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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein Verfahren zum Betrieb eines automatisiert fahrenden Fahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 8.
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Automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrende Fahrzeuge nutzen eine Vielzahl an Sensormodalitäten zur Erstellung eines Abbilds ihrer Umwelt. Dies wird als Perzeption bezeichnet. Diese Umwelt besteht aus einer statischen Welt, umfassend eine Infrastruktur, Vegetation etc., sowie aus bewegten Zielen, umfassend Fahrzeuge, vulnerable Straßennutzer etc. Um auch bei Nacht, Nebel, Gischt, Regen und anderen Sichtbeeinträchtigungen eine zuverlässige Perzeption zu ermöglichen, kommen Radarsensoren zum Einsatz.
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Die Radarsensoren senden dabei eine elektromagnetische Welle aus, welche an Objekten reflektiert und wieder vom Sensor empfangen wird. Dadurch entstehen Ortungen, so genannte Reflexe oder Locations, auf statischen Objekten sowie bewegten Zielen. Ein Messraum ist hierbei ein polarer Raum und eine Ortung besteht im Wesentlichen aus einem Abstand, einer radialen Relativgeschwindigkeit, einem Azimutwinkel und einem Elevationswinkel. Zusätzlich wird ein Radarquerschnitt geschätzt, welcher vereinfacht eine Reflektivität des entsprechenden Ziels angibt.
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Die Winkelmessung wird hierbei nicht durch eine mechanische Bewegung des Radarsensors durchgeführt, sondern durch eine Nutzung einer so genannten Patchantenne. Wie in „M. Richards: Fundamentals of Radar Signal Processing; 2nd edition. McGraw-Hill, 2014“ beschrieben, entsteht durch unterschiedliche Laufzeit elektromagnetischer Wellen zwischen einzelnen Patches ein Phasenunterschied, aus dem der Einfallswinkel berechnet werden kann.
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Häufig ist bei automotiven Radarsensoren ein Abstand der Patches größer als eine halbe Wellenlänge. Dadurch wird das so genannte Nyquist-Shannon-Abtasttheorem verletzt, so dass eine eindeutige Berechnung des Einfallswinkels nicht mehr möglich ist. Deshalb ist bekannt, dass der Einfallswinkel durch verschiedene Verfahren aufgelöst werden kann, welche beispielsweise auf einem internen Tracking, Hypothesen über eine Bewegung der Ziele, beispielsweise eine Geradeausfahrt usw., oder weiteren Annahmen basieren. Da diese Annahmen oftmals nicht erfüllt sind, besteht die Gefahr, dass die Winkel fehlerhaft aufgelöst werden. Dadurch entsteht je Ortung eines Objekts nicht nur eine falsch positive Ortung, sondern gleichzeitig auch eine falsch negative Ortung, die zu Geisterzielen einerseits, und verpassten Zielen andererseits führt.
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Das heißt, dass Radarsensoren eine Erzeugung eines Umgebungsmodells durch Detektion von Rückstreuungen von stationären und bewegten Objekten ermöglichen, wobei Winkelmehrdeutigkeiten jedoch dazu führen können, dass eine Einfallsrichtung eines Signals und somit Positionen von erfassten Objekten nicht eindeutig bestimmt werden können.
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Aus der
US 2019/0187268 A1 sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Auflösung von Radarwinkelmehrdeutigkeiten bekannt. Hierbei wird eine Winkelposition eines Ziels aus einer räumlichen Rückantwort bestimmt, welche mehrere Amplitudenspitzen aufweist. Hierbei wird bzw. werden zur Auflösung der Radarwinkelmehrdeutigkeit ein Frequenz-Unterspektrum oder mehrere Frequenz-Unterspektren ausgewählt, welche Amplituden- oder Phasenunterschiede in der räumlichen Rückantwort hervorheben und eine unregelmäßige Form der Rückantwort über ein breites Sichtfeld analysieren, um die Winkelposition des Ziels zu bestimmen. Dabei weist die Winkelposition des Ziels eine eindeutige Signatur auf, welche das Radarsystem bestimmen und verwenden kann, um die Radarwinkelmehrdeutigkeiten aufzulösen. In einem Array angeordnete Antennenelemente des Radars weisen hierbei einen Abstand auf, der größer als eine halbe Mittenwellenlänge eines reflektierten Radarsignals ist, welches verwendet wird, um das Ziel zu detektieren.
