daß z.B. gesundes menschliches Gewebe, wie das nachfolgend anhand der Ausführungsbeispiele näher erläutert wird, bei der Umwandlung in ein von Krebs befallenes Gewebe klar erfaßbare Zwischenzustände durchschrei¬ tet. Diese chemischen Zwischenzustände, die noch nicht zu dem Endzustand geführt haben, also beispielsweise zu einem bösarti¬ gen Karzinom, können durch beispielsweise chemische oder frühzeitige chirurgische Maßnahmen an der Weiterentwicklung in Richtung abnormalem Endzustand gehindert werden, so daß
dieser für das Gewebe und letztendlich auch für den entsprechen¬ den tierischen oder menschlichen Körper zerstörerische Endzu¬ stand nicht mehr erreicht wird. Das erfindungsgemäße Verfahren eröffnet daher eine Früherkennung und damit auch eine frühe Behandlungsmöglichkeit von krebsgefährdetem Gewebe.
Bei einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird das Gewebe mittels einer hochauflösenden, insbesondere einer zweidimen- sionalen, beispielsweise einer 2D-COSY-Magnetischen-Resonanz- Messung ausgemessen und mit einer Reihe von entsprechenden Messungen von verschiedenen chemischen Übergangszuständen von entsprechendem Gewebe verglichen.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß mittels der zweidimen- sionalen Kernresonanzspektroskopie eine zusätzliche Auftrennung der vielfältigen und im eindimensionalen Spektrum sonst über¬ lappenden Resonanzsignale erzielt werden kann. So ist es bei¬ spielsweise möglich, chemisch sehr ähnliche CH3-Gruppen anhand ihrer Kopplung mit benachbarten CH2- oder CH-Gruppen zu identi¬ fizieren und daraus die jeweilige CH3-Gruppe einer bestimmten Verbindung, beispielsweise einer Aminosäure im Gewebe zuzuord¬ nen. Es wurde festgestellt, daß bei der Änderung des chemischen Zustandes der Zellen von menschlichem Gewebe verschiedene Metabolite, z.B. Aminosäuren produziert oder freigesetzt werden, die im Rahmen einer einzigen Messung über zweidimensionale Kernresonanzspektroskopie erfaßt werden können.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird als Kriterium des Vergleichs zwischen aktuellen Meßwerten des Gewebes und der Reihe an Referenzmeßwerten zumindest ein charakteristischer
Cross-peak ausgewählt, und ermittelt, ob der zumindest eine Cross-peak vorhanden ist oder nicht.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß durch einfach durchzuführe de Vergleiche ein Obergangszustand ermittelt werden kann.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird bei der hochauflösenden zweidimensionalen Magnetischen-Resonanz-Messun des Gewebes ein oder mehrere Hochfrequenzimpulse, insbesondere der erste, die Transversalmagnetisierung erzeugende Hochfre¬ quenzimpuls frequenzselektiv auf das Gewebe eingestrahlt, wobei die Bandbreite des Hochfrequenzimpulses zumindest die Resonanzfrequenz eines für einen chemischen Obergangszustand charakteristischen Moleküls umfaßt.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß in der ersten Zeitdomäne (Anregunsphase) nur diejenigen Gruppen angeregt werden, bei¬ spielsweise CH-Gruppen, die bei Metaboliten, die für chemische Obergangszustände von Gewebe charakteristisch sind, auftreten, so daß in der zweiten Zeitdomäne (Detektionsphase) dann nur noch die Informationen über die Kopplungen dieser CH-Gruppen mit anderen Gruppen, z.B. CH3-Gruppen des jeweiligen Metabolite eingeholt werden, um eine eindeutige Identifizierung des jeweiligen Metaboliten sicherzustellen.
Dies hat den Vorteil, daß sehr rasch und gezielt diejenigen Messungen durchgeführt werden können, die die notwendige Information liefern, um einen gewissen chemischen Obergangs¬ zustand zu charakterisieren.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung werden, bei der Durchführung einer Magnetischen-Resonanz-Messung, nach Ein¬ strahlung eines ersten, die Transversal-Magnetisierung erzeu¬ genden Impulses so viele weitere, insbesondere 180°-Impulse vor dem zur Messung des freien Induktiσnszerfalls herangezogenen Impuls eingestrahlt, bis die Bedingung . te größer T.ni für die nicht erwünschten Signale erfüllt ist, wobei m = der Anzahl der weiteren Impulse, te die Spinechoevolutionszeit und T2-11 die transversale Relaxationszeit nach dem zur Messung des freien Induktionszerfalls herangezogenen Impuls der nicht erwünschten Signale ist.
