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Stand der Technik
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Die Erfindung geht aus von einem Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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MEMS-Inertialsensorsysteme (MEMS, mikroelektromechanisches System) bestehen typischerweise aus Anordnungen von zwei oder mehr Sensoren zur Bestimmung der am Sensor anliegenden Drehrate und Beschleunigung. Üblicherweise weist jeder Sensor dabei drei Messkanäle auf, mit denen sich die Beschleunigungen und Drehraten jeweils entlang von drei räumlichen Achsen bestimmen lassen, so dass alle physikalischen Bewegungen im dreidimensionalen Raum erfasst werden können. Die Achsen des jeweiligen Achsensystems sind dabei meist zumindest näherungsweise orthogonal zueinander und die Achsensysteme unterschiedlicher Sensoren sind jeweils parallel zueinander ausgerichtet. Eine Abweichung von einer solchen idealen Konfiguration äußert sich als eine Querachsenempfindlichkeit (cross-axis sensitivity), durch die beispielsweise ein physikalischer Stimulus, der ausschließlich ein Signal bezüglich einer einzigen Sensor-Achse hervorrufen sollte, auch zu einem gewissen Messanteil entlang einer oder mehrerer der anderen Achsen führt.
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Derartige Querachsenempfindlichkeiten in MEMS-Inertialsensoren für den Consumer-Bereich können 2 bis 3 % erreichen und stellen für viele traditionelle Anwendungsgebiete kein wesentliches Problem dar. Für bestimmte Anwendungen, wie beispielweise inertiale Indoor-Navigation oder Augmented Reality würden Querachsenempfindlichkeiten von dieser Größenordnung allerdings einen erheblichen Genauigkeitsverlust mit sich bringen (siehe beispielsweise die Analyse in [1]). Daraus ergibt sich die technische Aufgabe, Querachsenempfindlichkeitseffekte möglichst weit zu kompensieren. Eine einmalig (z.B. in der Fertigung) erfolgte Kompensation kann durch Umwelteinflüsse oder Alterungseffekte an Gültigkeit verlieren. Durch die vorliegende Erfindung wird eine Methode bereitgestellt, wie trotz äußerer Einflüsse über lange Zeit eine präzise Kompensation, insbesondere in Abhängigkeit von aktuellen Werten von wenigstens einem Sensorsignal, erfolgen kann.
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Aus dem Stand der Technik ist in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Möglichkeiten bekannt, die Querachsenempfindlichkeit per Design zu optimieren. Im MEMS-Bereich wird dies häufig über die Anordnung und geometrische Gestaltung der mikromechanischen Federn und Massen des Sensors erreicht. Eine weitere Möglichkeit, die insbesondere bei hochgenauen Inertialsensoren eingesetzt wird, besteht in einer Signalkorrektur zur Verbesserung von Querachsenempfindlichkeiten, bei der für den Sensor eine individuelle Korrektur bestimmt wird, die anschließend im Sensorbetrieb auf das Messsignal angewendet wird (siehe beispielsweise [2] und [3]).
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Ein gängiges Vorgehen besteht dabei darin, über ein kontrolliertes Anlegen physikalischer Stimuli und Auswertung der Sensorsignale Querachsenempfindlichkeitsmatrizen der Dimension 3x3 (bei drei räumlichen Achsen) für den Beschleunigungssensor und den Drehratensensor aufzustellen. Die Diagonalelemente der Querachsenempfindlichkeitsmatrizen stellen dabei die eigentlichen Empfindlichkeiten der Achsen dar (sind also ≈1), während die Querempfindlichkeiten zwischen zwei Achsen durch die Nichtdiagonalelemente gegeben sind. Letztere sind deutlich kleiner als die Diagonalelemente und können beispielsweise etwa 0.01 betragen, was also 1 % Querachsenempfindlichkeit entspricht. Sind die beiden gemessenen Querachsenempfindlichkeitsmatrizen verfügbar, kann am Beschleunigungs- und Drehratensensorausgang je eine 3x3 Kompensationsmatrix implementiert werden, die die Querachseneffekte kompensiert. Das einfachste Vorgehen zur Bestimmung der beiden Kompensationsmatrizen ist eine einfache Invertierung der gemessenen Querachsenempfindlichkeitsmatrizen, wie sie beispielsweise in [4] oder in Abschnitt II.D in [3] beschrieben wird.
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Die Bestimmung der Querachsenempfindlichkeit und die Festlegung der Kompensationsmatrizen erfolgt üblicherweise in Form einer Kalibrierung als Teil des Herstellungsprozesses. Im Anschluss werden die fertigen und kalibrierten Sensoren weiterverarbeitet und beispielsweise zusammen mit anderen Sensoren und weiteren Komponenten auf eine Leiterplatte aufgebracht. Da die Sensoren in der Fertigung, Handhabung, Lagerung, beim Transport und beim Lötprozess erheblichen Belastungen ausgesetzt sind und dadurch Veränderungen unterliegen, nimmt jedoch die Qualität der Querachsenkompensation gegenüber dem neu kalibrierten Zustand ab, so dass die Genauigkeit des Sensors im Laufe der Zeit vermindert wird.
- [1] L. Blocher, W. Mayer, M. Arena, D. Radovic, T. Hiller, J. Gerlach, O. Bringmann, „Purely inertial navigation with a low-cost MEMS sensor array,“ in IEEE Int. Symposium on Inertial Sensors and Systems 2021. IEEE, 2021.
- [2] L. Poletti, D. S. Sanchis, R. Siryani, „A direct approach for highquality MEMS based IMU/INS production," in 2020 DGON Inertial Sensors and Systems (ISS), 2020, pp. 1-19.
