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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines Fahrverhaltens eines Fahrers eines Fahrzeuges, wobei der Fahrer in Bezug auf das Fahrzeug eindeutig identifiziert wird und das Fahrzeug einer Fahrzeugflotte angehört. Weiterhin betrifft die Erfindung eine Verwendung eines solchen Verfahrens.
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Aus der
EP 2 293 255 A1 sind ein Verfahren zur Steuerung eines Kraftfahrzeuges und ein Kraftfahrzeug bekannt. Verfahren zum Zu- und Abschalten und Einstellen von Fahrfunktionen und von Leistungsmerkmalen sieht vor, dass ein fahrerspezifischer, das Fahrkönnen des Fahrers beschreibender Evaluationswert ermittelt wird. Abhängig vom Evaluationswert wird ein für den Fahrer verfügbares Leistungsmerkmal und eine Fahrfunktion eines Systems des Kraftfahrzeuges aktiviert oder deaktiviert. Alternativ oder zusätzlich wird ein Schwellwert für einen automatischen Fahreingriff angepasst.
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Darüber hinaus beschreibt die
DE 10 2009 000 296 A1 ein Verfahren zum Anpassen eines Fahrer-Assistenzsystems an das Fahrverhalten eines Fahrers. Dabei ist vorgesehen, dass im Fahrbetrieb eine automatische Veränderung des Regelverhaltens in Abhängigkeit einer automatischen Fahrertyperkennung erfolgt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein neuartiges Verfahren zum Betrieb eines Assistenzsystems eines Fahrzeuges in Abhängigkeit eines Fahrverhaltens eines Fahrers des Fahrzeuges sowie eine Verwendung des Verfahrens anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren, welches die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist, und durch eine Verwendung, welche die in Anspruch 5 angegebenen Merkmale aufweist.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Ein Verfahren zur Ermittlung eines Fahrverhaltens eines Fahrers eines Fahrzeuges, wobei der Fahrer in Bezug auf das Fahrzeug eindeutig identifiziert wird und das Fahrzeug einer Fahrzeugflotte, insbesondere eines Fahrzeugherstellers, angehört, sieht erfindungsgemäß vor, dass während eines Fahrbetriebes des Fahrzeuges eine jeweilige momentane Verkehrssituation anhand erfasster Signale zumindest einer fahrzeugseitigen Sensorik ermittelt wird. Bei einer anhand der momentanen Verkehrssituation erkannten verkehrstechnischen Standardsituation während der Standardsituation und einem eingetretenen Standardereignis wird ein Reaktionsverhalten des Fahrers in Bezug auf das Standardereignis während der Standardsituation ermittelt. Aus dem Reaktionsverhalten des Fahrers wird für dieses Standardsituation-Standardereignis-Paar ein eine Reaktionsgüte beschreibender Wert abgeleitet, welcher in ein Verhältnis zu einer anhand eines Reaktionsverhaltens weiterer Fahrzeuge der Fahrzeugflotte für dieses Standardsituation-Standardereignis-Paar ermittelten Werteverteilung gesetzt wird. Anhand einer Abweichung des die Reaktionsgüte beschreibenden Wertes in Bezug auf einen mittleren Wert der Werteverteilung der weiteren Fahrzeuge wird eine kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers bewertet.
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Anhand der mittels des Verfahrens bewerteten kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers des Fahrzeuges ist es möglich, eine Funktionsweise eines Assistenzsystems des Fahrzeuges anzupassen, so dass die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers berücksichtigt wird. Beispielsweise ist es durch die Anpassung des Assistenzsystems möglich, einen Unfall zu vermeiden oder eine Unfallschwere zu vermindern, welcher beziehungsweise welche sich aufgrund einer Reaktionszeit des Fahrers ergeben kann.
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Darüber hinaus bietet das Verfahren eine Möglichkeit zumindest eine teilautomatisierte Fahrzeugfunktionalität basierend auf kognitiven und motorischen leistungsfähigkeitsspezifischen Reaktionszeitverteilungen im Feld weiter zu entwickeln, insbesondere zu korrigieren und/oder zu optimieren.