Durch diese Maßnahme wird ein T2-gefiltertes Spektrum erhalten, bei dem die nicht aussagekräftigen Signale ausgefiltert sind, so daß lediglich die zu überprüfenden Signale erfaßt werden.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß die Meßergebnisse anhand einfacher Spektren darzustellen sind, die dann entsprechend rasch und einfach sowohl visuell oder auch mittels rechnerge¬ steuerter Anlagen ausgewertet werden können.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung werden die chemischen Obergangszustände des Gewebes zwischen Normal- und Endzustand in "unkritische", "bedenkliche" und "pre-maligne" Zustände unterteilt, wobei die entsprechenden Meßwerte der Referenzmessungen diesen Gruppen an Zuständen zugeordnet werden, so daß beim Vergleich der Meßwerte des gemessenen Gewebes zugleich eine Zuordnung zu einer Gruppe an vorgegebenen chemi¬ schen Obergangszuständen erfolgt.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß die Ermittlung dahingehend vereinfacht ist, daß durch die rastermäßige Einteilung der verschiedenen chemischen Zustände besonders einfach erfaßbar der jeweilige Zustand zugeordnet werden kann. Dies eröffnet die Möglichkeit von Routineermittlungen mit dem erfindungsge¬ mäßen Verfahren, die ohne weitere differenzierte Erklärungen oder Deutungen auch einem Laien aussagekräftig den jeweiligen chemischen Zustand des Gewebes vermitteln. Der Vergleich eines aktuellen gemessenen Spektrums mit gespeicherten Referenz¬ spektren kann visuell, aber auch vorzugsweise automatisch geschehen, etwa über ein Programm zur automatischen Spektren¬ erkennung. Bei der automatischen Meßwerterfassung und -auswer- tung muß nicht ein komplettes 2D-Spektrum erstellt werden, sondern es genügt unter Umständen, gezielt nur die relevanten Cross-peaks zu vermessen und mit vorgegebenen Schwellwerten zu vergleichen. Diese Einschränkung spart Meßzeit oder erlaubt bei gleicher Meßzeit im interessierenden Bereich eine höhere Auflösung.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird der Reihe an Referenzmessungen solche Werte hinzugefügt, die chemischen Zwischenzuständen des Gewebes entsprechen, die aus chemischen Veränderungen stammen, die nicht unmittelbar in direkten chemischen Umwandlungsprozeß zwischen normalen und abnormalen Endzustand beteiligt sind, wobei diese Veränderungen jedoch zu dem zum abnormalen chemischen Endzustand führenden Umwand¬ lungsprozeß führen können.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß auch solche chemische Umwandlungsprozesse bei dem Ermittlungsverfahren einbezogen werden, die aus anderen chemischen Umwandlungsprozessen stammen
die aber im Laufe ihrer Umwandlung ein Stadium erreichen, das ebenfalls zu dem chemisch abnormalen Endzustand des Gewebes führen können. In praktischer Hinsicht hat dies dahingehend Bedeutung, daß ein Gewebe sich aufgrund verschiedenartiger Auslöseereignisse in den Umwandlungsprozeß auf den chemisch abnormalen Endzustand begeben kann. So kann beispielsweise eine das Gewebe befallende Krankheit dieses chemisch verändern, ohne daß dadurch ein solcher chemischer Prozeß ausgelöst wird, der zu dem chemisch abnormalen Endzustand führt. Es ist jedoch möglich, daß in einem von einer solchen Krankheit einmal befallen Gewebe latent eine Auslδsesubstanz vorhanden ist, die zu einem viel späteren Zeitpunkt doch noch einen Umwand¬ lungsprozeß in den chemisch abnormalen Endzustand auslösen kann. Wird also die latent vorhandene Auslδsesubstanz über eine Magnetische-Resonanz-Messung erfaßt, so kann diese ge¬ speichert werden und bei weiteren Ermittlungen dann berück¬ sichtigt werden. So wurde beispielsweise festgestellt, daß bei Frauen, deren Gewebe des Muttermundes mit Papillomaviren befallen war, einem erhöhten Krebsrisiko des Muttermundes ausgesetzt sind. Gewebe, das mit dem Papillomavirus befallen ist, weist über Magnetische-Resonanz-Messung erfaßtbare Sub¬ stanzen auf, die dann in den Meßwertsatz der Referenzmessungen aufgenommen werden können. Es ist also nicht nur möglich, den mit Papillomavirus befallenen Ist-Zustand festzustellen, sondern auch gleichzeitig die latente Gefahr für die Entwicklung zu einem bösartigen Krebs rechtzeitig zu dokumentieren und bei späteren Messungen zu berücksichtigen.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird eine durch Biopsie erhaltene Gewebeprobe oder durch Kultivierung erhaltene Zellmasse in vitro der Magnetischen-Resonanz-Messung unterzogen.
Im Sinne der vorliegenden Erfindung sind unter dem Begriff "Gewebe" auch derartige Zellmassen zu verstehen.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß das Verfahren mit einfache apparativem Aufwand durchgeführt werden kann, und daß die Gewebeprobe durch geeignete Zusätze meßtechnisch aufbereitet werden kann.
