DE3844518A1 - Verwendung von aminochinolinen und aminopyridinen zur iontophoretischen behandlung maligner tumore - Google Patents
Verwendung von aminochinolinen und aminopyridinen zur iontophoretischen behandlung maligner tumoreInfo
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Description
Die Erfindung betrifft die Verwendung gewisser Heterocyclen zur
Tumorbehandlung bzw. zur Herstellung von Arzneimitteln zur
Tumorbehandlung.
Es ist bekannt, daß bestimmte Heterocyclen, d. h. Acridin-,
Chinolin- und Pyridinderivate mit einem Ringstickstoffatom und
mindestens einer außerhalb der Ringstruktur stehenden Aminogruppe,
die mit dem Ringstickstoffatom eine tautomere Diiminstruktur
ausbilden kann, Mitosegifte darstellen (vgl. Lettr´ H.:
Über Mitosegifte. Ergebnisse der Physiologie, 46, 379-452 [1950]).
Einige dieser Heterocyclen mit zwei oder mehreren kondensierten
aromatischen Ringsystemen haben die Fähigkeit, sich in die Doppelhelix
der Desoxyribonucleinsäure (DNA) von Bakterien oder
Gewebezellen derart einzuschieben, daß sowohl die Replikation
als auch die Transkription nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen
können. Diese Moleküle bezeichnet man als Interkalantien (vgl.
D. Schmäl, Arzneimittelforschung, 21. Beiheft, 3. Auflage [1981],
S. 424). Die biologische Interaktion dieser Heterocyclen,
insbesondere der Acridinverbindungen, beruht wahrscheinlich auf
einer Interkalation mit der DNA durch Anlage bzw. Einlage
zwischen die Basenpaarschichten, was durch die flache Struktur
dieser Heterocyclen bedingt ist. Hierbei werden die Guanin-
Cytosin-Basenpaare bevorzugt, wobei wahrscheinlich die Bildung
eines Komplexes mit DNA und einem Reparatur-Enzym erfolgt. Die
Aktivität der Polymerase wird reduziert, und die DNA kann nicht
entrollt werden. Ferner zerbricht die DNA-Helix in Einzel- und
Doppelstränge mit konsekutiven DNA-Protein-Bindungen.
Es wurde nun gefunden, daß Heterocyclen des vorstehend
angegebenen Typs bei malignen Tumoren erst dann ihre
antineoplastische Wirkung entfalten, wenn sie auf iontophoretischem
Wege in das Tumorgewebe eingebracht werden oder
wenn nach herkömmlicher lokaler Einbringung, z. B. durch
Injektion, Gleichstrom (Iontophorese) angewendet wird.
Gegenstand der Erfindung ist somit die Verwendung von
dissoziierbaren Heterocyclen aus der Gruppe der Aminoacridine,
Aminocholine und Aminopyridine sowie ihrer am Grundskelett
substituierten Derivate, die in einer tautomeren Diiminform
vorliegen, zur iontophoretischen Behandlung bzw. zur Herstellung
eines Arzneimittels für die iontophoretische Behandlung und
Rezidivprophylaxe des Blasenkrebses sowie für die iontophoretische
Behandlung bösartiger Haut- und Schleimhautgeschwülste.
Die der Erfindung zugrundeliegende Problematik wird nachstehend
am Beispiel des Blasencarcinoms erläutert.
Dem Blasencarcinom liegt eine polychronotope neoplastische
Diathese der gesamten Blasenschleimhaut zugrunde. Jeder ihrer
Abschnitte kann in zeitlicher Staffelung Ausgangspunkt für eine
Tumorbildung sein. In den meisten Fällen sind zum Zeitpunkt
der Erstdiagnose und -therapie cystoskopisch diagnostizierbare
Tumorbezirke mit makroskopisch noch nicht erkennbaren
generativen Tumorzellen vergesellschaftet. Diese Tatsache
erklärt die extrem hohe Rezidivhäufigkeit des Blasencarcinoms.
Bei diesen späteren Tumoren handelt es sich somit nicht um
eigentliche "Rezidive", sondern um Neumanifestationen im Bereich
der ubiquitär und potentiell kranken Schleimhaut, ausgehend von
diagnostisch und therapeutisch nicht erfaßten Tumorherden. Diese
spezielle Konstellation der Geschwulstbildung macht das
eigentliche diagnostische, therapeutische und prognostische
Dilemma der Blasenkrebserkrankung aus.