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Die
DE 10 2021 210 143 A1 beschreibt ein Verfahren zur Auflösung von Winkelmehrdeutigkeiten in einem räumlich inkohärenten Radarnetzwerk. Dabei wird mittels mehrerer Radarsensoren eine Umgebung erfasst, wobei für jeden Radarsensor individuell und unabhängig von den jeweils anderen Radarsensoren Tracks detektierter Objekte in einem Zustandsraum erstellt werden. Der Zustandsraum ist beispielsweise derart ausgebildet, dass Winkelmehrdeutigkeiten in diesen nicht aufgelöst werden müssen. Weiterhin werden Tracks unterschiedlicher Radarsensoren unter der Maßgabe, dass diese plausibel von dem gleichen Objekt stammen, einander zugeordnet. Die einander zugeordneten Tracks werden für unterschiedliche Varianten zur Auflösung der Winkelmehrdeutigkeiten fusioniert, wobei den Varianten jeweils ein Plausibilitätsmaß zugeordnet wird. Zur Auflösung der Winkelmehrdeutigkeiten wird dann die Variante mit der größten Plausibilität ausgewählt.
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Aus der
DE 10 2018 119 858 A1 ist ein Verfahren zum Auflösen einer Ambiguität eines Einfallswinkels (= AOA) in einem Radarsystem bekannt, wobei das Verfahren umfasst:
- - Empfangen von empfangenen Reflexionen an einer Vielzahl von Transceiverknoten, wobei jeder Transceiverknoten unter der Vielzahl von Transceiverknoten des Radarsystems eine oder mehrere der empfangenen Reflexionen bei jeweiligen einem oder mehreren Empfangselementen empfängt;
- - Bestimmen von Kandidaten-AOAs basierend auf Phasendifferenzen in den empfangenen Reflexionen an der Vielzahl von Transceiverknoten;
- - Bestimmen von Dopplerfrequenzen basierend auf den empfangenen Reflexionen; und
- - Auswählen eines geschätzten AOA aus den Kandidaten-AOAs basierend auf übereinstimmenden Metriken zwischen den Doppler-Frequenzen und den Kandidaten-AOAs.
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Weiterhin ist aus KELLNER, D. [et al.]: Instantaneous Lateral Velocity Estimation of a Vehicle using Doppler Radar. In: Proceedings of the 16th International Conference on Information Fusion, 2013. S. 877-884. - ISBN 978-605-86311-1-3 ein Verfahren zur Schätzung einer lateralen Geschwindigkeit mittels Doppler-Radar bekannt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein neuartiges Verfahren zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems und ein neuartiges Verfahren zum Betrieb eines automatisiert fahrenden Fahrzeugs anzugeben.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems, welches die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist, und durch ein Verfahren zum Betrieb eines automatisiert fahrenden Fahrzeugs, welches die im Anspruch 8 angegebenen Merkmale aufweist.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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In dem Verfahren zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems werden für eine Vielzahl von mittels des Radarsystems erfasste Ortungen jeweils mehrere theoretisch mögliche Winkelhypothesen ermittelt. Weiterhin werden für die Ortungen jeweils Radialgeschwindigkeiten ermittelt. Ferner wird eine kinematische Gleichung für eine Berechnung erwarteter Radialgeschwindigkeiten der Ortungen unter der Annahme, dass die Ortungen durch starre Körper hervorgerufen werden, erstellt, wobei mittels der kinematischen Gleichung erwartete Radialgeschwindigkeiten der einzelnen Ortungen jeweils für die verschiedenen Winkelhypothesen der Ortungen ermittelt werden. Für die Ortungen wird jeweils diejenige Winkelhypothese identifiziert, deren erwartete Radialgeschwindigkeit die größte Übereinstimmung mit der jeweils ermittelten Radialgeschwindigkeit aufweist und die verbleibenden Winkelhypothesen werden verworfen.