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Weiterhin kann der Fahrer des Fahrzeuges eine Rückmeldung zu seinem Fahrverhalten, insbesondere zu seiner kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit, erhalten und wenn vorhanden, dann auch zu der ermittelten Abweichung in Bezug auf den Mittelwert, das heißt in Bezug auf einen Normwert, und einer dadurch bedingten Anpassung einer Funktionsweise eines Assistenzsystems erhalten.
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Eine Ausführung des Verfahrens sieht vor, dass im Fall, wenn die ermittelte kognitive und motorische Leistungsfähigkeit eine vorgegebene Mindestfähigkeit unterschreitet, ein Warnhinweis an den Fahrer des Fahrzeuges ausgegeben wird.
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Bei dem Fahrzeug kann es sich um ein Straßenkraftfahrzeug, zum Beispiel ein Personenkraftwagen oder ein Lastkraftwagen oder ein Bus oder ein Zweirad, beispielsweise ein Motorrad, aber auch um ein Luftfahrzeug, ein Wasserfahrzeug, ein Einsatzfahrzeug, eine Baumaschine, ein landwirtschaftliches oder ein militärisches Fahrzeug handeln. Auch kann es sich um ein schienengebundenes Fahrzeug, beispielsweise einen Zug, eine Schwebebahn, eine Magnetschwebebahn, oder um eine in einer weitgehend luftleeren Röhre auf Luftkissen gleitende oder aufgrund magnetischer Kräfte schwebende Kapsel handeln.
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Weiterhin betrifft die Erfindung eine Verwendung des Verfahrens.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand einer Zeichnung näher erläutert.
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Dabei zeigt die:
- 1 schematisch einen Ablauf eines Verfahrens zur Ermittlung eines Fahrverhaltens eines Fahrers eines Fahrzeuges.
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Die einzige Figur zeigt einen Ablauf eines Verfahrens zur Ermittlung eines Fahrverhaltens eines Fahrers eines Fahrzeuges.
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Das im Folgenden beschriebene Verfahren kann dabei helfen Unfälle zu vermeiden oder deren Folgen zu verringern, die sich aufgrund von individuell unterschiedlichen fahrerischen Fähigkeiten, wie beispielsweise Reaktionszeiten und/oder ein Abschätzen von Distanzen zwischen dem Fahrzeug und einem vorausfahrenden Fahrzeug oder Fahrgeschwindigkeiten, ergeben können.
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Der Fahrer des Fahrzeuges kann durch eine Vielzahl von Möglichkeiten identifiziert werden, wobei beispielsweise ein Gesicht und Gesichtseigenschaften des Fahrers anhand erfasster Bilddaten einer Innraumkamera und/oder einer Außenkamera des Fahrzeuges erkannt werden. Alternativ oder zusätzlich können beziehungsweise kann ein individueller Fahrzeugschlüssel, ein individuelle RFID-Chip, eine Kommunikation über Funk, beispielsweise über ein Smartphone des Fahrers, eine persönliche Identifikationsnummer etc., zur Identifikation des Fahrers verwendet werden. Ist der Fahrer des Fahrzeuges identifiziert, kann dem Fahrer fahrzeugseitig sein individuelles Nutzerprofil mit dem Fahrer zugeordneten Datensätzen zugeordnet werden.
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Während eines Fahrbetriebes des Fahrzeuges wird eine momentane Verkehrssituation anhand erfasster Signale einer Sensorik des Fahrzeuges ermittelt und zumindest einer Steuereinheit zur Auswertung und Weiterverarbeitung zugeführt.
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Die Sensorik umfasst eine Anzahl von im und/oder am Fahrzeug angeordneten Sensoren, die als Innenraumkamera, Außenkamera, lidarbasierte Erfassungseinheit, radarbasierte Erfassungseinheit, ultraschallbasierte Erfassungseinheit etc., ausgeführt sein können.
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Beispielsweise werden anhand der erfassten Signale der Sensorik Informationen über eine momentane Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges, ein Abstand des Fahrzeuges zu einem vorausfahrenden Fahrzeug, eine momentane Fahrgeschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges, ein angezeigter Zustand einer Lichtsignalanlage, ein Zeitpunkt einer Änderung des angezeigten Zustandes der Lichtsignalanlage etc., ermittelt. Derartige Informationen sind als aufbereitete Informationen in Steuergeräten von Assistenzsystemen des Fahrzeuges verfügbar.
