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Die Mikrotechnik mit ihren breiten Einsatzmöglichkeiten erobert viele Anwendungen im täglichen Leben. Sie ist oft unauffälliger Bestandteil von Produkten, die in der Regel nicht als typische Mikrotechnik-Erzeugnisse in Erscheinung treten. Dabei steht die Kunststofftechnik auf verschiedenster Weise vor der Aufgabe, kleine Schmelzemengen optimal aufzubereiten und in Urformprozessen zu verarbeiten. Die Erfindung betrifft eine solche Plastifiziereinheit zur Aufbereitung von kleinen Schmelzemengen und kann beispielsweise für die Mikroextrusion, Mikrocoextrusion, Mikrocompoundierung und für das Mikrospritzgießen eingesetzt werden.
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Für den Plastifiziervorgang von thermoplastischen Kunststoffen werden in der betrieblichen Praxis vorrangig Schnecken-, Kolben- oder Schneckenkolbenplastifiziersysteme eingesetzt. Die Plastifizierschnecken sind „schlank” gestaltet und besitzen ein L/D-Verhältnis zwischen 15 bis 36. Bei Beibehaltung dieser L/D-Verhältnisse und Miniaturisierung der Schnecke ist die Bereitstellung von kleinen Schmelzemengen, wie sie für das Mikrospritzgießen benötigt werden, nicht realisierbar, weil sich die Höhe der Schneckenstege im Materialeinzugsbereich an der Granulatkorngröße orientieren muss und sich damit eine zu große Granulateinzugsmenge ergibt, die plastifiziert wird, wobei die Schmelze dann wegen der geringen Schussgewichte beim Mikrospritzgießen mit einer langen Verweilzeit in der Plastifiziereinheit verbleibt.
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Beim Mikrospritzgießen werden Mikroformteile oft mit klein dimensionierten konventionellen Spritzgießmaschinen oder an Maschinen mit Schneckenvorplastifizierung und Kolbeneinspritzung hergestellt, wie in NN,: Schmale Silhouette. Kunststoffberater 44 (1999) 7–8, S. 6 und LÖHL, R.: Klein, kleiner am kleinsten. Plastverarbeiter 50 (1999) 6, S. 32, 34, 37, 38 beschrieben oder in MICHAELI, W.; OEPEN, R. v.; Entwicklung: Speziell für kleine Teile. In: Sonderdruck Industrieanzeiger (1994) 16. S. 33–35, NN.: Spritzgießen von Kleinstteilen. Kunststoffberater 43 (1998) 10, S. 24, ROGALLA, A.; MICHAELI, W.: Analysis of injection molded microstructures. In: ANTEC '97, 1997, S. 364–368 dargestellt.
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Bei beiden Prinzipien ergibt sich auch hier durch die geringen Schussgewichte eine lange Verweilzeit der Schmelze in der Plastifiziereinheit.
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So ist unterhalb von 1000 mg Schussvolumen, materialabhängig, durch die lange Verweilzeit mit einer Schmelzeschädigung, bei verweilzeitoptimierten Schnecken wiederum mit Problemen bei der thermischen und stofflichen Homogenisierung der Schmelze zu rechnen.
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Von der Anmelderin wurde die Zweistufen-Kolbenspritzgießmaschine „formicaPlast” entwickelt, mit der kleinste Schmelzemengen plastifiziert und eingespritzt werden können, dargestellt in JÜTTNER, G.: Plastifiziereinheiten für kleinste Schussgewichte. Kunststoffe 94 (2004) 1, S. 53–55, JÜTTNER, G.: Flexible Maschinentechnik realisiert Mikrospritzguss. Kunststoffberater 52 (2007) 3, S. 35–41 und DORMANN, B.; JÜTTNER. G.: Klein, fleißig, kooperativ – Große Anforderungen für kleine Teile an Mikrospritzanlagen. Plastverarbeiter 58 (2007) 3, S. 60–62.
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Mit dieser Maschine ist es möglich, das Schussvolumen gegenüber den bisher verfügbaren kommerziellen Mikrospritzgießmaschinen drastisch auf unter 10 mm3 zu reduzieren.
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Nachteilig bei dieser Maschine ist aber, dass das Plastifiziersystem auf sehr kleine Plastifizierleistungen von ca. 50 mg/s begrenzt ist und ein optimal homogenisiertes Granulat voraussetzt.