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Das Verfahren ermöglicht, eine Anzahl von Ortungen, welche bezüglich ihrer Winkel korrekt aufgelöst sind, zu maximieren. Das heißt, eine Anzahl von Fehlortungen wird minimiert. Dies führt zu weniger Geisterzielen bei einer gleichzeitig verbesserten Erfassung der statischen Umwelt.
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Das Verfahren kann dabei erfolgreich insbesondere dort eingesetzt werden, wo eine Winkelauflösung eines automotiven Radarsystems oder Radarsensors nicht ausreichend zur Sicherstellung einer zuverlässigen Systemfunktion ist. Insbesondere kann das Verfahren dort einen Mehrwert liefern, wo andere Maßnahmen zum Umgehen einer unzulänglichen Winkelmehrdeutigkeitsauflösung nicht gangbar sind. Das betrifft vor allem SAE ADAS Level 4 Systeme. Hier ist eine prinzipiell denkbare Vorgehensweise zur Reduktion von Geisterzielen, wie in Level 2 Systemen möglich, nämlich das Verwerfen von Ortungen, nicht mehr möglich, da kein Fahrer zur Verfügung steht, der im Falle von verpassten Zielen in das Fahrgeschehen eingreifen könnte. Eine Reduktion von Geisterzielen, das heißt falsch-positiven Ortungen, geht immer mit einer Reduktion von wahren Zielen, das heißt wahr-positiven Ortungen, oder einer Erhöhung von verpassten Zielen, das heißt falsch-negativen Ortungen, einher. Das Verfahren ist dabei sowohl für ein klassisches Tracking von Umgebungsobjekten, beispielsweise mittels eines Kalman-Filters, als auch für Ansätze basierend auf Belegungskarten, so genannten Grid Maps, einsetzbar.
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Erfindungsgemäß werden die erwarteten Radialgeschwindigkeiten mittels eines RANSAC-Algorithmus (RANSAC = RANdom Sample Consensus) ermittelt, welcher sich durch seine große Robustheit gegenüber Ausreißern auszeichnet. Bei der Ermittlung der erwarteten Radialgeschwindigkeiten wird mittels des RANSAC-Algorithmus eine zunächst leere Konsensusmenge, welche Inlier angibt, erstellt und iterativ durch eine bessere Konsensusmenge ersetzt. Dabei wird eine Schleife mit einer vorgegebenen Anzahl von Iterationen mit folgenden Schritten ausgeführt:
- - Erstellen einer leeren Inliermenge,
- - zufällige Auswahl zweier Winkelhypothesen,
- - Berechnung von Parametern (C, S) der kinematischen Gleichung in der Form vr = C*cos(θ) + S*sin(θ),
- - Berechnung von Inlierkandidaten von Radialgeschwindigkeiten aller Winkelhypothesen, welche innerhalb eines vorgegebenen Schwellwerts die kinematische Gleichung erfüllen,
- - Bewertung der Inlierkandidaten mit in einer Liste enthaltenen Winkelhypothesen, wobei die Liste für eine jeweilige Winkelhypothese angibt, zu welcher Ortung diese gehört, wobei in der Bewertung ein Inlierkandidat als Inlier bewertet wird, wenn eine diesem zugehörige Ortung nicht bereits in der Inliermenge vorhanden ist, und
- - Ersetzen der letzten Konsensusmenge durch eine aktuelle Konsensusmenge, wenn die Inliermenge der aktuellen Konsensusmenge mehr Inlier umfasst als die Inliermenge der letzten Konsensusmenge.
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Anhand der Winkelhypothesen kann für die statische Umwelt sowie für jedes Ziel ein Geschwindigkeitsprofil berechnet werden. Mittels des RANSAC-Algorithmus können die Winkelhypothesen, die zum Geschwindigkeitsprofil gehören, als Inlier bezeichnet, die anderen als Ausreißer oder Outlier bezeichnet werden. In besonders vorteilhafter Weise wird dabei angenommen, dass jede Menge an Inliern nur aus Winkelhypothesen besteht, die zu verschiedenen Ortungen gehören. Andernfalls würde ein und dieselbe Ortung mehrfach gewertet werden. Somit kann für jede Ortung der wahrscheinlich wahre Winkelwert abgeleitet werden, indem ausgewertet wird, welche Ortungshypothese zur Inliermenge gehört.
