DE19851758C2 - Verwendung von Corticosteroiden zur Suchtbehandlung - Google Patents

Verwendung von Corticosteroiden zur Suchtbehandlung

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Description

Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist die Verwendung von Corticosteroiden zur Behandlung von Suchterkrankungen sowie Arzneimittel zur Behandlung von Suchterkrankungen.
Alkohol- und Drogensucht gelten bis heute als nicht heilbar. Alle Therapiepro­ gramme, auch die neuen Ansätze einer gegen Drogenverlangen ("anti-craving") Pharmakotherapie könnten den süchtigen Patienten zwar in seinem Willen un­ terstützen, nach einem Entzug nicht wieder rückfällig zu werden, sie können je­ doch den Kern der Erkrankung - den latenten Kontrollverlust über die Drogen­ einnahme - nicht rückgängig machen. Daher ist auch Jahre nach dem Entzug die Rückfallgefahr weiterhin hoch.
Alkohol- und Drogensucht (häufig auch als "Abhängigkeit" bezeichnet) ist eine psychische Erkrankung, welche sich in einer zwanghaft gesteigerten Selbstzu­ fuhr der Suchtdroge ausdrückt. Der süchtige Konsument ist nicht mehr in der Lage, seine Drogenzufuhr zu regulieren, an Begleitbedingungen (z. B. die aktu­ elle soziale Situation) anzupassen und gegenüber anderen Verhaltensalternati­ ven abzuwägen (American Psychiatric Association, 1994). Der "Kontrollverlust" geht, wenn er einmal eingetreten ist, nur äußerst langsam zurück, in vielen Fäl­ len scheint er sogar spontan nicht mehr reversibel zu sein (Sobell et al., 1993). Dieser "Reversibilitätsverlust" wird statistisch an den äußerst hohen Rückfall­ quoten, selbst nach langen Abstinenzzeiten sichtbar. Bei Katamnese-Studien (Folgeuntersuchungen) nach Entgiftung und anschließender Therapie von Alko­ holsüchtigen findet man einen Anteil von gerade einem Viertel bis maximal ei­ nem Drittel der Suchtpatienten, die dauerhaft abstinent geblieben sind (Süß, 1995; Veltrup et al., 1995). Spontane Heilungserfolge und höhere Quoten an langfristig abstinenten Patienten gehen meistens darauf zurück, daß - bedingt durch die Einschlußkriterien der betreffenden Studie - nicht nur eindeutig abhängige Patienten, sondern auch "Problemtrinker", also zwar exzessive, aber kontrollierte Alkoholkonsumenten in die Untersuchung einbezogen wurden (vgl. Stetter und Axmann-Kremar, 1996; Wieser und Kunad, 1965). Bei anderen Drogen (Opiate, Kokain, Amphetaminderivate) liegen weniger verläßliche katamnetische Daten vor. Für Opiatsucht ist jedoch in der Regel von einer noch schlechteren Heilungsprognose auszugehen als für Alkoholsucht (vgl. Roch et al., 1992).
Ein Vergleich verschiedener Therapieansätze und Behandlungsfaktoren (vgl. Küfner, 1997) wird dadurch erschwert, dass sich verschiedene Therapieeinrich­ tungen und -programme nicht nur in ihren Randbedingungen (Einschlusskriterien, offene oder geschlossene Therapie, Behandlungsdauer, Nachbehandlungsdauer, Abbruchkriterien, Dokumentation etc.) unterscheiden, sondern auch darin, dass das Therapiekriterium nicht einheitlich definiert ist. Die Spanne reicht von totaler Abstinenz über eine weitgehende Abstinenz mit weni­ gen, tolerierten Rückfällen bis zu einer moderaten, kontrollierten Substanzein­ nahme. Wäre letztere in größerem Umfang möglich, so bedeutete dies den Schritt zurück von Kontrollverlust zum kontrollierten Konsum. Dies ist aber nur sehr selten der Fall. Rist (1996) verweist bezüglich Alkoholismustherapien auf eine Metaanalyse von Süß (1995) und die "VDR"-Studie (Küfner und Feuerlein, 1989), nach denen der Anteil nicht dauerhaft abstinenter, aber gebesserter Pati­ enten vergleichsweise gering ist. Danach hat ein latent Süchtiger im Grunde ge­ nommen nur die Wahl zwischen einem Rückfall in die Sucht und einer Fortfüh­ rung der Abstinenz unter ständigem Kampf gegen den Rückfall.
Die gängigen Therapieformen unterstützen den Patienten allenfalls in diesem Kampf. Da Anlässe für einen Rückfall häufig umfeldbedingt sind, ist das Hauptziel vieler psycho- und verhaltenstherapeutischen Ansätze eine psychische und soziale Konsolidierung des Patienten. Dazu kommen Aufklärung und Infor­ mation, die ein kompetentes Umgehen des Suchtkranken mit seiner Erkrankung zum Ziel haben sowie zum Teil ein spezielles Bewältigungs-Training (Rist, 1996). Konditionierungs- und Aversionsverfahren sollen gelernte Zusammenhänge (Reiz-Reaktions-Beziehungen, die mit Substanzzufuhr in Verbindung stehen) brechen bzw. neue, aversive Assoziationen mit der Alkohol- und Drogeneinnah­ me schaffen.