- [3] J. Rohac, M. Sipos, J. Simanek, „Calibration of low-cost triaxial inertial sensors," IEEE I. & M. Mag., vol. 18, no. 6, pp. 32-38, 2015.
- [4] T. Hiller, L. Blocher, M. Vujadinovic, Z. Pentek, A. Buhmann H. Roth, „Analysis and Compensation of Cross-Axis Sensitivity in Low-Cost MEMS Inertial Sensors,“ in IEEE International Symposium on Inertial Sensors and Systems 2021. IEEE, 2021.
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Offenbarung der Erfindung
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Vor diesem Hintergrund ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem sich die Signalkorrektur zur Kompensation der Querachsenempfindlichkeiten neu kalibrieren lässt, um die Veränderung gegenüber dem ursprünglichen Verhalten in der Fertigung auszugleichen - und dies insbesondere auch über lange Zeiträume und/oder über Änderungen von Temperatur, Biegestress, Feuchte oder Alterungseffekte hinweg.
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Das Verfahren gemäß Anspruch 1 erlaubt es, weitgehend unabhängig vom konkret vorliegenden Sensordesign, mit Hilfe von sensor-internen Größen eine nachträgliche, sensorindividuelle Kalibrierung durchzuführen. Auf diese Weise lässt sich insbesondere die Gültigkeit der ursprünglichen Kalibrierung aus der Fertigung wiederherstellen und auf das aufgelötete Produkt übertragen. Zudem kann das Verfahren über die Lebenszeit des Sensorsystems hinweg wiederholt angewendet werden, um weitere Drifteffekte, wie sie beispielsweise durch Alterungsprozesse oder Umgebungseinflüsse (Feuchtigkeit, Temperatur etc.) auszugleichen. Es ist hierdurch in vorteilhafter Weise möglich, dass die sensor-internen Kopplungseffekte sowie mögliche Änderungen in der Verdrehungen der Dies derart kompensiert werden, dass die gemessene Nicht-Orthogonalität und die Delta-Querachsenempfindlichkeit am Sensorausgang über all diese äußeren Einwirkungen hinweg eine geringe Änderung aufweisen. Dafür wird eine Kompensationsmatrix als Teil des digitalen Datenpfades eines Drehratensensors vorgeschlagen, die nicht mehr statisch ist, sondern unter Zuhilfenahme von weiteren Sensorsignalen wie z.B. Temperatur oder Quadratur eine verbesserte Kompensation ermöglicht. Durch Charakterisierungsmessungen wird erfindungsgemäß ein geeigneter Koeffizientensatz für die Kompensationsmatrix gefunden, der entweder teileunabhängig über alle hergestellten Sensoren angewendet wird oder teileindividuell auf Basis weiterer Sensorgrößen errechnet wird. Dies ist insbesondere vorteilhaft, weil durch Baugrößenvorgaben sehr wenig Spielraum für eine Verbesserung der Stabilität über äußere Einflüsse per Design gegeben ist. Beispielsweise ist die Verwendung von gemeinsam genutzten Schwingmassen für mehrere Messachsen (welche Nicht-Orthogonalitätsänderungen begünstigen) ab einer bestimmten Baugröße unumgänglich.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren wird der Umstand ausgenutzt, dass sich unter den eingangs genannten äußeren Einflüssen bei der Fertigung, Weiterverarbeitung etc. unterschiedliche Systemparameter des Sensorsystems in der Regel nicht völlig unabhängig voneinander verändern, sondern verschiedene direkte und indirekte Beziehungen zueinander aufweisen. Insbesondere lässt sich für die Berechnung der Änderung der Querachsenempfindlichkeit ein statistischer Zusammenhang zwischen der Querachsenempfindlichkeit und einem oder mehreren Systemparametern (bzw. deren Änderung gegenüber einem Referenzzustand) verwenden. Aktuelle Werte der Zustandsgröße oder Zustandsgrößen sind dabei im Sensor selbst bestimmbar, insbesondere ohne Benutzung von äußeren Vorrichtungen, beispielsweise indem die entsprechende Größe durch im Sensorsystem angeordnete Sensoren gemessen oder aus einem Sensorsignal gewonnen wird. Durch einen Vergleich des aktuellen Werts und des Referenzwerts lässt sich die Änderung des Systemparameters bestimmten und auf die damit korrelierte Verschiebung der Querachsenempfindlichkeit schließen. Verschiedene Parameter, die hierfür besonders geeignet sind, werden weiter unten beschrieben. Beispielsweise zeigt ein Vergleich der Kenngrößen eines Drehratensensors vor und nach dem Auflöten, dass die Änderung der Querachsenempfindlichkeit und die Änderung der Quadratur des z-Kanals eine positive Kovarianz aufweisen. Dieser statistische Zusammenhang lässt sich im einfachsten Fall durch eine lineare Beziehung annähern, die wiederum als Berechnungsvorschrift für die Änderung der Querachsenempfindlichkeit dient. Im Folgenden wird der Begriff Querachsenempfindlichkeit der Kürze halber für eine entsprechende Kenngröße, beispielsweise ein Nichtdiagonalelement der Querachsenempfindlichkeitsmatrix oder die Gesamtheit aller Nichtdiagonalelemente verwendet. Das Sensorsystem kann neben dem mindestens einen Sensor weitere Sensoren, insbesondere weitere mehrachsige Inertialsensoren aufweisen, die jeweils eine eigene Querachsenempfindlichkeit aufweisen und für die sich das Verfahren entsprechend verallgemeinert. Insbesondere ist es erfindungsgemäß vorteilhaft möglich, dass für die nichtstatische Kompensationsmatrix Koeffizienten verwendet werden, mittels denen unter Zuhilfenahme von weiteren Sensorsignalen, wie z.B. Temperatur oder Quadratur, eine auf die jeweilige, dem Zustand des Sensorsystems entsprechende Situation abgestellte, verbesserte Kompensation ermöglicht.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind den Unteransprüchen sowie der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Zeichnungen entnehmbar.