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Verfahren zur Gewinnung eines antiinflammatorisch wirksamen Produktes
aus Citrus-Früchten In Citrus-Früchten, speziell in den vielen kultivierten Varietäten,
kommen zahlreiche, zum Teil gut untersuchte Inhaltsstoffe vor, wovon einige dadurch
besonderes Interesse beanspruchen, da sie spezifische pharmakologische Wirkungen
entfalten.
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So sind z. B. Vitamine und Provitamine mit ihrer eindeutigen Wirksamkeit
als Inhaltsstoffe allgemein bekannt.
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Weniger gut untersucht sind die Flavonoide hinsichtlich ihrer pharmakologischen
Eigenschaften.
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A. Szent G y ö r g y i (Nature London, 138, 27 [1936]), bezeichnete
diese Substanzen in seinen Untersuchungen als »Permeabilitätsvitamine« oder »Vitamin
P« bzw. »Faktor P«.
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Neuere Untersuchungen haben ergeben, daß in den Citrusarten eine
antiinflammatorisch wirksame Fraktion nachgewiesen werden kann, die nicht identisch
ist mit den bisher diskutierten Stoffen der Flavonoidreihe. Diese Fraktion hat in
antiinflammatorischen Testen eine etwa 4'/2maul stärkere Wirkung als Hydrocortisonphosphat
(L. F r e e d m a n, A. J. M e r -r i t t, Science, 139, 344 [1963]).
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L. F reedman und A. J. Merritt gewinnen diese Fraktion dadurch, daß
ein wasserlöslicher Trockenextrakt aus Schalen und Pulpe von Orangen und Grapefrüchten
in Methanol gelöst und vom Ungelösten befreit wird. Durch Einengen der methanolischen
Lösung und Zugabe des fünffachen Volumens Essigester fallen weitere Stoffe aus,
die gleichfalls entfernt werden. Die klare Essigesterlösung ergibt beim Eindampfen
zur Trockne ein gelbes Pulver.
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Nach papierchromatographischer Trennung in sechs Komponenten auf Whatman-Papier
Nr. 3, im System Butanol zu Eisessig zu Wasser (4: 1: 5), erwies sich eine der abgetrennten
Zonen als antiinflammatorisch wirksam.
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Es wurde demgegenüber überraschenderweise gefunden, daß auf einem
völlig anderen Wege gleichfalls ein hochantiinflammatorisch wirksames Produkt durch
eine einfache Ausfällung mit einem Elektrolyten gewonnen werden kann.
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Nach diesem Verfahren kann das antiinfiammatorisch wirksame Produkt
dadurch erhalten werden, daß ein wäßriger Extrakt aus zerkleinerten und entsafteten
frischen Citrus-Früchten, getrockneten Schalen dieser Citrus-Früchte oder aus getrockneten
unreifen Citrus-Früchten mit einem Volumen gesättigter wäßriger Lösung von Ammoniumsulfat
behandelt und die dabei entstehende Fällung gewonnen wird.
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Im einzelnen geht man so vor, daß die Früchte nach Vorzerkleinerung
mit der 5- bis 10flachen Menge Wasser zu einem feinen Brei homogenisert und dabei
gleichzeitig
extrahiert werden. Die Zellteile und Schwebestoffe lassen sich auf Zentrifugen und/oder
durch Filtration entfernen, so daß eine blanke Lösung erhalten wird. Diese Lösung
versetzt man anschließend unter Rühren mit dem gleichen Volumen einer gesättigten
Ammoniumsulfatlösung. Es entsteht eine Fällung (feinst verteilt), die nach einigem
Stehen (12 bis 24 Stunden) völlständig ist.
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Die Fällung wird in der Zentrifuge gesammelt, abzentrifugiert und
zum Schluß vorzugsweise im Vakuum bei 500 C getrocknet. Die getrocknete Fällung
läßt sich leicht zu einem trockenen, nicht hygroskopischen Pulver verreiben.
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Das trockene Produkt zeigt in einer Reihe von Testen eine hohe antiinflammatorische
Wirksamkeit.
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Es hemmt z. B. die Rattenpfoten-Ödeme nach intraplantarer Zufuhr der
folgenden Substanzen: Histamin, Serotonin, Kaolin, Formalin und Bradykinin.
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Die Deff 300/o (jene Dosis, die an einem ausreichend großen Kollektiv
von Tieren eine mittlere Ödemhemmung von 300/o bewirkt) beträgt am Ovalbumin-Ödem
der Rattenpfote = 1 mg/kg (bei i. v. Applikation).
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Freedman und Merritt geben als entsprechende Dosis ihrer wirksamsten
Fraktion 3 mg/kg an. Die von ihnen isolierte Substanz ist etwa 41/2mal wirksamer
als Hydrocortisonphosphat. Auf das nach vorstehendem Verfahren gewonnene Produkt
übertragen, bedeutet das eine zwölfmal stärkere Wirksamkeit gegenüber Hydrocortison.
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Beim Vergleich mit einem bekannten Antiphlogistikum - Phenylbutazon
- wird die starke antiinflammatorische Wirksamkeit des Pulvers noch deutlicher.
So hemmt Phenylbutazon das Ovalbumin-Ödem von Ratten in einer Dosis von 60 mg/kg.