Um diesem Dilemma zu entrinnen, hat man versucht, eine lokale
Chemotherapie mit bestimmten Cytostatica nach erfolgten Tumorentfernungen,
z. B. durch transurethrale Elektroresektionen,
durchzuführen. Das geschieht dadurch, daß man diese Stoffe in
wäßrigen Lösungen über einen Katheter in die Blase einbringt und
dort etwa zwei Stunden beläßt.
Diese lokale Chemotherapie war jedoch zur Beseitigung von Resttumoren
oder zur Rezidivprophylaxe nicht sehr erfolgreich, da
die Blase normalerweise kein resorptives Organ ist. Die oberflächliche
Zellschicht der Schleimhaut stellt eine Membran dar,
die ionische Substanzen nicht passieren können. Nichtionische
Verbindungen können die Membran unter bestimmten Voraussetzungen
überwinden, weshalb die für die lokale Chemotherapie verwendeten
Präparate nichtionische Cytostatica sind. Sie müssen ein
Molekulargewicht über 200 haben, da Substanzen mit niedrigem
Molekulargewicht gleich nach Überwindung der Membran von den
Blutgefäßen erfaßt und abtransportiert werden. Je niedriger das
Molekulargewicht ist, desto oberflächlicher ist die cytostatische
Wirkung in der Tiefe der Blasenwand, und umso näher
steht diese lokale Chemotherapie der systemischen Chemotherapie
in Bezug auf Nebenwirkungen. Die lokale Chemotherapie der Blase
hat also die Nachteile jeder Chemotherapie. Diese Medikamente
sind zudem nicht selektiv, können gesunde von kranken Zellen
nicht unterscheiden, schädigen die Schleimhaut, machen subjektive
Beschwerden und können selbst zu Krebsgeschwülsten führen.
Die erfindungsgemäße Verwendung der vorstehend definierten
Heterocyclen, die in dissoziierbarer, d. h. in Lösung in
ionischer Form vorliegen, zur iontophoretischen Tumorbehandlung
bzw. zur Herstellung von Arzneimitteln zur iontophoretischen
Tumorbehandlung eröffnet nun die Möglichkeit einer schonenden
Behandlung, d. h. einer hochkonzentrierten regionalen
antineoplastischen Behandlung in allen Blasenschichten ohne
systemische Nebenwirkungen und damit eine Tumorrückbildung bei
gleichzeitiger Rezidiv-Prophylaxe.
Unter "Iontophorese" versteht man erfindungsgemäß die
Einwanderung der in dissoziierter Form, d. h. in Ionenform
vorliegenden Heterocyclen über die Haut und Schleimhaut in den
Tumor unter der Einwirkung von Gleichstrom. Die Iontophorese ist
jedoch ein verhältnismäßig komplexer Vorgang, an dem noch
zusätzliche Phänomene, wie Elektrophorese, Elektroosmose,
Elektrolyse und Diffusion beteiligt sind. Der Gleichstrom
bewirkt eine gute und schnelle Verteilung des Heterocyclus im
Tumorgewebe. Ferner tritt bei der Iontophorese wahrscheinlich
noch ein Stromeffekt dahingehend auf, daß die elektrischen
Doppelschichten der Zellmembranen bzw. Zellkernmembranen
neutralisiert werden, wodurch die Sperrwirkung dieser Membranen
gegenüber den in ionisierter Form vorliegenden Heterocyclen
aufgehoben wird. Ein weiterer spezieller Stromeffekt besteht
darin, daß der Heterocyclus in der Tumorzelle bzw. im Tumorzellkern
unter Gleichstrom eine Zellteilungshemmung mit
konsekutivem Zellenuntergang (Tumorrückbildung) bewirkt. Diese
Wirkung ist selektiv auf die Tumorzellen gerichtet und schädigt
gesundes Körpergewebe nicht.