Medikamentöse Behandlungsformen sind im Regelfall Ergänzungen einer Psy­ cho- bzw. Verhaltenstherapie, zum Teil werden sie aber auch ohne flankierende Maßnahmen eingesetzt. Es lassen sich grob drei Einsatzbereiche unterscheiden: (a) Substitutionsbehandlung, (b) Belohnungsunterdrückungs-Therapien (Anti- Reward) und (c) Gegen Drogenverlangen (Anti-Craving)-Therapien. Substituti­ onsbehandlungen sind bei einer Opiatsucht seit Jahren eingeführt (Finkbeiner et al., 1996; Bühringer et al., 1997). Anstelle der Suchtdroge (meist Heroin) nimmt der Süchtige die pharmakodynamisch gleichartige Substitutionssubstanz (meist Methadon) zu sich. Eine Sucht-"Therapie" stellt dieses Konzept nicht dar, denn nach (ausschleichendem) Absetzen des Substituenten kehrt das Bedürfnis nach der Originaldroge zurück, oft ist es auch während der Substitution noch latent vorhanden. Der Nutzen einer Substitution liegt eher bei sozialen Faktoren (Re- Integration des Suchtkranken), in einer Entkriminalisierung der Drogenszene und in einer Reduktion von Morbidität und Mortalität.
Belohnungsunterdrückungs-Behandlungen (Anti-Reward-Behandlungen) mit Pharmaka lehnten sich früher an die Aversions-Strategie an (Beispiel: Disulfi­ ram-Behandlung des Alkoholismus). Dieses Vorgehensweise war in Europa lange umstritten, sie ist aber kürzlich wieder aufgegriffen worden (OLITA- bzw. ALITA- Programm: Ehrenreich et al., 1997). Im Vergleich zu herkömmlichen Therapie­ programmen unterscheidet sich das OLITA/ALITA-Konzept durch eine intensive ambulante Langzeitbehandlung (zweijährige, tägliche Einbestellung der Alkoho­ lismuspatienten zu Gesprächskontakten bei gleichzeitiger Verabreichung von Acetaldeyd-Dehydrogenase-Hemmstoffen zur Induktion einer Alkoholunverträg­ lichkeit). Die Autoren der Studie berichten über einen ca. 50% der Patienten umfassenden Therapieerfolg (fortdauernde Abstinenz), damit wäre das Behand­ lungsprogamm erfolgreicher als übliche Therapieansätze. Längerfristige katamnetische Studien stehen allerdings noch aus. Eine größere multizentrische Studie befindet sich momentan in der Planungsphase (mündliche Mitteilung).
Hoffnungen werden zur Zeit auf eine mittelfristige Blockade der zentralnervösen opioidergen Übertragung durch Opioid-Antagonisten Naltrexon gesetzt. Bei der Opiatverabreichung verspürt der zuvor Naltrexon-behandelte Suchtpatient keine Wirkung, also auch keine Belohnungseffekt. Dies senkt das Rückfallrisiko. Das Problem bleibt die Bereitschaft des Patienten, das Medikament zu akzeptieren. Daher ist der Nutzen einer Naltrexon-Therapie umstritten. Im kurz- bis mittelfri­ stigen Zeitbereich scheint eine Naltrexon-Therapie wirksam zu sein, d. h. sie kann die Zahl der Rückfälle senken und auch deren Schweregrad günstig beein­ flussen. Dies gilt insbesondere auch für die Behandlung von Alkoholikern (Mann und Mundle, 1996). Anhaltende Effekte über das Ende der Pharmakatherapie hinaus sind bisher nicht beschrieben worden.
