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Die Erfindung betrifft eine Fertigungsanlage zur spanabhebenden Bearbeitung von Werkstücken. Ferner betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Verschleißüberwachung an Werkzeugen mit geometrisch bestimmter Schneide.
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Im Stand der Technik sind verschiedene Ansätze zur Überwachung des Verschleißes von Zerspanungswerkzeugen beschrieben. Methoden, die auf der Erfassung von Kräften bei der Zerspanung basieren, sind zum Beispiel aus den Dokumenten CN 110 576 335 A,
KR 2018 002 4093 A und
EP 0 290 224 A1 bekannt.
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Die Einbeziehung von Schwingungssignalen in Verfahren zur Bestimmung eines Werkzeugverschleißes geht beispielsweise aus den Dokumenten
DE 30 29 957 C2 und
CN 111 761 409 A hervor.
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Ein in der
DE 35 25 270 A1 offenbartes Verfahren zur Verschleißüberwachung von Werkzeugen sieht die Bestimmung der bei verschiedenen Bearbeitungsschritten aufgebrachten Leistung vor. Aus dem zeitlichen Verlauf der Leistung soll die Nutzarbeit für jeden Bearbeitungsschritt ermittelt werden. Nach der Addition einzelner Nutzarbeitswerte soll es möglich sein, eine Aussage über den Werkzeugverschleiß zu treffen.
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Ein in der
DE 30 42 211 A1 beschriebenes Verfahren zur Überwachung von Schneidplatten in Werkzeugmaschinen sieht eine Temperaturüberwachung an einer Werkstückfläche oder an einem ablaufenden Span vor.
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Die
DE 35 35 473 A1 beschreibt eine Einrichtung zum Erkennen von Verschleiß und Schneidenbruch bei Werkzeugen mit Schneiden aus Hartstoff. In diesem Fall befindet sich auf einer Schneidplatte in einem festgelegten Abstand von deren Schneide eine isolierte Leiterbahn. Diese Leiterbahn bildet zusammen mit dem Werkstück einen Abschnitt eines offenen Schaltkreises. Kommt es durch Verschleiß zu einem elektrischen Kontakt zwischen der Leiterbahn und dem Werkstück, so kann dies auf einfache Weise detektiert werden.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, gegenüber dem genannten Stand der Technik weiterentwickelte, insbesondere automatisierbare Methoden zur Verschleißüberwachung an Zerspanungswerkzeugen anzugeben.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein zur Verschleißüberwachung an Werkzeugen vorgesehenes Verfahren gemäß Anspruch 1. Das Verfahren ist mit einer Fertigungsanlage nach Anspruch 6 durchführbar. Im Folgenden im Zusammenhang mit der Fertigungsanlage zur spanabhebenden Bearbeitung erläuterte Ausgestaltungen und Vorteile der Erfindung gelten sinngemäß auch für das Verschleißüberwachungsverfahren und umgekehrt.
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Das Verfahren ermöglicht die Verschleißüberwachung an Werkzeugen, beispielsweise Wendeschneidplatten, mit geometrisch bestimmter Schneide und umfasst folgende Schritte:
- - Bereitstellung eines Zerspanungswerkzeugs, wobei diesem mindestens ein geometrisches Merkmal einer maximal zulässigen, an einer Freifläche des Werkzeugs zu detektierenden Verschleißmarke zugeordnet ist,
- - Zerspanung eines Werkstücks durch das hierbei in einer Werkzeugmaschine zum Einsatz kommende Zerspanungswerkzeug,
- - Umrechnung einer beim Betrieb der Werkzeugmaschine angewandten, Verschleiß des Werkzeugs kompensierenden geometrischen Korrektur, welche sich auf eine Zustellbewegung des Werkzeugs bezieht, in eine geometrische Größe einer aktuellen, ausschließlich berechneten Verschleißmarke,
- - Vergleich der berechneten geometrischen Größe der aktuellen Verschleißmarke mit dem gegebenen geometrischen Merkmal der maximal zulässigen Verschlei ßmarke,
- - Ausgabe einer Information zur Relation zwischen dem aktuellen Verschleiß und dem maximal zulässigen Verschleiß auf Basis des vorgenommenen Vergleiches.
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Der im Rahmen des Verfahrens vorgenommene Vergleich zwischen dem rechnerisch ermittelten IST-Zustand des Werkzeugs und der a priori bereitgestellten Information zur maximal zulässigen Ausdehnung der sich an der Freifläche im Laufe der Bearbeitung bildenden Verschleißmarke kann insbesondere genutzt werden, um zu gegebener Zeit eine Aufforderung zum Werkzeugwechsel auszugeben.
