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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur modellbasierten Überwachung
eines technischen Systems.
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Ein
technisches System wird mit dem Ziel überwacht, das Auftreten von
Fehlern und unerwünschten Zuständen am
System zu erkennen und das System als fehlerfrei oder fehlerhaft
zu klassifizieren.
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Ein
Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ist aus Rolf Isermann: „Modellgestützte Überwachung
und Fehlerdiagnose technischer Systeme (Teil 1)", Automatisierungstechnische Praxis
(atp) 38 (1996), Heft 5, S. 9–20
bekannt. Das fehlerfreie technische System wird durch ein lineares
Mehrgrößen-Modell modelliert,
also durch ein Gleichungssystem x'(t) = A x(t)
+ B u(t) und y(t)
= C x(t).
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Hierbei
ist u(t) der Vektor der Eingangsgrößen, x(t) der Vektor der Zustandsgrößen, x'(t) die erste Ableitung von x(t) nach der Zeit und y(t) der Vektor der Ausgangsgrößen. A, B und C sind
Matrizen. In diesem Beispiel fungieren die Ausgangsgrößen und
die Zustandsgrößen als
beeinflußte
Größen. Der
Eingangsgrößen-Vektor u(t) wird einerseits dem zu überwachenden
realen System, andererseits dem linearen Modell zugeführt. Verschiedene
Verfahren werden offenbart, um eine vom System beeinflußte und
direkt oder indirekt meßbare
Größe zu definieren.
Diese Größe hängt von
Ausgangs-, Zustands- und/oder
Eingangsgrößen ab. Der
zeitliche Verlauf dieser Größe wird
einerseits gemessen. Andererseits wird mit Hilfe des Modells ein
Referenzverlauf berechnet. Der gemessene zeitliche Verlauf wird
mit dem Referenzverlauf verglichen, und entschieden wird, ob das
technische System fehlerfrei oder fehlerhaft ist.
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Ein
vom Referenzverlauf abweichender gemessener Verlauf kann einerseits
durch einen Fehler am technischen System hervorgerufen werden, andererseits
aber lediglich durch Parameter-Toleranzen
und durch Ungenauigkeiten bei der Messung. In R. Isermann, a. a.
O., wird nicht offenbart, wie Fehler von den Toleranzen und Ungenauigkeiten
unterschieden werden können.
Außerdem
sind die Verfahren nur für
lineare Modelle anwendbar. Viele technische Systeme lassen sich
aber nicht adäquat
durch lineare Modelle beschreiben.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren nach dem Oberbegriff
des Anspruchs 1 zu schaffen, das bei der Überwachung in systematischer
Weise den Einfluß berücksichtigt,
den die Variationen von Parametern des technischen Systems innerhalb
von Toleranzen und die Meßungenauigkeit
auf das Messen der beeinflußten
Größe ausüben.
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Die
Aufgabe wird durch das Verfahren nach Anspruch 1 gelöst. Vorteilhafte
Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Vorgegeben
ist ein Modell des fehlerfreien Systems. Dieses Modell beschreibt
den Zusammenhang im fehlerfreien System zwischen einer beeinflußten Größe und einer
Eingangsgröße des Systems
und läßt sich von
einem Rechner automatisch auswerten. Für mindestens einen Parameter
des Modells ist eine Toleranz vorgegeben. Der Parameter darf einen
Wert innerhalb dieser Toleranz annehmen, ohne daß das technische System des halb
fehlerhaft ist. Ein Wert außerhalb
der Toleranz hingegen ist ein Fehler.
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Eine
Toleranz-Simulation wird durchgeführt. Hierbei wird der Parameter
innerhalb der Toleranz variiert. An das Modell wird hierbei mindestens
ein vorgegebener zeitlicher Verlauf der Eingangsgröße angelegt.
Dadurch wird das Modell angeregt. Mit Hilfe des Modells werden mehrere
aus der Parameter-Variation resultierende zeitliche Verläufe der
beeinflußten
Größe berechnet.
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Die
Variierung des Parameters innerhalb der vorgegebenen Toleranz bewirkt
eine zulässige
Variation der beeinflußten
Größe. Mit
Hilfe der Toleranz-Simulation wird berechnet, wie groß diese
zulässige
bewirkte Variation ist. Während
der Überwachung
des technischen Systems bewirkt diese zulässige Variation, daß der Verlauf
der beeinflußten
Größe um den
Referenzverlauf herum variiert, ohne daß ein Fehler aufgetreten ist.
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Weiterhin
wird eine Meßungenauigkeit
für das
Messen der beeinflußten
Größe ermittelt.
Ein gemessener Wert der beeinflußten Größe stimmt also mit dem tatsächlichen
Wert exakt überein
oder ist mit einem Meßfehler
behaftet, der höchstens
so groß wie
die Meßungenauigkeit
ist. Diese Meßungenauigkeit
kann dazu führen,
daß ein
gemessener Wert weiter entfernt vom berechneten Referenzwert liegt
als der tatsächlich
vorhandene Wert oder aber dichter am Referenzwert liegt.
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Während der Überwachung
wird der zeitliche Verlauf der Eingangsgröße sowohl dem System als auch dem
Modell zugeführt.
Mit Hilfe des Modells wird ein zeitlicher Referenzverlauf der beeinflußten Größe berechnet.
Um den berechneten Referenzverlauf werden ein enges und ein weites
Toleranzband gelegt. Die Breite des engen Toleranzbandes ist gleich
der resultierenden Variation vermindert um die doppelte Meßungenauigkeit,
und die Breite des weiten Toleranzbandes ist gleich der resultierenden
Variation vergrößert um
die doppelte Meßungenauigkeit.
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Der
gemessene zeitliche Verlauf wird mit den Toleranzbändern um
den Referenzverlauf verglichen. Falls der gemessene zeitliche Verlauf
außerhalb
des weiten Toleranzbandes liegt, so weicht er vom Referenzverlauf
und somit vom Sollverlauf in unzulässiger Weise ab, auch dann,
wenn die Meßtoleranz
die Abweichung vergrößert. Das
System wird als fehlerhaft klassifiziert. Falls der gemessene zeitliche
Verlauf stets innerhalb des engen Toleranzbandes liegt, so weicht
er vom Referenzverlauf und somit vom Sollverlauf gar nicht oder nur
in zulässiger
Weise ab, auch dann, wenn die Meßtoleranz die Abweichung verkleinert.
Das System wird als fehlerfrei klassifiziert.
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Das
erfindungsgemäße Verfahren
läßt sich
für jedes
technische System anwenden, welches sich durch ein rechnerverfügbares Modell
hinreichend genau beschreiben läßt. Dieses
Modell braucht nicht das technische System komplett zu beschreiben,
sondern lediglich den Zusammenhang zwischen der mindestens einen
beeinflußten
Größe und der
mindestens einen Eingangsgröße. Das
Verfahren läßt sich
für statische
und für
dynamische technische Systeme verwenden, z. B. für solche mit zeitlich veränderlichen
Zustandsgrößen.