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In einem Steuergerät, beispielsweise eines Assistenzsystems, wird anhand der ermittelten momentanen Verkehrssituation bestimmt, ob es sich bei dieser um eine Standardsituation und ein Standardereignis, welche im Straßenverkehr häufig auftreten, handelt. Diese Standardsituationen und Standardereignisse, welche Rückschlüsse über fahrerische Fähigkeiten des Fahrers des Fahrzeuges, insbesondere in Bezug auf Reaktions- und Koordinationsfähigkeiten, zulassen, werden in einer Datenbank, zum Beispiel im Fahrzeug und/oder in einer Datenbank einer datentechnisch mit dem Fahrzeug gekoppelten Rechnereinheit hinterlegt. Beispielsweise kann eine Situationsbeschreibung sein, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug in einem definierten Geschwindigkeitsbereich zum Beispiel von 50km/h +/- 5km/h fährt und das Fahrzeug in einem definierten Geschwindigkeitsbereich von beispielsweise 50km/h +/- 5km/h fährt und eine Differenzgeschwindigkeit in einem definierten Geschwindigkeitsbereich, zum Beispiel von 0 km/h +/- 10 km/h, liegt und ein Abstand in einem definierten Abstandsbereich von beispielsweise 20 m bis 40 m liegt. Ein beispielhaftes Standardereignis kann sein, dass das vorausfahrende Fahrzeug bremst.
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Werden anhand der momentanen Verkehrssituation eine Standardsituation und ein Standardereignis erkannt, so wird eine fahrerische Reaktion des Fahrers in Bezug auf das Standardereignis während der Standardsituation aufgezeichnet und bewertet. Hierzu können diverse Sensoren des Fahrzeuges, zum Beispiel eine Innenraumkamera, verwendet werden, um die fahrerische Reaktion des Fahrers zu ermitteln. Beispielsweise kann hierzu eine Kraft bei Betätigen eines Bremspedals, ein Lenkradeinschlag, eine zeitliche Änderung des Lenkradeinschlages, mittels zumindest eines Beschleunigungssensors erfasste Beschleunigungen, ein Benutzen einer Benutzerschnittstelle, zum Beispiel ein Drücken einer Taste, ein Berühren einer berührungssensitiven Anzeigeeinheit oder ein Betätigen eines Betätigungselementes, beispielsweise eines Hebels im Fahrzeug etc., ermittelt, verwendet und ausgewertet werden. Beispielsweise kann eine Zeitdifferenz zwischen einem Auftreten eines Standardereignisses, zum Beispiel eine eingeleitete Bremsung des vorausfahrenden Fahrzeuges wegen eines Rehes auf der Fahrbahn, einer Änderung des Zustandes einer Lichtsignalanlage, ein Kind läuft auf die Fahrbahn, das Fahrzeug nähert sich einem Stauende, ein Fahrzeug mit Sonderrechten nähert sich oder das Fahrzeug fährt in einen wenig beleuchteten Tunnel ein, und einer Reaktion des Fahrers des Fahrzeuges auf das Standardereignis gemessen werden. Beispielsweise reagiert der Fahrer des Fahrzeuges durch Bremsen und/oder Ausweichen, Lichtabblenden, Beschleunigen oder eine Korrektur einer Fahrzeugausrichtung an eine Spurmitte oder durch Betätigen einer Warnblinkanlage auf das erfasste Standardereignis.
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Zur Bewertung und Bestimmung einer kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers des Fahrzeuges werden aus den Reaktionen des Fahrers für ein Standardsituation-Standardereignis-Paar ein eine Reaktionsgüte beschreibender Wert abgeleitet. Beispielsweise stellt dieser Wert eine Zeitdauer bis zum Betätigen des Bremspedals, nachdem das vorrausfahrende Fahrzeug eine Bremsung eingeleitet hat, eine aufgebrachte Kraft am Lenkrad bei einem Ausweichmanöver, eine Zeitdifferenz zwischen einem angezeigten grünen Lichtsignal einer Lichtsignalanlage und einem Betätigen eines Fahrpedals des Fahrzeuges etc., dar. Dieser Wert wird in ein Verhältnis zu einer Werteverteilung ermittelter Werte weiterer Fahrzeuge einer Fahrzeugflotte, der das Fahrzeug ebenfalls angehört, gesetzt. Beispielsweise kann die Werteverteilung durch einen mittleren Wert und ein Streuungsmaß um diesen mittleren Wert gegeben sein.
