Beschreibung
Virtueller Sensor auf einer übergeordneten Maschinenplatt- form
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren für virtuel le Sensoren in einem Automatisierungssystem, und insbesondere ein Verfahren zum Bereitstellen virtueller Sensoren auf einer übergeordneten Maschinenplattform in einer industriellen An lage, welche zur Ergänzung physikalischer Sensoren an der An lage betrieben werden.
Weiter werden ein entsprechendes Automatisierungssystem und Computerprogramm bereitgestellt.
Hintergrund
Um eine maschinelle Produktion in einer industriellen Anlage überwachen und steuern zu können, ist es erforderlich zahl reiche Messwerte an Maschinenkomponenten zu verarbeiten und diese dem Betreiber auf einer Maschinenplattform, d.h. einem der industriellen Anlage übergeordneten Hardware- und Soft ware-Computersystem, bereitzustellen.
Entsprechend können bei herkömmlichen Verfahren Messdaten über physikalische Sensoren an den einzelnen Maschinenkompo nenten erfasst werden. Dabei können physikalische Sensoren an Maschinenkomponenten angebracht werden, um Messdaten, z.B. über Steuergeräte, zu erfassen. Diese Messdaten können auf einem Human-Maschine-Interface (HMI) oder einer Plattform, beispielsweise einer übergeordneten Maschinenplattform wie einem Edge Computing System, bereitgestellt werden. Bei spielsweise kann zur Messung der Temperatur an einem Motor dementsprechend ein geeigneter Temperatursensor an einer thermisch gut angebundenen Messstelle an dem Motor platziert sein .
Aus den Dokumenten US 2018/300124 Al, US 2016/098501 Al, Pe ter J Maloney ET AL: "Pneumatic and Thermal State Estimators for Production Engine Control and Diagnostics" (SAE Technical Paper Series - Electronic Engine Controls 1998), TOP PHILIP ET AL: "Integration of functional mock-up units into a dynam- ic power Systems Simulation tool" (2016 IEEE POWER AND ENERGY SOCIETY GENERAL MEETING ( PESGM) , IEEE, 17. Juli 2016),
SHEIKHOLESLAMI RAZI ET AL: "Progressive Latin Hypercube Sam pling: An efficient approach for robust sampling-based analy- sis of environmental models" (ENVIRONMENTAL MODELLING &
SOFTWARE, ELSEVIER, AMSTERDAM, NL, Bd. 93, 23. März 2017) sind bereits Aspekte virtueller Sensoren bekannt.
Aus der Druckschrift US 2018/300124 Al ist es bereits ein Ma schinenlernverfahren einzusetzen, das aus den Messungen eines physikalischen Sensors lernt. US 2016/098501 Al offenbart den Einsatz einer Simulation in direkter Verknüpfung mit einem physikalischen Sensor. Die Veröffentlichung von TOP PHILIP ET AL beschäftigt sich mit „Functional mock up units". Die Ver öffentlichung von Peter J Maloney ET AL beschäftigt sich mit Modellen zur Bestimmung von Gaszuständen. Die Veröffentli chung von SHEIKHOLESLAMI RAZI ET AL beschäftigt sich mit Si mulation im Allgemeinen.
Abhängig von Art und Ort der zu messenden Größe, kann dies jedoch aufwändige Sensoren und Messeinrichtungen erfordern. Zudem kann es Vorkommen, dass ein Messwert nicht ermittelt werden kann, da die Messtechnik den eigentlichen Prozess- /Vorgang beeinflussen würde. Beispielsweise kann bei einer Messung der Strömungsgeschwindigkeit innerhalb einer Düse die Strömung maßgeblich durch den Messapparat beeinflusst werden.
Zudem kann bei einer Messung meist nur ein einzelner lokaler Wert erfasst werden kann, nicht aber ganze Felder. Jede ge ringfügige Änderung der Messposition führt zu einer Änderung des Messaufbaus, was eine aufwändige Neuj ustierung, einen Um bau und auch eine Neukalibrierung erforderlich machen kann. Zudem können ältere Maschinen und Anlagen meist nur mit sehr
hohem Aufwand mit zusätzlicher Messtechnik ausgestattet wer den .
Auf der anderen Seite werden bereits während der Maschinen-, Prozess- oder Produktentwicklung detaillierte digitale Simu lationsmodelle erstellt und mit der Realität abgeglichen. Mit diesen digitalen Prototypen können nahezu alle physikalischen Größen, welche während der Simulation betrachtet werden, ohne aufwändige Sensoraufbauten bestimmt werden. Eine Variation der Messposition oder des Messaufbaus ist einfach und kosten günstig möglich und der eigentliche Prozess/Vorgang wird bei der Messung nicht beeinflusst.
Konventionelle Simulationsmodelle benötigen in der Regel eine hohe Rechenzeit von bis zu mehreren Stunden bis Tagen. Selbst kleinste Parameteränderungen an einem konventionellen Simula tionsmodell führen deshalb dazu, dass lange Zeit auf die neu en Ergebnisse gewartet werden muss.
Ein Problem der Simulationsmodelle ist jedoch, dass die An wendung der Simulationsmodelle eine lange Rechenzeit nach sich ziehen, meist nur Experten zugänglich sind, und oft in spezieller Expertensoftware entwickelt werden müssen.
Mit zunehmender Digitalisierung wurden neben physikalischen Sensoren auch virtuelle Sensoren oder sogenannte Soft- Sensoren entwickelt, welche eine weitere Möglichkeit darstel len, Messdaten einer industriellen Anlage zu bereitzustellen.
Virtuelle Sensoren können grundsätzlich über drei verschiede ne Arten generiert werden. Zum einen ist eine rigorose Model lierung möglich, wobei eine Beschreibung über Gesetzmäßigkei ten, z.B. Naturgesetze oder auch über Simulationsmodelle, er folgt. Des Weiteren können statistische Regressionsverfahren, wie zum Beispiel eine Ableitung von Regressionskurven aus be stehenden Datensätzen zur Anwendung gelangen. Zudem können Künstliche Intelligenz (KI ) -Algorithmen beziehungsweise Clus teranalysen, welche ein Ableiten von Regeln und Gesetzmäßig-
keiten aus vorhandenen Daten bereitstellen, eingesetzt wer den .
Bei einem sogenannten „Model Order Reduction" Verfahren kann die Rechenzeit verkürzt werden. In einfachen Fällen gelingt dies so gut, dass das reduzierte Modell nahe Echtzeit auf Pa rameteränderungen reagieren kann. Werden explizit an einer Stelle die Messdaten an einem reduzierten Modell abgerufen, ergibt dies einen virtuellen Sensor, wie aus der Druckschrift "Comparison of model order reduction methods for optimal Sen sor placement for thermo-elastic models" von Benner, Herzog, Lang, Riedel und Saak, in Engineering Optimization, 51(3), 465-483, 2017, bekannt. In Fällen von Modellen mit einer Vielzahl von Parametern ist jedoch durch die längere Rechen dauer eines Solvers für das Modell keine Echtzeitfähigkeit gegeben .