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In einer möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird ein Modell eines Radarsystems bzw. Radarsensors in Kombination mit einem Modell von Zielen bzw. Objekten verwendet, um Winkel der Ortungen aufzulösen. Dies ermöglicht in besonders zuverlässiger und einfacher Weise, die Ortungen bezüglich ihre Winkel korrekt aufzulösen.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens werden oder wird als Modell des Radarsystems oder Radarsensors ein Antennenmodell eines so genannten Uniform Linear Array, wie beispielsweise in „M. Richards: Fundamentals of Radar Signal Processing; 2nd edition. McGraw-Hill, 2014“ beschrieben, und/oder als Modell von Zielen oder Objekten ein Starrkörpermodell verwendet. Diese Modelle haben sich als besonders zuverlässig und besonders einfach handhabbar herausgestellt.
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Das heißt insbesondere, dass angenommen wird, dass viele Ziele, beispielsweise Fahrzeuge, starre Körper sind. Diese Annahme trifft außerdem auf die statische Umwelt zu, die als ein gigantischer Starrkörper betrachtet werden kann. Der Vorteil dieser Annahme ist, dass sie unabhängig vom Bewegungszustand und von einer Trajektorie der Ziele ist. Es ist somit beispielsweise nicht mehr notwendig, ein Autobahnszenario mit Geradeausfahrt o. ä. anzunehmen. Dadurch wird eine Perzeption von einer zu realisierenden Funktion im automatisierten Fahrbetrieb entkoppelt, was beispielsweise für Fahrzeuge, die automatisiert gemäß Level 4 betrieben werden, unerlässlich ist. Die Ortungen auf Starrkörpern liegen dabei auf einem Geschwindigkeitsprofil, das die Periode 360 Grad hat und durch Betrag und Phase einer trigonometrischen Funktion oder alternativ durch Vorfaktoren von Sinus- und Cosinusanteilen in der kinematischen Gleichung spezifiziert werden kann.
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Unter Nutzung des Antennenmodells kann für jede Ortung beispielsweise eine Vielzahl an Winkelhypothesen berechnet werden, unter denen die Ortung potenziell gesehen werden könnte. Ein vom Radarsensor pro Ortung gegebener Winkel ist aufgrund der Verletzung des Nyquist-Shannon-Abtasttheorems nicht notwendigerweise der korrekte Winkel.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens werden die Winkelhypothesen jeweils für einen Azimutwinkel und/oder einen Elevationswinkel ermittelt, so dass eine Position der Ortung relativ zum Radarsystem exakt bestimmbar ist.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird bei der Ermittlung der Winkelhypothesen angenommen, dass eine Antenne des Radarsystems eine Patchantenne ist, welche eine definierte Anzahl von Patches mit einem definierten Abstand zwischen den jeweiligen Patches aufweist. Bei einer solchen Patchantenne entsteht durch eine unterschiedliche Laufzeit elektromagnetischer Wellen zwischen einzelnen Patches ein Phasenunterschied, aus welchem einfach und zuverlässig ein Einfallswinkel eintreffender elektromagnetischer Wellen berechnet werden kann.
In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens wird die Liste mit den Winkelhypothesen gemäß der Gleichung sin(θm) mod (λ/d) = sin(θw) mod (λ/d) nach dem Uniform Linear Array Antennenmodell erstellt.
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In einer weiteren möglichen Ausgestaltung des Verfahrens werden die ermittelten Winkelhypothesen jeweils über ihre kartesische Position mit einer Ortung assoziiert, was einfach und zuverlässig realisierbar ist. Dieser Schritt kann entfallen, wenn statt bewegter Ziele die statische Welt betrachtet wird. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass die große Mehrheit aller Ortungen einer Beleuchtung von Objekten der statischen Welt herrührt.
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In einem Verfahren zum Betrieb eines automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugs wird eine Fahrzeugumgebung mittels winkelauflösenden Radarsystems erfasst und ein automatisierter Fahrbetrieb des Fahrzeugs wird zumindest in Abhängigkeit von aus mittels des Radarsystems erfassten Ortungen gewonnenen Umgebungsinformationen ausgeführt.