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Aus der Praxis ist zur Aufbereitung von kleinen Schmelzemengen weiterhin die Scheibenplastifizierung bekannt, wie sie in
SEIDEL, F.; BRUNNER, D.; WISSUWA, E.; JOST, M.: Kleines Gewicht, große Anforderungen-Plastifiziereinheit zum Spritzgießen von Klein- und Mikroformteilen. Plastverarbeiter 60 (2009) 5, S. 24–27 und der
DE 10 2009 049 675 A1 beschrieben wird.
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Die Scheibenplastifizierung ist so aufgebaut, dass ein Scheibenelement mit einer zylindrischen Schneckenzuführung kombiniert wird und beide Teile kraft- und formschlüssig miteinander verbunden sind. Die Kombination von Scheibenelement und Schneckenzuführung ist als Rotor ausgebildet, der mit einem Stator zusammenwirkt. Der Stator als Gegenstück zum Rotor ist ein kurzer, einseitig verschlossener, beheizter Zylinder mit einer Schmelzeaustrittsbohrung, in welchem der Rotor konzentrisch und drehbar angeordnet ist. Über das Schneckensegment wird das Granulat dosiert, vorgewärmt und entgast. Anschließend wird das Granulat im Scherspalt zwischen dem rotierenden Scheibenelement und dem Stator plastifiziert und homogenisiert sowie ein Teil des Förderdruckes erzeugt. Über eine Düse wird die Schmelze abgezogen.
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Die Nachteile dieser Lösung liegen in der schwierigen Beherrschbarkeit der unterschiedlichen Temperaturzonen auf der geringen Länge des Rotors. So herrscht an der Rotorspitze Schmelzetemperatur, während am gegenüberliegenden Ende des Rotors, in der Einzugszone, eine wesentlich niedrigere Temperatur als die Schmelzetemperatur vorliegen muss, um das Granulat rieselfähig zu halten und den Granulateinlauf und -transport störungsfrei zu gewährleisten. Zudem muss der elektrische Antrieb, der mechanisch mit dem Rotor verbunden ist, auch vor zu hohen Temperaturen geschützt werden.
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Aufgabe der Erfindung ist es, eine Plastifiziereinheit für kleine Schmelzemengen zu schaffen, die eine kurze und kompakte Bauart mit einem L/D-Verhältnis von unter 5 ermöglicht, die konstruktiv einfach, störungsunanfällig und wartungsfreundlich aufgebaut ist und eine thermisch und stofflich homogen aufbereitete Schmelze bei geringer Verweildauer in der Plastifiziereinheit erzeugt.
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In der Praxis sind Plastifizierschnecken für die Thermoplastverarbeitung mit einem L/D-Verhältnis zwischen 15 und 36 „schlank” gestaltet. Bei Einhaltung dieser L/D-Verhältnisse und mit der Miniaturisierung der Schnecken sind kleine Formmassedurchsätze und kleine Schmelzemengen aber nicht erreichbar, weil sich die Höhe der Schneckenstege im Einzugsbereich an der Granulatkorngröße orientieren muss. Grundsätzlich lassen sich die wichtigsten Schneckenparameter, wie Gangtiefe, Kompressionsverhältnis, Steigung und Länge des Schneckenkanals auch bei Kurzschnecken realisieren. Die Länge des Kanals ist im geometrischen Sinne die Helixlänge einer Spirale auf der Mantelfläche eines Zylinders. Diese ist bei gegebener Steigung sowohl mit der Schneckenlänge als auch mit dem Durchmesser der Schnecke direkt proportional. Beispiel: Für eine kleine Schnecke mit einem Durchmesser von 15 mm und einem L/D-Verhältnis von 20 ergibt sich eine Länge von 300 mm. Die gleiche Kanallänge bei identischer Steigung auf einer Schnecke mit 30 mm Durchmesser erfordert eine Schneckenlänge von 150 mm, was wiederum einem L/D-Verhältnis von nur noch 5 entspricht.
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Mit der Verringerung des L/D-Verhältnisses, d. h. mit der Verringerung der Schneckenlänge, wird es jedoch immer problematischer, die notwendigen Temperaturgradienten zwischen Düsenbereich/Austragszone und Einfüllzone/Feststoffförderzone zu realisieren. Während die thermische Trennung im Plastifizierzylinder durch die aktive Temperierung mit Heizbänder am Zylinder gut zu realisieren ist, bereitet die thermische Trennung für die Schnecke vor dem Hintergrund der zum Ziel gesetzten Miniaturisierung Probleme. Dabei ist es aber besonders wichtig, dass das Granulat in der Einfüllzone nicht an der Schneckenoberfläche anschmilzt oder anhaftet.