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Durch
das Verfahren werden das weite und das enge Toleranzband in systematischer,
nachvollziehbarer, objektiver und reproduzierbarer Weise ermittelt.
Das Verfahren bewirkt, daß das
technische System unter Berücksichtigung
von Toleranz und Meßungenauigkeit
auf nachvollziehbare, objektive und reproduzierbare Weise als fehlerfrei
oder fehlerhaft klassifiziert wird. Diese Objektivität und Reproduzierbarkeit
ist insbesondere dann wichtig, wenn ein Unternehmen das Verfahren
zur Überwachung
eines technischen Systems anwendet und das technische System von
einem Lieferanten zugeliefert wird. Abnehmer und Lieferant werden
durch das Verfahren in die Lage versetzt, den Weg und das Ergebnis
der Klassifikation nachzuvollziehen.
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Das
Verfahren läßt einerseits
für eine
zeitlich begrenzte Funktionsprüfung
eines Systems anwenden, z. B. bei einer Wa reneingangskontrolle des
von einem Lieferanten bezogenen Systems oder eine Qualitätskontrolle
nach der Herstellung. Andererseits läßt es sich dazu einsetzen,
ein technisches System im laufenden Betrieb zu überwachen.
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Beispielsweise
werden mehrere innerhalb der Toleranz liegende Parameterwerte ausgewählt. Nacheinander
wird der Parameter auf jeden dieser Werte eingestellt, und mit Hilfe
des angeregten Modells wird ein aus diesem Wert resultierender zeitlicher
Verlauf der beeinflußten
Größe berechnet.
Möglich
ist auch, daß der Parameter
während
eines Simulationslaufs innerhalb der Toleranz verändert wird,
also das angeregte Modell durch Variierung des Parameters innerhalb
der Toleranz während
eines Simulationslaufs verändert
wird.
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Das
Verfahren läßt sich
durch eine Fortbildung von Anspruch 1 auch für ein technisches System mit mehreren
Eingangsgrößen und/oder
mehreren beeinflußten
Größen anwenden.
Gemäß Anspruch
3 werden pro beeinflußter
Größe zwei
Toleranzbänder
um den jeweiligen Referenzverlauf gelegt, bei n beeinflußten Größen also
insgesamt 2·n
Toleranzbänder.
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Im
Folgenden wird ein Ausführungsbeispiel
der Erfindung anhand der beiliegenden Zeichnungen näher beschrieben.
Dabei zeigen:
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1 ein
Blockdiagramm einer Prüfeinrichtung
zur Durchführung
einer vorteilhaften Ausgestaltung des Verfahrens;
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2 das
enge und das weite Toleranzband;
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3 Verläufe einer
beeinflußten
Größe p_a und
einer gesteuerten Größe p_h in
Abhängigkeit
vom Parameter k;
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4 die
Ermittlung einer Parameter-Drift durch Vergleich zwischen Ist- und
Referenzverlauf und
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5 eine
Adaption bei einem Überschwingverhalten.
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Das
Ausführungsbeispiel
bezieht sich auf die Wareneingangskontrolle eines Kraftfahrzeug-Herstellers.
Dieser überprüft mit dem
erfindungsgemäßen Verfahren
Kraftfahrzeug-Bestandteile.
Das Verfahren wird mindestens einmal pro Bestandteil ausgeführt, wobei
der Bestandteil als das technische System fungiert. Die Bestandteile
werden von Lieferanten hergestellt und zu einer Fertigungsstraße des Herstellers
geliefert. Der Hersteller überprüft weiterhin
Bestandteile, die in einer Fertigungslinie des Herstellers gefertigt
werden und einer Qualitätskontrolle
mit Hilfe eines Prüfsystems
unterzogen werden. Ein Beispiel für einen solchen Bestandteil
ist eine elektrohydraulische Schaltplatte eines Automatik-Getriebes. Das Verfahren
läßt sich
auch vom Lieferanten für
seine Warenausgangskontrolle verwenden. Vorzugsweise werden nur
die Bestandteile an den Kraftfahrzeug-Hersteller ausgeliefert, die
als fehlerfrei klassifiziert werden, und die übrigen eingehender untersucht.
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Das
Verfahren läßt sich
beispielsweise auch für
die Überwachung
von Kraftfahrzeug-Bestandteilen im laufenden Betrieb des Kraftfahrzeugs
anwenden, z. B. als Teil der Steuerung eines Automatik-Getriebes.
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Die
weiter unten detaillierter beschriebene 1 zeigt
ein Blockdiagramm einer Vorrichtung, welche die im Folgenden beschriebene
vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahren ausführt. In
diesem Ausführungsbeispiel
liegen m Eingangsgrößen am zu überwachenden
Bestandteil 10 und am Modell 20 an, und die zeitlichen
Verläufe
von n beeinflußten
Größen werden
gemessen. Der Bestandteil 10 wird durch s1 Pa rameter gekennzeichnet.
Die Toleranzen der s1 Parameter resultieren insbesondere aus unvermeidlichen
Schwankungen von Fertigungs-Kenngrößen und Umgebungsbedingungen
bei der Serienproduktion des Bestandteils 10. Sie sind
vorgegeben.
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Typische
Beispiele für
Parameter des Bestandteils 10 sind Kenngrößen von
Werkstoffen, z. B. die Wichte, die Dichte, die Viskosität, eine
Federkonstante, ein Reibwert, die Wärmeleitfähigkeit, die elektrische Leitfähigkeit
oder eine Charakteristik eines elektrischen Bauelements, z. B. Widerstand,
Kapazität
oder Induktivität.
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Solange
der Bestandteil 10 fehlerfrei ist, bleiben die Werte der
s1 Parameter des Bestandteils 10 unverändert. Ein Fehler kann hingegen
zu einem abrupten Wechsel des Wertes eines Parameters führen, beispielsweise
wenn ein Kurzschluß in
einer elektrischen Leitung auftritt, oder zu einem allmählichen
Driften eines Parameterwertes, z. B. einer allmählichen Verringerung einer
Federkonstante.
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Im
Gegensatz zu Parametern ändern
sich die m Eingangsgrößen und
die n beeinflußten
Größen auch dann über der
Zeit abrupt und/oder allmählich,
wenn das technische System fehlerfrei ist, z. B. in Form von Einschwingvorgängen.
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Im
bereits erwähnten
Beispiel des Automatikgetriebes mit einer elektronischen Steuerung
generiert die Steuerung Steuersignale in Form von Strömen. Eine
elektrohydraulische Schaltplatte als Bestandteil des Getriebes erhält diese
Steuersignale als Eingangsgröße. Sie
generiert in Abhängigkeit
dieser Signale Drücke als
Ausgangsgrößen. Diese
Drücke
steuern die Schaltglieder, d. h. die Bremsen und Kupplungen des
mechanischen Getriebes zur Gangwahl an. Im Signalpfad der Schaltplatte
liegen elektrotechnische und hydraulische Funktionseinheiten. Zu
den Parametern, die diese Funktionseinheiten kennzeichnen, zählen der
statische Übertragungsfaktor,
der Anstieg der nichtlinearen Kennlinie im Arbeitspunkt und/oder
die Zeitkonstante der Funktionseinheit.