Es ist auch möglich, in vivo Kernresonanzspektren volumenselek tiv d.h. nur für einen bestimmten, räumlich definierten Bereic einer Probe aufzunehmen. Mit dieser Aufnahmetechnik ist es nämlich möglich, beispielsweise an einem lebenden Körper ein Kernresonanzspektrum eines bestimmten definierten Punktes in einem inneren Organ des Körpers aufzunehmen. Die Aufnahme von volumenselektiven Kernresonanzspektren ist eine an sich bekann Technik, Beispiele finden sich im Lehrbuch von Wehrli, Derek Shaw und J. Bruce Kneeland "Biomedical Magnetic Resonance Imaging", Verlag Chemie, 1988, Seiten 1 bis 45 und 521 bis 545
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird auf solche Cross-peaks in einem 2D-COSY-Protonen-Spektrum ausgewertet, die den für den Umwandlungsprozeß charakteristischen Metaboli¬ ten, insbesondere die für den Aufbau von menschlichem Eiweiß notwendigen Aminosäuren entsprechen. Dabei wird insbesondere eine Gewebsprobe des Gebärmutterhalses (Cervix uteri) heran¬ gezogen, und bei Vorhandensein von Cross-peaks von zumindest einer der Aminosäuren Isoleucin (Ile) , Leucin (Leu) , Valin (Va und/oder Phenylalanin (Phe) in der Gewebeprobe, wird der chemische Zustand als "pre maligne" gewertet.
Diese Maßnahmen haben den Vorteil, daß über bestimmte Parameter bestimmte chemische Zustände erfaßt werden können, z.B. ein solcher, der für das Gewebe noch nicht bedenklich ist, jedoch in hohem Maße geeignet ist, in den kritischen abnormalen chemischen Zustand überzugehen. In der praktischen Anwendung hat dies den Vorteil, daß Tumore, die sich noch nicht zu einem histologisch erkennbaren malignen Karzinom entwickelt haben, klar von diesem unterscheidbar erkannt und klassifiziert werden können, wobei ein Tumor in der "pre-malignen" Phase noch durch operative oder chemische Behandlungen entfernt werden kann, ohne daß das verbleibende Gewebe ernsthaft beeinträchtigt wird, und vor allem, bevor ein Metastasen verursachender maligner Zustand erreicht wird.
In einer weiteren Ausgestaltung wird bei der Ermittlung des chemischen Zustandes auf diejenigen Cross-peaks ausgewertet, die, neben den für den "pre-malignen" Zustand charakteristischen Signalen, Laktat zuordenbar sind, und wobei ein solcher chemi¬ scher Zustand als "maligner Endzustand" klassifiziert wird.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß eine relative scharfe Abgrenzung zwischen dem "pre-malignen" und dem "malignen Endzustand" geschaffen ist, somit eine klare Unterscheidung des chemischen Zustandes im Bereich des kritischen Oberganges zwischen "pre-maligne" und "maligne" möglich ist.
In einer weiteren Ausgestaltung der Erfindung wird eine Pro- tonen-Magnetische-Resonanz-Messung durchgeführt, bei der das Wassersignal durch Vorsättigung unterdrückt wird.
Diese Maßnahme hat den Vorteil, daß das intensive Signal des gegenüber den charakteristischen Substanzen in hohem Oberschuß vorhandenen Wassers unterdrückt wird, so daß dann störungs¬ frei auch interessierende Signale von Metaboliten in niedriger Konzentration ermittelt werden können.
Diese Maßnahme hat auch den Vorteil, daß beispielsweise die gesamte, einem Gewebe entnommene Probe in wässrigem Medium ausgemessen werden kann, so daß, auch sehr geringe Mengen an charakteristischen Substanzen, die auch nur in wenigen Zellen vorhanden sind, bereits erkannt werden können. Es besteht also nicht die Gefahr, wie bei klassischen histologischen Gewebeprobeuntersuchungen, daß möglicherweise in dem tatsächlic zur Untersuchung herangezogenen Schnitt nicht diejenigen Gewebeteile vorhanden sind, die den veränderten chemischen Zustand beinhalten.