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass im Messchritt aktuelle Werte einer Mehrzahl von Systemparametern des Sensorsystems sowie von wenigstens einem aktuellen Wert des Sensorsignals bestimmt werden, im Ausleseschritt Referenzwerte der Mehrzahl von Systemparametern aus einem Speicherelement des Sensorsystems ausgelesen werden und im Berechnungsschritt die Änderung der Querachsenempfindlichkeit in Abhängigkeit von den Referenzwerten, den aktuellen Werten der Mehrzahl von Systemparametern sowie des wenigstens einen aktuellen Werts des Sensorsignals berechnet wird, wobei als Sensorsignale insbesondere lineare oder quadratische Signale oder Signale höherer Ordnung oder eine durch ein neuronales Netz gebildete, komplexe Kombination solcher Signale verwendet werden, insbesondere das Quadrat der Temperatur, das Quadrat einer Quadraturkomponente oder ein Produkt von Quadraturkomponenten. Auf diese Weise lässt lassen sich komplexere Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Systemparametern und der Querachsenempfindlichkeit erfassen, bzw. die Genauigkeit und/oder Robustheit der Berechnung verbessern. Die bezüglich eines Systemparameters beschriebenen Ausführungsmöglichkeiten der Erfindung verallgemeinern sich unmittelbar auf eine Mehrzahl von Systemparametern.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass der Systemparameter oder die Mehrzahl von Systemparametern eine oder mehrere der folgenden Größen umfasst: eine Amplitude eines Quadratursignals, eine (native, d.h. ungetrimmte) Nichtorthogonalität der Sensorachsen, eine (native) Fehlausrichtung zwischen Sensorachsen des mindestens einen Sensors und Sensorachsen eines weiteren Sensors, eine Phasenlage eines Sensorsignals, eine Antriebsfrequenz, ein Frequenzunterschied zwischen einer Antriebsmode und einer Detektionsmode, eine Rohempfindlichkeit, eine mechanische Spannung, eine mittels eines Built-In Test Equipment (BITE) erfasste Größe, insbesondere eine kontrolliert herbeigeführte Änderung eines Quadratursignals. Ferner umfasst das Sensorsignal oder die Mehrzahl von Sensorsignalen eine oder mehrere der folgenden Größen: die Temperatur, eine Amplitude eines Quadratursignals, wenigstens ein Signal wenigstens eines eine mechanische Belastung ermittelnden Sensors. Falls es sich bei dem mindestens einen Sensor um einen Beschleunigungssensor handelt, kann mittels des BITE auch durch Anlegen einer Spannung eine seismische Masse des Beschleunigungssensors ausgelenkt werden und das Antwortverhalten des Sensors gemessen werden. Das Quadratursignal ist der (insbesondere durch Demodulation gewonnene) Anteil des Detektionssignals eines Drehratensensors, der um 90° gegenüber dem, durch die Drehrate erzeugten Nutzsignal phasenverschoben ist. Für das erfindungsgemäße Verfahren kann beispielsweise das Quadratursignal eines bestimmten (einer Sensorachse entsprechenden) Detektionskanals oder eine Kombination mehrerer Quadratursignale verschiedener Kanäle verwendet werden. Die Fehlausrichtung zwischen den Sensorachsen zweier Sensoren (siehe beispielsweise Abschnitt „accel-to-gyro triad alignment“ in [4]) kann insbesondere durch die Elemente der Transformationsmatrix quantifiziert werden, die die Achsen eines Sensors auf die des anderen Sensors abbildet. Bei dem Sensorsignal kann es sich beispielsweise um das Drehratensignal oder das Beschleunigungssignal eines bestimmten Sensorkanals oder um eine Kombination solcher Signale handeln. Mechanische Spannungen können insbesondere durch dedizierte Spannungssensoren im Sensor messen werden. Durch ein BITE kann eine kontrollierte Zustandsänderung des Sensors hervorgerufen werden, beispielsweise, indem durch Anlegen oder Änderung einer Elektrodenspannung eine künstliche Quadratur im Sensor erzeugt wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass die Änderung der Querachsenempfindlichkeit mittels eines statistischen Modells für den Zusammenhang zwischen dem Systemparameter und der Querachsenempfindlichkeit berechnet wird, wobei das statistische Modell insbesondere mittels Ausgleichsrechnung oder maschinellen Lernens gebildet ist. Insbesondere kann anhand einer Mehrzahl von Sensoren ein Datensatz ermittelt werden, indem der Systemparameter und die Querachsenempfindlichkeit jedes Sensors jeweils an verschiedenen Punkten des Herstellungsprozesses (beispielsweise vor und nach dem Auflöten der Sensoren) ermittelt wird oder der Sensor einer kontrollierten Zustandsänderung (beispielsweise durch Erzeugung einer mechanischen Spannung) unterworfen wird. Aus dem Datensatz kann dann durch Analyse oder durch Trainieren eines Machine-Learning-Modells ein statistischer Zusammenhang gewonnen werden, der im Berechnungsschritt für die Bestimmung der Änderung gegenüber dem Referenzzustand genutzt wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass die Änderung der Querachsenempfindlichkeit durch eine Mehrzahl von Submatrizen der Kompensationsmatrix berechnet wird, wobei die Submatritzen insbesondere durch mit den jeweiligen Sensorsignalen zu multiplizierende Koeffizienten gebildet werden, wobei als Submatrizen insbesondere vorgesehen sind: eine Submatrix, welche als Sensorsignal die aktuell gemessene Temperatur sowie korrespondierende Koeffizienten umfasst, eine Submatrix, welche als Sensorsignal eine aktuell gemessene Amplitude eines Quadratursignals oder eine Quadraturkomponente sowie korrespondierende Koeffizienten umfasst, eine Submatrix, welche als Sensorsignal eine aktuell gemessene mechanische Belastung sowie korrespondierende Koeffizienten umfasst, eine Submatrix, welche benutzerbestimmte oder benutzerbestimmbare korrespondierende Koeffizienten umfasst.