Das Dextran-Ödem wird durch 200 mg/kg gehemmt
D o m e n j o z, R.,
Naunyn-Schmiedebergs Arch. exp. Path. Pharmak., 225, 14 [1955]); und zur Hemmung
des Kaolin- und Formalin-Ödems werden mindestens 100 mg/kg benötigt (T h e o b a
1 d, W., Inaug. Diss. Homburg/Saar, 1954). Diesem bekannten Antiphlogistikum gegenüber
besitzt das nach dem vorstehenden Verfahren gewonnene Produkt somit eine etwa 60-
bis 200mal stärkere antiinfiammatorische Wirksamkeit.
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Das nach dem Verfahren gewonnene Produkt ist ferner in der Lage,
die Kapillarresistenz (sogenannte Petechientest) der Vitamin-P-arm ernährten Ratte
zu steigern. Die Kapillarpermeabilität, geprüft am Verhalten des sogenannten Polyvinylpyrrolidon-Ödems
(zurMethodiks. Vogel,G. und M.-L.Marek, Arzneimittelforschung, 11, 356 [1961]) der
Ratte (50 mg/kg i. y. gleichzeitig mit Ödemprovokation) und an dem Übertritt von
Flüssigkeit und Polyvinylpyrrolidon aus dem Plasma in der Lymphe (zur Methodiks.Vogel,
G.u.H.Ströcker, Pflügers Arch. ges. Physiol., 279, 187 [1964]) von Ratten (25 und
50 mg/2 ml/kg 1 Stunde nach Beginn des vierstündigen Versuchs) ergibt eine »Abdichtung«
der Kapillarmembranen für Wasser und für Makromoleküle. Die durch Histamin bzw.
physiologisch aktive Polypeptide wie Bradykinin und Kallidin gesteigerte Kapillarpermeabilität
wird durch das erfindungsgemäß hergestellte Produkt wieder normalisiert.
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Das Produkt vermag in Dosen von 0,5 bis 2,5 mg/ 0,5mol Herz am isolierten
Meerschweinchenherzen nach L a n g e n d o r f f die coronare Perfusion um mehr
als 60°/o zu steigern.
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Das erfindungsgemäß gewonnene Produkt ist sehr gut verträglich; bis
zu 100mg/kg i. v. bewirken an der Katze keine merkliche Blutdruckreaktion im arteriellen
System.
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Beispiel 1 Aus 2,6 kg frischen Citrusrückständen der Saftgewinnung
wird ein wäßriger Extrakt hergestellt.
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Hierzu wird die 5- bis 10fach Menge Wasser zugesetzt und die Masse
so zerkleinert, daß nach etwa einer Stunde ein homogener Brei entstanden ist. Je
nach der Citrusvarietät wird in Abhängigkeit vom Pektingehalt ein unterschiedlich
viskoser Brei erhalten.
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Die Wassermenge muß dabei so eingerichtet werden (5- bis 10flach),
daß anschließend auf einer hochwirksamen Zentrifuge (10 bis 15000 g) und gegebenenfalls
später bei Filtration die Zell- und Gewebeteile sowie Schwebestoffe entfernt werden
können und eine blanke Lösung erhalten wird.
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Diese Lösung wird im Vakuum bei etwa 50"C zur Trockne gebracht. Es
resultiert ein dunkelbraun gefärbter hygroskopischer Rückstand von etwa 3,5 bis
4°/0 des Schalengewichtes, der als Ausgangsmaterial für die Gewinnung des Wirkstoffes
dient.
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20 g des Trockenrückstandes werden in 400 bis 800 ml Wasser suspendiert
und vom Ungelösten abfiltriert. Die blanke wäßrige Lösung wird unter Rühren mit
400 bis 800 ml einer gesättigten Ammoniumsulfatlösung versetzt (Verhältnis 1: 1
Volumen)
und 24 Stunden stehengelassen. Es entsteht ein feiner Niederschlag, der
durch Zentrifugieren oder Filtrieren von der überstehenden Lösung abgetrennt wird.
Der gewonnene Niederschlag ist von zäher Konsistenz, läßt sich jedoch nach Trocknen,
vorzugsweise im Vakuum bei 50"C, leicht pulverisieren. Es resultiert ein braunes,
nicht mehr hygroskopisches Pulver von etwa 10 Gewichtsprozent der Einwaage.
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Beispiel 2 1 kg getrocknete Schalen von Citrus-Früchten oder 1 kg
unreife Citrus-Früchte werden mit 15 1 Wasser zu einem Brei homogenisiert und, wie
unter Beispiel 1 beschrieben, ein von Gewebeteilchen und Schwebestoffen befreiter
wäßriger Extrakt hergestellt. Der Extrakt wird, wie im Beispiel 1 beschrieben, vorzugsweise
im Vakuum bei 50"C zur Trockne gebracht oder auch nach Einengen auf 1,5 bis 3,01
direkt mit 1,5 bis 3,01 einer wäßrigen, gesättigten Ammoniumsulfatlösung versetzt
und in vorbeschriebener Weise aufgearbeitet.
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Beispiel 3 Das nach Beispiel 1 oder 2 erhaltene Endprodukt wird mit
reinem Alkohol erschöpfend extrahiert, wobei das aus der Mutterlauge anhaftende
Ammoniumsulfat als ungelöster Rückstand verbleibt.
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Die filtrierte alkoholische Lösung wird vorzugsweise im Vakuum bei
50"C getrocknet und pulverisiert.
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Beispiel 4 Das nach Beispiel 1 oder 2 bzw. 3 gewonnene Produkt wird
erschöpfend mit Essigester extrahiert.
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Die wirksame Substanz bleibt ungelöst und kann anschließend vorzugsweise
im Vakuum bei 50"C getrocknet werden.