Weitere Vorteile ergeben sich aus der Beschreibung und den beigefügten Zeichnungen. Es versteht sich, daß die vorstehend genannten und die nachstehend noch zu erläuternden Merkmale nicht nur in der jeweils angegebenen Kombination, sondern auch in anderen Kombinationen oder in Alleinstellung verwendbar sind, ohne den Rahmen der vorliegenden Erfindung zu verlassen. Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine schematische Darstellung von verschiedenen chemischen Zuständen von menschlichem Gewebe;
Fig. 2 ein 400 MHz Protonen-2D-COSY-Spektrum einer durch Biopsie gewonnenen Gewebeprobe eines weiblichen Gebärmutterhalses in einem Phosphatpuffer/D20- Gemisch, das sich in einem chemischen Normalzustand befindet;
Fig. 3 ein Diagramm zur Erläuterung der Impulsfolge, wie sie bei der Aufnahme des in Fig. 2 dargestellten Spektrums verwendet wurde;
Fig. 4 ein Diagramm einer Impulsfolge mit T2-Filterung;
Fig. 5 eine dem Spektrum von Fig. 2 entsprechendes Spektrum einer Gewebeprobe eines Gebärmutterhalses in fortgeschrittenem, invasiven Krebszustand;
Fig. 6 bis 11
2D-C0SY-Spektren entsprechend dem Spektrum von Fig. 2, wobei verschiedene aufeinanderfolgende chemische Obergangszustände von Gewebeproben zwischen dem in Fig. 2 gezeigten gesunden Zustand und dem in Fig. 5 gezeigten Zustand dargestellt sind, wobei in der rechten unteren Dreieckshälfte der Darstellung jeweils die in diesem Obergangs¬ zustand zusätzlich auftauchenden Cross-peaks aufgezeigt sind, und
Fig. 12 stark schematisiert eine erfindungsgemäße Vorrichtung.
In Fig. 1 sind stark schematisiert verschiedene Entwicklungs- zustände von Gewebe im Bereich des Gebärmutterhalses
(Cervix uteri) einer weiblichen Person dargestellt. Dabei entspricht das auf der linken Seite dargestellte Gewebe einem NORMAL-Zustand mit regelrechtem Zellbild. Daran schließt sich ein Zellbild an, wie es sich bei einer Infektion mit Papilloma- viren (Human Papilloma Virus) ergibt. Dabei haben am Gewebe selbst keine erkennbaren Veränderungen stattgefunden. Es können ebenfalls bläschenartige Vakuolen beobachtet werden. An das mit HPV bezeichnete Gewebebild schließt sich ein mit CIN (Cervical Intraepithelial Neoplasmia) bezeichneter Entwick¬ lungszustand mit einer intraepithelialen Neoplasie der Cervix an. Dabei werden zwei Bereiche des Grades 1 unterscheiden, nämlich solche mit sehr leichter und leichter ephitelialer Dysplasie. In den mit Grad 1 bezeichneten Entwicklungszuständen finden mehr oder minder ausgeprägte metaplastische, degenerativ bzw. regenerative Veränderungen des Gewebes statt. In dem mit Grad 2 bezeichneten Entwicklungszustand der mittelgradigen Dysplasie haben bereits schwere degenerative Veränderungen der Zellen stattgefunden bzw. es ist bereits eine große Anzahl regressiv veränderter Zellen vorhanden.
An diesem Bereich schließt sich ein mit Grad 3 bezeichneter Bereich der schweren Dysplasie an, die bereits als Vorstufe zu einem Karzinom anzusehen ist. Dieser Zustand wird im Sinne der vorliegenden Anmeldung schon als "pre-maligne" betrachtet. In diesem Zustand ist durch die klassischen histologischen Methoden das Gewebe noch nicht als Karzinom zu erkennen bzw. zu klassifizieren. In diesem Zustand kann sich das Gewebe wieder in einen Normalzustand zurückentwickeln, wobei die Regressionsrate nur etwa bei 20 % liegt, wohingegen die Re¬ gressionsrate bei mittlerer Dysplasie noch immerhin 50 % beträgt.
In den mit CIS (Carzinoma In Situ) bezeichneten Entwicklungszu¬ stand hat sich ein Karzinom gebildet, das noch nicht invasiv ist, d.h. es findet noch keine Wucherung in andersartigem Gewebe statt, d.h. es haben sich noch keine Metastasen gebildet.
Das Gewebe hat seinen chemisch abweichenden Endzustand dann vollständig erreicht, falls es im wesentlich aus malignen Tumorzellen aufgebaut ist, die invasiv sind, wie dies in Fig. 1 durch einen Pfeil 10 angedeutet ist.
Untersuchungen haben gezeigt, daß Gebärmutterhalsgewebe, das sich im Zustand Grad 1 (leichte bis mittlere Dysplasie) be¬ findet, mit einer mittleren Umwandlungszeit von 6 Jahren in Grad 2 Gewebe umwandelt. Die mittlere Umwandlungsdauer von Grad 2 in Grad 3 beträgt etwa 3 Jahre. Der Umwandlungszeitraum von Grad 3 in CIS beträgt etwa 1 Jahr.
Ferner wurde beobachtet, daß in einem Zeitraum von 10 Jahren etwa 70 % an in CIS eingestuftes Gewebe sich in ein invasives Karzinom fortentwickelt.