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass der Referenzwert des Systemparameters in einem Bereitstellungsschritt bestimmt und im Speicherelement des Sensorsystems gespeichert wird, wobei der Bereitstellungsschritt insbesondere bei einer End-of-Line-Kalibrierung im Anschluss an die Fertigung des Sensorsystems durchgeführt wird.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass im Bereitstellungsschritt durch eine kontrollierte Veränderung des Systemparameters und eine Messung der Querachsenempfindlichkeit mindestens zwei Datenpunkte ermittelt werden und das statistische Modell in Abhängigkeit von den Datenpunkten gebildet wird. Statt eines, über eine statistische Gesamtheit von Sensoren gemittelten Verhaltens, kann auf diese Weise ein sensor-individuelles Änderungsverhalten bestimmt werden. Im einfachsten Fall können dabei zwei Datenpunkte gemessen und daraus ein linearer Zusammenhang zwischen dem Systemparameter und der Querachsenempfindlichkeit gewonnen werden. Ebenso können mehr als zwei Datenpunkte gemessen und durch Ausgleichsrechnung eine lineare oder nichtlineare Funktion an die Datenpunkte angepasst werden. Die kontrollierte Veränderung des Systemparameters kann beispielsweise durch Anlegen einer mechanischen oder thermischen Belastung an den Sensor erfolgen. Eine Optimierung der Berechnungsvorschrift kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass während der Fertigung zwei oder mehr verschiedene Belastungen (z.B. zwei identische Messungen oder zwei Messungen bei verschiedenen Temperaturen) angelegt werden und die Änderung sensor-interner Parameter mitsamt der Änderung der Querachsenempfindlichkeiten verwendet werden.
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Somit kann eine sensorindividuelle Berechnungsvorschrift für die nach Löten stattfindende Selbstkalibration erstellt werden. Im einfachsten Fall wird z.B. die Steigung einer linearen Berechnungsvorschrift sensor-individuell einprogram miert.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass das Sensorsystem mindestens einen weiteren, als mehrachsiger Inertialsensor ausgebildeten Sensor aufweist, wobei das Sensorsystem dazu konfiguriert ist, die Kompensationsmatrix auf Sensordaten des mindestens einen Sensors anzuwenden und eine weitere Kompensationsmatrix auf Sensordaten des mindestens einen weiteren Sensors anzuwenden, wobei die Kompensationsmatrix und die weitere Kompensationsmatrix im Anpassungsschritt an die im Berechnungsschritt berechnete Änderung der Querachsenempfindlichkeit angepasst werden. Vorzugsweise ist der mindestens eine Sensor ein Drehratensensor, ein Beschleunigungssensor, ein mehrachsiger Magnetfeldsensor oder ein Drehbeschleunigungssensor ist und/oder der mindestens eine weitere Sensor ist ein Drehratensensor, ein Beschleunigungssensor, ein mehrachsiger Magnetfeldsensor oder ein Drehbeschleunigungssensor. Der mindestens eine Sensor wird im Folgenden der Kürze halber auch als erster Sensor und der mindestens eine weitere Sensor als zweiter Sensor bezeichnet. Die Kompensationsmatrizen werden entsprechend als erste und zweite Kompensationsmatrix bezeichnet.
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Im Herstellungsprozess erfolgt die Bestimmung der Querachsenempfindlichkeitsmatrizen für die ursprüngliche Kalibrierung üblicherweise durch das kontrollierte Anlegen physikalischer Stimuli entlang eines Achsensystems, das im Wesentlichen durch die Messanordnung vorgegeben ist und im Folgenden zur Unterscheidung von den intrinsischen Achsen der Sensoren als Stimulus-Achsensystem bezeichnet wird. Im einfachsten Fall können die inversen Querachsenempfindlichkeitsmatrizen als Kompensationsmatrizen verwendet werden, was effektiv dazu führt, dass die Sensorachsen beider Sensoren parallel zu den Stimulus-Achsen ausgerichtet werden, wodurch sowohl die Nicht-Orthogonalität der Sensorachsen, als auch die Verdrehung der Sensorachsen gegenüber dem Stimulus-Achsensystem korrigiert werden. Wenn die Sensoren jedoch beispielsweise leicht schief in der Messanlage angeordnet sind, werden die Sensorachsen durch diesen Kompensationsmechanismus unnötig verschoben und „auf den Stimulus getrimmt“. Die nachfolgend beschriebene verbesserte Bestimmung von Kompensationsmatrizen erlaubt es dagegen, dass die natürliche Ausrichtung des Achsensystems des ersten Sensors beibehalten wird und das Achsensystem des zweiten Sensors an das erste angepasst wird. Dadurch wird eine unnötige Verdrehung im Sensor vermieden und die Signale nicht mehr als nötig durch die Kompensationsmatrix gemischt. Dazu wird in Abhängigkeit von der ersten Querachsenempfindlichkeitsmatrix eine erste Kompensationsmatrix gebildet, wobei die erste Querachsenempfindlichkeitsmatrix in ein Produkt einer Rotationsmatrix und einer Dreiecksmatrix zerlegbar ist und die erste Kompensationsmatrix einer Inversen der Dreiecksmatrix entspricht; die zweite Kompensationsmatrix wird in Abhängigkeit von der zweiten Querachsenempfindlichkeitsmatrix gebildet, wobei die zweite Kompensationsmatrix einem Produkt der Rotationsmatrix und einer Inversen der zweiten Querachsenempfindlichkeitsmatrix entspricht. Im Anpassungsschritt werden dann die genannten Bildungsvorschriften dazu genutzt die beiden Kompensationsmatrizen an die geänderten Querachsenempfindlichkeitsmatrixelemente anzupassen.