Erfindungsgemäß können ein- oder mehrkernige Heterocyclen
verwendet werden, die neben dem Ringstickstoffatom noch eine
oder mehrere Aminogruppen enthalten. Als Beispiele für
einkernige Heterocyclen seien 2- und 4-Aminopyridin genannt, die
im Gegensatz zu 3-Aminopyridin in der tautomeren Diiminform
vorliegen können. Beispiele für zweikernige Heterocyclen, die in
tautomerer Form vorliegen können, sind 4- und 7-Aminochinolin.
Diese Verbindungen liegen in Salzform vor, wobei der wirksame
Teil des Heterocyclus das Kation bildet.
Der Heterocyclus liegt vorzugsweise als Mono- oder Dichlorid,
-sulfat, -lactat oder -acetat vor, wobei der bevorzugt verwendete
Heterocyclus das Proflavin-Monohydrochlorid ist, das chemisch
als 3,6-Diaminoacridinhydrochlorid bezeichnet wird und das die
nachstehend angegebene Formel hat:
Die tautomere Diiminform kann durch die nachstehend angegebene
Formel dargestellt werden:
Ein weiteres Beispiel für einen erfindungsgemäß verwendeten
Heterocyclus ist das Trypaflavin oder Acriflaviniumchlorid
(internationaler Freiname für die Mischung der Hydrochloride von
3,6-Diamino-10-methylacridiniumchlorid), vgl. nachstehend
angegebene Formel
und 3,6-Diaminoacridin.
Die erfindungsgemäß verwendeten Heterocyclen können am
Grundskelett, d. h. sowohl am Ringstickstoffatom als auch an den
Ringkohlenstoffatomen durch Substituenten, wie Halogene, Alkyl-
oder Alkoxygruppen (insbesondere mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen),
Arylgruppen, Alkarylgruppen und Aralkylgruppen (insbesondere in
denen die Arylgruppe eine Phenylgruppe darstellt) substituiert
sein.
Die erfindungsgemäß verwendeten Heterocyclen wirken bei der
Iontophorese selektiv auf die Tumorzellen. Dies beruht
wahrscheinlich darauf, daß die Tumorzellen gegenüber gesunden
Zellen einen erhöhten DNA-Anteil haben.
Nach einer bevorzugten Ausführungsform liegen die
erfindungsgemäß verwendeten Heterocyclen im Gemisch mit
Dimethylsulfoxid (DMSO) in wäßriger Lösung vor. Das DMSO bewirkt
einmal eine bessere Verteilung der Heterocyclen im Gewebe und
zum anderen eine bessere Permeabilität der Zellmembranen bzw.
Zellkernmembranen. DMSO allein ist jedoch nicht in der Lage,
diese Membranen für ionische Substanzen vollständig durchlässig
zu machen. Erst in Verbindung mit der Iontophorese erhöht sich
die transportierte Wirkstoffmenge bis auf etwa das Dreifache.
Das DMSO hat bei der Behandlung von Blasencarcinomen außerdem
eine lokale analgetische und spasmolytische Wirkung, wodurch bei
den angewandten Stromdichten Iontophoresen über einen längeren
Zeitraum ohne Schmerzen möglich sind.
Üblicherweise liegt der erfindungsgemäß verwendete Heterocyclus
in wäßriger Lösung in einer Konzentration von 0,05 g/l bis zur
Löslichkeitsgrenze, vorzugsweise bis zu 5 g/l, vor. Das
Dimethylsulfoxid liegt vorzugsweise in wäßriger Lösung in einer
Konzentration von 20 bis 300 g/l vor.
Eine bevorzugte Herrichtung oder Rezeptur enthält Proflavin-
Monohydrochlorid in einer Konzentration von 0,05 bis 5 g/l und
DMS in einer Konzentration von 20 bis 300 g/l. Insbesondere
enthält die Rezeptur 3 g/l Proflavin-Monohydrochlorid und 150 g/l
Dimethylsulfoxid. Mit Hilfe einer derartigen Rezeptur kann
die Iontophorese in einer Sitzung auf 1½ Stunden ausgedehnt
werden.
Die iontophoretische Behandlung erfolgt vorzugsweise mit einem
Gleichstrom, wobei die auf den Körperflächen bzw. den Tumor
angewandten Stromdichten nicht über 0,5 mA/cm² liegen. Die
Stromdichte beträgt vorzugsweise 0,3 bis 0,46 mA. Unter dem
Begriff "Gleichstrom" versteht man auch pulsierende Gleichströme
sowie bestimmte Arten von Wechselströmen, bei denen eine
Halbwelle eine größere Amplitude als die andere hat bzw. bei
denen die Integralfläche unter einer Halbwelle größer ist als
unter der anderen Halbwelle.