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Ein
mit dem Verfahren untersuchter Bestandteil 10 ist – auch unter
Berücksichtigung
der Toleranz und der Meßungenauigkeit – fehlerhaft,
wenn der gemessene Verlauf mindestens einer beeinflußten Größe außerhalb
des weiten Toleranzbandes liegt. Der Bestandteil 10 wird
dann z. B. nicht in ein Kraftfahrzeug eingebaut, sondern an den
Lieferanten zurückgeschickt.
Ein untersuchter Bestandteil ist fehlerfrei, wenn jeder zeitliche Verlauf
einer beeinflußten
Größe stets
innerhalb des Referenzbandes für
diese Größe liegt.
Liegt mindestens ein Verlauf mindestens zeitweise außerhalb
des jeweiligen engen Toleranzbandes und liegen nicht alle Verläufe außerhalb
der weiten Toleranzbänder,
so wird der Bestandteil eingehender untersucht.
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Dem
Kraftfahrzeug-Hersteller liefert das Verfahren ein zweiwertiges
Klassifikationsergebnis, nämlich fehlerhaft
oder fehlerfrei. Dem Lieferanten für den Bestandteil wird vorzugsweise
ein mehrwertiges Ergebnis geliefert, das für eine Fehlersuche verwendet
wird. Neben den beiden gerade beschriebenen Ergebnissen fehlerfrei
und fehlerhaft sind weitere möglich
Ergebnisse für
den Fall vorgesehen, daß mindestens
ein Verlauf außerhalb
des jeweiligen engen Toleranzbandes liegt, aber nicht alle Verläufe außerhalb
der weiten Toleranzbänder
liegen. Welches der mehreren möglichen
Ergebnisse der Vergleich tatsächlich
liefert, hängt
vom Vergleich zwischen den gemessenen Verläufen und den Referenzverläufen ab.
Aus den tatsächlichen
Ergebnissen von Vergleichen für
mehrere Bestandteile bewertet der Lieferant vorzugsweise seinen
Fertigungsprozeß und
entdeckt Schwachstellen und Mängel
im Fertigungsprozeß,
die zur Fertigung fehlerhafter Bestandteile führen.
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Beispielsweise
verwenden der Lieferant für
den Kraftfahrzeug-Bestandteil
und der Kraftfahrzeug-Hersteller die Verfahrens ergebnisse wie folgt:
Der Kraftfahrzeug-Hersteller bewertet ein Bestandteil dann als fehlerhaft,
wenn ein zeitlicher Verlauf mindestens einer beeinflußten Größe mindestens
zeitweise das weite Toleranzband verläßt, und ansonsten akzeptiert
er es als fehlerfrei. In seiner internen Qualitätskontrolle bewertet der Lieferant
den Bestandteil nur dann als fehlerfrei, wenn jeder zeitliche Ist-Verlauf
stets innerhalb des jeweiligen engen Toleranzbandes liegt.
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Die
Verfahrensschritte werden auf zwei unterschiedliche Phasen aufgeteilt,
nämlich
auf die Generierungsphase und die Klassifizierungsphase. Die Schritte
der Generierungsphase werden einmal pro Bestandteil-Typ durchlaufen.
Am Ende der Generierungsphase liegen das Modell 20 und
pro beeinflußter
Größe eine resultierende
Variation vor. Die Schritte der Klassifikationsphase werden für jeden
zu überwachenden
Bestandteil einmal durchlaufen und liefern das Klassifikationsergebnis
sowie vorzugsweise dann, wenn der Bestandteil fehlerhaft ist, eine
Aussage über
den oder die tatsächlich
vorliegenden Fehler am Bestandteil.
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Falls
also zwei Typen von Bestandteilen zu überwachen sind und von jedem
Typ tausend Exemplare gefertigt werden und alle diese zweitausend
Exemplare zu überwachen
sind, so werden die Schritte der Generierungsphase zweimal und die
Schritte der Klassifizierungsphase zweitausendmal durchgeführt.
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Für das Verfahren
läßt sich
jede Modellierungsmethode anwenden, die zu einem Modell 20 führt, das den
Zusammenhang zwischen den n beeinflußten Größen und den m Eingangsgrößen zureichend
genau beschreibt. Die Genauigkeit reicht aus, daß die statische und dynamische Übereinstimmung
zwischen Modell 20 und Bestandteil 10 gewährleistet
sind.
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Regelungstechnische
und wissensbasierte Modellierungsmethoden sind aus R. Isermann,
a. a. O., aus R. Isermann: „Identifikation
dynamischer Systeme",
Band 1 und Band 2, 2. Aufl., Sprin ger-Verlag, 1992, aus R. Isermann: „Überwachung
und Fehlerdiagnose – Moderne
Methoden und ihre Anwendungen bei technischen Systemen", VDI-Verlag, 1994
sowie aus
DE 19717716
C2 und
EP 894304
B1 bekannt. In den ersten beiden Druckschriften werden
Methoden sowohl für
die theoretische Analyse als auch für die experimentelle Identifikation
eines technischen Systems offenbart. Eine formale Sprache namens „modelica" zur Modellierung technischer
Systeme wird in Modelica Association: „Modelica – A Unified Object-Orientied
Language for Physical System Modeling, Language Specification", Version 2.0, verfügbar unter
http://www.modelica.org/documents/ModelicaSpec20.pdf, abgefragt
am 31. 10. 2003, und in M. M. Tiller: „Modelica – Introduction to Physical Modeling
with Modelica",
Kluwer Academic Publ., 2001, beschrieben. Aus einem Modell in modelica
wird durch Übersetzung
mit Hilfe eines Compilers ein ablauffähiges Programm erzeugt.
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Eine
bevorzugte Modellierungsmethode besteht darin, für jeden Typ einer im Bestandteil 10 mindestens
einmal vorhandenen Komponente ein Komponententyp-Modell aufzustellen,
das die Ausgangsgrößen der
Komponente in Abhängigkeit
von Eingangsgrößen und
u. U. Zustandsgrößen oder
allgemeiner die Abhängigkeiten
(„constraints") zwischen den Größen des
Komponententyps beschreibt. Das Komponententyp-Modell ist für jede Komponente
des Typs unabhängig
von ihrer jeweiligen Verwendung gültig. Weiterhin wird das Zusammenwirken
der typisierten Komponenten im Bestandteil 10 beschrieben,
indem die jeweiligen Komponententyp-Modelle so oft kopiert werden,
wie Exemplare des jeweiligen Typs vorhanden sind, und die Kopien miteinander
verbunden werden. Ein Komponententyp wird entweder durch ein zeitgetriebenes
und wertkontinuierliches oder durch ein ereignisgetriebenes und
wertdiskretes Modell beschrieben. Für die Erzeugung eines Modells 10 können beide
Arten von Komponententyp-Modellen verwendet werden.
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Eine
spezielle Art eines Komponententyp-Modells ist die Beschreibung
des statischen Verhaltens mit Kennlinien (für eine Eingangsgröße) bzw.