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Die Plastifiziereinheit nach der Erfindung ist so aufgebaut, dass eine Scheibenplastifizierung mit einer Schneckenzuführung kombiniert wird. Die Kombination von Scheibenelement und Schneckenzuführung ist als Rotor ausgebildet, der mit einem Stator zusammenwirkt.
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Der Stator ist ein beheizbarer Plastifizierzylinder, in welchem der Rotor konzentrisch und drehbar angeordnet ist und der düsenseitig mit einer Düsenstockplatte abgeschlossen wird.
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Erfindungsgemäß ist die Plastifiziereinheit mit einem Rotor mit einem L/D-Verhältnis von 1 bis 5, vorzugsweise 2,5 ausgestattet und kann deshalb konstruktiv kurz und kompakt ausgeführt werden.
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Der Stator ist im Wesentlichen als Hohlzylinder ausgebildet, wobei in der Mantelfläche des Stators radial am Umfang umlaufende und im Abstand zueinander ein oder mehrere Ringnuten eingebracht sind. Diese Ringnuten unterbrechen die geschlossene Mantelfläche und bilden so nebeneinander liegende aber voneinander getrennte Ringflächen. Auf diesen Ringflächen sind jeweils Heizbänder angeordnet, die den Stator umschließen und beheizen. Der Stator wird damit in einzelne Heizzonen aufgeteilt.
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In der Einfüllzone ist im Bereich des Formmasseeinlaufkanals ein Kühlring zur Temperierung dieses Bereiches aufgesetzt.
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Der Rotor, aus der Schneckenzuführung mit dem Scheibenelement an der Schneckenspitze aufgebaut, wirkt mit dem Stator bei der Plastifizierung des Granulates zusammen. Das Granulat wird zur Rotorspitze transportiert und im Scherspalt zwischen dem Scheibenelement und der Düsenstockplatte nach dem Prinzip der Scheibenplastifizierung aufgeschmolzen und homogenisiert.
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Entscheidend dabei ist, dass der Rotor nicht als zylindrischer Vollkörper sondern als dünnwandiger Hohlzylinder mit einem kreisringförmigen Querschnitt ausgebildet ist. Die dünnwandige und hohle Ausführung des Rotors und der damit verringerte Querschnitt der Wandung reduziert den zwischen der Schneckenspitze und der Einfüllzone fließenden Wärmestrom und unterstützt so passiv die Erhöhung des Temperaturgradienten zwischen Schneckenspitze und Einfüllzone. Die Schmelzetemperatur an der Rotorspitze wird so durch das erreichbare Temperaturgefälle auf eine wesentlich niedrigere Temperatur in der Einfüllzone reduziert.
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Die hohlzylindrische Ausführung des Rotors beeinträchtigt die mechanische Stabilität zur Übertragung der Drehmomente nicht. Über eine vergleichende Berechnung der polaren Widerstandsmomente für den Kernquerschnitt einer hohlen Kurzschnecke kann leicht gezeigt werden, dass bei der Dimensionierung der Wandung des Hohlzylinders nur die Anforderungen des Verschleißes und der lokalen Druckbelastung berücksichtigt werden müssen und sie damit sehr dünnwandig ausgeführt werden kann. Ähnlich verhält es sich mit der Temperierung des Stators.
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Zwar lässt sich die Temperierung zwischen dem Düsenbereich und der Einfüllzone durch die aktive Heizung mittels der auf dem Stator angeordneten Heizbänder technisch schon gut realisieren, eine weitere Verbesserung des Temperaturgradienten am Stator wird aber auch durch die im Abstand zueinander in die Mantelfläche des Stators eingebrachten Ringnuten erreicht. Durch die Verringerung des Querschnittes des Statorgehäuses im Bereich der Ringnuten erfolgt hier die Wärmeleitung nur im verringerten Kreisringquerschnitt und der Wärmestrom zwischen dem Düsenbereich und der Einfüllzone wird auch hier reduziert, was zu einer Verbesserung des Temperaturgradienten beiträgt.
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Die erfindungsgemäße Plastifiziereinheit ist in der Kunststoffverarbeitung für das Mikrospritzgießen, die Mikroextrusion, die Mikrocoextrusion und die Mikrocompoundierung geeignet.
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Die Erfindung soll nachfolgend an einem Ausführungsbeispiel näher erläutert werden.