Weiterhin stellen bekannte Verfahren unter Verwendung eines sogenannten Functional Mock-Up Interface (EMI) eine Vereinfa chung dar. Aufgrund der hohen Anzahl unterschiedlicher Simu lationsdomänen (z.B. Strukturmechanik, Fluidik, Thermik) und der noch viel höheren Anzahl an unterschiedlichen Software pakten, welche bei domänenübergreifender Betrachtung techni scher Systeme miteinander Simulationsdaten austauschen müs sen, wurde das sogenannte Functional Mock-Up-Interface (EMI) ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein einheitliches Format zu finden, das den Austausch von Simulationsmodellen/-daten zwi schen den unterschiedlichen Softwarepaketen erlaubt und von einer Vielzahl an Softwarepaketen unterstützt wird. Diese Schnittstelle kann nicht nur dazu genutzt werden, um Simula tionsmodelle auszutauschen, sondern es können auch Simulati onsergebnisse in abstrahierter Form übertragen werden, was die Grundlage für virtuelle Sensoren auf Basis der FMI- Technologie darstellt.
Ein weiteres konventionelles Verfahren stellt das sogenannte Metamodel-of-Optimal-Prognosis (MOP) bereit. Gemäß dem MOP- Ansatz werden Simulationsdaten abstrahiert und in einer Func-
tional Mock-Up Unit (EMU) abgebildet, wie aus dem Dokument "Metamodel of Optimal Prognosis-an automatic approach for va riable reduction and optimal metamodel selection" von Most, Will in Proceedings of Weimarer Optimierungs-und Stochastik tage, 5, 20-21, 2008, bekannt. Gemäß dem MOP-Ansatz wird eine bestimmte Größe über möglichst wenige Simulationsparameter über ein geeignetes Simulationsmodell und eine Solver vorher gesagt, wobei ein MOP eine abschnittsweise definierte Funkti on umfasst. Beispielsweise kann für ein Relais ermittelt wer den, dass die Ankerposition des Relais mit 93% Genauigkeit vorhergesagt werden kann, wenn magnetische Flussdichte und Erregungsstrom der Spule bekannt sind. Das MOP der Ankerposi tion in Abhängigkeit von Flussdichte und Erregungsstrom kann in ein EMU transferiert werden, und über ein spezielles In terface auf einem Standard-PC mit real gemessenen Daten ver bunden werden. Dabei werden die Daten des MOP über einen spe ziellen Solver abgerufen. Unter Verwenden des Metamodel-of- Optimal-Prognosis werden jedoch keine echtzeitfähigen virtu ellen Sensoren über FMUs bereitgestellt, welche auf einer übergeordneten Maschinenplattform in einem Automatisierungs system betrieben werden können, um die realen Messdaten von Maschinen und Komponenten zu ergänzen. Weiterhin ist es nicht möglich ein MOP ohne einen speziellen Solver zu verwenden, da gemäß dem MOP-Ansatz eine konventionelle Messung der Ankerpo sition bei bekannten Parametern durch Berechnung einer opti mierten Simulation ersetzt wird, wobei auf Basis eines opti mierten Simulationsmodells eine Ankerposition vorhergesagt wird. So setzt der MOP-Ansatz voraus, dass ein entsprechender Solver vorhanden ist, der in der Lage ist auf Basis der Ein gangsmessgröße die Zielgröße auszugeben.
Es besteht daher Bedarf nach einem verbesserten Verfahren zum Bereitstellen eines virtuellen Sensors in einem Automatisie rungssystem, welcher direkt auf einer übergeordneten Maschi nenplattform neben realen physikalischen Sensoren betrieben werden kann, und eine verbesserte Echtzeitfähigkeit und ein fachere Implementierung aufweist.
Zusammenfassung
Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen der unabhängigen Ansprü che gelöst. In den abhängigen Ansprüchen sind weitere Ausfüh rungsbeispielen der Erfindung beschrieben.
Gemäß einem ersten Aspekt wird ein Verfahren zum Bereitstel len eines virtuellen Sensors in einem Automatisierungssystem einer industriellen Anlage bereitgestellt.
In einem ersten Schritt wird in einer Verarbeitungseinrich tung des Automatisierungssystems ein Messwert eines physika lischen Sensors, welcher einem physikalischen Parameter der industriellen Anlage entspricht, empfangen.
Die Verarbeitungseinrichtung kann Bestandteil einer der in dustriellen Anlage übergeordneten Maschinenplattform sein, insbesondere eines Edge Computing Systems. Die Verarbeitungs einrichtung des Automatisierungssystems kann eine anlagenun abhängige, oder systemunabhängige, Verarbeitungseinrichtung sein .
Der Messwert des physikalischen Sensors kann ein Wert einer physikalischen Messgröße der industriellen Anlage, d.h. ein Anlagenzustandswert sein, und kann somit einen physikalischen Zustand der industriellen Anlage beschreiben. Der physikali sche Sensor kann der industriellen Anlage oder einer Maschi nenkomponente der industriellen Anlage zugeordnet sein, und kann somit reale Messwerte eines physikalischen Zustandes der Anlage bereitstellen .
In einem weiteren Schritt wird in der Verarbeitungseinrich tung ein Datensatz bereitgestellt, welcher durch ein Simula tionsmodell erzeugt wurde, und welcher einen Zusammenhang zwischen möglichen Messwerten des physikalischen Sensors und zugehörigen Ausgabewerten des virtuellen Sensors herstellt.
Zum Beispiel kann der Ausgabewert des virtuellen Sensors ein Wert einer physikalischen Messgröße der industriellen Anlage, welche nicht durch einen physikalischen Sensor gemessen wird, oder ein Anlagenzustandswert, sein, und kann somit einen Zu stand oder eine Eigenschaft der industriellen Anlage be schreiben, in anderen Worten definieren.
Zum Beispiel kann der Datensatz jeweils einen der möglichen Messwerte des physikalischen Sensors mit einem zugehörigen Ausgabewert des virtuellen Sensors verknüpfen, oder in ande ren Worten dem zugehörigen Ausgabewert zuordnen.
Zum Beispiel kann der Datensatz eine Vielzahl von möglichen Messwerten des physikalischen Sensors und eine Vielzahl von zugehörigen Ausgabewert des virtuellen Sensors umfassen, wel che jeweils ein Messwert mit einem zugehörigen Ausgabewert paarweise miteinander verknüpft ist, so dass mittelseiner Lookup-Tabelle jedem Messwert einen zugehöriger Ausgabewert zugeordnet ist.
Zum Beispiel kann der Datensatz eine Zuordnungsvorschrift, welche eine eindeutige Zuordnung zwischen den Messwerten und den jeweiligen Ausgabewerten bereitstellt, umfassen. Eine derartige Zuordnungsvorschrift kann eine einfache Funktion sein, welche als Variable die Messgröße des physikalischen Sensors enthält, damit kann eine Berechnung ohne Simulation, d.h. ohne Solver-Funktion, beispielsweise durch eine Executa- ble einer EMU erfolgen.