Gegen Drogenverlangen-Medikationen sollen laut Definition das zwanghafte Verlangen des Suchtkranken nach seiner Droge reduzieren. Es gibt eine Fülle von derartigen Ansätzen, die sich nicht einem gemeinsamen Prinzip unterordnen lassen. Auch die oben genannte Naltrexon-Therapie wird zum Beispiel als Gegen Drogenverlangen-Strategie (Anti-Craving-Strategie) eingesetzt, obwohl sie pharmakologisch vermutlich eher auf einer Wirkungsblockade als auf einer Moti­ vationsbeeinflussung beruht. Grundsätzlich scheinen die Wirkungen und Wirk­ mechanismen der putativen Gegen Drogenverlangen-Pharmaka heterogen zu sein. Eine Zusammenstellung von Soyka (1997) zählt Glutamat-Modulatoren, Glutamat-Antagonisten, Opiat-Antagonisten, Dopamin-Agonisten, Dopamin- Antagonisten, Serotonin-Wiederaufnahme (Reuptake)-Hemmer, Serotonin- Antagonisten und MAO-Hemmer auf. Neben dem bereits genannten Naltrexon, bei dem eine positive Wirkung wahrscheinlich ist, hat sich bisher nur der Gluta­ mat-Modulator Acamprosat in europaweiten multizentrischen klinischen Tests mit Alkoholkranken als wirksam erwiesen. Im deutschen Teil der Studie (Sass et al., 1996) waren nach 48-wöchiger Behandlung am Studienende noch 42% der Patienten der Verum-Gruppe abstinent, bei der Placebogruppe waren es nur 20%. In Österreich waren es 30% der Acamprosat-behandelten und 21% der Placebogruppe (Wirtworth et al., 1996). Über Langzeiteffekte nach Absetzen des Präparates liegen noch keine statistisch aussagekräftigen Daten vor. Nimmt man alle Studien zusammen, so bewirkt Acamprosat - zumindest während des Be­ handlungszeitraums - etwa eine Verdoppelung der Aussicht, nach etwa einjähri­ ger Behandlung abstinent zu bleiben. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Er­ folg. Dennoch bleibt festzuhalten, dass im europäischen Durchschnitt trotz Acamprosat-Behandlung ca. 70% der Suchtpatienten das Therapieziel einer dauernden Abstinenz nicht erreichten (bei Placebo-Behandlung waren es 85%). Damit kann selbst das bis heute wirksamste Sucht-Therapeutikum nur bei einem relativ geringen Anteil der Suchtkranken erfolgreich eingesetzt werden.
Der hohe Anteil von 60 bis 90% Therapiefehlschlägen zeigt, dass die heute eta­ blierten Formen der Psycho-, Verhaltens- und Pharmakotherapie die Krankheit Sucht entweder gar nicht oder nur unzureichend heilen können. Zusätzlich ist zu bedenken, dass viele der abstinent gebliebenen Patienten täglich mit Rückfallge­ danken zu kämpfen haben und sich in Selbsthilfegruppen, wie den Anonymen Alkoholikern, organisieren, um sich gegenseitig bei ihrer Auseinandersetzung mit der latenten Sucht zu unterstützen (vgl. Schwoon, 1996). Die Zahl der wirklich geheilten, d. h. von ihrem Kontrollverlust befreiten Suchtpatienten dürfte daher noch deutlich niedriger liegen, als es die Rückfallstatistiken belegen.
Wünschenswert ist es mithin, ein Behandlungsverfahren anzugeben, mit dem ein Kontrollverlust wieder aufgehoben werden kann, so dass der zuvor süchtige Patient wieder in den status quo ante zurückversetzt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die vorliegende Erfindung die Aufgabe gestellt, Substanzen anzugeben, die eine medikamentöse Behandlung einer Suchterkrankung ermög­ lichen. Diese Medikamente sollen in einer kausal wirkenden Therapie einsetzbar sein.
Diese Aufgabe wird gelöst durch die Verwendung von Corticosteroiden und einer Suchtdroge oder deren pharmakodynamischen Äquivalentes zur Behandlung von Suchterkrankungen. Als Suchtdroge kommt beispielsweise ein Opiat in Frage oder aber diejenige Droge, von der der Patient abhängig ist.
Bei Tierversuchen, die auf einem anerkannten Tiermodell der Sucht basieren (Übersichtsartikel: Wolffgramm und Heyne, 1995) wurde festgestellt, dass eine Gabe von Corticosteroiden erfolgreich Suchtverhalten korrigieren kann, wenn die Gabe von Corticosteroiden kombiniert wird mit einer vorzugsweise hochdosier­ ten, vom Einnahmewunsch des süchtigen Individuums entkoppelten Gabe einer Suchtdroge oder ihres pharmakodynamischen Äquivalents. Dabei kann die Suchtdroge oder ihr pharmakodynamisches Äquivalent gleichzeitig oder etwas zeitversetzt zur Gabe der Corticosteroide verabreicht werden. Das zur Prüfung der Therapie eingesetzte Tiermodell (Ratte) ist der internationalen Fachwelt be­ kannt und gestattet eine Analyse der Suchtentwicklung ebenso, wie eine Erpro­ bung neuer therapeutischer Ansätze.
Nach mehrmonatiger Substanzeinnahme (Alkohol, Opiat, Amphetamin usw.) bei freier Wahl (kein Tier wird gezwungen, die Suchtdroge einzunehmen), entwic­ keln manche Ratten spontan eine Sucht. Sie verlieren die Kontrolle über die Drogeneinnahme und nehmen zum Beispiel auch geschmacklich vergällte Dro­ genlösungen zu sich, was nicht-süchtige Tiere stets vermeiden. Zwischen Sucht und Nicht-Sucht gibt es wahrscheinlich keine intermediären Zustände, dies ist im Tiermodell zumindest für die Opiat- und Amphetaminsucht nachgewiesen. Nach zwangsweiser (forcierter) Drogenzufuhr, eine drogenhaltige Lösung dient als einzige Trinkflüssigkeit, entwickelt sich zwar eine physische Abhängigkeit (Entzugssyndrom) aber kein Kontrollverlust, d. h. keine Sucht.
