Glasformteile, und hierbei insbesondere
solche für
optische Zwecke, müssen
mit genau definierten Oberflächengeornetrien
bzw. mit präziser
Außenkontur
hergestellt werden damit die optische Qualität dieser Produkte gewährleistet
ist. Ideal wäre
es, wenn nach dem Formen des Produktes keine Nachbearbeitung erforderlich
wäre. In
der Regel ist zumindest eine optische Politur erforderlich; ein
größerer Schleifabtrag
sollte jedoch vermieden werden. Nachgeschaltete Bearbeitungsschritte
wie Schleifen oder Polieren führen
abhängig von
der erreichen Konturgenauigkeit zu langen Bearbeitungszeiten und
hohem Anfall von Schlämmen,
die aufwändig
und teuer entsorgt werden müssen.
Bekannt ist das Gießen von
Glasformteilen in einer Form. Die Glasmasse nimmt hierbei mehr oder
weniger die Kontur der Form an. Allerdings wird in der Regel die
Kontur der Form nicht präzise
abgeformt. Aus der Oberflächenspannung
des Glases, der Viskosität
sowie der Geschwindigkeit der Abkühlung ergibt sich nämlich, dass
das Glas bei den Gießprozessen
sehr begrenzt in der Lage ist scharfe Ecken oder Kanten in der Gießform auszufüllen. Dies
führt dazu,
dass die Kantenradien des Glasteiles üblicherweise signifikant größer ausfallen
als diejenige der Gießform.
Eine Nachbearbeitung des hergestellten Glasproduktes zur Gewährleistung
der gewünschten
Außenkontur
ist im Regelfall erforderlich.
Es ist auch möglich, nach dem Eingießen der
Glasmasse diese über
einen geeigneten Stempel einem Druck auszusetzen. Bei diesem Pressvorgang
verbessert sich zwar die Formausfüllung, sie ist aber oftmals immer
noch unvollständig.
Wesentliche Ursache ist, dass das Glas während des Eingießvorganges
durch den Formkontakt an seiner Oberfläche abkühlt. Wird anschließend gepresst,
so ist das Glas an den kritischen Stellen bereits soweit abgekühlt, dass
auch durch den Pressvorgang das Glas nicht mehr in seine gewünschte Form
gedrückt
werden kann.
Darüber hinaus kommt es beim Pressvorgang
zum Problem der Schrumpfeinzuges. Wird der Pressstempel nämlich abgehoben,
so ist zwar die Oberfläche
des Glasteiles durch den Formkontakt abgekühlt. Das Innere des Glasteiles
hat jedoch noch einen beträchtlichen
Wärmeinhalt.
Bei nachfolgender Abkühlung
des Glasteilinnerens kontrahiert das Glasteil, und es bilden sich
so genannte Schrumpfeinzüge
in den Glasteilflächen
aus, die auch als Flächeneinzüge bezeichnet
werden.
Die
DE 10034507 C1 offenbart ein Verfahren zum
Erzeugen von Mikrostrukturen auf einem Glassubstrat nach der Heißformtechnologie.
Bei diesem Verfahren wird ein Formgebungswerkzeug eingesetzt, dessen Oberfläche entsprechend
dem Negativ der zu erzeugenden Mikrostruktur strukturiert ist. Die
Struktur im viskos vorliegenden Glas oder Kunststoff wird durch
Aufpressen des Formgebungswerkzeuges geformt und durch Abheben des
Formgebungswerkzeuges entformt. Das Formgebungswerkzeug weist hierbei
einen zumindest teilweise porösen
Grundwerkstoff mit offener Porenstruktur auf. Während des Formens der Struktur
wird mit Unterdruck und während
des Entformens mit Überdruck
gearbeitet. Das Ansaugen der Luft unterstützt hierbei das Ausfüllen der
Strukturen mit Glas, wohingegen das Einblasen der Luft die Entformungsvorgänge unterstützt.
Der Erfindung liegt das technische
Problem zugrunde die Herstellung von Glasformteilen so durchzuführen und
ein derartiges Formgebungswerkzeug bereitzustellen, dass die Abformung
des Formgebungswerkzeuges möglichst
konturpräzise
erfolgt. Für
den Fall, dass das Formgebungswerkzeug Kanten aufweist, soll das
Herstellungsverfahren bzw. das Formgebungswerkzeug so geartet sein,
dass der Kantenradius des hergestellten Glasteiles möglichst
gleich dem Kantenradius des Formgebungswerkzeuges ist.
Die Lösung dieses technischen Problems
erfolgt durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche. Vorteilhafte
Ausgestaltungen werden durch die Unteransprüche angegeben.
Der verfahrensseitige Teil der Lösung gelingt
durch ein Verfahren zur Herstellung von Glasformteilen, bei dem
die Oberfläche
eines Formgebungswerkzeuges abgeformt wird, im Bereich dieser Oberfläche ein
Unterdruck bereitgestellt wird, und bei dem auf der besagten Oberfläche ein
viskoser Glasposten gegeben wird durch die Anwendung eines Formgebungswerkzeuges,
welches im Bereich abzuformender Unstetigkeiten mit durchgehenden Öffnungen
versehen ist.