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Eine starke Abweichung des Wertes von dem mittleren Wert kann somit eine sehr gute oder eine sehr schlechte kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers und eine mittlere Abweichung kann eine durchschnittliche kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers kennzeichnen. In der starken Abweichung wird daher zudem eine Richtung der Abweichung berücksichtigt, so dass zum Beispiel im Fall einer Reaktionszeit ein nach unten abweichender Wert und im Fall von einer aufgebrachten Kraft bei einem Ausweichmanöver des Fahrzeuges ein nach oben abweichender Wert als gute kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers interpretiert werden kann. In einem entgegengesetzten Fall verhält es sich dann so, dass zum Beispiel im Fall einer Reaktionszeit ein nach oben abweichender Wert und im Fall von einer aufgebrachten Kraft bei einem Ausweichmanöver ein nach unten abweichender Wert als vergleichsweise schlechte kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers interpretiert werden kann.
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Die Abweichung vom mittleren Wert kann hierbei direkt oder als eine Funktion dieser Abweichung zum Quantifizieren der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit benutzt werden, wobei beispielsweise ein Wert von Null ein mittleres Leistungsfähigkeitsniveau in der Fahrzeugflotte, negative Werte schlechter und positive Werte eine bessere kognitive und motorische Leistungsfähigkeit kennzeichnen.
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Darüber hinaus können in Standardsituation verschiedene Standardereignisse gleichzeitig auftreten, welche insbesondere eine Koordinationsfähigkeit des Fahrers des Fahrzeuges fordern und somit zum Quantisieren der Koordinationsfähigkeit des Fahrers verwendet werden können. Beispielsweise kann als Standardereignis ein Stauende innerhalb einer Kurve liegen, so dass der Fahrer des Fahrzeuges gleichzeitig bremsen, lenken und die Warnblinkanlage einschalten muss. Hierbei können neben den Reaktionszeiten bis zum Einleiten einer Bremsung und ein Einschalten der Warnblinkanlage zusätzlich eine Trajektorie des Fahrzeuges im Vergleich zu einer von einem Assistenzsystem berechneten Idealtrajektorie ausgewertet werden. So kann beispielsweise die Koordinationsfähigkeit als ein Wert einer Funktion aus einer Reaktionszeit bis zum Einleiten der Bremsung, einer Reaktionszeit bis zum Einschalten der Warnblinkanlage und einem mittleren quadratischen Abstand der Trajektorie zur berechneten Idealtrajektorie in der Kurve aufgefasst werden. Dabei kann ein Nichtbremsen oder ein Nichteinschalten der Warnblinkanlage als zusätzlicher gegebenenfalls unterschiedlicher konstanter Strafwert behandelt werden.
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Des Weiteren können Reaktionen des Fahrers auf verschiedene Standardereignisse falsch oder unangebracht sein. Basierend darauf kann auf eine fehlerhafte oder unangebrachte Situationserfassung des Fahrers geschlossen werden.
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Informationen, welche über den Fahrer während eines Auftretens eines jeweiligen Standardsituation-Standardereignis-Paares gewonnen werden und eine fahrerische Leistungsfähigkeit, zum Beispiel eine Reaktionsfähigkeit, eine Koordinationsfähigkeit, eine Situationserfassung etc., quantifizieren können, werden dem individuellen Datensatz des Fahrers hinzugefügt.
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Insbesondere können, wie oben ausgeführt, verschiedene die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des Fahrers, insbesondere die Reaktionsgüte, beschreibende Werte ermittelt werden und einem einzelnen Leistungsfähigkeitsergebnis zugeordnet werden, indem beispielsweise ein mittlerer oder medianer Wert der Leistungsfähigkeiten das Leistungsfähigkeitsergebnis bildet. Dieser Wert beschreibt somit eine Leistungsfähigkeit über verschiedene Standardsituation-Standardereignis-Paare hinweg und charakterisiert gleichsam eine allgemeine Leistungsfähigkeit in verschiedenen fahrerischen Standardsituationen.