In einem weiteren Schritt wird in der Verarbeitungseinrich tung anhand des Datensatzes und anhand des empfangenen Mess werts bestimmt, welcher Ausgabewert des virtuellen Sensors zu dem empfangenen Messwert gehört.
Zum Beispiel wird unter Verwenden des Datensatzes dem Mess wert des physikalischen Sensors ein Ausgabewert des virtuel len Sensors zugeordnet.
In einem weiteren Schritt, welcher in manchen Ausführungsbei spielen optional ist, wird der bestimmte Ausgabewert auf ei ner Anzeigevorrichtung angezeigt.
In manchen Ausführungsbeispielen kann das Automatisierungs system, die übergeordneten Maschinenplattform, oder die in dustrielle Anlage die Anzeigevorrichtung umfassen. Das Anzei gen des bestimmten Ausgabewerts kann ein Anzeigen des empfan genen Messwertes umfassen.
In manchen Ausführungsbeispielen kann auch der empfangene Messwert des physikalischen Sensors auf der Anzeigevorrich tung angezeigt werden.
Das erfindungsgemäße Verfahren kombiniert somit reale Messda ten mit Simulationsmodellen durch virtuelle Sensoren, welche direkt auf einer übergeordneten Maschinenplattform neben den realen Messwerten betrieben werden können, und bringt somit die Vorteile von Simulationsmodellen in die reale Fabrik. So mit können die Daten einer "reduzierten Simulation" auf einer übergeordneten Plattform im Fabrikumfeld dargestellt werden, um reale Messdaten zu ergänzen, wodurch rigorose Modellierung und statistische Regressionsverfahren vereint werden können.
Die klassischen Meta-Modelle, insbesondere n-dimensionale Funktionen, lineare Funktionen, Tabellen oder technischen Grundgleichungen, welche der Datensatz umfassen kann, können herstellerunabhängig bereitgestellt werden, wodurch eine schnellere Implementierung in einem Automatisierungssystem vor Ort ermöglicht wird.
Durch die Verwendung einfacher Arten zur Wissensrepräsentati on in dem Datensatz, zum Beispiel mathematische Modellierung durch Metamodelle oder lineare Funktionen, oder einfache Ta bellen, wie Lookup-Tabellen, wird Echtzeitfähigkeit ermög licht .
Erfindungsgemäß wird ein virtueller Sensor bereitgestellt, welcher ausgebildet ist, um auf einer übergeordneten Maschine Plattform betrieben zu werden.
Im Vergleich mit realen, daher physikalischen Sensoren erge ben sich somit die folgenden Vorteile.
Eine einfache Implementierung um neue Sensoren in einem Fab rikumfeld wird ermöglicht, wobei keine Prozessbeeinflussung in der industriellen Anlage stattfindet. Des Weiteren wird eine vergleichsweise schnelle Änderung der Messposition des virtuellen Sensors ermöglicht, wobei keine Neukalibrierung des Sensors erforderlich ist. Dies kann dadurch bereitge stellt werden, dass mindestens ein weiterer Datensatz in der Verarbeitungseinrichtung bereitgestellt wird, wobei der wei tere Datensatz einer weiteren Messposition des virtuellen Sensors zugeordnet ist. Eine Messposition eines virtuellen Sensors entspricht dabei der Position des virtuellen Sensors, an welcher dieser entsprechend einer Simulation anhand eines Simulationsmodells an der industriellen Anlage angeordnet ist. Somit wird eine vergleichsweise schnelle Änderung der Messposition ermöglicht, wobei keine Neukalibrierung erfor derlich ist. Zudem wird dadurch eine Messung von Werten, wel che real nicht messbar wären, ermöglicht.
Im Vergleich zum Verfahren basierend auf Model Order Reduc- tion ergeben sich somit folgende Vorteile.
Durch verwenden eines Standardformats für den Datensatz wird ein Betrieb auf vielen Plattformen und Software Tools mög lich. Somit können virtuelle Sensoren unabhängig von der Si mulationsdomäne bereitgestellt werden. Zudem kann ein virtu eller Sensor reduziert auf einen einzelnen Sensorpunkt be reitgestellt werden. Weiterhin wird eine verbesserte Echt zeitfähigkeit der virtuellen Sensoren bei kleinen Parame teränderungen bereitgestellt.
Das erfindungsgemäße Verfahren stellt somit ein verbessertes Verfahren zum Bereitstellen eines virtuellen Sensors in einem Automatisierungssystem bereit, welcher direkt auf einer über geordneten Maschinenplattform neben realen physikalischen Sensoren betrieben werden kenn, wobei das Verfahren eine ver besserte Echtzeitfähigkeit und einfachere Implementierung auf der übergeordneten Plattform aufweist.
In einigen Ausführungsbeispielen kann das Erzeugen des Daten satzes vor den anderen Schritten durchgeführt werden.
Bei dem Erzeugen des Datensatzes können in einem ersten
Schritt unter Verwenden des Simulationsmodells eine Vielzahl von Ausgabewerten des virtuellen Sensors, basierend auf einem Variieren der möglichen Messwerte des physikalischen Sensors, über einen vorbestimmten Definitionsbereich hinweg, berech net, d.h. simuliert, werden.
Vor Betrieb des virtuellen Sensors werden somit eine Vielzahl von Simulationen, zum Beispiel eine Simulation für jeden der möglichen Messwerte des physikalischen Sensors, durchgeführt, wobei die Ergebnisse der Simulationen die Ausgabewert für den virtuellen Sensor darstellen. Dabei können die möglichen Messwerte innerhalb eines Definitionsbereiches liegen, wel cher den Bereich angibt, in welchem die möglichen Messwerte des physikalischen Sensors liegen können.
In einem weiteren Schritt können die Messwerte sowie die zu gehörigen Ausgabewerte in einem Datensatz zusammengefasst werden, und abgespeichert werden.
In einigen Ausführungsbeispielen kann durch Fitfunktionen, oder statistische Regressionsverfahren basierend auf den Messwerten und Ausgabewerten, eine ein- bzw. mehrdimensionale Funktion an die diskreten Werte gefittet werden. In diesen Fall enthält der Datensatz die gefittete Funktion.
Das Erzeugen des Datensatzes kann durch einen Rechner durch geführt werden, welcher nicht von dem Automatisierungssystem,
der übergeordneten Maschinenplattform oder der industriellen Anlage umfasst ist. Insbesondere kann der Datensatz durch ei nen Rechner entfernt der industriellen Anlage erzeugt werden. In diesem Fall wird der Datensatz abgespeichert und an die Verarbeitungsvorrichtung übertragen, und in der Verarbei tungseinrichtung in einem dauerhaften Speicher gespeichert.
In einigen Ausführungsbeispielen kann der Datensatz nicht ba sierend auf einem Simulationsmodell erzeugt sein, und/oder eine oder mehrere technische Grundgleichungen enthalten.
Das Berechnen des Datensatzes kann ein Durchführen einer vor bestimmten Anzahl von Simulationen, bzw. Berechnungen, unter Verwenden des Simulationsmodells umfassen. Das Durchführen von Simulationen kann unter Verwenden eines Latin Hypercube Sampling Verfahrens oder eines Monte Carlo Sampling Verfah rens durchgeführt werden.