Überraschenderweise hat sich gezeigt, dass bei einer Gabe von Corticosteroiden in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit der forcierten Verabreichung einer Suchtdroge oder deren pharma-kodynamischen Äquivalentes, die Ausbil­ dung der Sucht in den Stand vor der Sucht zurückversetzt wird. Ist der Zustand einer Sucht einmal erreicht, so ist weder die alleinige Verabreichung eines Corticosteroids noch die forcierte (erzwungene) Einnahme der Suchtdroge oder ihres pharmakodynamischen Äquivalentes alleine dazu geeignet, diesen Zustand wie­ der rückgängig zu machen. Insbesondere eine simultane bzw. sukzessive Kom­ bination aus dem Corticosteroid und einer zwangsweise verabreichten Suchtdro­ ge bzw. deren pharma-kodynamischen Äquivalents können den süchtigen Pati­ enten in einen Zustand rückversetzen, der dem vor der Sucht entspricht. Dabei scheint dem Corticosteroid eine vorbereitende oder synchronisierende Rolle zu­ zukommen, während die hochdosierte Verabreichung der Suchtdroge oder ihres Äquivalents die bisher bestehenden Verknüpfungen löst, durch neue ersetzt und dadurch das bestehende "Suchtgedächtnis" löscht.
Als Corticosteroide können erfindungsgemäß die körpereigenen Corticoidhormo­ ne eingesetzt werden, z. B. Corticosteron, Cortison, insbesondere als Cortiso­ nacetat, oder anderen physiologischen Derivaten, sowie Cortisol. Ebenfalls kön­ nen synthetische Verbindungen, wie Prednisolon, Prednison, Prednyliden, Me­ thylprednisolon, Triamcinolon, Betamethason, Dexamethason, Paramethason, Fluocortolon, Deflazacort, Cloprednol und Fludrocortison oder Kombinationen davon aufnehmen. Vorzugsweise werden Cortisol und Cortison bei der Gruppe der natürlichen Corticoidhormone eingesetzt, da hier bereits umfangreiche Er­ fahrungen mit Verabreichungen am Menschen vorliegen. Zur Substitutionsbe­ handlung werden im allgemeinen nicht nur solche Corticoidhormone eingesetzt, die Affinität zu Glucocorticoidrezeptoren (GR), sondern auch an Mineralcorti­ coidrezeptoren (MR) aufweisen. Handelt es sich bei einem der aufgezählten Prä­ parate um einen reinen GR-Agonisten, wie Betamethason, ist es möglicherweise vorteilhaft, zusätzlich ein MR-wirksames Mineralcorticoid, wie Fludrocortison zu verabreichen. Fludrocortison könnte, da es auch glucocorticoide Effekte ausübt, auch als Monosubstanz wirksam eingesetzt werden.
Erfindungsgemäß lassen sich alle substanzbezogenen Suchterkrankungen be­ handeln. Der Corticosteroidanteil der Therapie bleibt jeweils gleich. Der zweite Anteil wird von einer forciert verabreichten Suchtdroge bzw. deren pharmako­ dynamischen Äquivalent dargestellt. Vorzugsweise sollte dabei entweder die Suchtdroge, von der der Patient abhängig ist oder ein Opiat verabreicht werden. Neben einer Opiatabhängigkeit lassen sich demgemäß auch die Nikotinsucht (Tabakrauchen), Cannabinoid-abhängigkeit (Haschisch, Marihuana), Psychosti­ mulantien- und Entactogenabhängigkeiten, Kokainsucht inklusive "Crack" und Alkoholismus sowie polytoxikomane Süchte mit dem Gebrauch der sogenannten Suchtformen heilen. Gegebenenfalls müssten in den drei letztgenannten Fällen medizinische Begleitprobleme geklärt werden, die mit einer hochdosierten, eventuell mehrwöchigen Zwangsverabreichung einer Suchtdroge oder ihres Äquivalentes verbunden wären.