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Die zugrundeliegende mathematische Struktur soll im Folgenden kurz anhand eines konkreten Beispiels illustriert werden, bei dem der erste Sensor ein dreiachsiger Beschleunigungssensor und der zweite Sensor ein dreiachsiger Drehratensensor sind. Als Modell wird der folgende Zusammenhang zwischen den Signalamplituden und den externen Stimuli angenommen:
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Die linke Seite entspricht den gemessenen Ausgangswerten Ω
sen des Beschleunigungssensors entlang der drei räumlichen Achsen, während auf der rechte Seite die zugehörigen externen Stimuli Ω
sti durch die Querachsenempfindlichkeitsmatrix
(a für „accelerometer", cas für „cross-axis sensitivity“) multipliziert werden. Zusätzlich wird auf der rechten Seite ein Offset b berücksichtigt, der ebenfalls von der Querachsenempfindlichkeitsmatrix multipliziert wird. Die Querachsenempfindlichkeitsmatrix des Beschleunigungssensors lässt sich nun in drei Anteile bzw. Subkomponenten zerlegen:
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Die Matrix Mscf (scf für „scale-factor“) ist eine reine Diagonalmatrix, deren Einträge die Empfindlichkeiten bezüglich der drei Achsen angeben und die Matrix Mnon („non-orthogonality“) ist eine untere Dreiecksmatrix, deren Diagonalelemente alle Eins sind und deren Nichtdiagonalelemente die Nicht-Orthogonalität der Sensorachsen angeben. Das Produkt Mscf · Mnon entspricht der Dreiecksmatrix, deren Inverse die Kompensationsmatrix für den ersten Sensor (hier den Beschleunigungssensor) bildet. Bei der Matrix Mmis („misalignment“) handelt es schließlich um eine Rotationsmatrix, die die Verdrehung der Sensorachsen gegenüber den Stimulus-Achsen wiedergibt und die zur Kompensation des zweiten Sensors eingesetzt wird. Die verbesserte Bestimmung der Kompensationsmatrizen beruht auf dem Grundgedanken, den Sensor nicht wie bei der einfachen Invertierung der Empfindlichkeitsmatrizen auf den Stimulus auszurichten, sondern:
- (i) Den Nicht-Orthogonalitäts- und Empfindlichkeitsfehler des Beschleunigungssensors zu korrigieren, nicht aber seine Verdrehung. Anders ausgedrückt behält das Achsensystem prinzipiell seine ursprüngliche Ausrichtung bei.
- (ii) Der Drehratensensor wird ebenfalls bezüglich seiner Nicht-Orthogonalität und Empfindlichkeit korrigiert und so verdreht, dass die entsprechenden Sensorachsen eine identische Ausrichtung mit dem, mittels (i) kompensierten Beschleunigungssensor aufweisen.
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Da für die Korrektur (i) die Verdrehung M
mis aus der Querachsenempfindlichkeitsmatrix
entfernt werden soll, lässt sich die Kompensationsmatrix
für (i) beispielsweise als
berechnen, d.h. entweder als die Inverse der Diagonalmatrix M
scf · M
nonoder als das Produkt der Rotationsmatrix M
mis und der Inversen der ersten Querachsenempfindlichkeitsmatrix
Die Kompensationsmatrix für den Drehratensensor (d.h. den zweiten Sensor), mit der die Korrektur (ii) erzeugt wird, ergibt sich dann unter Benutzung der Rotationsmatrix M
mis als
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Die Kompensationsmatrix
und die Querachsempfindlichkeit
des Drehratensensors sind dabei mit dem Index g gekennzeichnet („gyroscope“).
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Falls das Sensorsystem weitere Achsensysteme aufweist, z.B. durch einen weiteren Beschleunigungssensor mit einem anderen Messbereich, einen Magnetfeldsensor, einen weiteren Drehratensensor etc., kann die Korrektur (ii) auch auf diese angewendet werden. Das obenstehende Beispiel dient lediglich zur Veranschaulichung, beispielsweise kann prinzipiell (i) auch am Drehratensensor und (ii) am Beschleunigungssensor erfolgen. Außerdem ist es möglich, das Prinzip auf Achsensysteme anzuwenden, die nicht im selben Sensorpackage verbaut sind, sondern nur auf derselben Leiterplatte oder im selben Gehäuse.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Selbstkalibrierung des Sensorsystems kann in einem Verfahren zur Kompensation einer Querachsenempfindlichkeit eines Sensorsystems angewendet werden, wobei nach der Durchführung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrend zur Selbstkalibrierung in einem Kompensationsschritt die angepasste Kompensationsmatrix auf Sensordaten des mindestens einen Sensors oder des mindestens einen weiteren Sensors angewendet wird.
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Ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist ein Sensorsystem nach Anspruch 10. Die in Bezug auf das erfindungsgemäße Verfahren erläuterten Vorteile und Ausgestaltungsmöglichkeiten übertragen sich analog auf das erfindungsgemäße Sensorsystem und umgekehrt.