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In einer Ausführung des Verfahrens wird für jeden Fahrer eine mittlere Leistungsfähigkeit oder ein mittleres Leistungsfähigkeitsergebnis mit einer momentanen Leistungsfähigkeit beziehungsweise einem Leistungsfähigkeitsergebnis verglichen und/oder insbesondere Abweichungen über die Zeit so ausgewertet, dass zum Beispiel Müdigkeit als schleichende Abweichung zu einer schlechteren Leistungsfähigkeit führen kann und umgekehrt.
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Weiterhin kann es eine Korrelation zwischen den Werten der kognitiven Leistungsfähigkeit und einem Alter des Fahrers geben, so dass auch ohne Bestimmung der kognitiven Leistungsfähigkeit im vorgestellten Verfahren eine kognitiven Leistungsfähigkeit zumindest aus dem Alter des Fahrers approximiert werden kann. Dadurch ist es möglich, dass eine Vor-Parametrisierung eines Assistenzsystems des Fahrzeuges auf Basis eines zu erwartenden ungefähren kognitiven Leistungsfähigkeitswertes erfolgen kann. Hierzu kann aus einem dem erkannten Fahrer zugeordneten Nutzerprofil das Alter des Fahrers ermittelt werden. Die Information über das Alter kann alternativ oder zusätzlich vom Fahrer selbst über eine Benutzerschnittstelle des Fahrzeuges eingegeben werden oder mittels Methoden des maschinellen Lernens anhand von erfassten Signalen, insbesondere Bilddaten, der Innenraumkamera zumindest approximiert werden.
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In einer weiteren Ausführung können, falls vorhanden, physiologische Messdaten des Fahrers erkannt und ebenfalls übermittelt werden, beispielsweise ein Pupillendurchmesser, Augenbewegungen, eine Herzrate etc., so dass neben der Information aus einer Fahrzeugsteuerung, insbesondere erfasste Signale im Fahrbetrieb, ein Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, Seitenabstände etc., zur Ermittlung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers herangezogen werden können.
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Liegt eine ausreichend große Anzahl von Informationen für den individuellen Fahrer vor, beispielsweise insofern, dass für eine Mehrzahl von Standardsituation-Standardereignis-Paaren Einträge in der Datenbank für diesen Fahrer erfasst worden sind, können diese Informationen zusammen mit dem Wert der kognitiven Leistungsfähigkeit des Fahrers an die zentrale Rechnereinheit übermittelt werden und mit Datensätzen anderer Fahrer einer gleichen kognitiven Leistungsfähigkeitsklasse und den gleichen Standardsituation-Standardereignis-Paaren verglichen werden.
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Wird eine vergleichsweise starke Minderleistung des Fahrers in Bezug auf Felddaten aus der gleichen kognitiven Leistungsfähigkeitsklasse und/oder einer allgemeinen Fahrerklasse ermittelt, so kann der Fahrer über seine Minderleistung, beispielsweise durch Ausgabe eines Warnhinweises in einem Anzeigebereich einer Instrumententafel, informiert werden. Zudem können daraufhin Parameter eines Assistenzsystems zur Steigerung der Fahrsicherheit angepasst werden, indem zum Beispiel ein vorgebbarer Sicherheitsabstand erhöht wird, eine automatisch gewählte Fahrgeschwindigkeit verringert wird, eine Notbremsungserkennungen sensibler eingestellt wird etc.
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In Bezug auf eine Übermittelung der Daten und der Auswertung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers wird ein Übermittlungsverfahren verwendet, welches eine Privatsphäre des Fahrers besonders schützt und einen Rückschluss auf den individuellen Fahrer nicht zulässt oder die Daten für und während der Auswertung so, beispielsweise homomorph, verschlüsselt und zum Beispiel mittels Klassifikation mit einem neuronalen Netzwerk auf homomorph verschlüsselte Datensätze, verarbeitet, dass die Daten in der zentralen Rechnereinheit nicht einsehbar sind.