Der vorrichtungsseitige Teil der
Problemlösung
gelingt durch die Bereitstellung eines Formgebungswerkzeuges für die Herstellung
eines Glasteiles nach der Heißformtechnologie,
mit einem Grundkörper
und darauf befindlichen Unstetigkeiten bei dem das Formgebungswerkzeug
im Bereich der Unstetigkeiten mit durchgehenden Öffnungen versehen ist.
Die Erfindung beruht auf der Erkenntnis,
dass die Oberfläche
des Formgebungswerkzeuges, welche das Negativ der späteren Glasoberfläche darstellt,
nur dann präzise
abgeformt wird, wenn die Form vollständig mit Glas ausgefüllt wird.
Um dieses Erfordernis zu erfüllen
sind im Bereich der vorhandenen Unstetigkeiten durchgehende Öffnungen
vorgesehen. Durch Beaufschlagung der besagten Oberfläche des
Formgebungswerkzeug mit einem Unterdruck wird Glas in Richtung des
Kontaktbereiches zwischen Glasposten und abzuformender Oberfläche gesaugt,
so dass es zu einer vollständigen
Formausfüllung
im kritischen Unstetigkeitsbereich kommt.
Als Unstetigkeiten soll im Sinne
der vorliegenden Anmeldung auf kurzer Längenskala, d.h. auf mm- oder
sub-mm- Längenskala
vorliegende Änderungen
der Oberflächentopologie
verstanden werden, wie insbesondere Kanten, Erhebungen oder Ecken.
Die Bereitstellung des Unterdrucks
im Bereich der Oberfläche
des Formgebungswerkzeuges kann derart erfolgen, dass die dem Glasposten
abgewandte Seite des Formgebungswerkzeuges mit einem Unterdruck
beaufschlagt wird, und darüber
von dieser rückwärtigen Seite
des Werkzeuges aus durch die durchgehenden Öffnungen hindurch Glas zur
abzuformenden Oberfläche
gesaugt wird.
Besonders vorteilhaft ist es, wenn
der Unterdruck bereits vorliegt, wenn auf die Oberfläche der
viskose Glasposten gegeben wird. In diesem Fall wird das Glas unmittelbar,
also ohne zeitliche Verzögerung
in Unstetigkeitsbereiche wie Ecken oder Kanten gezogen. Damit wird
das Risiko gemindert, dass das Glas bei einer mit zeitlicher Verzögerung einsetzender
Krafteinwirkung in Richtung abzuformender Oberfläche zu viskos oder bereits
erstarrt ist.
Das Verfahren bzw. das hierzu korrespondierende
Formgebungswerkzeug ist geeignet für die Herstellung von Glasteilen
mit Größen im Zentimeterbereich
und größer. Bei
derart großen
Produkten bedarf es zur vollständigen
Formausfüllung
eines hinreichend großen
Durchströmungswiderstandes
um über
den Unterdruck das Glas vollständig
in die Form zu ziehen. Hierzu dienen die besagten durchgehenden Öffnungen,
die zumindest im kritischen Unstetigkeitsbereich vorgesehen sind.
Der in das Formgebungswerkzeug eingebrachte
Glasposten weist eine Viskosität
von unter 109 dPas auf, bevorzugt zwischen
103 und 106 dPas,
so dass nicht nur ein sehr begrenztes plastisches Verformen, sondern
ein wirkliches viskoses Fließen
stattfinden kann. Liegen die Viskositätswerte höher, so sind die durch den Unterdruck
erzielbaren Kräfte
zunehmend kleiner gegenüber
den für
eine Verformung notwendigen Kräften, so
dass es zunehmend schwerer fällt,
eine Formfüllung
zu gewährleisten.
Soll beispielsweise mit dem Verfahren
ein Glasteil mit einer Kante hergestellt werden welche einen engen
Kantenradius aufweist, so ist der minimale erreichbare Radius theoretisch
in der Größenordnung
des Gleichgewichtsradius des Glases, in der Praxis jedoch etwas
größer. Der
Gleichgewichtsradius des Glases ohne Unterdruck würde sich
bei einem idealen Gleichgewicht aus dem Kapillardruck und dem auf
der Kante lastenden hydrostatischen Druck einstellen. Er kann gemäß der Formel
abgeschätzt werden.
Hierbei ist σ die
Oberflächenspannung
des Glases, g die Gravitationskonstante, ρ die Glasdichte und H die Höhe der Glassäule über der
Kante. Bei typischen Glasdaten wie σ = 0,3 N/m, ρ = 2500 kg/m
3 ergibt
sich z.B. bei H = 40 mm ein Gleichgewichtsradius von 0,3 mm. In
der Praxis ist der erreichte Gleichgewichtsradius etwas größer, da
die Zeit, bis sich dieser Gleichgewichtsradius einstellt, noch von
der Viskosität
des Glases abhängt.