Bei dem Simulieren der Werte eines Datensatzes können sich die Ausgabewerte des virtuellen Sensors auf einen einzigen Sensorpunkt beziehen, welcher ein kritischer Punkt oder eine kritische Stelle des Simulationsmodells sein kann. Zum Bei spiel können Simulationsparameter, welche einen Ort oder eine Stelle des Sensors an der industriellen Anlage festlegen, für welchen ein Zustand der Anlage simuliert werden soll, während der Simulation eines Datensatzes konstant gehalten werden. Dadurch können verschiedene Datensätze, welche jeweils auf einen anderen Ort des virtuellen Sensors zugeordnet sind, er zeugt werden.
Das Bereitstellen des Datensatzes kann ein Auslesen des Da tensatzes aus einem dauerhaften Speicher der Verarbeitungs einrichtung umfassen.
Der Datensatz kann zumindest eines von folgenden Elementen umfassen: eine Lookup-Tabelle, eine lineare Funktion, eine n- dimensionale Funktion, eine technische Grundgleichung. Die genannten Elemente können den möglichen Messwerten des physi-
kalischen Sensors jeweils einen zugehörigen Ausgabewert des virtuellen Sensors eindeutig zuordnen. In einigen Ausfüh rungsbeispielen kann der Datensatz eine einzige, und/oder ei ne beliebige Kombination der genannten Elemente umfassen. Durch die Elemente, welche eine einfache Wissensrepräsentati on darstellen, wird eine schnelle und echtzeitfähige Bestim mung der Werte des virtuellen Sensors ermöglicht.
Der Datensatz kann eine Functional Mock-Up Unit (EMU) sein.
In manchen Ausführungsformen kann der Datensatzkann in einer oder als Functional Mock-Up Unit bereitgestellt werden. Dabei kann der Datensatz über eine Functional Mock-Up Interface (EMI-) Schnittstelle in der Verarbeitungseinrichtung einge bunden, bzw. betrieben werden. Eine Functional Mock-Up Unit kann dabei folgende Elemente umfassen: einen XML-Header, ein Executable, mindestens eine Library.
In der Functional Mock-Up Unit kann kein Solver enthalten sein und bei dem Betreiben der Functional Mock-Up Unit in der Verarbeitungseinrichtung kann kein Solver verwendet werden. Dadurch kann ermöglicht werden, dass Ausgabewerte des virtu ellen Sensors mit reduziertem Rechenaufwand in Echtzeit be reitgestellt werden können.
Ein Verwenden des EMI-Standards für das Bereitstellen des virtuellen Sensors ermöglicht eine einfache Anwendbarkeit des Senders in verschiedenen Plattformen. Zudem ist ein virtuel ler Sensor aus nahezu allen Software Tools möglich, welche das EMI-Format unterstützen.
Erfindungsgemäße EMU sind aus einer Vielzahl an Systemen aus leitbar, beispielsweise aus Systemen, bei welchen Model Order Reduction noch nicht implementiert ist.
Der Ausgabewert des virtuellen Sensors kann durch den Mess wert des physikalischen Sensors und durch den Datensatz voll ständig, d.h. genau, bestimmt sein, wobei kein Solver notwen dig ist. Von dem Fachmann wird verstanden, dass das erfin-
dungsgemäße Verfahren nicht auf einen einzigen physikalischen Sensor limitiert ist, sondern dass eine beliebige Anzahl von physikalischen Sensoren an der industriellen Anlage angeord net sein können, welche zur Bereitstellung eines virtuellen Sensors verwendet werden können.
Es ist somit zu verstehen, dass in einigen Ausführungsbei spielen mehrere physikalische Sensoren der industriellen An lage zugeordnet sein können, welche zum welche zum Beispiel unterschiedliche physikalische Zustände und/oder einen physi kalischen Zustand an unterschiedlichen Orten/Stellen der An lage messen. Die mehreren Sensoren können jeweils einen Mess wert an die Verarbeitungseinrichtung übertragen, welche die Messwerte empfängt. Dabei kann der Ausgabewert des virtuellen Sensors durch den Datensatz und zumindest einem weiteren Messwert von zumindest einem weiteren der mehreren physikali schen Sensoren, welche der industriellen Anlage zugeordnet sind, bestimmt sein. Entsprechend kann in der Verarbeitungs einrichtung je ein Messwert von mehreren physikalischen Sen soren empfangen werden, wobei in der Verarbeitungseinrichtung anhand des Datensatzes und der Messwerte der mehreren physi kalischen Sensoren ein Ausgabewert des virtuellen Sensors, welcher den mehreren Messwerten der physikalischen Sensoren zugeordnet, und/oder eindeutig zugeordnet, ist, bestimmt wird. Dabei kann der Ausgabewert durch den Datensatz und durch die mehreren Messwerte der physikalischen Sensoren vollständig, oder genau, bestimmt sein.
Das Erzeugen des Datensatzes kann durch ein Rechengerät durchgeführt werden, welches nicht Bestandteil des Automati sierungssystems, oder nicht Bestandteil der übergeordneten Maschinenplattform, ist. Insbesondere kann das Rechengerät entfernt von dem Automatisierungssystem sein, oder angeordnet sein, wobei der Datensatz zum Speichern in einem dauerhaften, in anderen Worten nicht-flüchtigen, Datenspeicher in der Ver arbeitungseinrichtung von dem Rechengerät an die Verarbei tungseinrichtung übertragen wird. Rechenaufwendige Simulatio nen können somit vor Betreiben des virtuellen Sensors durch-
geführt werden, wodurch das Bereitstellen in der Verarbei tungseinrichtung einfach und schnell implementiert werden kann .
Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Automatisierungssystem einer industriellen Anlage bereitgestellt, welches zum Be reitstellen eines virtuellen Sensors ausgebildet ist. Das Au tomatisierungssystem umfasst mindestens einen physikalischen Sensor, welcher der industriellen Anlage zugeordnet ist. Wei ter umfasst das Automatisierungssystem eine Verarbeitungsein richtung, welche konfiguriert ist, um die folgenden Schritte durchzuführen .
In einem ersten Schritt wird ein Messwert von dem physikali schen Sensor, welcher einem physikalischen Parameter der in dustriellen Anlage entspricht, empfangen. In einem weiteren Schritt wird ein Datensatz in der Verarbeitungseinrichtung bereitgestellt, welche durch ein Simulationsmodell erzeugt wurde, welches einen Zusammenhang zwischen möglichen Messwer ten des physikalischen Sensors und zugehörigen Ausgabewert des virtuellen Sensors herstellt. In einem weiteren Schritt wird in der Verarbeitungseinrichtung anhand des Datensatzes und anhand des empfangenen Messwerts bestimmt, welcher Ausga bewert des virtuellen Sensors zu dem empfangenen Messwert ge hört .
Das Automatisierungssystem umfasst eine Anzeigevorrichtung, welche konfiguriert ist, um den bestimmten Ausgabewert anzu zeigen. In einigen Ausführungsbeispielen kann die Anzeigevor richtung optional sein.