Bei der Iontophorese kommt es zu einer Wanderung der als
Kationen vorliegenden Heterocyclen in das Körpergewebe und in
die Tumorzellen. Des weiteren findet nach Überwindung der
Membranstrukturen eine Interaktion mit der DNA des Zellkerns
statt.
Bei der Behandlung von Blasencarcinomen wird das Medikament
vorzugsweise mit Hilfe einer rohrförmigen positiven Elektrode 1,
wie sie in der Zeichnung dargestellt ist, durch die Harnröhre 2
in die Blase 3 eingeführt. Die positive Elektrode ist im Bereich
der Harnröhre isoliert, im Bereich der Blase mit Öffnungen 4
versehen und am distalen Ende 5 mit einer Kappe aus isolierendem
Material versehen. Die negative gürtelförmige Außenelektrode ist
in der Zeichnung mit 6 bezeichnet. Die Pfeile markieren die
Stromrichtung bzw. den Wirkstofftransport aus dem Blasenlumen
in die Blasenwand und zur negativen Außenelektrode. Das
Blaseninstillat, das bei 7 eingeführt wird, ist ein Gemisch aus
destilliertem Wasser, Heterocyclus (insbesondere Proflavin-Monohydrochlorid)
und DMSO in dem vorstehend angegebenen Konzentrationsbereich.
Die Blase ist für die Iontophorese ein ideales Ausnahmeorgan, da
sie die Aufnahme einer Elektrolytlösung, d. h. einer Lösung des
in Ionenform vorliegenden Heterocyclus, und dessen gezielte Einschleusung
und Penetration in die Blasenwand gestattet. Theoretisch
ist die transportierte und die aus dem Instillat in die
Blasenwand eingebrachte Menge des Heterocyclus das Produkt aus
Zeit mal Stromstärke; in der Praxis muß jedoch mitberücksichtigt
werden, daß während der iontophoretischen Behandlung mit dem
Urin Fremdionen in das Instillat gelangen, die mit den zu
transportierenden Heterocyclus-Ionen konkurrieren. Deshalb muß
die verwendete Behandlungslösung frei von Fremdionen sein und
eine genügend hohe Heterocyclus-Konzentration haben, um zu
verhindern, daß der Stofftransport vorwiegend durch die
Fremdionen erfolgt.
Schon nach einer Behandlungsdauer von 30 min kann der eingeschleuste
Wirkstoff in allen drei Blasenwandschichten in hohen
Konzentrationen nachgewiesen werden, was ohne Anwendung der
intravesikalen Iontophorese bisher noch nicht erreicht werden
konnte.
Das erfindungsgemäß bevorzugt verwendete Proflavin (in Kationenform)
zeichnet sich durch eine gute Gewebeverträglichkeit aus. In
therapeutischen Dosen (2 g/l) reizt Proflavin das Gewebe nicht
und ruft auch keine allergischen Erscheinungen hervor. Es ist
unabhängig vom pH-Wert wirksam und zeichnet sich durch eine gute
chemische Stabilität aus. Man findet einen extremen
bakteriostatischen und bakteriziden Effekt in Lösungen
niedrigster Proflavin-Konzentration.
Die Erfindung ist durch die nachstehenden Beispiele erläutert:
Es wurde eine Blaseninstillation mit 200 ml einer 0,1%igen
Proflavin-Monohydrochloridlösung vorgenommen, wobei keine
wesentlichen subjektiven und objektiven lokalen Reizerscheinungen
auftraten. Die Behandlungsdauer betrug 30 min, die verwendete
Stromstärke 50 mA, woraus sich rechnerisch im Bereich der
gesamten Blasenwand (Oberfläche) eine Stromdichte von 0,3 mA/cm²
ergab.