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Darüber hinaus ist es alternativ oder zusätzlich möglich, unterschwellige Tests zur Bestimmung eines im allgemeinen von der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit und/oder von einer kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeitsklasse abhängigen Wertes der fahrerischen Fähigkeiten, insbesondere Reaktions- und Koordinationsfähigkeiten, des Fahrers durchzuführen. Beispielsweise können Piktogramme auf einer sogenannten zero layer einer berührungssensitiven Anzeigeeinheit und/oder in einem anderen geeigneten Anzeigebereich, beispielsweise einer Instrumententafel, einer Head-Up-Anzeigeeinheit, einer Scheibenanzeigeeinheit, einer Augmented-Reality-Brille und/oder einer Virtual-Reality-Brille, angezeigt werden. Die Piktogramme können den Fahrer des Fahrzeuges zum Ausführen einer bestimmten Aktion, zum Beispiel zum Betätigen eines Lichtschalters, zum Öffnen eines Fensters, oder zur Ausführung einer Kombination von Aktionen, beispielsweise zum Betätigen des Lichtschalters während eines Linksabbiegens oder zum Ausführen von Aktionen, zum Beispiel ein Betätigen des Lichtschalters während einer Standardsituation „Linksabbiegen“ auffordern. Des Weiteren können Positionen von Standard-Piktogrammen in einem jeweiligen Anzeigebereich zufällig verändert werden, und eine Adaptationsfähigkeit des Fahrers auf die geänderten Positionen bestimmt werden. Auch können akustische Signale im Fahrzeuginnenraum ausgegeben werden, ebenso textuelle oder Gesprächsinteraktionen fahrzeugseitig aktiviert werden, um die Reaktionszeit des Fahrers des Fahrzeuges zur Bewertung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit zu ermitteln.
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In einer weiteren Ausführung kann auch eine Blickrichtungserkennung in Bezug auf den Fahrer angewendet werden und dann beispielsweise eine Zeitdauer gemessen werden, bis ein Blick des Fahrers bei einer der oben beschriebenen Manipulation eines Anzeigeinhaltes, zum Beispiel auf das veränderte Piktogramm gerichtet wird. Dies kann, insbesondere um eine Fahraufgabe des Fahrers nicht zu beeinträchtigen mittels einer Head-Up-Anzeigeeinheit realisiert werden.
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Denkbar ist auch eine Größe der Pupillen des Fahrers automatisiert und insbesondere eine Änderung der Größe der Pupillen oder eine Änderung eines Blutdruckes des Fahrers zu erkennen. Somit kann beispielsweise gegebenenfalls in Kombination mit der Blickrichtungserkennung ermittelt werden, dass der Fahrer ein Standardereignis bereits bemerkt hat, noch bevor der Fahrer auf das Standardereignis reagiert.
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Darüber hinaus können Standardtestsituation generiert und zu zufälligen oder kontextabhängigen Zeitpunkten ausgeführt werden, um die fahrerische Leistungsfähigkeit des Fahrers des Fahrzeuges zu messen. Standardtestsituation können zum Beispiel verhaltensauslösende Ereignisse sein, wie beispielsweise ein kurzfristiges Erwärmen eines Lenkrades des Fahrzeuges, ein Aktivieren einer Wischwasseranlage des Fahrzeuges, ein Einschalten eines Radios, ein vergleichsweise starkes Erhöhen oder Vermindern einer Lautstärke einer Audiowiedergabe im Fahrzeug etc.
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Wie zuvor werden erfasste hinsichtlich dieser unterschwelligen Standardtestsituationen erfolgte Reaktionen des Fahrers ausgewertet und die Informationen dem Nutzerprofil des Fahrers hinzugefügt.