In der Praxis mit gekühlten
Formen und kurzen Zykluszeiten bedeutet dies in der Regel, dass
an den kritischen Stellen der tatsächlich erzielte Kantenradius
ohne Unterdruck bis zu einen Faktor 10 größer ausfällt, im oben genannten Beispiel
also bei ca. 3 mm liegen würde.
Mit den durchgehenden Öffnungen
dagegen ist der erzielte Kantenradius auch in der Praxis deutlich kleiner,
nämlich
in der Größenordnung
des o.g. Gleichgewichtsradius von 0,3 mm, oder sogar darunter.
Um beim anmeldegegenständlichen
Heißformverfahren
Schrumpfeinzüge
in den Glasteilflächen,
die so genannten Flächeneinzüge, zu vermeiden,
kann vorgesehen sein, dass eine porös ausgebildete Form bzw. ein
porös ausgebildetes
Formwerkzeug eingesetzt wird und auf seiner dem Glas abgewandten
Seite einem Unterdruck ausgesetzt wird. Durch das Anlegen des Unterdruckes
durch das porös
ausgebildete Formgebungswerkzeug hindurch wird das Glas ebenfalls
angesaugt und gleichsam an der Oberfläche des Formgebungswerkzeuges „festgehalten".
Es kann zusätzlich vorgesehen sein, dass
der Glasposten im Formgebungswerkzeug druckbeaufschlagt wird. Dies
verbessert die Raumausfüllung
im Pressbereich. Über
eine konkave Formung des Pressstempels kann dabei der auf der druckbeaufschlagten
Fläche
erwartete Schrumpfeinzug vorgehalten werden.
Nach erfolgtem Formen des Glasteiles
wird zum Unterstützen
des Entformens der Unterdruck abgeschaltet oder der abzuformenden Oberfläche durch
die Öffnungen
des Formgebungswerkzeuges hindurch Druckluft zugeführt. Alternativ
oder kumulativ kann auch Druckluft durch die poröse Struktur des Formgebungswerkzeuges
geleitet werden.
Das vorgesehene Formgebungswerkzeug
weist durchgehende, vorzugsweise bohrlochartige Öffnungen mit einem Durchmesser
im Bereich von 100 μm
bis 400 μm
auf. Die Abmaße
der Öffnungen
werden an die Viskosität
des eingegossenen Glases angepasst um ein Eindringen des Glases
in die Öffnungen
zu verhindern bzw. zu begrenzen. Der geeignete Radius R für die Bohrungen
kann wie folgt ermittelt werden:
Die Eindringtiefe L(t) des Glases
zum Zeitpunkt t in die Bohrung lässt
sich gemäß der folgenden
Formel abschätzen:
Dabei ist Δp die anliegende Druckdifferenz
zwischen dem Inneren des Glases und der mit Unterdruck beaufschlagten Öffnung σ ist die
Oberflächenspannung
des Glases und η seine
Viskosität,
welche vom Temperaturverlauf T(t) abhängt. Der Temperaturverlauf
lässt sich
gemäß der Formel
abschätzen. Hierbei ist T
0 die Anfangstemperatur des Glases beim Eingießen in das
Formgebungswerkzeug, und T
F ist die Formtemperatur.
Mit h ist die Kontakt-Wärmeübergangskoeffizient Glas/Form
bezeichnet und c
p ist die Wärmekapazität des Glases. ρ steht für die Dichte
des Glases. Für
T
0 = 1000°C,
T
F = 600°C, ρ = 2500 kg/m
3 und h = 200 W/m
2K
ergibt sich beispielsweise aus obigen Formeln, dass der Bohrungsradius
kleiner als 100 μm
sein muss, um ein Eindringen des Glases längs einer Strecke von weniger
als 150 μm
zu gewährleisten.
Bei anderen Viskositäten
des eingebrachten Glases ergeben sich demgemäß andere Werte für die bevorzugten
Radien R.
Alternativ oder kumulativ zu den
vorgenannten durchgehenden Öffnungen
kann auch mindestens ein durchgehender Schlitz vorgesehen sein.
Wird der Schlitz anstelle der durchgehenden Öffnungen gewählt, so weist
der bevorzugt an ähnlichen
Durchströmungswiderstand
auf wie die durchgehenden Öffnungen.
Der Schlitz ist hinsichtlich seiner Form an die Geometrie des Formgebungswerkzeuges
bzw. der abzuformenden Unstetigkeiten angepasst.
Das Formgebungswerkzeug kann ferner
zumindest teilweise aus einem porösen Material gefertigt sein,
vorzugsweise solches mit offener Porenstruktur. Als poröse Materialien
eignen sich z.B. Sintermetalle, Sinterstahl, Keramiken, Grafit oder
Metallgewebe, welche die erforderliche Hitzebeständigkeit aufweisen.
In der praktischen Anwendung des
Verfahrens haben sich ferner solche Materialen als vorteilhaft herausgestellt,
die eine Permeabilität
von mehr als 10–15 m2,
bevorzugt zwischen 10–15 und 10–13 m2 aufweisen, wobei diese Permeabilität gemäß der Norm
DIN EN 993-4 (1995) bestimmt wurde. Hierüber lassen sich marktgängige Glassorten
gut heißformen.