Nach der Behandlung wurden in den drei Blasenschichten folgende
Konzentrationen an Proflavin-Monohydrochlorid-Lösung gefunden:
(I) Schleimhaut: 5,20 µg/g,
(II) Muskularis 13,80 µg/g
(III) perivesicales Gewebe 2,10 µg/g
(II) Muskularis 13,80 µg/g
(III) perivesicales Gewebe 2,10 µg/g
Zum Vergleich wurde eine entsprechende Blaseninstillation ohne
Iontophorese vorgenommen. Hierbei kam es nicht zum Übertritt des
Arzneimittels in die Blasenwand, was durch eine Probeexzision in
Verbindung mit einer Flüssigkeitschromatographie festgestellt
wurde.
Die iontophoretisch erreichten Proflavin-Gewebsspiegel machen
einerseits deutlich, daß die Substanz nach dem Passieren der
sonst von ionisierten Verbindungen nicht überwindbaren superficialen
Zellmembran nicht sofort Anschluß an das Gefäßsystem
findet und abtransportiert wird, sondern sich in der ganzen
Blasenwand verteilt und andererseits, das gerade in der
Muscularis (Schicht II) das Maximum der Proflavin-Konzentration
besteht. Das ist besonders wichtig für die Behandlung der wandinfiltrierenden
Formen des Blasencarcinoms.
Es wurden Walker-Tumoren am Rücken von 300 g schweren Lewis-
Ratten als Modell-Hauttumoren präpariert. 7 Tage nach der Impfung
hatten sich walnußgroße Geschwülste entwickelt. Es wurden zwei
Versuchsgruppen gebildet. Den Tieren der ersten Gruppe wurden
in die sieben Tage alten walnußgroßen Tumoren je eine Injektion
von jeweils 0,45 ml einer 2%igen Proflavin-Monohydrochlorid-
Lösung (= 9 mg) in Abständen von 6 Tagen verabreicht. Die
Geschwülste entwickelten sich explosionsartig weiter und waren
beim Exitus 7 Tage nach der ersten Injektion nach einem schweren
Krankheitsverlauf hühnereigroß. Nach der einschlägigen Literatur
beträgt die statistische Überlebenszeit der Walker-Ratten auch
in Abhängigkeit von der verimpften Zellzahl, durchschnittlich 19
Tage (verimpfte Zellzahl für die in diesem Versuch erzeugten
Tumoren: 1 Mio).
In der zweiten Gruppe mit ebenfalls 7 Tage alten walnußgroßen
Tumoren erfolgten drei intratumorale Injektionen in gleicher
Dosierung wie oben in 6tägigen Abständen, denen sich jeweils
iontophoretische Anwendungen mit kleinflächigen Elektroden
anschlossen (30 min pro Sitzung bei 0,2 bis 0,3 mA/cm²
Tumorfläche). Sofort nach der ersten Sitzung war das
Tumorwachstum gestoppt. Die Tiere zeigten ein gutes Allgemeinbefinden
und eine Gewichtszunahme während des gesamten
weiteren Verlaufs. Am Tage der dritten und letzten Sitzung war
der Tumor bereits um die Hälfte verkleinert. Nach weiteren 14
Tagen war an der Stelle des ehemaligen Tumorsitzes keine
Geschwulst mehr nachweisbar. Die Tiere überlebten ohne Tumorrezidiv
ein Jahr und länger.
Ergebnisse dieses Versuches wurden durch die Ergebnisse eines
weiteren Versuches bestätigt:
Auf 30 Nacktmäuse (20 g Körpergewicht) wurden als Modell-
Hauttumoren menschliche Pankreastumoren (Impftumoren) im
Rückenbereich transplantiert. Dieses Tumormodell ist
therapieresistent und nicht durch Cytostatika zu beeinflussen.
In der ersten Gruppe (15 Mäuse) wurden in vier Sitzungen in ca.
3- bis 5tägigen Abständen je nach Tumorgröße zwischen 0,25 und
0,75 mg Proflavin-Monohydrochlorid in Form einer verdünnten
wäßrigen Lösung intratumoral eingespritzt. Nach den Injektionen
erfolgten über jeweils 30 min iontophoretische Behandlungen mit
den Elektroden nach Beispiel 2 (Stromdichte 0,2 bis 0,3 mA/cm²).
Vier Tiere verstarben an interkurrenten Krankheiten, die nicht
im Zusammenhang mit der Tumorerkrankung bzw. -behandlung
standen. Die Tumore der übrigen Tiere bildeten sich vollständig
und defektfrei zurück.