Erfolgsversprechende Behandlungsmethoden stehen bis zum Zustand CIS zur Verfügung, wobei in der Obergangsphase von Grad 1 zu Grad 3 noch chemische Behandlungsmethoden möglich sind, ohne daß ein chirurgischer Eingriff notwendig ist.
Die Obergänge von dem in Fig. 1 auf der linken Seite darge¬ stellten NORMAL-Zustand, der einem chemischen Normalzustand des Gewebes entspricht, zum auf der rechten Seite dargestellten invasiven Karziom, das einem abnormalen chemischen Endzustand des Gewebes entspricht, können anhand der nachfolgend aufge¬ zeigten 2D-COSY-Spektren ermittelt werden.
Zur Durchführung der Messungen, die zu den in Fig. 2, 5 bis 11 dargestellten 2D-COSY-Spektren führen, wird jeweils eine Gewebeprobe (1 x 2 x 3 mm) vom Gebärmutterhals von weiblichen Probanden entnommen. Die Proben werden in einen isotonen Kochsalz-Phosphatpuffer (PBS) in D20 gegeben, in flüssigem Stickstoff schockgefroren und dann bei -70°C aufbewahrt. Zum Durchführen der Messung wird die Gewebsprobe nach Auftauen erneut mit PBS/D20 gewaschen und auf einen Glaswollstopfen in einem 5-mm-Meßrδhrchen gelegt. Anschließend wird die Probe mit einem PBS/D2 O-Gemisch überschichtet. Die 2D-COSY-Messungen wurden bei 37°C mit einem Bruker WM-400 Spektrometer (9,4 Tesla) durchgeführt, der mit einem Aspect-2000-Computer (Bruker/Sepktrospin, Fallenden) ausgestattet ist. Als externer Standard wurde Natrium-3-(trimethylsilyl) -propylsulfonat verwendet.
Die Impulsfolge ist in Fig. 3 schematisch dargestellt.
Der Decoupler D sorgt für eine Vorsättigung des H2 O-Signales. Die Relaxationsverzδgerungszeit RD liegt etwa im Bereich von einer Sekunde. Danach wird ein 90°-Hochfrequenzimpuls Pi (6,3 μs) eingestrahlt.
Nach einer Evolutionszeit ti , nach der der Decoupler kein Sättigungssignal mehr aussendet, wird ein weiterer 90°-Hoch- frequenzimpuls P2 vom Sender T ausgesandt und anschließend während der Aquisitionszeit AQ der freie Induktionszerfall FID durch den Empfänger R gemessen.
Die Evolutionszeit ti wird in Zeitschritten tin inkrementiert, wobei ti von timin bis timax läuft, tm durch die gewünschte Spektralbreite SW vorgegeben ist, und folgendes gilt:
ti m a x = ti π i n + (TD1 - 1 ) ti n
Zur Verbesserung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses wird für jeden relativen Zeitpunkt ti die Messung n-mal wiederholt und akkumuliert.
Weitere typische Paramter sind AQ - 0,356 Sekunden, RD = 1 Sekunde, Pi = P∑ = 6,3 μs, tunin = 5 μs, tin = 348 μs und TD1 = 200, n = 32, SW = 2874 Hz, TD2 = 2048.
Nach der Messung wird eine TD1 x TD2 Datenmatrix in der Zeit¬ domäne erhalten, die über eine 2D-Fourier-Transformation eine entsprechende Matrix in der Frequenzdomäne ergibt.
Wie bereits erwähnt, können diese und die nachfolgend beschrie¬ benen Messungen so eingeschränkt werden, daß sie im wesentlichen die interessierenden Ausschnitte (Umgebung der Cross-peaks) der in Fig. 5 bis 11 dargestellten Spektren liefern. Diese können dann in kürzerer Zeit erhalten werden, oder, bei gleicher Meßzeit, mit besserer Auflösung.
In Fig. 2 ist ein Contour Plot des zweidimensionalen COSY- NMR-Spektrums der in Fig. 1 mit "NORMAL" bezeichneten Gewebe¬ probe dargestellt. Die in der Diagonale vorhandenen Höhenlinien zeigen ein Höhenlinienintensitätsprofil, das einem eindimen¬ sionalen Spektrum entspricht. Die chemischen Verschiebungen in ppm gegenüber dem Standard in der unteren waagerechten Skala sind wie in einem eindimensionalem NMR zu betrachten. Wie aus Fig. 2 zu entnehmen, treten beidseits der Diagonale, abgesehen vom sternförmigen Gebilde des Restwassersignals bei 4,7 ppm keine Cross-peaks auf.
Das in Fig. 5 dargestellte 2D-COSY-Spektrum ergab sich durch Messen einer Gebärmutterhalsgewebeprobe eines invasiven Karzi¬ noms, wie es also in Fig. 1 auf der rechten Seite dargestellt ist. Aus dem Vergleich zwischen Fig. 2 und 5 ist zu entnehmen, daß zahlreiche Cross-peaks paarweise symmetrisch zur Diagonale festzustellen sind. Deren Zuordnung zu den einzelnen Über- gangszuständen zwischen dem in Fig. 2 und dem in Fig. 5 gezeig ten Zuständen erfolgt anhand der in Fig. 6 bis 11 dargestellte Spektren.