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Erfindungsgemäß werden auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhende Fehlortungen des Radarsystems aus den erfassten Ortungen mittels eines Verfahrens zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems nach einem der vorhergehenden Ansprüche korrigiert und/oder entfernt.
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Aufgrund der zuverlässigen Korrektur und/oder Unterdrückung von Fehlortungen kann eine besonders exakte und zuverlässige Erfassung und Auswertung der Fahrzeugumgebung sichergestellt werden, woraus ein sicherer automatisierter Fahrbetrieb des Fahrzeugs resultiert.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung werden im Folgenden anhand von Zeichnungen näher erläutert.
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Dabei zeigen:
- 1 schematisch eine Patchantenne eines Radarsystems und eine einfallende Welle eines an einem Objekt reflektierten, von dem Radarsystem ausgesendeten Radarsignals,
- 2 schematisch ein cosinusförmiges Profil einer Radialgeschwindigkeit, aufgetragen über den Azimutwinkel, eines Objekts zu einem Radarsystem,
- 3 schematisch ein Profil einer Radialgeschwindigkeit über Grund eines Objekts zu einem Radarsystem unter Nutzung eines von dem Radarsystem bereitgestellten Winkels,
- 4 schematisch ein Profil einer Radialgeschwindigkeit über Grund eines Objekts zu einem Radarsystem unter Nutzung aller mittels eines Antennenmodells ermittelten Winkelhypothesen,
- 5 schematisch eine Ansicht von Ortungen eines Radarsystems einer Situation einer Fahrzeugumgebung aus einer Vogelperspektive in einem kartesischen Raum unter Nutzung eines von dem Radarsystem bereitgestellten Winkels,
- 6 schematisch eine Ansicht von Ortungen eines Radarsystems der Situation der Fahrzeugumgebung gemäß 5 aus einer Vogelperspektive in einem kartesischen Raum unter Nutzung aller mittels eines Antennenmodells ermittelten Winkelhypothesen und
- 7 schematisch ein Kamerabild, welches die Situation der Fahrzeugumgebung gemäß den 5 und 6 darstellt.
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Einander entsprechende Teile sind in allen Figuren mit den gleichen Bezugszeichen versehen.
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In 1 sind eine Patchantenne 1 eines Radarsystems und eine einfallende Welle W eines an einem Objekt reflektierten, von dem Radarsystem ausgesendeten Radarsignals dargestellt.
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Das Radarsystem ist beispielsweise Bestandteil eines automatisiert, insbesondere hochautomatisiert oder autonom fahrenden Fahrzeugs und wird zur Erstellung eines Abbilds einer Fahrzeugumgebung verwendet. Zumindest ein Radarsensor des Radarsystems sendet dabei eine elektromagnetische Welle W aus, welche an Objekten in der Fahrzeugumgebung reflektiert und wieder vom Sensor, vorliegend von der Patchantenne 1, empfangen wird. Dadurch entstehen Ortungen, so genannte Reflexe oder Locations, auf statischen Objekten sowie bewegten Zielen. Ein Messraum ist hierbei ein polarer Raum und eine Ortung besteht im Wesentlichen aus einem Abstand des jeweiligen Objekts zum Radarsystem, einer radialen Relativgeschwindigkeit, einem Azimutwinkel θ und einem nicht näher dargestellten Elevationswinkel. Zusätzlich wird ein Radarquerschnitt geschätzt, welcher vereinfacht eine Reflektivität des entsprechenden Ziels angibt.
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Die Winkelmessung wird hierbei nicht durch eine mechanische Bewegung des Radarsensors durchgeführt, sondern durch eine Nutzung der Patchantenne 1. Wie in „M. Richards: Fundamentals of Radar Signal Processing; 2nd edition. McGraw-Hill, 2014“ beschrieben, entsteht durch unterschiedliche Laufzeit elektromagnetischer Wellen W zwischen einzelnen Patches 1.1 bis 1.n ein Phasenunterschied, aus dem der Einfallswinkel berechnet werden kann.