Erfindungsgemäß wichtig ist die Kombination aus einer Verabreichung des Corti­ costeroids und einer Suchtdroge bzw. deren pharmakodynamischen Äquivalen­ tes. Die Corticosteroidverabreichung muss vor und/oder während der forcierten Suchtdrogenverabreichung erfolgen. Beide Substanzen werden in hohen, aber nicht gesundheitsgefährdenden Dosierungen eingesetzt. Folgende Möglichkeiten sind gegeben, wobei die Verabreichungsdauern pro Phase jeweils zwischen eini­ gen Tagen und wenigen Wochen liegen:
  • - gemeinsame Gabe des Corticosteroids und einer Suchtdroge bzw. deren Äquivalentes,
  • - erst die Corticosteroidverabreichung, unmittelbar darauf die forcierte Ver­ abreichung einer Suchtdroge oder deren Äquivalentes,
  • - erst die Corticosteroidverabreichung, unmittelbar darauf die gemeinsame Verabreichung von Corticosteroid und Suchtdroge oder deren pharmako- dynamischen Äquivalentes,
  • - erst die gemeinsame Gabe von Corticosteroid und Suchtdroge bzw. pharmakodynamischen Äquivalentes, unmittelbar danach erfolgt die for­ cierte Verabreichung einer Suchtdroge bzw. ihres pharma-kodynamischen Äquivalentes ohne Corticosteroid,
  • - erst die Corticosteroidverabreichung, danach die gemeinsame Verabrei­ chung von Suchtdroge (oder ihres Äquivalentes) und Corticosteroid, da­ nach die forcierte Verabreichung von Suchtdroge oder deren pharmako­ dynamischen Äquivalentes ohne Cortico-steroidgabe.
Neben der Verabreichung eines einzelnen Corticosteroids kommt auch die Gabe von Kombinationen verschiedener Corticosteriode in Frage. Bei Vorliegen einer Polytoxikomanie (Abhängigkeit von mehreren Drogen gleichzeitig) wäre sowohl eine gleichzeitige als auch eine sequentielle Behandlung möglich. Da bei einer sequentiellen Therapie zum einen zusätzliche Risiken entstünden und zum an­ deren ein Wirksamkeitsverlust bei mehrfacher Umprägung auftreten könnte, erscheint ein einmaliger Therapieansatz vorteilhaft. Hierbei könnte entweder die Hauptdroge eventuell in Kombination mit häufig eingesetzten Begleitsubstanzen bei der forcierten Verabreichung eingesetzt werden oder es könnte eine forcierte Opiatverabreichung erfolgen.
Kombinationen von Corticosteroid und Suchtdroge bzw. deren pharmakodyna­ mischen Äquivalentes werden erfindungsgemäß so verstanden, dass entweder ein oder mehrere Corticosteroid(e) zusammen mit einer Suchtdroge oder ihrem pharmakodynamischen Äquivalent in einer üblichen pharmazeutischen Formu­ lierung zusammengemischt und dem Süchtigen dadurch gleichzeitig verabreicht werden. Es ist aber ebenfalls möglich, jeweils die Stoffe getrennt voneinander z. B. in galenischen Zubereitungen zu formulieren und dem Patienten voneinander getrennt zu geben. Dies hat beispielsweise den Vorteil, dass die Suchtdrogen oral und die Corticosteroide parenteral gegeben werden könnten. Sofern jedoch eine orale oder andersartige Verabreichung für beide Komponenten des erfin­ dungsgemäßen Arzneimittels möglich ist, kann es vorteilhaft sein, die Kompo­ nenten auch jeweils in einer Formulierung zu verabreichen.
Wird bei der Suchtbehandlung lediglich eine zweiphasige Behandlung anzustre­ ben sein, in der zunächst das Corticosteroid verabreicht wird, gefolgt von einer Kombination von Corticosteriod/Suchtdroge oder deren pharmakodynamischem Äquivalent, so kann es vorteilhaft sein, die Verabreichung derart zu gestalten, dass beispielsweise eine Darreichungsform, z. B. Blisterpackung, zunächst eine für die erste Phase ausreichende Menge an Corticosteroid enthaltenden Formu­ lierungen, beispielsweise Tabletten oder Suppositorien, enthält, gefolgt von einer entsprechenden Anzahl von Tabletten, die die Kombination von Corticosteroid und Suchtdroge oder pharmakodynamischem Äquivalent enthält. Gegebenen­ falls kann dann, falls eine dreiphasige Behandlung erforderlich ist, eine entspre­ chende Anzahl von Suchtdroge-enthaltenden Formulierungen vorhanden sein. Diese Konfiguration einer Formulierung stellt ein Beispiel eines zur Verabrei­ chung der erfindungsgemäßen Arzneimittel geeigneten Darreichungsform dar. Abänderungen der beschriebenen Konfigurationen liegen im fachmännischen Können und sind auf die jeweilige Behandlungssituation anpassbar.
Die Dosen der einzusetzenden Corticosteroide und einer Suchtdroge oder deren pharmakodynamischen Äquivalentes sind individuell an den Patienten anzupas­ sen, insbesondere müssen gesundheitsgefährdende Überdosierung vermieden werden. Wie Dosisfindungen bei einem Patienten individuell durchgeführt wer­ den, ist dem Therapeuten bekannt. Zu unterscheiden ist erfindungsgemäß grundsätzlich die Gabe von Startdosierungen zu Beginn der Therapie sowie Er­ haltungsdosen bei Fortführung der Therapie nach Gabe der Startdosis des ent­ sprechenden Corticosteroids. Dabei wird die Corticosteroiddosis anfänglich hoch sein (Startdosierung) und auf eine Erhaltungsdosis reduziert werden. Diese er­ stere orientiert sich für die verschiedenen Glucocorticoide an der "Cushing- Schwelle", bei deren Überschreiten ein typisches Syndrom unerwünschter Ne­ benwirkungen oder Begleitwirkungen auftritt. Die nachfolgend eingeblendete Tabelle ergibt Abschätzungen von Dosierungsrichtwerten für eine(n) 60 bis 80 kg schweren Patienten(in) an.