Bei den in Fig. 6 bis 11 dargestellten Spektren entspricht die obere linke Dreieckshälfte dem oberen linken Dreieck der Darstellung in Fig. 5, also dem Spektrum des invasiven karzi- nδsen Gewebes. In der Reihenfolge der Spektren in Fig. 6 bis 11 sind im rechten unteren Dreieck jeweils nur diejenigen zusätzlichen Cross-peaks aufgezeichnet, die gegenüber einem vorher aufgezeigten Zustand zusätzlich auftreten, ohne daß die vorher aufgetretenen Cross-peaks nochmals aufgeführt sind.
Das in Fig. 6 gezeigte Spektrum entspricht dem in Fig. 1 mit HPV gekennzeichneten Zustand des Gewebes, d.h. das Gewebe war mit einem Papillomavirus infiziert.
Für diesen Zustand tauchen im Spektrum charakteristische Cross- peaks für die Aminosäuren Lysin (Lys, K) , Alanin (Ala, A) und Threonin (Thr, T) auf.
Das in Fig. 7 dargestellte Spektrum entspricht dem in Fig. 1 mit Grad 1 bezifferten Zustand mit leichter Dysplasie. In diese Zustand finden bereits Veränderungen in den Zellmembranen statt, wobei dies sich in Cross-peaks manifestiert, die im
Bereich von etwa 0,8 und 1,3 ppm (waagerechte Skala) erscheinen. Diese Cross-peaks können Lipidstrukturen zugeordnet werden.
Das in Fig. 8 dargestellte Spektrum entspricht einem in Fig. 1 mit Grad 2 bezeichneten Zustand mit fortschreitender Dysplasie. In diesem Veränderungszustand nehmen die durch die HPV-Infektion vorhandenen Vakuolen und die HPV zugeordneten Cross-peaks ab. Es treten die charakteristischen Cross-peaks für Methionin (Met, M, 2,2 ppm - 2,6 ppm) und Glutaminsäure (Glu, E, 2,2 ppm - 2,4 ppm) auf.
Die in Fig. 6 und 7 neu aufgetauchten Cross-peaks können in einer Gruppe an "unkritischen" Cross-peaks zusammengefaßt werden, die in Fig. 8 neu auftauchenden Cross-peaks der Gruppe "bedenklich". Die Daten (z.B. chemische Verschiebung, Inten¬ sität) dieser Cross-peaks werden in einer Datenverarbeitungs¬ anlage gespeichert.
Wird eine Gewebsprobe einer weiblichen Probandin entsprechend der zuvor beschriebenen Weise entnommen und einer 2D-COSY- Messung wie zuvor beschrieben unterzogen, und werden die ermittelten Daten (z.B. chemische Verschiebung, Intensität) mit den gespeicherten verglichen, so lassen die in Fig. 6 aufgezeigten Cross-peaks der Aminosäuren Lysin, Threonin und Alanin den Rückschluß auf eine HPV-Infektion zu. Diese Tatsache allein ist Anlaß, in Zeitabständen von etwa 1 bis 2 Jahren entsprechende Untersuchungen nachfolgen zu lassen, um festzu¬ stellen, ob nach der HPV-Infektion sich Cross-peaks zeigen, wie sie in Fig. 7 und 8 dargestellt sind. Werden solche Cross- peaks ermittelt, kann daraus dann auf eine sich entwickelnde Dysplasie geschlossen werden.
In Fig. 9 ist ein 2D-COSY-Spektrum einer Gewebsprobe darge¬ stellt, wie sie in Fig. 1 in die Kategorie Grad 3 eingestuft ist. In diesem "pre-malignen" Zustand treten verstärkt Cross- peaks von Aminosäuren auf, insbesondere von Isoleucin (Ile, I) , Leucin (Leu, L) Valin (Val, V) Threonin (Thr, T) Alanin (Ala, A) , Prolin (Pro, P) und Lysin (Lys, K) .
Dieser Zustand, wie er in Fig. 9 gezeigt ist, ist klar unter¬ scheidbar von dem in Fig. 10 dargestellten Zustand, der einen zusätzlichen Cross-peak bei 1,4 ppm - 4,1 ppm aufweist, der Lactat zuzuordnen ist. Der Lactat Cross-peak tritt erstmals in einem sehr frühen Zustand eines invasiven Karzinomes auf, er wurde jedoch nie in dem in Fig. 9 entsprechenden Zustand aufgefunden.