Kennflächen
(für mehrere
Eingangsgrößen). Die
Kennlinien bzw. Kennflächen
werden durch Stützstellen,
zwischen denen interpoliert wird, approximiert. Ein Schaltelement
des Bestandteils 10, das für das Auslösen von internen Ereignissen
im System verwendet wird, wird als durch Software realisierter Schalter
in Verbindung mit einem analogen Vergleichsglied modelliert.
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Das
dynamische Verhalten des Bestandteils 10 wird vorzugsweise
durch Differentialgleichungen beschrieben. Diese Differentialgleichungen
werden bevorzugt ebenfalls auf die Komponententyp-Modelle aufgeteilt.
Beispielsweise verbindet eine Differentialgleichung verschiedene
Größen eines
Komponententyps miteinander. Vorzugsweise werden die Kennlinien
bzw. Kennfläche
für das
statische Verhalten eines Komponententyps mit einer Differentialgleichung
für das
dynamische Verhalten dieses Typs im Modell in Reihe geschaltet.
Ein Beispiel für
eine solche Differentialgleichung ist y + T·y' = u, wobei T die Zeitkonstante des
Komponententyps, u eine Eingangs- und y eine Ausgangsgröße sind.
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Beispielsweise
umfaßt
der Bestandteil 10 drei in Reihe geschaltete Funktionseinheiten.
Das statische Verhalten jeder Funktionseinheit wird durch Kennlinien
oder eine Kennfläche
beschrieben. Falls sich die Zeitkonstanten der drei Funktionseinheiten
nicht einzeln ermitteln lassen, so wird vorzugsweise eine Summen-Zeitkonstante
T sum für
alle drei Funktionseinheiten ermittelt. Das dynamische Verhalten
der drei Funktionseinheiten wird durch die Differentialgleichung
y + T_sum·y' = u beschrieben.
Vorzugsweise wird diese Differentialgleichung im Modell einer der
drei Komponenten zugeschlagen.
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Möglich ist
auch, die Dynamik eines Teilsystems in einem virtuellen Komponententyp
zusammenzufassen und die Differential gleichungen, die diese Dynamik
beschreiben, diesem virtuellen Typ zuzuordnen. Das statische Verhalten
des Teilsystems wird durch Kennlinien oder Kennflächen beschrieben,
die anderen Komponententypen, die im Teilsystem vertreten sind,
zugeordnet werden.
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Falls
eine theoretische Analyse des Bestandteils 10 als dem technischen
System überhaupt
nicht oder nicht in vertretbarer Zeit möglich ist, bleibt noch der
Weg, ein neuronales Netz mit einem fehlerfreien realen Bestandteil 10 zu
trainieren. Das trainierte neuronale Netz verhält sich dann annähernd so
wie der reale Bestandteil 10 und wird als Modell 20 verwendet.
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Die
s1 Parameter des Bestandteils 10 als dem technischen System
werden durch s2 Parameter des Modells 20 beschrieben. Möglich ist,
daß s1
= s2 ist. Vorzugsweise sind alle oder wenigstens einige der s2 Modell-Parameter
identisch mit Parametern des Bestandteils 10 und haben
daher physikalische Bedeutungen. Die übrigen Modell-Parameter sind
Funktionen von Parametern des Bestandteils 10. Aus den
vorgegebenen s1 Toleranzen für
die s1 Parameter des Bestandteils 10 resultieren s2 Toleranzen
für die
s2 Parameter des Modells 20.
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Die
Sollwerte, welche die s1 Parameter des fehlerfreien Bestandteils 10 haben,
werden entweder aus Entwurfs-, Konstruktions- und/oder Fertigungsunterlagen
des Bestandteils 10 gewonnen oder durch eine Methode der
Systemidentifikation, z. B. durch Messungen an realen fehlerfreien
Bestandteil 10 und einer Regressionsanalyse, gewonnen.
Verfahren zur Systemidentifikation und Parameterschätzung sind
z. B. aus R. Isermann: „Identifikation
dynamischer Systeme",
a. a. O., bekannt.
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Bei
einer Parameterschätzung
wird der reale und fehlerfreie Bestandteil 10 als das technische
System mit einem Steuervektor als dem Vektor u der anliegenden Eingangsgrößen angesteuert,
und die beeinflußten Größen werden
direkt oder indirekt gemessen. Um einen geeigneten Steuervektor
zu bestimmen, wird eine Strukturanalyse des Bestandteils durchgeführt. Mit
einer Strukturanalyse werden folgende Informationen über den
Bestandteil ermittelt:
- – die Pfade und Kopplungen
und Wirkzusammenhänge
im Bestandteil,
- – das
Zusammenspiel zwischen analogen und diskreten Komponenten
- – Strukturumschaltungen,
die durch Ereignisse ausgelöst
werden.
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Das
Modell 20 ist vorzugsweise so beschaffen, daß ein eindeutiger
Zusammenhang zwischen den s1 Parametern des Bestandteils 10 und
den s2 Parameter des Modells 20 besteht und daß sich Veränderungen von
Systemparametern auf beeinflußte
Größen des
Bestandteils 10 und des Modells 20 auswirken.
Eine Parameter-Drift spiegelt sich beispielsweise im Verlauf der
Amplitude einer beeinflußten
Größe oder
in einem zeitlichen Vorlauf oder Nachlauf dieser Größe wider.
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Mit
dem gerade beschriebenen Verfahren zur Systemidentifikation läßt sich
auch eine statische nichtlineare Kennlinie oder Kennfläche ermitteln
und/oder auf Plausibilität überprüfen. Mit
einer solchen Kennlinie oder Kennfläche werden vorzugsweise manche
Komponententypen modelliert. Eine reale fehlerfreie Komponente des
Typs wird mit einem treppenförmigen
Eingangssignal angeregt, und die Signalantwort der Komponente wird
gemessen. Anschließend
wird die Kennlinie durch einen Streckenzug (Polygonzug) angenähert. Seien
u_1, ..., u_r die r Stützstellen
dieser Kennlinie. Die Stützstellen
liefern die Werte des treppenförmigen Eingangssignals.
Sei y_1 der Wert, den die Komponente liefert, nachdem die Eingangsgröße auf den
Wert u_1 eingestellt wurde und der Einschwingvorgang abgeklungen
ist. Sei für
i = 2, ..., r y_i der Wert, den die Komponente liefert, nachdem
die Eingangsgröße vom Wert
u_(i – 1)
auf den Wert u_i umgeschaltet wurde und der Übergangsvorgang abgeklungen
ist. Der Streckenzug wird durch die r Punkte (u_1, y_1), ..., (u_r,
y_r) festgelegt.
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Unter „Toleranz" wird die Größe der erlaubten
Abweichung von einer Sollvorgabe verstanden. Damit begrenzt die
Toleranz den Wertebereich, innerhalb dessen der Parameter zulässigerweise,
also ohne daß ein Fehler
vorliegt, variieren darf.