Das Automatisierungssystem kann weiter konfiguriert sein, ein Verfahren gemäß der unter dem ersten Aspekt der Erfindung be schriebenen Merkmale auszuführen.
Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Computerprogramm bereit gestellt, welches Befehle umfasst, welche bei der Ausführung des Programms durch eine Rechenvorrichtungen diese veranlas-
sen, das Verfahren gemäß den unter dem ersten Aspekt der Fin dung beschriebenen Merkmalen auszuführen.
Für ein solches Automatisierungssystem und Computerprogramm zum Bereitstellen eines virtuellen Sensors können technische Effekte erzielt werden, welche den technischen Effekten ent sprechen, wie sie für das Verfahren zum Bereitstellen eines virtuellen Sensors beschrieben wurden.
Obwohl spezifische Merkmale in der vorstehenden Zusammenfas sung und der nachfolgenden detaillierten Beschreibung im Zu sammenhang mit diversen Aspekten und Ausführungsbeispielen der vorliegenden Erfindung beschrieben werden, ist zu verste hen, dass die spezifischen Merkmale der Aspekte und exempla rischen Ausführungsbeispiele nicht nur in den jeweils ent sprechenden explizit dargelegten Kombinationen, sondern auch in weiteren Kombinationen oder isoliert verwendet werden kön nen, sofern nicht ausdrücklich anders angegeben.
Die obige Zusammenfassung soll daher nur einen kurzen Über blick über einige Merkmale einiger Ausführungsbeispiele und Implementierungen geben und ist nicht als Einschränkung zu verstehen .
Kurze Beschreibung der Figuren
Im Folgenden wird die vorliegende Erfindung anhand bevorzug ter Ausführungsbeispiele mit Bezug zu den folgenden Figuren näher erläutert.
Dabei bezeichnen in den Figuren gleiche Bezugszeichen gleiche oder ähnliche Elemente. Die Figuren sind schematische Dar stellungen verschiedener Ausführungsbeispiele der Erfindung, wobei die in den Figuren dargestellten Elemente nicht notwen digerweise maßstabsgetreu dargestellt sind. Vielmehr sind die verschiedenen in den Figuren dargestellten Elemente derart wiedergegeben, dass ihre Funktion und genereller Zweck für den Fachmann verständlich wird.
Figur 1 zeigt ein Flussdiagramm mit Schritten zur Bereit stellung eines virtuellen Sensors, gemäß Ausfüh rungsbeispielen der Erfindung;
Figur 2 zeigt eine schematische Darstellung eines Automa tisierungssystems zum Bereitstellen eines virtu ellen Sensors, gemäß Ausführungsbeispielen der Erfindung;
Figur 3 zeigt einen schematischen Aufbau eines Simulati onsmodells, gemäß Ausführungsbeispielen der Er findung; und
Figur 4 zeigt einen schematischen Aufbau einer Functional
Mock-Up Unit, gemäß Ausführungsbeispielen der Er findung .
Detaillierte Beschreibung von Ausführungsbeispielen
Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich im Zusam menhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbei spiele, welche im Zusammenhang mit den Figuren näher erläu tert werden.
Dabei ist für den Fachmann erkenntlich, dass die Beschreibung der Ausführungsbeispiele nicht im in einem beschränkenden Sinne zu verstehen ist. Der Umfang der Erfindung wird nicht durch die im Folgenden beschriebenen Ausführungsbeispielen oder durch die Figuren eingeschränkt, welche nur zur Veran schaulichung dienen.
Die Figuren sind als schematische Darstellungen zu betrach ten. Jede Verbindung oder Kopplung zwischen Funktionsblöcken, Vorrichtungen, Komponenten, Modulen oder anderen in den Figu ren dargestellten oder hierin beschriebenen physikalischen oder funktionellen Einheiten kann auch durch eine direkte o- der indirekte Verbindung oder Kopplung realisiert werden. Ei-
ne Kopplung zwischen den Komponenten kann drahtgebunden oder über eine drahtlose Verbindung hergestellt werden. Funktions blöcke, Rechenvorrichtungen, Module oder Einheiten können in Hardware, Firmware, Software oder einer Kombination davon im plementiert werden.
Nachfolgend werden verschiedene Techniken für virtuelle Sen soren in einem Automatisierungssystem, insbesondere Techniken zum Bereitstellen virtueller Sensoren, welche zur Ergänzung realer Messdaten auf einer Produktions- oder Maschinenanlage übergeordneten Maschinenplattform betrieben werden, beschrie ben .
Die Anforderungen an moderne Maschinen und Anlagen steigen kontinuierlich in allen Branchen. Automatisierungssysteme werden eingesetzt, um technische Vorgänge in Maschinen, Anla gen oder technischen Systemen zu automatisieren.
Um eine maschinelle Produktion überwachen und steuern zu kön nen, ist es erforderlich zahlreiche Messwerte an Maschinen komponenten zu verarbeiten und diese dem Betreiber auf einer Plattform, d.h. einem Hardware- und Software-Computersystem, bereitzustellen.
Entsprechend herkömmlichen Verfahren können Messdaten über physikalische Sensoren an den einzelnen Maschinenkomponenten erfasst werden. Dabei können physikalische Sensoren an Ma schinenkomponenten angebracht werden, um Messdaten, z.B. über Steuergeräte, zu erfassen. Diese Messdaten können auf einem Human-Maschine-Interface (HMI) oder einer übergeordneten Plattform, beispielsweise einer Maschinenplattform, insbeson dere einem Edge Computing System, oder einem SIMATIC Edge System, bereitgestellt werden. Beispielsweise kann zur Mes sung der Temperatur an einem Motor dementsprechend ein geeig neter Temperatursensor an einer thermisch gut angebundenen Messstelle an dem Motor platziert werden.
Auf der anderen Seite werden bereits während der Maschinen-, Prozess- oder Produktentwicklung detaillierte digitale Simu lationsmodelle erstellt und mit der Realität abgeglichen. Mit diesen digitalen Prototypen können nahezu alle physikalischen Größen, die während der Simulation betrachtet werden, ohne aufwändige Sensoraufbauten bestimmt werden. Eine Variation der Messposition oder des Messaufbaus ist einfach und kosten günstig möglich und der eigentliche Prozess/Vorgang wird bei der Messung nicht beeinflusst.
Ein Simulationsmodell, insbesondere ein Simulationsmodell für 3D-Simulationen, welche oft Finite Element Method (FEM)- Simulationen umfassen, beinhaltet meist eine Vielzahl, oder ein System, von Differentialgleichungen, gegebenenfalls mit Randbedingungen, welche, um in Quasi-Echtzeit Ergebnisse zu liefern, in möglichst kurzer Zeit gelöst werden. Um ein der artiges Modell zu simulieren, muss ein sogenannter Solver das System von Differentialgleichungen lösen. Zum Beispiel ver wendet ein Computer oder Computersystem eine Solverfunktion, welche in dem Computer, oder Computersystem, oder in einer EMU, enthalten sind, um Lösungen für diese Gleichungen in verschiedenen Zeitintervallen zu berechnen, die die Zustände und Ausgaben des Modells über einen bestimmten Zeitraum lie fert .