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Im Allgemeinen kann die Reaktion des Fahrers auf ein Standardereignis während einer Standardsituation von einer Aufmerksamkeit beziehungsweise einer momentanen Konzentration des Fahrers abhängig sein. Da ein vergleichsweise langanhaltendes oder mit hoher Frequenz auftretendes kurzfristiges Defizit an Aufmerksamkeit und/oder Konzentration zu einer Verminderung der fahrerischen Fähigkeiten führt, kann dies bei einer Auswertung der Reaktionen des Fahrers auf natürliche Standardereignisse und/oder unterschwellige Standardtestsituationen implizit mitberücksichtigt werden. Ein solches langanhaltendes Defizit, liegt zum Beispiel daran, dass der Fahrer oft übermüdet fährt, wobei ein mit hoher Frequenz auftretendes kurzfristiges Defizit beispielsweise daran erkannt wird, dass der Fahrer sehr oft während des Fahrbetriebes des Fahrzeuges sein Smartphone zum Schreiben von Nachrichten benutzt. In einer Ausführung wird eine fehlende momentane Aufmerksamkeit des Fahrers bei der Auswertung zur Ermittlung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers mitberücksichtigt. Zur Ermittlung der Aufmerksamkeit können wie bereits beschrieben, die Blickrichtungserkennung und/oder eine Pupillengrößenmessungen verwendet werden und/oder erfasste Ablenkungen, beispielsweise Interaktionen mit dem Smartphone, mit einem Infotainmentsystem, mit Mitfahrenden etc., herangezogen werden, wobei diese Ablenkungen beispielsweise mittels Methoden maschinellen Sehens in erfassten Signalen der Innenraumkamera erkannt werden können.
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In einer Ausführung können die von der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeitsklasse abhängigen Informationen derart genutzt werden, dass Parameter eines Assistenzsystems für alle Fahrer von Fahrzeugen der Fahrzeugflotte dieser kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeitsklasse angepasst werden. Dabei wird die kognitive und motorische Leistungsfähigkeitsklasse über das Alter der Fahrer mittels der oben beschriebenen Methoden zumindest annäherungsweise bestimmt. Beispielsweise kann somit ein eigestellter Sicherheitsabstand als Parameter eines Assistenzsystems einer automatisch adaptierenden Abstandsregelung der Fahrzeuge der Fahrzeugflotte für Fahrer eines Alters, welches ein vorgegebenes Alter überschreitet, erhöht werden.
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Zudem können in einer Ausführung des Verfahrens vergleichsweise neu eingeführte Fahrzeugfunktionen, zum Beispiel eines Assistenzsystems, beispielsweise mittels einer Aktualisierung über eine Funkschnittstelle, insbesondere in Bezug auf einen jeweiligen Einfluss auf die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit der Fahrer der Fahrzeuge der Fahrzeugflotte geprüft werden.
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Denkbar ist auch, dass individuelle oder von kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeitsklassen abhängige Informationen derart genutzt werden, dass diese Informationen für eine Anpassung von Versicherungstarifen verwendet werden.
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Im Folgenden wird ein Ausführungsbeispiel in Bezug auf eine Anwendung des Verfahrens näher erläutert.
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Dabei fährt ein Fahrer älteren Jahrganges mit einem vergleichsweise kostenintensiven Fahrzeug einer Fahrzeugflotte auf einen Fußgängerüberweg, einen sogenannten Zebrastreifen, zu. Anhand erfasster Signale einer mit einem Assistenzsystem des Fahrzeuges datentechnisch verbundenen Sensorik werden eine momentane Fahrgeschwindigkeit des Fahrzeuges und dass das Fahrzeug auf den Fußgängerüberweg zufährt, erkannt. Das Erkennen des Fußgängerüberweges und die Zufahrt auf diesen wird einer Standardsituation „Fahrt mit 30 km/h auf einen Zebrastreifen zu“ zugeordnet. Des Weiteren wird anhand der erfassten Signale erkannt, dass ein Fußgänger am Fahrbahnrand auf den Fußgängerüberweg zu läuft. Das Erkennen des Fußgängers, der in Richtung des Fußgängerüberweges läuft, wird als Standardereignis „Fußgänger läuft auf die Straße“ während der Standardsituation „Fahrt mit 30 km/h auf einen Zebrastreifen zu“ abgespeichert.
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Auf Basis einer Verteilungsfunktion von Reaktionszeiten für dieses Standardsituation-Standardereignis-Paar kann ermittelt werden, ob der ältere Fahrer eine Minderleistungsfähigkeit in Bezug auf die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit aufweist. Wird ermittelt, dass der Fahrer des Fahrzeuges eine Minderleistungsfähigkeit aufweist, wird hierzu in dem Fahrzeug ein Warnhinweis an den Fahrer ausgegeben. Darüber hinaus wird ein Standardabstand, insbesondere ein Sicherheitsabstand, zu einem vorausfahrenden Fahrzeug in den Einstellungen des automatischen Assistenzsystems einer automatisch adaptierenden Abstandsregelung entsprechend der individuellen fahrerischen Minderleistungsfähigkeit erhöht.