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Um auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhende Fehlortungen des winkelauflösenden Radarsystems zu unterdrücken, ist vorgesehen, für eine Vielzahl von mittels des Radarsystems erfasste Ortungen jeweils mehrere theoretisch mögliche Winkelhypothesen zu ermitteln. Dabei werden für die Ortungen jeweils Radialgeschwindigkeiten vr ermittelt und es wird eine kinematische Gleichung für eine Berechnung erwarteter Radialgeschwindigkeiten vr der Ortungen unter der Annahme, dass die Ortungen durch starre Körper hervorgerufen werden, erstellt. Mittels der kinematischen Gleichung werden erwartete Radialgeschwindigkeiten vr der einzelnen Ortungen jeweils für die verschiedenen Winkelhypothesen der Ortungen ermittelt und für die Ortungen wird jeweils diejenige Winkelhypothese identifiziert, deren erwartete Radialgeschwindigkeit vr die größte Übereinstimmung mit der jeweils ermittelten Radialgeschwindigkeit vr aufweist. Die verbleibenden Winkelhypothesen werden verworfen.
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Hierbei wird insbesondere mit dem Ziel der Auflösung des korrekten Winkels eines potenziell fehlerhaften Winkels eines automotiven Radarsystem zur Ertüchtigung desselben für einen Einsatz in einem hochautomatisiert fahrenden Fahrzeug, beispielsweise gemäß Level 4, insbesondere eine Kombination eines Antennenmodells eines so genannten Uniform Linear Array mit einem Starrkörpermodell kombiniert. Weiterhin wird zur Ermittlung der erwarteten Radialgeschwindigkeiten vr beispielsweise ein RANSAC-Algorithmus verwendet, welcher zu einer Geschwindigkeitsprofilschätzung mit einer gegenseitigen Exklusivität von Ortungs- bzw. Winkelhypothesen erweitert ist.
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Bei der Verwendung des Antennenmodells mit Uniform Linear Array wird angenommen, dass die Antenne eine Patchantenne 1, bestehend aus Patches 1.1 bis 1.n mit einem Abstand d, ist. Im Folgenden wird dabei nur der Fall eines Azimutwinkels θ betrachtet. Der Fall eines Elevationswinkels wird äquivalent behandelt. Eine Phasendifferenz φ zwischen den einzelnen Patches 1.1 bis 1.n, bezogen auf eine Wellenfront, hängt vom Einfallswinkel ab, der gleichzeitig den Azimutwinkel θ der Ortung darstellt. Dabei gilt:
mit λ = Wellenlänge.
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Unter der Annahme, dass Phasendifferenzen φ, die ein ganzzahliges Vielfaches von 2π darstellen, nicht unterschieden werden können bzw. auf ununterscheidbare Azimutwinkel θ führen, wird folgendes Antennenmodell erhalten:
mit einem wahren, aber unbekannten Azimutwinkel θ
w und einem vom Radarsensor gemessenen Azimutwinkel θ
m. Eine Konstante λ/d kann durch Messungen ermittelt werden, beispielsweise in einer so genannten Gray-box Identifikation mit einem physikalisch motivierten Modell mit messtechnisch ermittelten Parametern. Für ein Long-Range-Radarsystem beträgt der Wert beispielsweise λ/d = 0,5.
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Bei einer Verwendung des Starrkörpermodells wird angenommen, dass viele der Ortungen, beispielsweise Fahrzeuge, starre Körper sind. Diese Annahme trifft außerdem auf die statische Umwelt zu, die als ein gigantischer Starrkörper betrachtet werden kann.
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Für eine Radialgeschwindigkeit v
r einer Ortung, sowohl relativ als auch über Grund, die von einem Starrkörper herrührt, gilt beispielsweise gemäß „D. Kellner: Verfahren zur Bestimmung von Objekt- und Eigenbewegung auf Basis der Dopplerinformation hochauflösender Radarsensoren; PhD thesis, University of Ulm, 2017“ die Beziehung:
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Die Parameter S und C weisen dabei unterschiedliche Werte auf, je nachdem ob mit Geschwindigkeiten über Grund oder mit Relativgeschwindigkeiten gerechnet wird. Da die Gleichung (3) für jede Ortung eines Starrkörpers gilt, lässt sich ein überbestimmtes Gleichungssystem aufstellen, das durch den RANSAC-Algorithmus gelöst wird.