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Die
Vorgabe einer Toleranz führt
zu einem zulässigen
Wertebereich des Parameters, der die Form eines Intervalls hat,
dessen zwei Grenzen z. B. die Form
Sollwert – Δ und Sollwert
+ Δ, wobei Δ > 0 vorgegeben ist,
oder
r1·Sollwert
und r2·Sollwert,
wobei 0 < r1 < 1 und r2 > 1 vorgegeben sind,
haben.
Möglich
ist auch, daß der
zulässige
Wertebereich eines Parameters das Intervall [a, +∞) oder
(–∞, b] ist.
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Die
folgende Tabelle zeigt ein Beispiel für eine Parameter-Variation. In diesem
Beispiel werden drei Parameter P1, P2 und P3 variiert. Im Versuchsplan
ist der Sollwert des Parameters mit 0, der kleinste zulässige Wert
mit – und
der größte zulässige Wert
mit + gekennzeichnet.
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Vorzugsweise
sind weiterhin ein Zeitraum, in dem der Bestandteil 10 zu
prüfen
und/oder zu überwachen
ist, und N Abtastzeitpunkte t_1, ..., t_N in diesem Überwachungs-Zeitraum
vorgegeben. In der Klassifizierungsphase werden die zeitlichen Verläufe der
n beeinflußten
Größen innerhalb
dieses Überwachungs-Zeitraums
gemessen, indem an jedem Abtastzeitpunkt die n Werte der n beeinflußten Größen gemessen
werden. Der Überwachungs-Zeitraum
ist einerseits so lang, daß aussagekräftige zeitliche
Verläufe
gemessen werden, andererseits so kurz, daß die Parameter des Bestandteils 10 während des Überwachungs-Zeitraums
konstant bleiben oder höchstens
vernachlässigbar
gering variieren.
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Für die Generierungsphase
wird mindestens ein zeitlicher Verlauf jeder Eingangsgröße vorgegeben. Das
Modell
20 wird mit diesen m Verläufen der m Eingangsgrößen angeregt.
Vorzugsweise sind die Verläufe so
ausgelegt, daß alle
im laufenden Betrieb zu erwartenden Betriebspunkte und alle Teilsysteme
des Bestandteils
10 angesteuert werden. Für diese
r Verläufe
und für
jede der M Parameterkombinationen wird eine Simulation mit Hilfe
des Modells
20 durchgeführt.
Im obigen Beispiel eines Versuchsplans sind dies M = 15 Parameterkombinationen
und somit M = 15 Simulationen für
jeden der vorgegebenen Verläufe.
Durch jede Simulation wird je ein zeitlicher Verlauf jeder beeinflußten Größe berechnet.
Ein derartiger zeitliche Verlauf besteht aus den N Werten der beeinflußten Größe an den
N Abtastzeitpunkten. Für
jede der n beeinflußten
Größen, jeden
der r vorgegebenen Verläufe
der Eingangsgröße und für jeden
der N Abtastzeitpunkte werden somit M Werte berechnet. Pro Abtastzeitpunkt
und pro beeinflußte
Größe wird
eine resultierende Variation mit Hilfe eines statistischen Verfahrens
bestimmt. Seien für
einen Abtastzeitpunkt t_k (k = 1, ..., N) y_1(t_k), ..., y_M(t_k) die
M Werte zum Abtastzeitpunkt t_k für die M Parameterkombinationen.
Der Mittelwert
y(t_k) und
die empirische Streuung S
X dieser M Werte
wird berechnet, wobei die empirische Streuung gemäß der Rechenvorschrift
berechnet wird.
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Eine
hierzu alternative Ausführungsform
sieht vor, den Sollwert y(t_k) der beeinflußten Größe zu berechnen, indem jeder
Parameter des Modells
20 seinen jeweiligen Sollwert erhält und dann
die Simulation durchgeführt
wird. Die Streuung wird mit dem Sollwert y(t_k) anstelle der empirischen
Streuung
y(t_k) berechnet,
und zwar gemäß der Rechenvorschrift
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Sei Φ die Verteilungsfunktion
der Standard-Normalverteilung, und sei q(1 – α) das einseitige (1 – α)-Quantil
der Verteilungsfunktion Φ.
Das Quantil q(1 – α) wird also
so festgelegt, daß gilt: Φ[q(1 – α)] = 1 – α. Falls beispielsweise α = 2% ist,
so ist 1 – α = 0,98 und
q(1 – α) = 2,0537,
denn es gilt Φ(0,98)
= 2,0537.
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Als
resultierende Variation für
den Abtastzeitpunkt t k wird vorzugsweise die Breite eines (1 – α)-Konfidenzintervalls
um den Mittelwert y(t_k) verwendet. Dieses Konfidenzintervall hat
die untere Grenze y(t_k) – q(1 – α)·SX und die obere Grenze y(t_k) + q(1 – α)·SX. Demnach beträgt die resultierende Variation
2·q(1 – α)·SX. Diese Variation hängt u. a. vom Abtastzeitpunkt
ab.
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Eine
weitere alternative Ausführungsform
sieht vor, als bewirkten Variationen die Differenz zwischen dem
größten und
dem kleinsten Wert der beeinflußten
Größe zum Abtastzeitpunkt
t_k (k = 1, ..., N) zu verwenden.
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Für jede beeinflußte Größe y wird
in der Generierungsphase weiterhin eine Meßungenauigkeit U(y) für das Messen
der Größe y ermittelt.
Im einfachsten Fall wird diejenige Meßungenauigkeit verwendet, die
der Hersteller des Meßinstruments
garantiert. Möglich
ist aber auch, daß die
Größe y durch
ein System mit mehreren Instrumenten gemessen wird, z. B. eine Aufspannvorrichtung
und eine Positionsmeßmaschine.
In einer anderen Ausführungsform
wird eine kombinierte Standard-Ungenauigkeit
u(y) berechnet, indem die Ungenauigkeiten aller Komponenten des
Meßgeräts und des
Meßverfahrens
quadriert werden, die Summe der Quadrate gebildet wird und anschließend die
Wurzel aus der Quadratsumme gebildet wird. Zu den Ungenauigkeiten
des Meßgeräts und des
Meßverfahrens
gehören
z. B. der Prüfprozeß, die Prüfmittel,
die Aufnahmevorrichtung für
den Bestandteil und die Umgebung. U(y) ist vorzugsweise das Produkt
aus u(y) und einem vorgegebenen Erweiterungsfaktor k > 1. Typischerweise
liegt die Meßungenauigkeit
bei 10% bis 20% der resultierenden Variation der beeinflußten Größe y.
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2 veranschaulicht
die Begriffe enges und weites Toleranzband für eine beeinflußte Größe y. Dargestellt
ist zum einen eine Gleichverteilung für die Streuung der Werte von
y, die durch die Variation der Parameter in den vorgegebenen To leranzen
resultiert, und zum anderen eine Normalverteilung für diese
Schwankung. Die Gleichverteilung ist durch eine waagrechte Linie 90 dargestellt,
die Normalverteilung durch eine Glockenkurve 95. Mit Hilfe
einer Toleranzsimulation wird eine resultierende Variation für y ermittelt.