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Das Verfahren geht von der Überlegung aus, dass zur Beurteilung des Verschleißzustandes von Zerspanungswerkzeugen in zahlreichen Fällen von Seiten des Herstellers des Zerspanungswerkzeugs Merkmale angegeben sind, welche optisch mit relativ einfachen, gängigen Mitteln, beispielsweise einer Kamera oder einem Mikroskop, erfassbar sind. Bewährt hat sich in diesem Zusammenhang die Angabe der Größe einer sichtbaren Verschleißmarke, welche sich an einer Freifläche des Zerspanungswerkzeugs bildet. Die Feststellung der Größe der Verschleißmarke an einem teilweise verschlissenen Werkzeug bedeutet einen Untersuchungsschritt, der sich im Fall eines kamerabasierten Systems in den Produktionsprozess integrieren lässt und ansonsten gesondert durchzuführen ist. Der Verschleiß an der Freifläche, welche sich definitionsgemäß bis zu einer Schneidkante erstreckt, bedeutet auch eine Änderung der Geometrie der Schneidkante, wobei diesbezügliche Daten, welche die Schneidkante direkt betreffen und einen Bezug zum Werkzeugverschleiß haben, anders als die Angaben, welche sich auf die flächige Ausdehnung der Verschleißmarke beziehen, typischerweise nicht zur Verfügung stehen.
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Das anmeldungsgemäße Verschleißüberwachungsverfahren ist dazu konzipiert, mittels einer Werkzeugmaschine direkt detektierbare Änderungen einer Schneidkantengeometrie heranzuziehen, um hieraus auf die Größe einer Verschleißmarke zu schlie-ßen, ohne die Verschleißmarke optisch zu erfassen. Im Unterschied zu Methoden der Verschleißüberwachung, wie sie im Stand der Technik beschrieben sind, kommt das anmeldungsgemäße Verschleißüberwachungsverfahren somit mit einem deutlich verringerten apparativen Aufwand aus, wobei zugleich eine hervorragende Reproduzierbarkeit sowie eine hohe Zeitersparnis gegeben ist. Anzumerken ist, dass die typischerweise in Millimeter angegeben geometrischen Korrekturen, welche verschleißbedingt vorzunehmen sind und durch die Werkzeugmaschine erfasst werden, weit geringer sind als die Ausdehnungen der Verschleißmarke am Zerspanungswerkzeug.
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Es wird somit der vordergründig paradox erscheinende Weg gewählt, von der direkten Erfassung relativ großer geometrischer Strukturen, wie sie in Form der Verschleißmarke vorliegen, abzusehen und stattdessen wesentlich feinere geometrische Änderungen, die sich auf die Zustellung des Werkzeugs beziehen, zu detektieren. Diese detektierten Änderungen werden verwendet, um rein rechnerisch auf die Geometrie der Verschleißmarke zu schließen. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass keinerlei Betrachtung der Verschleißmarke, weder durch in Augenscheinnahme, noch durch automatisierte Mittel, erforderlich ist. Somit entfällt die Notwendigkeit, Sensoren, Kameras oder vergleichbare Komponenten zu installieren.
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Nachfolgend wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand einer Zeichnung näher erläutert. Hierin zeigen:
- 1 in symbolisierter Darstellung Komponenten einer Anlage zur spanabhebenden Metallbearbeitung,
- 2 ein in der Fertigungsanlage nach 1 zum Einsatz kommendes Zerspanungswerkzeug,
- 3 ein Detail des Zerspanungswerkzeugs nach 2 in vereinfachter Schnittdarstellung,
- 4 in einem Flussdiagramm ein mit der Anlage nach 1 durchführbares Verfahren zur Verschleißüberwachung.
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Eine insgesamt mit dem Bezugszeichen 1 gekennzeichnete Fertigungsanlage ist zur spanabhebenden Bearbeitung metallischer Werkstücke 5 vorgesehen und umfasst eine Werkzeugmaschine 2, die zur Zerspanung durch Drehen mittels eines Werkzeugs 3, nämlich einer Wendeschneidplatte, ausgebildet ist. Optional ist die Werkzeugmaschine 2 als Bearbeitungszentrum ausgeführt und zusätzlich zur Durchführung sonstiger Bearbeitungsschritte, beispielsweise Bohren oder Fräsen, geeignet.
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Die Wendeschneidplatte 3 ist in an sich bekannter Weise an einem Werkzeughalter 4 befestigt. Die Befestigung kann beispielsweise mittels einer nicht dargestellten Schraube oder durch Klemmung erfolgen.