Die Dosierungen bei der forcierten (vom Verabreichungswunsch des Patienten unabhängige) Verabreichung der Suchtdroge oder deren pharmakodynamischen Äquivalent richtet sich nach der höchsterreichbaren Dosis, bei der noch keine schweren, möglicherweise gesundheitsgefährdenden Begleitwirkungen einer chronischen Verabreichung zu erwarten sind. Das Eintreten der letztgenannten kann vom Gesundheitszustand des Patienten zu Beginn der Therapie entschei­ dend abhängen (z. B. Leberfunktion, Drogentoleranz etc.). Bei Opiatgabe muß zum Beispiel mit Atemdepressionen gerechnet werden. Wenn sich gegen diesen Effekt eine Toleranz (Unempfindlichkeit) entwickelt hat, so ist eine Dosiserhö­ hung möglich. Stellvertretend für andere Drogen sollen hier einige Richtwerte für Dosierungen von Opiaten angegeben werden (entsprechende Werte z. B. von Nikotin oder Tetrahydrocannabinol orientieren sich an den betreffenden Dosis­ schwellen der unerwünschten Begleitwirkungen):
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Behandlung von Suchterkrankungen ist gekennzeichnet durch eine Gabe von mindestens einem Corticosteroid und einer Suchtdroge oder deren pharmakodynamischen Äquivalent. Dabei erfolgt die Corticosteroidverabreichung vor und/oder während der forcierten Gabe der be­ treffenden Suchtdroge oder ihres Äquivalentes. Wie bereits zuvor beschrieben, ergeben sich daraus 5 Möglichkeiten:
  • 1. Corticosteroid → Kombination aus Corticosteroids + Suchtdroge → Suchtdroge
  • 2. Corticosteroid → Kombination aus Corticosteroid + Suchtdroge
  • 3. Corticosteroid → Suchtdroge
  • 4. Kombination aus Corticosteroid + Suchtdroge → Suchtdroge
  • 5. Kombination aus Corticosteroid + Suchtdroge.
Im folgenden wird die mit der erfindungsgemäßen Verwendung und dem erfin­ dungsgemäßen Arzneimittel durchführbare Therapie an einem etablierten Tier­ modell näher erläutert.
Die Untersuchungen am Tiermodell begannen mit 96 männlichen Wistarratten, von denen schließlich 77 Tiere in die entscheidenden Therapieversuche eingin­ gen. Die restlichen Tiere waren entweder vorzeitig gestorben oder dienten als unbehandelte Kontrollen für nachfolgende neurobiologische/neurochemische Untersuchungen. In der ersten Experimentierphase erhielt die Hälfte der Tiere das µ-agonistische Opioid Etonitazen (ETZ) im Heimkäfig zur freien Wahl (vier Trinkflüssigkeiten: Wasser, 2 mg ETZ/l; 4 mg ETZ/l; 8 mg ETZ/l), die andere Hälfte blieb drogennaiv und erhielt nur Wasser als einzige Trinkflüssigkeit. Nach einigen Wochen der Eingewöhnung entwickelten die Ratten einen "kontrollierten" Konsum, d. h. sie nahmen - je nach Individualdisposition und situativen Faktoren - mehr oder weniger Opiat zu sich; es handelte sich jedoch stets um moderate Dosen (Mittelwert ± Standardabweichung: 9,5 ± 6,2 µg/kg pro Tag).
Der Wahlversuch wurde solange fortgesetzt, bis der aus früheren Experimenten bekannte Bedarfsanstieg im Vorfeld einer Suchtentstehung einsetzte. In dieser Zeitspanne erhöhen die später als süchtig identifizierten Tiere ihren Opiat­ konsum von einer Woche auf die andere auf das vier- bis achtfache der ur­ sprünglichen Dosis. Sobald der Bedarfsanstieg bei einem erheblichen Teil der Versuchstiere sichtbar war, wurde allen Tieren des betreffenden Versuchsansat­ zes das Opiat entzogen, die Tiere erhielten jetzt nur noch Wasser als einzige Trinklösung. Es wurden zwei zeitlich versetzte, voneinander unabhängige Ver­ suchsansätze mit je 48 Tieren durchgeführt. Im ersten Ansatz begann der Ent­ zug nach 40 Wochen, im zweiten Ansatz nach 44 Wochen.