In der ebenfalls 15 Tiere umfassenden Kontrollgruppe wurde die
gleiche Proflavin-Monohydrochlorid-Menge in denselben zeitlichen
Abständen verabreicht, wie in der Behandlungsgruppe, jedoch
unterblieben die lokalen Iontophoresen. Alle Tiere starben durch
fortschreitendes Tumorwachstum an Kachexie.
Es lag ein multilokullär rezidivierendes Blasencarcinoms vor,
das innerhalb von etwa 3 Jahren andernorts erfolglos durch
transurethrale Elektroresektionen und eine fast zweÿährige
lokale kontinuierliche Cytostatika-Anwendung vorbehandelt worden
war. Bei der stationären Aufnahme bestanden schwerste Blasentenesmen
mit einer fünfminütigen Miktionsfrequenz, einem
himbeerfarbenen Urin und häufigen Koagelabgängen.
Es wurden 5 intravesicale Proflavin-Iontophoresen mit 0,1%igem
Proflavin-Monohydrochlorid als Blaseninstillat über jeweils eine
halbe Stunde bei 50 mA durchgeführt. Danach erfolgte eine rasche
Sistierung der Hämaturie und eine allmähliche Rückbildung der
Tenesmen. 110 Tage nach Behandlungsbeginn ergab sich makroskopisch
und histologisch kein Anhalt mehr für einen Tumor. Zwei Monate
später fand sich bei Beschwerdefreiheit cystoskopisch eine völlig
reizlose Blasenschleimhaut ohne Hinweis auf ein Carcinom-Rezidiv.
Ausgeprägtes infiltrierendes Blasencarcinom mit Harnstauung
beiderseits (Ersterkrankung).
2 g Proflavin-Monohydrochlorid, 150 g DMSO, 850 ml dest. Wasser.
Es wurden insgesamt 6 intravesicale Iontophoresen von jeweils
einstündiger Dauer in Abständen von 7 Tagen unter Wechsel der
Lösung bei 50 mA ohne Narkose und ohne Komplikationen durchgeführt.
Bei der cystoskopischen Kontrolle am siebten Tag nach
Behandlungsbeginn zeigte sich bereits eine deutliche Abflachung
der tumorösen Veränderungen und eine Schrumpfung der knolligen
Tumorsubstrate. Am 33. Tag nach Behandlungsbeginn war nur noch
ein apfelsinenkerngroßer Tumorrest im Trigonum festzustellen.
Die Patientin wurde nach 43 Tage in gutem Allgemeinzustand bei
urologischer Beschwerdefreiheit und ohne spezielle Blasensymptomatik
entlassen.
Claims (8)
1. Verwendung von dissoziierbaren Heterocyclen aus der Gruppe
der Aminochinoline und Aminopyridine sowie ihrer am Grundskelett
substituierten Derivate, die in einer tautomeren Diiminform
vorliegen, zur iontophoretischen Behandlung bzw. zur Herstellung
eines Arzneimittels für die iontophoretische Behandlung und
Rezidivprophylaxe des Blasenkrebses sowie für die iontophoretische
Behandlung bösartiger Haut- und Schleimhautgeschwülste.
2. Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der
Heterocyclus in Salzform vorliegt.
3. Verwendung nach Anspruch 1 und 2, dadurch gekennzeichnet,
daß der Heterocyclus als Mono- oder Dichlorid, -sulfat, -lactat-
oder -acetat oder in Form eines anderen physiologisch verträglichen
Salzes vorliegt.
4. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet,
daß der wirksame Teil des Heterocyclus ein Kation ist.
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet,
daß der Heterocyclus im Gemisch mit Dimethylsulfoxid
(DMSO) in wäßriger Lösung vorliegt.
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet,
daß der Heterocyclus in wäßriger Lösung in einer Konzentration
von 0,05 g/l bis zur Löslichkeitsgrenze, vorzugsweise
bis zu 5 g/l vorliegt.
7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet,
daß das Dimethylsulfoxid in wäßriger Lösung in einer
Konzentration von 20 bis 300 g/l vorliegt.
8. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet,
daß die iontophoretische Behandlung mit einem Gleichstrom
erfolgt, wobei die auf den Körperflächen bzw. den Tumor
angewandten Stromdichten nicht über 0,5 mA/cm² liegen.
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