Diese ist nach unten durch T_u und nach oben durch T_o begrenzt.
T_m ist der Wert von y, der angenommen wird, wenn alle Parameter
ihren Sollwert haben. Eine Meßungenauigkeit
U(y) wurde ermittelt.
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Die
gestrichelten Linien veranschaulichen das enge Toleranzband 111.1 und
das weite Toleranzband 111.2 im Falle der Gleichverteilung.
Die gepunkteten Linien veranschaulichen das enge Toleranzband 110.1 und
das weite Toleranzband 110.2 im Falle der Normalverteilung.
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Die
bislang beschriebenen Schritte gehören alle zur Generierungsphase.
Im Folgenden wird die Klassifizierungsphase beschrieben.
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1 zeigt
den Aufbau einer Prüfungseinrichtung,
die das erfindungsgemäße Verfahren
ausführt.
Der Vektor u der m Eingangsgrößen wird
sowohl dem Bestandteil 10 als dem Prüfobjekt als auch dem Modell 20 des
fehlerfreien Bestandteils 10 zugeführt. Der Vektor u bewirkt einen zeitlichen Verlauf jeder
der n beeinflußten
Größen. Dieser
Vektor y Ist der zeitlichen
Verläufe
wird direkt oder indirekt gemessen, und zwar an den N Abtastzeitpunkten
t_1, ..., t_N. Eine Vorrichtung zur direkten und/oder indirekten
Messung ist in 1 nicht dargestellt.
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Mit
Hilfe des Modells 20 werden n zeitliche Referenzverläufe der
n beeinflußten
Größen berechnet. Hierbei
werden den Modell-Parametern die vorgegebenen Sollwerte zugeordnet,
und der Vektor u der m Eingangsgrößen wird
an das Modell 20 angelegt. Das Modell liefert die Referenzverläufe für die n
beeinflußten Größen.
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Vorzugsweise
werden die Ist- und die Referenzverläufe einer Filtereinheit 30 zugeführt, die
geglättete zeitliche
Ist-Verläufe y_Ist_G
und geglättete
zeitliche Referenzverläufe
y_Ref_G berechnet. Die geglätteten Verläufe werden
dem Klassifikator 40 zugeführt. Dieser hat Lesezugriff
auf einen Datenspeicher 50 mit den resultierenden Variationen
der n beeinflußten
Größen für die N
Abtastzeitpunkte.
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Falls
das Verfahren zur laufenden Überwachung
des Kraftfahrzeug-Bestandteils im Betrieb benutzt wird, so wird
der Vektor u der Eingangsgrößen ebenfalls
im laufenden Betrieb gemessen. Falls es wie oben beschrieben zur
Qualitätskontrolle
einmalig pro Bestandteil-Exemplar angewendet wird, so wird gezielt
ein Ansteuervektor u erzeugt
und wie in 1 gezeigt sowohl an den zu prüfenden Bestandteil 10 als
auch an das Modell 20 angelegt.
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Der
Ansteuervektor u wird auf der
Grundlage der oben beschriebenen Strukturanalyse generiert. Das in
ihm hinterlegte Testmuster ist so ausgestaltet, daß alle im
laufenden Betrieb zu erwartenden Betriebspunkte und alle Teilsysteme
des Bestandteils 10 angesteuert werden. Beispielsweise
werden alle während
einer Fahrt des Kraftfahrzeugs auftretenden Drehzahlen und Fahr-Vorgaben
durchgespielt. Um Zeit einzusparen, ist das Testmuster so aufgebaut,
daß voneinander
unabhängige,
also nicht miteinander interagierende Teilsysteme zeitgleich geprüft werden.
Der Fehlerüberdeckungsgrad,
also der Quotient aus der Anzahl der Fehler, die durch Veränderung
einer beeinflußten
Größe am Bestandteil
erkennbar sind, und der Anzahl aller möglichen Fehler am Bestandteil
liegt nahe bei 1.
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Vorzugsweise
wird derselbe Ansteuervektor u sowohl
in der Generierungsphase verwendet, um die resultierenden Variationen
der beeinflußten
Größen zu bestimmen,
als auch in der Klassifizierungsphase, um die zeitlichen Ist-Verläufe und
Referenzverläufe
zu erzeugen. In der Generierungsphase fungiert der Ansteuervektor u als Vektor der zeitlichen
Verläufe
der m Eingangsgrößen. Die
Wiederverwendung ist insbesondere dann möglich, wenn das erfindungsgemäße Verfahren
zur Qualitäts- oder Wareneingangskontrolle
verwendet wird und daher der Ansteuervektor u frei wählbar ist. In diesem Fall werden
vorzugsweise bereits in der Generierungsphase die Referenzverläufe abhängig vom
Verlauf des Ansteuervektors u und
die Toleranzbänder
erzeugt.
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Möglich ist,
daß zu
den beeinflußten
Größen auch
Zustandsgrößen gehören, die
indirekt gemessen werden. Insbesondere im Fall eines linearen Modells
läßt sich
hierzu eine Bank von Beobachtern einsetzen. Eine indirekt gemessene
Größe kann
auch ein sogenanntes Residuum sein, das ist eine Größe, die
als Differenz von Ist- und Sollverläufen berechnet wird und die
dann, wenn der Bestandteil 10 fehlerfrei ist, Idealerweise stets
den Wert Null annimmt. Verfahren zur Konstruktion von Beobachter-Bänken und
von Residuen werden z. B. in Th. Höfling: „Zustandsgrößenschätzung zur
Fehlererkennung",
in: R. Isermann: „Überwachung
und Fehlerdiagnose – Moderne
Methoden und ihre Anwendungen bei technischen Systemen", VDI-Verlag, 1994, S.
89–109,
beschrieben.
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Das
in 3 gezeigte Beispiel bezieht sich auf einen Schaltschieber,
das ist eine Komponente mit einer Feder in einer Schaltplatte im
Automatikgetriebe. In 3 sind verschiedene Verläufe einer
beeinflußten Größe p_a dargestellt.
Der Verlauf und der Zustand von p_a hängen u. a. von einem internen
Ereignis ab, das wiederum durch direktes Ansteuern der Größe p_h (ein
Druck) beeinflußt
wird. Ein Parameter k beeinflußt
die Schaltschwelle für
das Auslösen
des internen Ereignisses und hängt
von der Feder ab. Indirekt wird gemessen, ob und wenn ja wann das
interne Ereignis ausgelöst
wurde. Zusätzlich
wird der Signalpfad von p_a und p_h angesteuert. Durch die indirekte
Messung in Verbindung mit der Auswertung der Ansteuerung wird der aktuelle
Wert des Parameters k gemessen.
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Der
Schaltschieber kann fehlerfrei sein oder einen der folgenden drei
Fehler aufweisen: Die Feder ist nicht vorhanden, ihre Federkonstante
ist zu groß,
ihre Federkonstante ist zu klein. In Abhängigkeit vom Zustand der Feder
nimmt k einen der vier Werte an, die im unteren Diagramm durch vier
waagrechte Linien dargestellt sind. Der Referenzwert k nimmt den
Wert 130.1 an, wenn die Federkonstante zu groß ist. Er nimmt den Wert 130.2
an, wenn die Komponente fehlerfrei ist, den Wert 130.3, wenn die
Federkonstante zu klein ist, und den Wert 130.4 an, wenn die Feder
fehlt.