Mit zunehmender Digitalisierung wurden neben physikalischen Sensoren auch virtuelle Sensoren oder Softsensoren entwi ckelt, welche eine weitere Möglichkeit darstellen, an Messda ten zu gelangen.
Ein Softsensor, auch virtueller Sensor genannt, ist kein real existierender Sensor, sondern eine Abhängigkeitssimulation von stellvertretenden Messgrößen zu einer Zielgröße. Somit wird die Zielgröße nicht direkt gemessen, sondern anhand zu ihr korrelierender Messgrößen und eines Modells der Korrela tion berechnet.
Virtuelle Sensoren bilden die Abhängigkeit von korrelierenden Messgrößen zu einer Zielgröße ab. Entsprechend wird die Ziel größe nicht mit physikalischen Sensoren bestimmt, sondern an hand der Zusammenhänge zu anderen Messgrößen. Dabei spiegelt der virtuelle Sensor wie bei einer Simulation den Umgebungs zustand wider, um für jeden Zustand der Hardware-Messsensoren den dazugehörigen Ist-Wert der Zielgröße zu berechnen. Die Zielgröße muss dabei keineswegs eine physikalische Größe sein, sondern kann auch ein Kennwert, eine Tendenz oder eine abstrakte Größe sein.
Bei bekannten Verfahren unter Verwenden des Functional Mock- Up Interface (EMI) können Simulationsmodelle und auch Simula tionsergebnisse in abstrahierter Form übertragen werden, was die Grundlage für virtuelle Sensoren auf Basis der EMI- Technologie darstellt. EMUs können auf einer übergeordneten Maschinenplattform, wie beispielsweise einem Edge Computing System einer industriellen Produktionsanlage betrieben werden und dort mit realen Messdaten verbunden werden.
Figur 1 zeigt ein Flussdiagramm mit Schritten zur Bereitstel lung eines virtuellen Sensors, gemäß Ausführungsbeispielen der Erfindung.
Das Verfahren startet in Schritt S10. In Schritt S20, wird in einer Verarbeitungseinrichtung des Automatisierungssystems ein Messwert eines physikalischen Sensors, welcher einem phy sikalischen Parameter der industriellen Anlage entspricht, empfangen .
In Schritt S30 wird in der Verarbeitungseinrichtung ein Da tensatz bereitgestellt, welcher durch ein Simulationsmodell erzeugt wurde, und welcher einen Zusammenhang zwischen mögli chen Messwerten des physikalischen Sensors und zugehörigen Ausgabewerten des virtuellen Sensors herstellt.
In Schritt S40 wird in der Verarbeitungseinrichtung anhand des Datensatzes und anhand des empfangenen Messwerts be-
stimmt, welcher Ausgabewert des virtuellen Sensors zu dem empfangenen Messwert gehört. In anderen Worten wird unter Verwenden des Datensatzes dem Messwert des physikalischen Sensors ein Ausgabewert des virtuellen Sensors zugeordnet.
In Schritt S50 wird der bestimmte Ausgabewert auf einer An zeigevorrichtung angezeigt. Das Verfahren endet in Schritt S 60.
Figur 2 zeigt eine schematische Darstellung eines Automati sierungssystems 100 zum Bereitstellen eines virtuellen Sen sors, gemäß Ausführungsbeispielen der Erfindung.
Wie in Fig. 2 zu sehen, ist ein Automatisierungssystem 100 einer industriellen Anlage 1 konfiguriert, um reale Messdaten 6 sowie virtuelle Messdaten 7 bereitzustellen. Eine industri elle Anlage 1, welche eine reale Maschine bzw. Anlage um fasst, beinhaltet eine Maschinenkomponente 2, an welcher zu mindest ein physikalischer Sensor 3 angeordnet ist.
Um während eines Prozesses der industriellen Anlage 1 Messda ten zu erhalten, werden unter Verwenden von geeigneten physi kalischer Sensoren 3 im Messbereich der industriellen Anlage 1 reale Messdaten 6 bereitgestellt. Beispielsweise kann eine Messung einer Motordrehzahl durch einen physikalischen Sensor 3 durchgeführt werden.
Der mindestens eine physikalische Sensor 3 ist mit mindestens einem Controller 4 verbunden. Abhängig vom Messprinzip des physikalischen Sensors 3 werden Signale des Sensors an den Controller 4 weitergegeben und dort in einen Messwert, bzw. Messwerte, umgerechnet. Der Controller, welcher mit einer Verarbeitungsvorrichtung 5 einer übergeordneten Maschinen plattform verbunden ist, stellt basierend auf den Signalen des Sensors Messwerte an die Verarbeitungsvorrichtung 5 be reit. Somit werden die Messwerte an die Verarbeitungsvorrich tung 5 übertragen und in der übergeordneten Plattform gesam melt.
Die Verarbeitungsvorrichtung 5 ist zur Visualisierung der re alen Messdaten 6 mit einer Anzeigevorrichtung 8 verbunden. In der Anzeigevorrichtung können die realen Messdaten 6 dann an wenderspezifisch visualisiert werden. Hierbei können unter schiedliche Systeme, wie etwa WinCC, ein Web Browser oder auch ein Dashboard zum Einsatz kommen.
Wie bereits beschrieben, hat das herkömmliche Verfahren zur Messdatengewinnung mit physikalischen Sensoren 3 einige Nach teile, wie z.B. hohe Kosten, Beeinflussung des Prozesses, möglicherweise hohen Aufwand bei Neupositionierung, etc. Er findungsgemäß wird eine verbesserte echtzeitfähige Möglich keit bereitgestellt, wie diese realen Messdaten 6 durch vir tuelle Sensoren ergänzt oder teilweise sogar ersetzt werden können .
Figur 3 zeigt einen schematischen Aufbau eines Simulationsmo dells 9, gemäß Ausführungsbeispielen der Erfindung. Das Simu lationsmodell 9 des zu messenden Objekts, z.B. einer Maschi nenkomponente 2 einer industriellen Anlage 1, bildet die Grundlage dieser neuen Möglichkeit, virtuelle Sensoren in ei ner Fabrikumgebung bereitzustellen.
Wie in Figur 3 dargestellt, ist das Simulationsmodell 9, oder digitaler Prototyp, der Anlage 1, oder der Maschinenkomponen te 2, so aufgebaut, dass die virtuell zumessende Größe, d.h. die Ausgangsgröße 15, eine Systemantwort des Simulationsmo dells 9 ist auf eine Eingangsgröße 15, beispielsweise einer Drehzahl n ist. Wenn beispielsweise die Temperatur an einer Stelle des Objekts virtuell gemessen soll, ist Berechnungser gebnis der Simulation beispielsweise die Temperatur an dieser Stelle .