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Es zeigen:
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1: Plastifiziereinheit im Längsschnitt
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2: Rotor im Längsschnitt
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Die Plastifiziereinheit, 1, ist mit einem Rotor 1 mit einem L/D-Verhältnis von 2,5 ausgestattet und ist kurz und kompakt ausgeführt. Der Stator 2 ist als Hohlzylinder ausgebildet, wobei in der Mantelfläche zwei radial am Umfang umlaufende und im Abstand zueinander angeordnete Ringnuten 3 eingebracht sind, die den kreisringförmigen Querschnitt des Stators 2 an diesen Stellen verringern. Diese Ringnuten 3 unterbrechen die geschlossene Mantelfläche des Stators 2 und bilden nebeneinander liegende Ringflächen 4. Auf diesen Ringflächen 4 sind die Heizbänder 5 angeordnet. In der Einfüllzone ist im Bereich des Formmasseeinlaufkanals 6 der Kühlring 7 zur Temperierung dieses Bereiches aufgesetzt.
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Nach 2 ist der Rotor 1, aus der Schneckenzuführung 8 und dem Scheibenelement 9 aufgebaut und wirkt mit dem Stator 2 bei der Plastifizierung des Granulates zusammen.
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Das Granulat wird vom Formmasseeinlaufkanal 6 zur Rotorspitze transportiert und im Scherspalt 10 zwischen dem Scheibenelement 9 und der Düsenstockplatte 11 nach dem Prinzip der Scheibenplastifizierung aufgeschmolzen und homogenisiert, 1. Der Rotor 1 ist als dünnwandiger Hohlzylinder 12 mit einem kreisringförmigen Querschnitt ausgebildet. Die dünnwandige und hohle Ausführung des Rotors 1 reduziert den zwischen der Schneckenspitze und der Einfüllzone fließenden Wärmestrom und unterstützt so passiv die Erhöhung des Temperaturgradienten zwischen Schneckenspitze und Einfüllzone, so dass die Temperatur an der Rotorspitze von Schmelzetemperatur auf eine Temperatur an der Einfüllzone reduziert wird, bei der die Rieselfähigkeit des Granulates gewährleistet wird.
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Mit dieser technischen Lösung ist es möglich, eine kurze und kompakte Plastifiziereinheit für die Mikrokunststoffverarbeitung mit einem L/D-Verhältnis von unter 5 zu konzipieren.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Rotor
- 2
- Stator
- 3
- Ringnut
- 4
- Ringfläche
- 5
- Heizband
- 6
- Formmasseeinlaufkanal
- 7
- Kühlring
- 8
- Schneckenzuführung
- 9
- Scheibenelement
- 10
- Scherspalt
- 11
- Düsenstockplatte
- 12
- Hohlzylinder
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009049675 A1 [0009]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- NN,: Schmale Silhouette. Kunststoffberater 44 (1999) 7–8, S. 6 [0003]
- LÖHL, R.: Klein, kleiner am kleinsten. Plastverarbeiter 50 (1999) 6, S. 32, 34, 37, 38 [0003]
- MICHAELI, W.; OEPEN, R. v.; Entwicklung: Speziell für kleine Teile. In: Sonderdruck Industrieanzeiger (1994) 16. S. 33–35 [0003]
- NN.: Spritzgießen von Kleinstteilen. Kunststoffberater 43 (1998) 10, S. 24, ROGALLA, A. [0003]
- MICHAELI, W.: Analysis of injection molded microstructures. In: ANTEC '97, 1997, S. 364–368 [0003]
- JÜTTNER, G.: Plastifiziereinheiten für kleinste Schussgewichte. Kunststoffe 94 (2004) 1, S. 53–55 [0006]
- JÜTTNER, G.: Flexible Maschinentechnik realisiert Mikrospritzguss. Kunststoffberater 52 (2007) 3, S. 35–41 [0006]
- DORMANN, B.; JÜTTNER. G.: Klein, fleißig, kooperativ – Große Anforderungen für kleine Teile an Mikrospritzanlagen. Plastverarbeiter 58 (2007) 3, S. 60–62 [0006]
- SEIDEL, F.; BRUNNER, D.; WISSUWA, E.; JOST, M.: Kleines Gewicht, große Anforderungen-Plastifiziereinheit zum Spritzgießen von Klein- und Mikroformteilen. Plastverarbeiter 60 (2009) 5, S. 24–27 [0009]