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In 2 ist ein Verlauf der Radialgeschwindigkeit vr über dem Azimutwinkel θ dargestellt, wobei deutlich ein cosinusförmiger Verlauf erkennbar ist.
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Im Folgenden wird ein mögliches Ausführungsbeispiel einer Berechnung eines Geschwindigkeitsprofils bei gleichzeitiger Auflösung des Geschwindigkeitsprofils beschrieben. Hierbei wird mit Geschwindigkeiten über Grund gerechnet, das heißt eine so genannte Kompensation der Ego-Bewegung des Radarsystems hat bereits stattgefunden.
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Entsprechend der Gleichung (2) werden für jede Ortung einer durch das Radarsystem durchgeführten Beleuchtung n möglichen Ortungs- bzw. Winkelhypothesen erstellt. Im Zuge dessen wird eine Liste erstellt, die für eine i-te Winkelhypothese angibt, zu welcher ursprünglichen Ortung die Winkelhypothese gehört. Diese Liste nennt sich beispielsweise „reflex identifier“.
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Weiterhin werden die Winkelhypothesen über ihre kartesische Position mit den Objekten bzw. Zielen assoziiert. Dieser Schritt kann entfallen, wenn statt bewegter Ziele die statische Welt betrachtet wird. In letzterem Fall wird davon ausgegangen, dass eine große Mehrheit aller Ortungen einer Beleuchtung von Objekten der statischen Welt herrührt.
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Weiterhin wird Geschwindigkeitsprofil-Fit mit dem RANSAC-Algorithmus durchgeführt. Dies erfolgt beispielsweise gemäß „D. Kellner: Verfahren zur Bestimmung von Objekt- und Eigenbewegung auf Basis der Dopplerinformation hochauflösender Radarsensoren; PhD thesis, University of Ulm, 2017“. Hierbei wird eine zunächst leere Konsensusmenge, die so genannte, beispielsweise in 3 näher dargestellte Inlier I angibt, erstellt, und iterativ durch eine jeweils bessere Konsensusmenge ersetzt. Es folgt dazu eine Schleife, die eine gewisse Anzahl, beispielsweise 1000, an Iterationen darstellt.
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In dieser Schleife erfolgt zunächst eine Erstellung einer leeren Inliermenge und anschließend eine zufällige Auswahl zweier Winkelhypothesen. Dann erfolgt eine Berechnung der Parameter S und C über die Gleichung (3). Weiterhin wird eine Berechnung von Inlierkandidaten, das heißt aller Winkelhypothesen, die innerhalb eines Schwellwerts die Gleichung (3) erfüllen, durchgeführt. In einer Bewertung eines jeweiligen Inlierkandidaten über die „reflex_identifier“ Liste wird ein Inlierkandidat nur dann als Inlier I behandelt, wenn die Ortung, zu der die Winkelhypothese gehört, nicht bereits in der Inliermenge vorhanden ist. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Winkelhypothesen gegenseitig exklusiv sind. Mit anderen Worten: Es ist zwar (noch) nicht bekannt, welches der wahre Winkel ist, aber es ist bekannt, dass die Ortung letztlich nur unter einem bestimmten Winkel gemessen werden konnte. Besteht der Inlierkandidat diese Anforderung, wird er zur Inliermenge hinzugefügt. Wenn mehrere Winkelhypothesen derselben Ortung mögliche Inlier I sind, wird jene verwendet, die zuerst prozessiert wird. In diesem Zusammenhang sind noch andere Verfahren zur Hypothesenauswahl denkbar, beispielsweise eine Nutzung der Winkelhypothese, die besser zum Geschwindigkeitsprofil passt. Enthält die Inliermenge der aktuellen Konsensusmenge mehr Inlier I als die Inliermenge der letzten Konsensusmenge, wird die letzte Konsensusmenge durch eine aktuelle Konsensusmenge ersetzt.