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Die Erfindung betrifft jegliche Einsatzform von MEMS-Inertialsensorik (Beschleunigung und Drehrate) wie z.B. im Bereich Automotive (Automobile, Motorräder, Fahrräder/EBikes, Lastfahrzeuge, Off-road Fahrzeuge etc.) und im Bereich Consumerelektronik (Smartphones, Kopfhörer, Tablets, Mixed/Augmented/VirtualReality Headsets und Brillen, Drohnen, Spielekonsolen, Kameras, Uhren, Fitnessgeräte, Implantate, Spielzeug, Wearables, etc.).
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Die Erfindung ist nicht auf die oben beschriebenen Ausführungsformen beschränkt sondern kann vielmehr in einer Vielzahl von Anwendungen für die auf Inertialsensoren basierende Navigation, Orientierung und Stabilisierung von Objekten eingesetzt werden. Eine Recheneinheit im Sensor kann verwendet werden, um den Betrieb des Inertialsensors zu steuern (z.B. Energiesparmodus, Messbereiche), zur Überprüfung der Plausibilität von Sensorsignalen und deren Toleranzen (z.B. zur internen Sensorüberwachung), zur Signalverarbeitung (z.B. Berechnung der Position oder Orientierung, Filterung der Daten) und zur Auswahl von Kommunikationsprotokollen. Verschiedene auch selbstlernende Klbasierte Algorithmen können in der Computereinheit für die Auswertung und Signalverarbeitung der der Daten von den Inertialsensoren, den Temperatursensoren und auch von externen Daten (z.B. GPS-Daten, Kilometerzähler Daten) verwendet werden. Denkbar sind auch die folgenden Anwendungen: Zweirad- wie Motorrad-, Fahrrad-, Motorroller-Anwendungen (z.B. ESP/AirBag, Neigungserkennung, Auswuchten); Dreiräder (z.B. TucTuc); Avionik-Anwendungen (z.B. Flugstabilisierung und -steuerung); Industrieroboteranwendungen (z.B. Positionskontrolle von Baggerschaufeln, Bohrern, Bildstabilisierung, Flugsteuerung, Ausrichten von Satellitenantennen, Feinmotorik für das Greifen mit Robotern); Anwendungen für Haus und Garten (z.B. Navigation von Rasenmähern, Positionsüberwachung von Türen); medizinische Anwendungen (z.B. Sturzerkennung, Bewegungs- und Haltungserkennung); Sport und Freizeitaktivitäten (z.B. Bewegungserkennung, Haltungserkennung, Golfschläger, Tennis Tennisschläger, Ski); zahlreiche CE-Anwendungen (z.B. Smartphones, Tablets, Wearables, Hearables, Drohnen, Spielzeuge). Die Erfindung kann außerdem im Zusammenhang mit Smartphones und Tablets für die folgenden Anwendungen verwendet werden: Bildschirmorientierung; signifikante Bewegung; Geräteorientierung; Aktivitäts-, Gesten- und Kontexterkennung; Bildstabilisierung; SLAM in Innenräumen (gleichzeitige Lokalisierung und Karten Kartenerstellung); Erkennung von Stößen und freiem Fall; Bewegungssteuerung. Im Zusammenhang mit Wearables, Hearables, AR und VR kann die Erfindung für folgende Anwendungen genutzt werden: Anzeige Informationen; Schrittzählung; Aktivitäts-, Gesten- und Kontexterkennung; Kalorienzählen; In-Ear-Erkennung; Schlafüberwachung; Altenpflege; Indoor-Navigation; Positionsbestimmung; Low-Power-Sensing, Echtzeit-Bewegungserkennung, Verfolgung von Kopfbewegungen; präzise Sensordatenfusion. Im Zusammenhang mit Drohnen, Spielen und Spielzeug kann die Erfindung für die folgenden Anwendungen verwendet werden: Orientierung; Gimbal; Höhenstabilisierung; Flugsteuerung; Bewegungsverfolgung, Bewegungssteuerung, Gleichgewicht; Aktivitäts- und Gestenerkennung. Im Zusammenhang mit Robotern kann die Erfindung für die folgenden Einsatzbereiche verwendet werden: Navigation; Grenzerfassung; dynamische Pfadplanung; SLAM in Innenräumen; Überwachung der Luftqualität; Erkennung von Verstopfungen. Im Zusammenhang mit Smart Home Anwendungen kann die Erfindung für die folgenden Anwendungen verwendet werden: Einbruchskontrolle; Luft Überwachung der Luftqualität, Erkennung von Schimmel, Klimakontrolle, Boden Bodenerkennung; Navigation in Innenräumen. Die Erfindung kann auch im industriellen Kontext für die folgenden Anwendungen eingesetzt werden: Wasserstandserkennung; Verfolgung von Anlagen; Navigation und Steuerung; Bewegungs- und Positionsverfolgung; Energiemanagement; vorausschauende Wartung. Darüber hinaus sind zahlreiche Modifikationen, Variationen, Gestaltungen, Anordnungen und Ausführungsformen möglich, die alle in den Anwendungsbereich der Erfindung fallen.
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Ausführungsbeispiele der vorliegenden Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert.
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Kurze Beschreibung der Zeichnungen
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- 1 zeigt zwei Achsensysteme eines Inertialsensorsystems mit leichter Querachsenempfindlichkeit.
- 2 illustriert in einer schematischen zweidimensionalen Darstellung eine Verdrehung der beiden MEMS-Dies, des Sensor-Packages, sowie eine Nicht-Orthogonalität der Achsen innerhalb eines Die.
- 3 illustriert das erfindungsgemäße Verfahren.