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Der Ablauf des in 1 dargestellten Verfahrens beginnt mit Start S und endet mit Stopp St, wobei bei zu treffenden Entscheidungen ein Ja mit einem J und ein Nein mit einem N gekennzeichnet ist.
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In einem ersten Verfahrensschritt S1 werden erfasste Signale der Sensorik, insbesondere in Bezug auf eine Fahrdynamik und einer Fahrerbeobachtung sowie einer Außenkamera des Fahrzeuges ermittelt.
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In einem zweiten Verfahrensschritt S2 wird der Fahrer des Fahrzeuges identifiziert. Liegt zu dem identifizierten Fahrer ein Nutzerprofil vor, so wird dieses aufgerufen und ein Alter des identifizierten Fahrers ermittelt. Alternativ oder zusätzlich wird das Alter des Fahrers, beispielsweise anhand erfasster Signale einer Innenraumkamera des Fahrzeuges, geschätzt.
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In einem dritten Verfahrensschritt S3 wird ermittelt, ob die kognitive und motorische Leistungsfähigkeit des identifizierten Fahrers des Fahrzeuges hinreichend getestet und/oder bewertet wurde. Zudem wird ein Zeitpunkt ermittelt, zu welchem der letzte Test und/oder die letzte Bewertung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit stattgefunden hat.
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Wird in dem dritten Verfahrensschritt S3 ermittelt, dass der Fahrer, insbesondere vor kurzem, diesbezüglich getestet und bewertet wurde, wird das Verfahren beendet.
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Wird hingegen ermittelt, dass beispielsweise ein letzter Test und/oder eine letzte Bewertung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit weit vor einem vorgebbaren Datum durchgeführt wurden beziehungsweise wurde, wird in einem vierten Verfahrensschritt S4 ermittelt, ob ein Test, zum Beispiel zu einem zufälligen Zeitpunkt und/oder nach einer bestimmten gefahrenen Strecke und/oder nach einer bestimmten Zeit durchgeführt werden soll.
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Wird in dem vierten Verfahrensschritt S4 ermittelt, dass kein Test durchgeführt werden soll, werden in einem fünften Verfahrensschritt S5 erfasste Signale der Sensorik des Fahrzeuges ausgewertet und es wird ermittelt, ob eine momentane Verkehrssituation einer hinterlegten Standardsituation zugeordnet werden kann.
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Kann die momentane Verkehrssituation keiner Standardsituation zugeordnet werden, wird das Verfahren beendet. Wird hingegen ermittelt, dass eine Standardsituation vorliegt, werden die erfassten Signale in einem sechsten Verfahrensschritt S6 dahingehend ausgewertet, um zu ermitteln, ob ein Standardereignis während der Standardsituation vorliegt. Liegt kein Standardereignis vor, wird das Verfahrens beendet.
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Wird in dem sechsten Verfahrensschritt S6 ein Standardereignis während der Standardsituation erkannt, wird in einem siebenten Verfahrensschritt S7 eine Interaktion zwischen dem Fahrer und dem Fahrzeug in Bezug auf das erkannte Standardereignis ausgewertet. Daran anschließend erfolgt eine Bewertung der kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers und die Bewertung wird in einer Datenbank, beispielsweise im Fahrzeug und/oder der zentralen Rechnereinheit, abgespeichert und gegebenenfalls zur Anpassung von Parametern eines Assistenzsystems des Fahrzeuges verwendet. Darauffolgend wird das Verfahren beendet.
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Wird in dem vierten Verfahrensschritt S4 ermittelt, dass ein Test durchgeführt werden soll, wird in einem achten Verfahrensschritt S8 ein unterschwelliger Test, wie oben beschrieben, ausgeführt und eine Fahreraktion wird in Bezug auf den Test als Antwort auf den Test ausgewertet. Anschließend wird die kognitive und motorischen Leistungsfähigkeit des Fahrers bewertet und in der Datenbank abgespeichert. Anschließend wird das Verfahren beendet.
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Bezugszeichenliste
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- J
- Ja
- N
- Nein
- S
- Start
- St
- Stopp
- S1 bis S8
- Verfahrensschritt
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 2293255 A1 [0002]
- DE 102009000296 A1 [0003]