Dabei stellt das Simulationsmodell 9 einen Zusammenhang zwi schen der virtuell gemessenen Größe 14 (z.B. Temperaturwert an bestimmter Stelle) und einer später real gemessenen Größe 15 (z.B. Drehzahl n) her. Für den beispielhaft abgebildeten
Fall bedeutet dies, dass im Simulationsmodell 9 ein Zusammen-
hang zwischen der Drehzahl n und der Temperatur herstellbar ist. Zudem ist die Eingangsgröße 15 in dem Bereich variabel, in dem sich die spätere reale Messgröße der physikalischen Messung durch einen Sensor bewegt, d.h. wenn der Motor im Be trieb eine Drehzahl von 0 bis 6500 min-1 erreicht, sind diese Werte auch im Simulationsmodell 9 einstellbar.
Wie in Figur 1 weiter dargestellt, werden basierend auf dem Simulationsmodell 9 eine Vielzahl von Simulationsläufen 10 durchgeführt. Die Simulationsläufe 10 werden in Abhängigkeit von real gemessenen Messwerten 15, zum Beispiel der Drehzahl n, oder anderen bekannten oder berechneten Größen, durchge führt .
Derart kann das Simulationsmodell 9 das gesamte Verhalten der Eingangsgröße 15, und der Ausgangsgröße 14, deren Werte die Ausgabewerte des virtuellen Sensors darstellen, bei variie render Eingangsgröße 15 ermittelt werden. Dazu wird für eine zu definierende Anzahl an Simulationen, beispielsweise n=100 Simulationen, ein Versuchsplan aufgestellt, beispielsweise unter Verwenden von Latin Hypercube Sampling oder Monte Carlo Sampling, bei welchem die Eingangsgrößen im Definitionsbe reich, beispielsweise von 0 min-1 bis 6500 min-1, variiert werden. Im Anschluss über jeden Simulationslauf wird die Sys temantwort, beispielsweise die Temperatur ermittelt. Die so mit durch die Simulationsläufe 10 gewonnenen Daten beschrei ben am Ende den kompletten Zusammenhang zwischen der den mög lichen Werten der später real gemessenen Eingangsgröße 15 des Simulationsmodells 9, im Beispiel der Drehzahl, und der vir tuell ermittelten Ausgangsgröße 14 des Simulationsmodells 9, im Beispiel der Temperatur, im Definitionsbereich der Ein gangsgröße 15.
Diese Daten können nun in einem Datensatz 11 in eine Form ge bracht werden, welcher später schnell und effizient verarbei tet werden kann. Dies kann einerseits ein einfacher Funkti onsgraph oder eine Tabelle sein, insofern lediglich eine Ein gangs- und eine Ausgangsgröße vorhanden sind. Es kann aller-
dings auch erforderlich sein, dass ein Meta-Modell oder eine n-dimensionale Funktion erzeugt wird, wenn n Eingangs- und n Ausgangsgrößen vorhanden sind.
Die gewonnene Repräsentation der Ergebnisse kann weiterhin in einem Standardformat, insbesondere dem Functional Mock-Up In terface (EMI), bzw. in einer Speziellen Functional Mock-Up Unit (EMU) 12 abgespeichert werden.
Figuren 3 zeigten einen schematischen Aufbau einer Functional Mock-Up Unit (EMU) 12, gemäß Ausführungsbeispielen der Erfin dung .
Wie in den Figuren 2 und 3 dargestellt, besteht diese EMU 12 grundsätzlich aus drei wesentlichen Bestandteilen: einem XML- Header 16 zur Definition der Eingangs- und Ausgangsvariablen sowie für Meta-Informationen, der Executable 17 mit dem Pro grammcode und der Library 18, welche beispielsweise Software- Bibliotheken und Ähnliches enthält. Dadurch kann eine EMU 12 in der Regel autonom betrieben werden. Eine EMU kann herkömm lich einen Solver, eine Solver-Funktion, für die Simulation von Simulationsmodellen enthalten, welche das Lösen von einem System von partiellen Differentialgleichungen ermöglichen.
Wie in Figur 3 weiter zu sehen, ist die EMU 12 derart aufge baut, dass es möglich ist, über die Vorgabe einer Eingangsva riablen 20, welche beispielsweise der Eingangsgröße 15 ent sprechen kann, möglichst schnell einen Output-Wert der Aus gangsvariablen 19, welche beispielsweise der Ausgangsgröße 14 entsprechen kann, zu erhalten. Für das gezeigt Beispiel wäre die Eingangsvariable 20 die vorgegebene Drehzahl, die an die Executable 17 weitergeleitet wird. In der Executable 17 wird, abhängig von der gewählten Wissensrepräsentation, direkt ein Wert auf Basis eines Programmcodes der Executable 17 oder mit Zugriff auf die Libraries 18, in welchen der Datensatz 11 ge speichert sein kann, ein Wert für die Temperatur ermittelt und vom EMU 12 über den Output 19 ausgegeben. Wie genau die-
ser Vorgang im Detail abläuft, ist abhängig von der Art wie die Ergebnisse repräsentiert werden.
Neben dieser Möglichkeit, eine EMU 12 auf Basis bestehender Simulationen durch ein Simulationsmodell 9 zu erstellen, gibt es auch den Weg im EMU technische Grundgleichungen zu hinter legen .
Wie in Figur 2 zu sehen, kann in der EMU 12 auch mindestens ein Datensatz 13 umfassend eine technische Grundgleichung, oder vorbestimmte Werte oder Parameter der industriellen An lage 1, oder von einer oder mehreren Maschinenkomponenten 2, gespeichert sein. Dies kann beispielsweise die nominelle La gerlebensdauer für die Lagerung im Motor sein. Wird diese Gleichung so umgewandelt, dass sie nur noch von Parametern abhängig ist, die am Prüfstand real (oder auch virtuell) ge messen werden und diese EMU 12 auf der übergeordneten Platt form betrieben, kann auch auf diese Weise der reale Messda tensatz ergänzt werden.
Üblicherweise werden derartige EMUs 12 zwischen verschieden Simulationstools ausgetauscht. Allerdings können auch andere Softwaretools EMUs 12 aufrufen und als sogenannter „Master" dienen, wenn der EMU 12 in geeigneter Weise aufgebaut wurde.
In diesem Fall kann eine EMU 12 auch auf einer übergeordneten Plattform, insbesondere in einer Verarbeitungseinrichtung 5 einer übergeordneten Maschinenplattform, welche von der in dustriellen Anlage 1 unabhängig sein kann, zur Verarbeitung der realen Messdaten 6 betrieben werden. Auf dieser Plattform besteht dann die Möglichkeit die realen Messdaten 6 von den physikalischen Sensoren 3 mit der speziell aufgebauten EMU 12 zu koppeln und die EMU 12 als „virtuelle Sensor" zu betrei ben, der auf Basis der realen Messwerte 6 direkt die virtuel len Messwerte 7 ausgibt.
Eine übergeordnete Plattform kann dabei eine übergeordnete Maschinenplattform sein, insbesondere ein Edge Computing Sys-
tem, welches Maschinen bzw. Anlagen 1 mit physikalischen Sen soren 3 und Controllern 4 zur Signalverarbeitung, übergeord net ist. In einigen Ausführungsbeispielen kann der virtuelle Sensor demnach in einem Edge Device eines Edge Computing Sys tems einer industriellen Anlage bereitgestellt werden.