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Die
beeinflußte
Größe p_h wird
mit dem Referenzwert k verglichen. Ist p_h größer oder gleich k, so wird
in der Schaltplatte ein internes Ereignis ausgelöst. Dieses verkleinert den
Wert von p_a. Ist p_h wieder kleiner als k und ist daher die Umschaltbedingung
nicht mehr erfüllt,
so wird p_a wieder auf den alten Wert vergrößert.
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Falls
die Komponente fehlerfrei ist, so zeigt die Größe p_a den Referenzverlauf 200.3.
Wird eine Feder mit zu großer
Federkonstante in den Schaltschieber eingebaut, so spiegelt sich
dies im abweichenden zeitlichen Verlauf von p_a wider. Der Wert
von p_a wird zu spät
reduziert, weil das interne Ereignis zu spät ausgelöst wird (Verlauf 200.1).
Falls die eingebaute Feder eine zu kleine Federkonstante aufweist,
so wird der Wert von p_a zu früh
reduziert und zu spät
erhöht
(Verlauf 200.2). Falls der Einbau einer Feder versäumt wurde,
so resultiert aus diesem Fehler der Verlauf 200.4. Der
Meßwert
von p_a wird überhaupt
nicht wider vergrößert, weil
die Gegenkraft fehlt, um beim Abbau von p_h den Kolben in die Gegenrichtung
zu schieben.
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Die
Filtereinheit 30 glättet
kurzfristige Spitzen in den Rohmeßwertverläufen y Ist und den Referenzverläufen y Ref. Sie reduziert weiterhin
das Rauschen, welche durch das Prüfmittel, den Prüfprozeß und/oder
die Umgebung eingekoppelt wird. Die Filtereinheit 30 speichert
hierzu die gemessenen und die berechneten Werte für mehrere
Abtastzeitpunkte. Vorzugsweise werden die Werte der letzten drei
bis zwanzig Abtastzeitpunkte abgespeichert. Ältere Werte werden laufend
durch neue überschrieben.
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Der
Klassifikator 40 berechnet aus den resultierenden Variationen,
die von Abtastzeitpunkt zu Abtastzeitpunkt variieren können, und
der Meßungenauigkeit
für jede
beeinflußte
Größe ein weites
und ein enges Toleranzband. Das weite und das enge Toleranzband
werden symmetrisch um die jeweiligen geglätteten Referenzverläufe gelegt.
Die Breite des weiten Toleranzbandes zum Abtastzeitpunkt t_k für die beeinflußte Größe y beträgt Var(y,
t_k) + 2·U(y),
die des engen Toleranzbandes Var (y, t_k) – 2·U(y). Hierbei bezeichnen
Var(y, t_k) die wie oben beschrieben berechnete resultierende Variation
von y zum Abtastzeitpunkt t_k und U(y) die Meßungenauigkeit für das Messen
von y, die ebenfalls wie oben beschrieben bestimmt wird.
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Nachdem
der Klassifikator 40 für
jede beeinflußte
Größe das enge
und das weite Toleranzband erzeugt hat, vergleicht er den geglätteten zeitlichen
Ist-Verlauf y Ist G mit den
Toleranzbändern.
Vorzugsweise wird ein zeitlicher Verlauf von Klassifikationswerten,
die im Intervall zwischen 0 und 1 (einschließlich) liegen, erzeugt, indem
mindestens für
jeden Abtastzeitpunkt ein Klassifikationswert berechnet wird. Falls
nach der Glättung
der Istwert zum Abtastzeitpunkt t_k im engen Toleranzband liegt,
ist der Klassifikationswert 0. Falls er außerhalb des weiten Toleranzbandes
liegt, so liegt ein nicht tolerierbarer Fehler vor, und der Klassifikationswert
ist 1. Ansonsten wird ein Wert zwischen 0 und 1 berechnet.
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Dieser
Klassifikationswert ist ein Maß für die Abweichung
vom engen Toleranzband und wird als Gütemaß für die geglättete beeinflußte Größe y verwendet.
Die zeitlichen Verläufe
der Klassifikationswerte werden vorzugsweise in einem Fehlervektor e zusammengefaßt. Der
Fehlervektor e wird einer Funkti onseinheit 60 zu
Fehlerermittlung, dem Fehlerermittler, zugeführt. Der Fehlerermittler 60 wertet
den Fehlervektor e aus und
ermittelt die Fehler, die am Bestandteil 10 aufgetreten
sind.
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Dieser
Fehlerermittler 60 arbeitet bevorzugt wie folgt: In der
Generierungsphase wird für
jeden am Bestandteil 10 möglicher Fehler ein Fehlermodell
generiert. Dies geschieht dadurch, daß das Modell 20 für den Bestandteil 10 so
verändert
wird, daß das
abgewandelte Modell das Verhalten des Bestandteils 10 bei
Vorliegen des möglichen
Fehlers beschreibt. Beispielsweise werden Modell-Parameter entsprechend
abgewandelt, z. B. indem der Wert einer Federkonstante verändert wird.
Oder im Modell wird eine Strukturumschaltung oder -veränderung
vorgenommen. Zusammenhänge
zwischen Fehlern und zeitlichen Verläufen werden automatisch durch
Simulationen mit den Fehlermodellen für die möglichen Fehler ermittelt.
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In
der Klassifizierungsphase werden die gemessenen Verläufe mit
den Toleranzbändern
für die
n beeinflußten
Größen verglichen.
Der Vergleich wird ausgewertet, um automatisch auf die tatsächlich aufgetretenen
Fehler rückzuschließen.
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Wird
ein Fehler erkannt, so nimmt mindestens eine Komponente des Fehlervektors e den Wert Eins an. Der Zeitpunkt
des Auftretens des Fehlers und das Vorliegen einer Ansteuerung u an den n Eingängen des technischen
Systems werden ermittelt und ausgewertet, um eine Aussage über den
Signalpfad, in dem der Fehler aufgetreten ist, zu generieren. Dadurch,
daß der
fehlerbehaftete Signalpfad erkannt wird, wird die Anzahl der möglichen
fehlerhaften Komponenten des technischen Systems eingeschränkt. Ist
es möglich,
mindestens eine ausgewählte
Zwischengröße des fehlerbehafteten
Signalpfades zu messen und für
diese Größe einen
Fehlervektor zu bilden, so wird der Fehlervektor der Zwischengröße ausgewertet.
Ist dieser Fehlervektor mit Null belegt, so die Menge der in Frage
kommenden Komponenten weiter eingegrenzt, da die fehlerhafte Kompo nente
im Teil-Signalpfad zwischen Zwischengröße und Ausgangsgröße des Systems
liegt. Falls er mit Eins belegt ist, so liegt die Komponente im
Teilsignalpfad zwischen Eingang und gemessener Zwischengröße des Signalpfades.