Nach 15 Wochen Abstinenz (Wasser als einzige Trinkflüssigkeit) wurden alle Ratten (also auch die drogennaiven Tiere) einem Retest unterzogen, bei dem sie zwei Wochen lang die Wahl zwischen Wasser und Opiatlösungen (2 mg ETZ/l; 4 mg ETZ/l; 8 mg ETZ/l) hatten. Für zwei weitere Wochen wurden alle Opiatlösun­ gen, nicht aber das alternativ dazu angebotene Wasser, mit dem bitter schmec­ kenden, für Ratten hochaversiven Chininhydrochlorid (0,1 g/l) vergällt. Alle zu­ vor drogennaiv gehaltenen Ratten (N = 29) senkten darauf ihre Opiateinnahme, ihre durchschnittliche Tagesdosis lag bei 6,2 ± 0,2 µg/kg pro Tag (hier und im folgenden jeweils Mittelwerte ± SEM). Bei den drogenerfahrenen Tieren ließen sich zwei Gruppen streng voneinander unterscheiden. Die eine nahmen trotz Vergällung äußerst hohe ETZ-Dosen zu sich (90,6 ± 4,5 µg/kg pro Tag, N = 20), die anderen reduzierten ihre Opiateinnahme auf einen ähnlichen Wert wie die zuvor drogennaiven Tieren (7,8 ± 0,7 µg/kg pro Tag, N = 28). Die erstere Teil­ gruppe wurde - in Übereinstimmung mit früheren Resultaten - als "süchtig" klas­ sifiziert. Alle diese Tiere hatten, im Gegensatz zu den restlichen, nicht-süchtig gewordenen Ratten, nach dem kontrollierten Substanzkonsum einen Bedarfsan­ stieg gezeigt.
Wenn sich bei Ratten einmal eine Opiatsucht etabliert hat, dann verschwindet sie nicht spontan, sondern überdauert auch lange Abstinenzzeiten (Heyne, 1996). Unbehandelte opiatsüchtige Tiere behielten auch nach zwei weiteren Nach-Retests (7 bzw. 16 Wochen nach Ende des ersten Retests) ihre Sucht bei. Sie nahmen unter Vergällungsbedingungen durchschnittlich 105,2 ± 6,5 µg/kg pro Tag zu sich. Nicht süchtig gewordene Ratten und zuvor drogennaive Tiere blieben ebenfalls langfristig stabil. In den Nach-Retests konsumierten sie unter Vergällungsbedingungen 6,6 ± 0,5 bzw. 6,5 ± 0,6 µg/kg pro Tag. Die hohen Einnahmewerte der süchtigen Tiere gingen nicht auf verminderte Aversion bzw. sogar eine Präferenz gegenüber Chinin zurück, denn bei der Wahl zwischen Wasser und opiatfreien, chininvergällten Lösungen vermieden süchtige ebenso wie nicht-süchtige Tiere die Chininlösungen.
Zwei Wochen nach Ende des ersten Retest bzw. 11 Wochen danach (d. h. zwei Wochen nach Ende des ersten Nach-Retests) wurden Behandlungsversuche durchgeführt. Es wurden drei Therapiekonzepte getestet:
  • A) Zweiwöchige Ketaminvorbehandlung (dreimal wöchentlich eine in­ traperitonale Injektion von 40 mg/kg S(+)-Ketamin), daran unmittelbar anschließend eine einwöchige forcierte Verabreichung des Opiats Etonitazen über das Trinkwasser (2 mg/l, mittlere Tagesdosis ± SEM: 115 ± 9 µg/kg pro Tag).
  • B) Zweiwöchige, forcierte Behandlung mit Corticosteron. Als einzige Trink­ flüssigkeit war eine 250 mg/l Corticosteronlösung verfügbar, die mittlere Corticosteron-Tagesdosis betrug 13,4 ± 0,6 mg/kg pro Tag.
  • C) Eine kombinierte, dreiphasige Behandlung mit Corticosteron, dann ETZ + Corticosteron und zuletzt ETZ. Während der ersten Therapiewoche wurde eine 250 mg/l, Corticosteronlösung als einzige Trinkflüssigkeit angeboten (Corticosteron-Tagesdosis: 11,7 ± 0,5 mg/kg pro Tag). In der nächsten Woche enthielt diese einzig verfügbare Trinkflüssigkeit zusätzlich zum Corticosteron noch 2 mg ETZ/l. Die Tagesdosen betrugen nun 11,7 ± 0,6 mg/kg pro Tag Corticosteron und 93 ± 5 µg/kg pro Tag ETZ. In der drit­ ten Woche wurde das Corticosteron abgesetzt, die Trinkflüssigkeit enthielt jetzt nur noch 2 mg/l, ETZ (ETZ-Tagesdosis: 109 ± 5 µg/kg pro Tag). Es sollte beachtet werden, daß die forcierten Tagesdosen nicht von denen abwichen, die ein süchtiges Tier freiwillig einnimmt.