Somit ist der Cross-peak des Lactats ein mögliches deutliches Unterscheidungsmerkmal zum Abgrenzen des in Fig. 9 noch als "pre-malignes" Stadium zu bezeichnenden Zustandes von dem "frühen invasiven" Zustand von Fig. 10. Ein Gewebszustand, wie er durch das in Fig. 9 dargestellte Spektrum repräsentiert wird, ist bei einer histologischen Untersuchung noch nicht als Karzinom zu erkennen, so daß dieses Stadium durchaus nach histologischen Methoden noch in beispielsweise "Grad 2"-Stufen einklassifiziert werden könnte. Bedenkt man, daß die Progres¬ sionszeit von einem Zustand Grad 3 in CIS etwa ein Jahr beträg so wird die Bedeutung der klaren Unterscheidbarkeit gerade in diesem EndentwicklungsStadium, also der eindeutige Unterschied zwischen dem "pre-malignen" Stadium und dem "früh invasiven" Stadium bewußt.
Das in Fig. 10 dargestellte Stadium entspricht einem sehr frühen Stadium CIS, so daß dieser chemische Zustand wesentlich früher und zuverlässiger erkannt werden kann, als nach klassi¬ schen histologischen Methoden. So wurde in 19 Fällen durch das erfindungsgemäße Verfahren der Zustand CIS "früh invasiv" eindeutig festgestellt, obwohl andere Methoden 7 Fälle davon noch als "pre-maligne" eingestuft hatten.
Um CIS von invasivem Karzinom zu unterscheiden, muß der Patho¬ loge vollentwickelte atypische Krebszellen außerhalb des Epitheliums finden. Die pre-invasiven und invasiven Krebszellen sind an ihrer Morphologie nicht zu unterscheiden. Ferner kann der Pathologe mit klassischen histologischen oder cytologischen Methoden nicht erkennen, ob sich ein pre-invasiver Zustand in einen invasiven fortentwickeln wird oder sich zum Normalen zurückbilden wird.
In Fig. 11 ist ein Zustand dargestellt, der einem fortgeschrit¬ tenen invasiven Karzinom entspricht, und der durch zusätzliche Cross-peaks von Arginin (Arg, R) und Cholin gekennzeichnet ist.
Die Daten der in den Spektren von Fig. 6 bis 11 jeweils neu auftauchenden Cross-peaks werden jeweils gruppenweise ge¬ speichert und die Daten der Spektren von aktuellen Gewebsproben damit verglichen und entsprechend der zuvor erwähnten Eintei¬ lungen den Gruppen "unkritisch", "bedenklich", "pre-maligne", "früh-invasiv" und "fortgeschritten invasiv" zugeordnet. Aus diesen Zuordnungen können dann Diagnosen gestellt und Behand¬ lungsmethoden durchgeführt werden.
Vergleichbare Ergebnisse wurden auch mit anderen Gewebsproben des menschlichen Körpers erzielt, nämlich mit Darm-, Lungen-, Lymphknoten- und Hautgewebe.
In Fig. 4 ist die Impulsfolge einer 2D-COSY-Meßmethode darge¬ stellt, bei der eine T2 -Filterung von unerwünschten Signalen durchgeführt wurde. Dies dient dazu, unspezifische Signale auszufiltern und nur auf die charakteristischen Cross-peaks, beispielsweise die von Fig. 6 bis 10 zu messen.
Dabei wird vom Sender T ein 90°-Hochfrequenzimpuls Pi > als Anregung eingestrahlt, und nach einem Zeitpunkt te /2 werden so oft 180°-Hochfrequenzimpulse P2 ' eingestrahlt, daß folgende Bedingung erfüllt ist:
m . te > T2 -Wert für die nicht erwünschten Signal¬ komponenten
Danach wird ein dritter 90°-Impuls P3 eingestrahlt und daraufhin der freie Induktionszerfall FID gemessen. Der Decoupler D sorgt bis zum Impuls P3 für eine entsprechende Vorsättigung des Wassersignales.
Um Meßzeit einzusparen, kann z.B. ein selektives zwei- oder eindimensionales COSY-Experiment anstelle der oben beschriebenen Messung durchgeführt werden. Der normalerweise breitbandige Anregungspuls Pi , Pi ' kann durch einen selektiven Puls mit eingeschränkter Bandbreite (z.B. amplitudenmodulierter Puls mit der Form einer Gauss- oder Sinc-Funktion) ersetzt werden. Dadurch kann die Zahl der notwendigen ti -Punkte stark reduziert
werden, um nur die wichtigsten streifenfδrmigen Bereiche der 2D-Matrix zu erfassen.
Es können somit für bestimmte Zustände charakteristische Cross- peaks, beispielsweise die in Fig. 6 bis 8 beschriebenen Cross- peaks gezielt ausgemessen werden, um zu entscheiden, ob sich das gemessene Gewebe in einer unkritischen Phase befindet oder nicht. Dementsprechend können dann gezielt die in Fig. 9 und 10 dargestellten zusätzlichen Cross-peaks ausgemessen werden, um den Obergangszustand zwischen "pre-malignen" und "früh-invasiven" Zustand zu ermitteln.