Um die Komponente eindeutig mit ihrem Fehler zu identifizieren,
werden nacheinander die Fehlermodelle der in Frage kommenden Komponenten
aktiviert und das Systemverhalten simuliert. Der Komponentenfehler
ist dann gefunden, wenn der Fehlervektor e bei Vergleich der gemessenen Verläufe mit
den Verläufen,
die ein aktiviertes Fehlermodell liefert, in keiner Komponente eine
Eins aufweist.
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4 zeigt
ein Beispiel für
die Auswirkung einer Parameter-Drift
auf eine beeinflußte
Größe. In 4 wird
der Vergleich zwischen Ist- und Referenzverlauf veranschaulicht.
Im oberen Diagramm ist der Referenzverlauf y Ref der beeinflußten Größe y durch eine durchgezogene
gerade Linie gezeigt. Das weite Toleranzband ist durch zwei gestrichelte
Linien 100.1 und 100.2 dargestellt, das enge Toleranzband
durch zwei gepunktete Linien 102.1 und 102.2.
Als zeitlicher Ist-Verlauf y Ist wird
eine geschlängelte
Linie gemessen. Im unteren Diagramm wird das Ergebnis der Fehlererkennung
gezeigt, nämlich
die Komponente des Fehlervektors e,
die sich auf die beeinflußte
Größe y bezieht.
Gezeigt wird, zu welchen Zeitpunkten welche Klassifikationswerte
berechnet werden.
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In 5 wird
gezeigt, wie durch Adaption eines weiten Toleranzbandes der Klassifikator 40 an
ein Überschwingverhalten
adaptiert wird. Im oberen Diagramm wird ein geglätteter zeitlicher Verlauf einer
beeinflußten
Größe y_Ist_G
sowie ein weites Toleranzband um einen nicht dargestellten geglätteten Referenzverlauf
y_Ref_G gezeigt. Die beiden Grenzen 103.1 und 103.2 des
weiten Toleranzbandes sind gestrichelt gezeigt.
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Wie
im oberen Diagramm in 5 gezeigt, liegt der Ist-Verlauf im Bereich
0,3 sec < t y 0,6
sec außerhalb
des weiten Toleranzbandes. In diesem Beispiel wird dieses Verlassen
des weiten Toleranzbandes nicht als Fehler gewertet, sondern als
ein zulässiges Überschwingen
während
des Übergangs
von einem stationären
Wert auf einen anderen. Wenn dieses Überschwingen nicht bereits
in der Bestimmung der resultierenden Variation während der Generierungsphase
berücksichtigt
wurde, so wird es in der Klassifikationsphase berücksichtigt,
indem die Grenzen 103.1 und 103.2 des weiten Toleranzbandes
adaptiert werden. Das untere Diagramm von 5 zeigt
das im Bereich 0 < t < 0,9 sec adaptierte
weitere Toleranzband mit den Grenzen 104.1 und 104.2.
Der Ist-Verlauf y_Ist_G liegt innerhalb dieser adaptierten Grenzen.
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Vorzugsweise
wird das weite Toleranzband wie folgt adaptiert: Seine Breite wird
durch Multiplikation mit einem Faktor b(t) verändert. Während eines Adaptions-Zeitraums
ist b(t) > 1, ansonsten
ist b(t) = 1. Eine Ausführungsform
sieht vor, daß b(t)
im Adaptions-Zeitraum durch folgende Rechenvorschrift festgelegt
wird:
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Hierbei
ist T ein vorgegebener Zeitpunkt, an dem b(t) sein Maximum hat.
A ist eine Konstante, die dafür sorgt,
daß der
Betrag von b größer 1 wird
und T der Zeitpunkt an dem die Funktion ihr Maximum hat. Dadurch wird
das Toleranzband in T am weitesten gespreizt.
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Im
Folgenden wird wieder auf das Beispiel der 3 eingegangen.
Die Schaltplatte umfaßt
eine kontinuierliche Komponente mit der beeinflußten Größe p_a und eine wertdiskrete
Komponente mit der direkt gemessenen Größe p_h. In der Klassifikationsphase
werden die Eingänge
der wertkontinuierlichen Komponente mit einer treppenförmigen Erregung
und die der wertdiskreten Komponente mit einem dreieck- oder trapezförmigen Signal
angeregt. Dabei ist die Anstiegsgeschwindigkeit der vorderen und
hinteren Flanke des Erregersignals auf die Systemdynamik abzustimmen.
Bedingt durch die Wechselwirkung zwischen beiden Komponenten wirkt
sich der Umschaltvorgang auf den Zustand der kontinuierlichen Komponente
aus.
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Zur
Prüfung
und Fehlererkennung an der Schaltplatte werden zwei Zähler benutzt.
Der erste Zähler wird
mit Beginn des Prüfvorganges
gestartet und wird aufgrund der abfallenden Flanke des Signals p_a
gemäß 3 gestoppt.
Der zweite Zähler
wird mit der abfallenden Flanke des Signals p_a gestartet und mit
der ansteigenden Flanke des Signals p_a gestoppt. Der Zählerwert
N_Start des ersten Zählers
wird mit dem Zählerreferenzwert
N_Start_Ref verglichen. Der Zählerwert
N_Ist des zweiten Zählers
wird mit dem Zählerreferenzwert
N_Ref vergleichen. Je nach Ergebnis des Vergleichs werden die Fehler
gemäß der nachfolgenden
Tabelle erkannt. Für
die eindeutige Unterscheidung des Fehlerfalls „Keine Feder" vom Fehlerfall „Federkonstante
zu klein" wird ein
dritter Wert N_Grenz eingeführt.
Er geht in die Auswertung mit ein und wird zum Stoppen der Zähler verwendet.
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Zwei
Fälle,
in denen die Feder fehlt, werden unterschieden. Im ersten Fall befindet
sich der Kolben des Schaltschiebers (wertdiskrete Komponente) in
einer solchen Position, daß durch
eine Druckerhöhung
von p_h der Kolben in die entgegengesetzte Endlage geschoben und
das interne Ereignis ausgelöst
wird. Das ausgelöste
interne Ereignis hat eine Druckreduzierung von p_a zur Folge. Die
sprungförmige
Druckreduzierung von p_a kann nicht durch Absenken von p_h rückgängig gemacht
werden, da die Gegenkraft der Feder fehlt, um den Kolben des Schaltschiebers
in die entgegengesetzte Endlage zu bringen, vgl. Linie 200.4 in 3.
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Im
zweiten Fall befindet sich der Kolben des Schaltschiebers in einer
solchen Position, daß das
interne Ereignis ohne steuernde Wirkung von p_h bereits ausgelöst ist.
Der Druck p_a ist reduziert. Eine Druckerhöhung von p_a durch eine steuernde
Wirkung von p_h ist nicht möglich.
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Im
ersten Fall wird der zweite Zähler
beim Erreichen von N_Grenz automatisch gestoppt. Im zweiten Fall
wird der erste Zähler
automatisch gestoppt, wenn N Start = N_Grenz ist.
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