Ein Beispiel für eine derartige übergeordnete Maschinenplatt form ist Siemens Industrial Edge. Siemens Industrial Edge um fasst das Edge Management System, eines oder mehrere Edge- Geräte, und Edge Apps, welche auch den Edge-Geräten betrieben werden. Mit dem Edge Management System lassen sich alle ver bundenen Edge-Geräte zentral steuern und die Zustände der in dustriellen Anlage 1 überwachen. Anwender können über das Edge Management System Software-Applikationen (Edge Apps) aus dem Edge App Store des Backend-Systems , etwa MindSphere, in den gewünschten Edge-Geräten installieren.
Ein Simatic Edge Device, welches beispielweise der Verarbei tungsvorrichtung 5 entsprechen kann, ist eine Hardware- Komponente der Siemens Industrial Edge Plattform, welche di rekt an einer Maschine, d.h. an einer industriellen Anlage betrieben werden kann und z.B. Datenverarbeitung oder Daten weiterleitung ermöglicht. Siemens Industrial Edge kann Auto matisierungssysteme um maschinennahe Datenverarbeitung erwei tern und so das Cloud Computing mit dem offenen IoT- Betriebssystem »MindSphere« ergänzen. Dementsprechend erfasst und verarbeitet das Simatic Edge Device als Hardware- Plattform für Edge-Applikationen große Datenmengen, insbeson dere Daten von physikalischen Sensoren, unmittelbar an der Maschine. Das Edge Device ist durch integrierte Connectivity zur Automatisierung an der Maschine angeschlossen. Produkti onsdaten, insbesondere Daten physikalischer Sensoren, lassen sich dadurch direkt in der Fertigung erfassen und verarbei ten. Somit ermöglicht Siemens Industrial Edge das Installie ren und Aktualisieren von Software-Apps aus einem zentralen Edge-Management-System auf dem Edge Device. Wenn sich die Rahmenbedingungen der Industrie-Anwendung ändern, lassen sich Software-Apps in dem Edge Device anpassen. Somit verringern
sich durch die übergeordnete Maschinenplattform die Speicher und Übertragungskosten von Daten, weil große Datenmengen vor verarbeitet werden und anschließend nur relevante Daten in eine Cloud- oder firmeneigene IT-Infrastruktur gelangen.
Zusammenfassend wird ein virtueller Sensor in einem Automati sierungssystem bereitgestellt. Insbesondere wird in Ausfüh rungsbespielen eine sogenannte EMU-App auf der Edge-Plattform betrieben, welche grundsätzlich konfiguriert ist, eine EMU als virtuellen Sensor auf einem Edge Computing System, wie der Simatic Edge, zu betreiben. Dazu kann die Standard EMU- Schnittstelle vieler Software-Tools, zumeist lD-Simulationen, verwendet werden, wobei herkömmlicherweise eine EMU benötigt wird, die auch einen Solver für eine Co-Simulation beinhal tet, und daher für rechenaufwändige 3D-Simulationen meist nicht geeignet ist. In solchen Fällen können die Modelle sehr groß sein, oder das Lösen im EMU kann sehr lange dauern. Ent sprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren kann ein EMU derart aufgebaut werden, damit es selbst bei aufwändigen 3D- Simulationen auch ohne Solver auskommt und dabei auch noch schnell, idealerweise in Echtzeit, Ergebnisse liefert. Dazu wird die Simulation mehrfach in Abhängigkeit von den real ge messenen Größen laufen gelassen, mit dem Ergebnis, wie sich die Antwortgröße, d.h. der Sensor, verhält. Dieses Verhalten wird z.B. in eine Funktion, ein Meta-Modell oder einen einfa chen Datensatz zusammengefasst und wiederum im EMU-Format un tergebracht. Der so aufgestellte EMU kann ohne Solver und in hoher Geschwindigkeit auf der Edge als virtueller Sensor be trieben werden.
Der erfindungsgemäße virtuelle Sensor kann über den EMI- Standard implementiert werden und ist derart ausgestaltet, dass er auf einer übergeordneten Plattform betrieben werden kann. Innerhalb des virtuellen Sensors wird das Wissen nur durch eine einfache Wissensrepräsentation repräsentiert bzw. abgespeichert, welche insbesondere eine Lookup-Tabelle mit Ergebnissen im Voraus durchgeführten Simulationen, eine oder
mehrere Tabellen mit Simulationsdaten, einen Funktionsgra phen, oder eine technische Grundgleichung umfassen.
Durch die erfindungsgemäßen Techniken können bei Komponenten, zum Beispiel Motoren, physikalische Sensoren eingespart wer den, wodurch eine Reduktion der Fertigungskosten und geringe re Ausfallwahrscheinlichkeit aufgrund eines Sensordefekts er möglicht werden.
Ebenso ist basierend auf den erfindungsgemäßen Techniken ein zusätzliches Service-/Lizenzmodell für eine übergeordnete Ma schinenplattform möglich.
Insbesondere können virtuelle Sensoren auf einer derartigen Plattform bereitgestellt werden. Ein Kunde hat die Möglich keit die Sensoren nach Bedarf hinzuzuschalten, um seine Ma schine zu überwachen und zusätzliche Messdaten zu generieren, ohne Umbauten oder sonstige Änderungen an der Anlage vorneh men zu müssen.
Andere Komponentenhersteller können nur den Betreiber der übergeordneten Maschinenplattform auf diese Plattform gelan gen, wofür Lizenzen vergeben werden können. Dies könnten in dem obigen Beispiel nicht nur Motorenhersteller, sondern z.B. auch Lagerhersteller sein.
Der Betreiber der übergeordneten Maschinenplattform kann für Original Equipment Manufacturer (OEM) von Maschinen oder Ma schinenkomponenten virtuelle Sensoren entwickeln, die die OEM wiederum ihren Kunden anbieten.
Derart könnten Maschinenkomponenten inklusive virtueller Sen soren einem Kunden bereitgestellt werden, wobei eine überge ordnete Edge-Plattform als übergeordnete Plattform einen wei teren Vorteil für den Kunden des OEM darstellt.
Hersteller von Anlagen oder Anlagenkomponenten können Verbes serung in bestehenden Entwicklungen realisieren, indem durch
virtuelle Sensoren mehr Daten an den Komponenten/Anlagen er fasst werden. Dadurch kann sich beispielsweise ein größerer Datensatz für Closed Loop Analytics ergeben. Eine Nutzung ohnehin vorhandener Simulationsdaten und damit bessere Ausnutzung bestehender Daten wird somit ermöglicht.
Somit kann die Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit von Automatisierungsanlagen durch das Betreiben von virtuel- len Sensoren, insbesondere auf einer übergeordneten Maschi nenplattform, während der Produktion, sowie in Hinsicht auf kurzfristig erforderliche kleine Änderungen an der industri ellen Anlage, gesteigert werden.