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Ausführungsformen der Erfindung
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In 1 sind zwei Achsensysteme 21, 22 eines Inertialsensorsystems 1 mit leichter Querachsenempfindlichkeit dargestellt. Das Sensorsystem 1 umfasst einen Beschleunigungssensor und einen Drehratensensor wobei die beiden Sensoren dabei jeweils drei Messkanäle aufweisen, mit denen sich die Beschleunigungen und Drehraten jeweils entlang dreier räumlicher Achsen bestimmen lassen. Das Achsensystem 22 des Beschleunigungssensors und das Achsensystem 21 des Drehratensensors sind idealerweise orthogonal und parallel zueinander ausgerichtet. Die dargestellte Nicht-Orthogonalität des Achsensystems 22 stellt eine Abweichung von einer solchen idealen Konfiguration dar und äußert sich als eine Querachsenempfindlichkeit (cross-axis sensitivity), durch die beispielsweise eine Beschleunigung, die ausschließlich ein Signal bezüglich der X-Achse hervorrufen sollte, auch zu einem gewissen Messanteil entlang der Y- und/oder der Z-Achse führt.
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2 zeigt anhand einer schematischen, zweidimensionalen Darstellung eine Verdrehung der beiden MEMS-Dies, des Sensor-Packages, sowie die Nicht-Orthogonalität der Achsen innerhalb eines Die. Die Querachsenempfindlichkeit eines Sensors kann verschiedene physikalische Ursprünge haben, wobei sich die Querachsenempfindlichkeitsmatrix S
cas (cas für „cross-axis sensitivity“) mathematisch in die folgenden Komponenten zerlegen lässt:
wobei die Matrix M
scf (scf für „scale-factor“) die Empfindlichkeiten bezüglich der drei Achsen angibt, M
non („non-orthogonality“) die Nicht-Orthogonalität der Sensorachsen und die Matrix M
mis („misalignment“) die Verdrehung der Sensorachsen gegenüber den Stimulus-Achsen. Dabei ist jedoch im Normalfall keine Zuordnung zwischen den Subkomponenten und einzelnen physikalischen Effekten möglich, da sich die Effekte gegenseitig überlagern.
2 zeigt schematisch wie beispielsweise der Beschleunigungs-MEMS-Die 18 und Drehraten-MEMS-Die 17 leicht verschoben zueinander sein können. Das gesamte Sensorsystem 1 kann ebenfalls zum (als perfekt angenommenen) äußeren Stimulus 2 verdreht sein, der entlang der Achsen 3, 4 wirkt. Innerhalb eines Die 17, 18 kann außerdem eine Nicht-Orthogonalität der Achsen auftreten (angedeutet durch die Achsen in 17 und 18), z.B. indem elektrisch ein Signal von einem Kanal in den anderen überkoppelt oder der physikalische Messeffekt selbst eine Querachsenempfindlichkeit hat. Somit werden erfindungsgemäß die gemessenen Querachsenempfindlichkeitsmatrizen („cross-axis sensitivity“, Matrix Scas) von Beschleunigungs- und Drehratensensor üblicherweise zerlegt in die genannten Subkomponenten M
scf, M
non und M
mis, wobei diese Zerlegung beispielsweise mittels eines numerischen Optimierers stattfindet oder durch Kleinwinkelnäherung.
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Obwohl im Sensorsystem selbstverständlich Kopplungseffekte von jeder Achse auf jede andere Achse auftreten können, muss die Nicht-Orthogonalitätsmatrix als Untere-Dreiecksmatrix modelliert werden, wenn mit Messdaten gearbeitet wird. (In Simulation hingegen gibt es keine Verdrehung.) Ansonsten wäre das Gleichungssystem für den Optimierer überbestimmt und es kann nicht zwischen Verdrehung und sensor-internen Kopplungseffekten unterschieden werden. Dies hat zur Folge, dass manche sensor-internen Effekte bei der Auswertung „in der Verdrehungsmatrix landen“. Gleichzeitig kann man sicher sein, dass jegliche gemessene Nicht-Orthogonalität aus dem Sensor kommen muss, da Rotationen von Die oder Sensor keine Nicht-Orthogonalität erzeugen können. In dieser Erfindungsmeldung wird angenommen, dass die sensor-internen Vorgänge durch Messungen und Simulationen hinreichend bekannt und verstanden sind und von reinen Verdrehungseffekten unterschieden werden können.
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3 illustriert eine Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens 10. Der Block 4 entspricht dabei der initialen Kalibrierung im Fertigungsprozess des Sensors und der Block 5 der Anwendung der erfindungsgemäßen Selbstkalibrierung im fertigen Sensorsystem 1. Zunächst wird im Schritt 6 die Querachsenempfindlichkeit gemessen. Je nachdem, ob es sich um einen Beschleunigungs- oder Drehratensensor handelt, kann der Sensor zu diesem Zweck beispielsweise Beschleunigungen oder Drehungen entlang dreier orthogonaler Stimulus-Achsen ausgesetzt werden und die Elemente der Querachsenempfindlichkeitsmatrix durch Auswertung der durch die Bewegungen hervorgerufenen Sensorsignale gewonnen werden. Aus der Querachsenempfindlichkeitsmatrix wird die Kompensationsmatrix abgeleitet und im Schritt 7 in einem Speicherelement des Sensors abgespeichert. Im Schritt 8 können ein oder mehrere Systemparameter gemessen werden und im Schritt 9 zusammen mit davon abgeleitete Größen als Referenzwerte abgespeichert werden. Wie durch den Pfeil 26 angedeutet, können die Schritte 6, 7, 8, 9 unter veränderten Bedingungen wiederholt werden, beispielsweise indem ein weiterer Systemparameter wie etwa eine mechanische oder thermische Belastung verändert wird. Als optionalen zusätzlichen Schritt 23 kann eine sensorindividuelle Berechnungsvorschrift gebildet und abgespeichert werden.