Die Behandlungen (A) und (B) zeigten keinerlei Wirkung. In den Nach-Retests erwiesen sich die derart therapierten süchtigen Tiere nach wie vor als süchtig, sie unterschieden sich nicht von unbehandelten Artgenossen (110,4 ± 6,6 µg/kg pro Tag nach Behandlung (A) und 100,1 ± 6,3 µg/kg pro Tag nach Behandlung (B)). Dagegen hatte Behandlung (C) in allen acht Fällen, in denen sie bei zuvor süchtigen Ratten angewandt wurde, Erfolg. Die betreffenden Tiere nahmen un­ ter Vergällungsbedingungen nur noch 11,2 ± 2,8 µg/kg pro Tag ETZ zu sich. Sie hatten also ihre Sucht verloren. Dass dieser Behandlungserfolg nicht nur ein vorübergehender Effekt war, konnte in einem Nach-Test 11 Wochen nach Be­ handlung bestätigt werden. Die Ratten, die nach der Dreiphasentherapie ihre Sucht verloren hatten, erwiesen sich auch in diesem Test nach wie vor als nicht- süchtig. Ihre Einnahmewerte lagen bei 7,4 ± 0,6 µg/kg pro Tag und unterschieden sich damit nicht von denen nicht süchtig gewordener bzw. zuvor drogennai­ ver Ratten.
Bei allen nicht süchtigen Tieren waren die Behandlungen wirkungslos, hier gab es weder spontane noch therapieverursachte Änderungen des Einnahmeverhal­ tens. In den Nach-Retests der diversen Gruppen ergaben sich Einnahmewerte zwischen 6.2 ± 0,8 und 8,8 ± 1,9 µg/kg pro Tag, damit lagen die Dosen im Be­ reich des ersten Retests. Keines der nicht-süchtigen Tiere war süchtig gewor­ den, keines änderte nach einer Behandlung sein Einnahmeverhalten.
Die Dreiphasentherapie hatte nicht nur - wie Anti-craving-Therapien - einen mo­ dulierenden Einfluß ausgeübt, sondern den einmal eingetretenen Kontrollverlust wieder rückgängig gemacht. Dies gelang weder mit einer Corticosteron- Behandlung noch mit einer forcierten Verabreichung der Suchtdroge allein. We­ der Behandlung (A) noch Behandlung (B) waren erfolgreich, obwohl sie diese Behandlungskomponenten enthielten. Erst eine überlappende Sukzessivkombi­ nation beider Komponenten führte hier zum gewünschten Ergebnis. Alle er­ findungsgemäß behandelten süchtigen Ratten wurden geheilt, alle nach anderen Therapiekonzepten behandelten oder unbehandelt gelassenen süchtigen Tiere behielten ihre Sucht bei. Es ist zwar zu vermuten, dass bei Wiederholung der Experimente mit einer noch größeren Zahl auch einige "Nonresponder" auftreten können, der vollständige Erfolg dieses Experimentes lässt aber erwarten, dass ein sehr hoher Prozentsatz der Individuen auf die Behandlung anspricht.
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Claims (5)

1. Verwendung von Corticosteroiden und einer Suchtdroge oder deren pharmakodynamischen Äquivalentes zur Behandlung von Sucht­ erkrankungen.
2. Verwendung gemäß Anspruch 1, wobei als Corticosteroide die Verbindun­ gen Cortisol, Cortison, Cortisonacetat, Corticosteron, Prednisolon, Predni­ son, Prednyliden, Methylprednisolon, Triamcinolon, Betamethason, Dexa­ methason, Paramethason, Fluocortolon, Deflazacort, Cloprednol und Flu­ drocortison, deren pharmakodynamisches Äquivalent oder Kombinationen davon eingesetzt werden.
3. Verwendung nach Anspruch 1, wobei die Suchterkrankungen ausgewählt sind aus der Gruppe umfassend Opiatabhängigkeit, Psychostimulantien-, Halluzinogen- und Entactogenabhängigkeiten, insbesondere Amphetamin-, LSD-, und MDMA (Ecstasy)-Sucht, Nikotinabhängigkeit, Cannabinoid­ abhängigkeit, Kokainsucht (inklusive "Crack") und/oder Alkoholismus so­ wie polytoxikomane Süchte.
4. Arzneimittel zur Behandlung von Suchterkrankungen, enthaltend die für die Suchterkrankung verantwortliche Suchtdroge, deren pharmakodyna­ misches Äquivalent und mindestens ein Cortico-steroid.
5. Arzneimittel gemäß Anspruch 4, worin eine Suchtdroge oder deren phar­ makodynamisches Äquivalent hochdosiert enthalten ist, und zwar an der Schwelle unerwünschter, gesundheitsgefährdender Begleitwirkung, und mindestens ein Corticosteroid in Mengen von 0,5 bis 100 mg/Tag als Er­ haltungsdosis und 2- bis 10-mal so hohe Dosen für die Startdosis enthal­ ten sind bei einem 60 bis 80 kg schweren Patienten.
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MANTSCH, J.R. et.al:Corticosterone facilitates theacquisition of cocaine self-administration in rats: opposite effects of the type II gluco- corticoid receptor agonist dexamethasone. In: Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, (1998 Oct) 287 (1) 72-80 *

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