Es ist auch möglich, vor der Durchführung von 2D-COSY-Spektren zunächst ein eindimensionales, möglicherweise ebenfalls gefil¬ tertes Spektrum voranzuschalten. Dadurch können solche Linien bestimmt werden, die bereits in einem eindimensionalen Spektrum charakteristisch für Obergangszustände zuordenbar sind. Aufgrund der Vorinformation durch die eindimensionalen Spektren ist 'es dann möglich, bereits frequenzselektiv (beispielsweise mittels des ersten Impuls Pi oder Pi ') die Messung durchzuführen. Dies verkürzt wiederum die Meßzeit.
Es können auch andere 1D- oder 2D-Meßsequenzen beim erfin¬ dungsgemäßen Verfahren herangezogen werden, die zur Detektion von ausgewählten Peaks besonders geeignet sind, z.B. I-Modu- lierung, scalare bzw. dipolare selektive oder nicht-selektive Korrelation.
In Fig. 12 ist stark schematisiert eine Vorrichtung 10 zur Durchführung des zuvor beschriebenen Verfahrens dargestellt.
Die Vorrichtung 10 weist ein hochau lösendes, Magnetisches- Resonanz-Spektrometer 12 auf, beispielsweise das zuvor erwähnte Bruker WM-400 Spektrometer.
Das Spektrometer 12 ist mit einem Analog-Digital-Wandler 14 verbunden, der die vom Spektrometer 12 erfaßten analogen Daten digitalisiert einem Rechner 16 zuführt. Der Rechner 16 kann bei spielsweise die in der Zeitdomäne erhaltenen Meßwerte über eine Fourier-Transformation in die Frequenzdomäne transformieren.
Der Rechner 16 führt die Daten einem Spektraldatenspeicher 20 z
Der Spektraldatenspeicher 20 übermittelt seine Daten einer Auswerteeinheit 22.
Die Auswerteeinheit 22 ist mit einer Datenbank 24 verbunden, in der ein Datensatz an Meßwerten von Referenzmessungen ge¬ speichert ist.
Der Datensatz enthält sämtliche zur Verfügung stehenden Meßwert eines Gewebes zwischen einem chemisch normalen (gesunden) Zustand und einem chemisch abnormalen Endzustand (stark in- vasives Karzinom) . Die Meßwerte selbst können bereits bear¬ beitet, dabei insbesondere auf charakteristische Merkmale, wie beispielsweise Intensitätsschwellwerte, reduziert sein.
Die Auswerteeinheit 22 ist mit einem Speicher 26 für einen Auswertealgorithmus verbunden.
Der Speicher 26 kann verschiedene Auswerteroutinen enthalten, die an die jeweilig ausgewählte Art an gewünschter Auswertung
angepaßt ist. Ober die Auswerteroutine kann beispielsweise der Datensatz in der Datenbank 24 nur nach bestimmten vor¬ gegebenen Werten abgesucht werden, es ist selbstverständlich möglich, auch alle Werte abzusuchen und diese mit allen durch das Spektrometer in einer aktuellen Messung erfaßten Daten zu vergleichen. Dazu ist die Auswerteeinheit 22 mit dem Rechner 16 verbunden. Der Rechner ist außerdem über eine Steuereinheit 18 mit dem Spektrometer 12 verbunden.
Die Auswerteeinheit 22 ist mit einer Ausgabeeinheit 28 zur Anzeige des chemischen Öbergangszustandes verbunden.
Die Auswerteeinheit 28 kann das Ergebnis der Auswertung in der jeweils gewünschten Art und Weise darstellen, beispielsweise als Zahlenwert, als Spektrum oder auch als lesbares Ergebnis, wobei beispielsweise die in Fig. 1 dargestellte Unterteilung herangezogen wird.
Dies erleichtert das Vermitteln von Ergebnissen von Routineun¬ tersuchungen dahingehend, daß der aktuelle Zustand des Gewebes lesbar ausgegeben wird, beispielsweise als CIN, Grad 1, "leichte Dysplasie".
Ein Probenkopf 30 des Spektrometers 12 ist im Falle von Gewebs- untersuchungen in vitro so ausgebildet, daß ein die Gewebsprobe aufnehmendes Meßrδhrchen eingebracht werden kann.
Es ist selbstverständlich auch möglich, den Probenraum des Spektrometers 12 so auszugestalten, daß in vivo Messungen durchgeführt werden können. Es ist dann beispielsweise möglich, mit Oberflächen-HF-Spulen Körperbereiche auszumessen. Im Fall von Gebärmutteruntersuchungen ist es auch möglich, eine ent¬ sprechende Sonde in den Unterleib einzuführen.