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Im Anschluss erfolgen weitere, im Schritt 11 zusammengefasste Fertigungsschritte wie das Aufbringen auf einen Blistergurt („Tape & Reel“), Transport und Auflöten in das Endprodukt und Konditionierung. Dabei verändert sich die Querachsenempfindlichkeit, so dass im Endprodukt 24 die Kompensation der Querachsenempfindlichkeit nicht mehr optimal durchgeführt werden kann.
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Um wieder eine effektive Kompensation zu gewährleisten wird bei dem erfindungsgemäßen Verfahren im Messschritt 12 ein aktueller Wert des Systemparameters bestimmt und im Ausleseschritt 13 der im Schritt 9 bestimmte Referenzwert aus dem Speicher ausgelesen. Im Berechnungsschritt 14 wird in Abhängigkeit von dem Referenzwert und dem aktuellen Wert des Systemparameters eine Änderung der Querachsenempfindlichkeit berechnet und im Anpassungsschritt 15 die Kompensationsmatrix an die Änderung der Querachsenempfindlichkeit angepasst. Auf diese Weise entsteht als Ergebnis 25 des Verfahrens 10 das neu kalibrierte Sensorsystem 1 mit entsprechend verbesserter Querachsenempfindlichkeitskompensation.
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Die Kompensationsmatrix für den Drehratensensor
wird hier als Beispiel für die erfindungsgemäße Kompensation betrachtet; generell wird die Kompensationsmatrix nachfolgend auch als M
cmp bezeichnet. Die Kompensation erfolgt im Prinzip dadurch, das erfindungsgemäß die Kompensationsmatrix M
cmp mit den Drehratensignalen
der drei Achsen (d.h. der Drehratensignale, welche der Kompensation zugeführt werden, „in“) multipliziert wird, um die kompensierten Drehratensignale
zu ergeben (jeweils für alle drei Achsen, d.h. „ch*“ steht für „ch1“, „ch2“ bzw. „ch3“), d.h.
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Hierbei gilt (bei einer beispielsweise von der aktuell gemessenen Temperatur sowie den Quadratursignalen abhängigen Kompensationsmatrix):
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Vor und/oder nach dieser Multiplikation bzw. Kompensation kann zum Beispiel der Offset über die Temperatur kompensiert werden, die Achsen invertiert oder getauscht werden oder von Benutzer ein statischer Offsetwert aufgebracht werden.
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Die Kompensationsmatrix M
cmp beinhaltet erfindungsgemäß (nachfolgend in jeder Zeile dargestellt) mehrere Submatrizen, die aufaddiert werden. Hierbei gilt beispielsweise:
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Somit gilt beispielsweise:
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Hierbei stellen fett gedruckte Symbole Signale bzw. Sensorsignale dar, normalgedruckte Symbole sind Konstanten. Das Temperatursignal T beispielsweise auf ca. 25°C getrimmt, d.h. bei dieser Temperatur ist das Signal ungefähr Null (diese Submatrix entspricht der zweiten Zeile der oben aufgeführten Definition der Kompensationsmatrix Mcmp und umfasst im dargestellten Beispiel Änderungen bzw. Änderungskoeffizienten der Kompensationsmatrix, die die linear mit der Temperatur (d.h. mit der aktuell gemessenen Temperatur) Änderungen der Kompensationsmatrix angeben). Für die Veränderlichkeit der Kompensationsmatrix in Abhängigkeit der aktuell gemessenen Quadraturen Q∗, die Werte bis zu 10000 dps erreichen können (d.h. die Submatrizen, welche der dritten, vierten und fünften Zeile er oben aufgeführten Definition der Kompensationsmatrix Mcmp entsprechen), kann über Q*0 ein Trim erfolgen, so dass es möglich ist über s∗∗q∗ eine Kompensation entsprechend der Quadraturänderung vorzunehmen. So kann z.B. auch eine Drift zwischen Messung in der Fertigung und Verhalten nach Auflöten in das Endprodukt ausgeglichen werden. Außerdem ist eine vom Endbenutzer zugängliche Kompensation vorhanden mit Koeffizienten s∗∗usr. Erfindungsgemäß sind weitere Ausprägungen vorgesehen: Es ist denkbar, die Kompensation entsprechend der o.g. Definition auch mit anderen oder weiteren Signalen durchzuführen, z.B. Signalen von dedizierten Stressensoren Sstr, gemessenen (Detektionsmoden)-Phasenwerten, Signalen von BITEs (build-in test equipment), usw. Es können weiterhin zusätzlich oder anstatt der linearen Signale auch solche höherer Ordnung verwendet werden, also z.B. T2 oder (Qx + Qx0)2 oder Kombinationen von
Signalen, z.B. T · (Qx + Qx0) oder (Qx + Qx0) · (Qy + Qy0). Es ist außerdem erfindungsgemäß vorgesehen, dass die einzelnen Submatrizen von Mcmp individuell zu- und abschaltbar sind, oder dass die eigentlich kontinuierlichen Signale lediglich periodisch, z.B. immer nach ein paar Stunden, einen aktualisierten, konstanten Wert ausgeben. Möglich ist auch, dass die gelegentliche Anpassung des konstanten Werts (dem ein Signal zugrunde liegt, z.B. durch Mittelwertbildung über einen gewissen Zeitraum) vom Endbenutzer aktiv veranlasst werden kann.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- L. Poletti, D. S. Sanchis, R. Siryani, „A direct approach for highquality MEMS based IMU/INS production,“ in 2020 DGON Inertial Sensors and Systems (ISS), 2020, pp. 1-19 [0006]
- J. Rohac, M. Sipos, J. Simanek, „Calibration of low-cost triaxial inertial sensors,“ IEEE I. & M. Mag., vol. 18, no. 6, pp. 32-38 [0006]