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Anhand der 3 bis 7 ist eine Anwendung des Verfahrens zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen an einem Beispiel eines Long-Range-Radarsystems beschrieben. Die einzige Vorverarbeitung, die die Ortungen erfahren, ist eine Filterung entsprechend eines Radarquerschnitts. Beispielsweise werden Ortungen, deren Radarquerschnitt kleiner -18 dBsm ist, verworfen.
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3 zeigt ein Profil einer Radialgeschwindigkeit vr über Grund eines Objekts zu einem Radarsystem, wenn nur ein vom Radarsensor bzw. Radarsystem gemessener Winkel genutzt wird. Unter Nutzung eines gewöhnlichen RANSAC-Algorithmus zur Berechnung des Geschwindigkeitsprofils wurden die Inlier I berechnet. Outlier sind durch die Bereiche O gekennzeichnet.
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In 4 ist ein Profil einer Radialgeschwindigkeit vr über Grund eines Objekts zu einem Radarsystem unter Nutzung aller mittels des beschrieben Antennenmodells ermittelten Winkelhypothesen gemäß Gleichung (2) dargestellt. Diese Winkelhypothesen wurden anschließend mit dem beschriebenen Geschwindigkeitsprofil-RANSAC-Algorithmus verarbeitet. Es ist ersichtlich, dass eine hohe Anzahl an Winkelhypothesen im Vergleich zur originalen Anzahl an Ortungen vorliegt. Ebenso ist beispielhaft eine Ortung Nr. 97 (Bezugszeichen 097) eingezeichnet, welche beispielsweise vier mögliche Winkel aufweist. In einem Vergleich mit 3 wird ersichtlich, dass der ursprüngliche, vom Radarsensor bzw. Radarsystem gelieferte Winkel nicht korrekt war. Der korrekte Azimuthwinkel θw ist mit einem Kreis gekennzeichnet. Die Outlier sind wiederum durch Bereiche O gekennzeichnet.
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5 zeigt eine Ansicht von Ortungen eines Radarsystems einer Situation einer Fahrzeugumgebung aus einer Vogelperspektive unter Nutzung eines von dem Radarsensor bzw. Radarsystem bereitgestellten Winkels in einem kartesischen Raum mit den Koordinaten x, y. Das Koordinatensystem entspricht dabei insbesondere der ISO 8855, wobei Koordinate x in Fahrtrichtung zeigt. Dabei sind statische Ortungen durch Punkte, bewegt klassifizierte Ortung durch Kreuze dargestellt.
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In 6 ist eine Ansicht von Ortungen eines Radarsystems der Situation der Fahrzeugumgebung gemäß 5 aus einer Vogelperspektive in dem kartesischen Raum mit den Koordinaten x, y unter Nutzung aller mittels des beschriebenen Antennenmodells ermittelten Winkelhypothesen nach Anwendung des beschriebenen Verfahrens dargestellt. Es ist im Vergleich zu 5 ersichtlich, dass falsche, als bewegt klassifizierte Ortungen vor dem Fahrzeug durch das beschriebene Verfahren zum Unterdrücken von auf Winkelmehrdeutigkeiten beruhenden Fehlortungen eines winkelauflösenden Radarsystems zumindest zu einem großen Teil entfernt werden konnten. Dies führt zu weniger Geisterzielen bei einer gleichzeitig verbesserten Erfassung der statischen Umwelt.
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Bei dieser beispielhaften Beleuchtung der Fahrzeugumgebung durch ein Radarsystem wurde die Anzahl der statischen Ortungen beispielsweise von 589 auf 627 erhöht.
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7 zeigt ein Kamerabild B, welches die Situation der Fahrzeugumgebung gemäß den 5 und 6 darstellt. Dabei ist deutlich ersichtlich, dass vor dem Fahrzeug mit dem Radarsystem keine bewegten Ortungen zu erwarten sind.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Patch-Antenne
- 1.1 bis 1.n
- Patch
- B
- Kamerabild
- d
- Abstand
- I
- Inlier
- O
- Bereich
- O97
- Ortung
- vr
- Radialgeschwindigkeit
- W
- Welle
- x
- Koordinate
- y
- Koordinate
- φ
- Phasendifferenz
- θ
- Azimutwinkel
- θw
- Azimutwinkel