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Bei der Zerspanung des rotierenden Werkstücks 5 erfassbare Bearbeitungsparameter, die insbesondere die geometrische Relation zwischen dem Werkzeughalter 4 samt Werkzeug 3 einerseits und dem Werkstück 5 betreffen, werden über ein Verbindungsmodul 6, bei welchem es sich um eine Pro+Connect-Box des Anmelders handelt, unter anderem an eine Datenverarbeitungsanlage 7 weitergeleitet, welche mit mehreren Werkzeugmaschinen verknüpft sein kann. Auch Eingaben des Benutzers laufen, wie in 1 veranschaulicht ist, über das Verbindungsmodul 6, wobei das Format gängiger Datentelegramme genutzt wird.
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Insbesondere werden Eingaben des Bedieners der Werkzeugmaschine 2 über das Verbindungsmodul 6 in eine Werkzeugverwaltung der Datenverarbeitungsanlage 7 geschrieben. Was die räumliche Anordnung der Datenverarbeitungsanlage 7 betrifft, impliziert die symbolisierte Darstellung nach 1 keine Aussagen über die tatsächliche Anordnung der Datenverarbeitungsanlage 7. Komponenten der Datenverarbeitungsanlage 7 können sich an beliebiger Stelle innerhalb und/oder außerhalb der Werkzeugmaschine 2 befinden.
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In der Datenverarbeitungsanlage 7 sind unter anderem Daten zum verwendeten Zerspanungswerkzeug 3 hinterlegt. Die im vorliegenden Fall gegebene Geometrie des Zerspanungswerkzeugs 3 geht aus 2 hervor. Das Werkzeug 3 weist mehrere Schneidkanten 8 und Spitzenbereiche 9, welche zur spanabhebenden Bearbeitung genutzt werden können, auf. Spanflächen des Werkzeugs 3 sind mit 10, Freiflächen mit 11 bezeichnet. Durch die Bearbeitung, das heißt das Drehen, entsteht im vorliegenden Fall eine Verschleißmarke 12 an einer an einen Spitzenbereich 9 grenzenden Freifläche 11.
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Im betrachteten Ausführungsbeispiel wird davon ausgegangen, dass der Werkzeughalter 4 auf einen Auflagewinkel von 0° eingestellt ist und das Werkzeug 3 das Werkstück 5 auf der Höhe der Rotationsachse des Werkstücks 5 kontaktiert. Bei der Zerspanung ist somit ein Freiwinkel α gegeben, welcher durch die Geometrie des Werkzeugs 3 bestimmt ist. Die Zustellrichtung des Werkzeugs 3 ist mit z angegeben und im vorliegenden Fall horizontal. Die Verschleißmarke 12, welche im Laufe der Bearbeitung entsteht, erstreckt sich von der Schneidkante 8 aus im Wesentlichen in vertikaler Richtung, das heißt etwa orthogonal zur Zustellrichtung. Die in vertikaler Richtung gemessene Erstreckung der Verschleißmarke 12 ist mit b angegeben. Der Bediener der Werkzeugmaschine 2 erhält vom Hersteller des Zerspanungswerkzeugs 3 die Angabe, bis zu welcher Länge der Verschleißmarke 12 das Werkzeug 3 nutzbar ist, das heißt welcher maximale Wert von b zulässig ist. In der Praxis beträgt der Wert b beispielsweise 0,3 mm.
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Beim Betrieb der Werkzeugmaschine 2 wird die Länge b der Verschleißmarke 12 nicht direkt erfasst. Direkt erfassbar ist dagegen ein in z-Richtung zu messender Wert a, der eine Information über den Verschleiß an der Schneidkante 8, in diesem Fall im Spitzenbereich 9, liefert und über eine fest geometrische Relation mit dem Wert b verknüpft ist, wie in
3 veranschaulicht ist. Geht man vereinfachend davon aus, dass die Verschleißmarke 12, anders als in
3 skizziert, eine gerade Form hat, so lässt sich die Querschnittsform, welche in
3 zu erkennen ist, als Dreieck annähern. Unter dieser vereinfachenden Annahme gilt:
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Mit einem Winkel α von 7° und a = 0,025 mm ergibt sich b = 0,2 mm. Dies ist gleichbedeutend damit, dass der Drehmeißel, das heißt das Werkzeug 3, im Vergleich zum Neuzustand des Werkzeugs 3 um 0,025 mm weiter zugestellt werden muss, um das beabsichtigte Bearbeitungsergebnis zu erreichen. Die zusätzliche Zustellung um 0,025 mm drückt sich in den CNC-Daten der Werkzeugmaschine 2 in einer Durchmesserkorrektur um 2·0,025 mm = 0,05 mm aus. Diese Korrekturdaten werden standardmäßig in der Datenverarbeitungsanlage 7 gespeichert. Zusätzlich wird im vorliegenden Fall auch die ausschließlich durch Berechnung ermittelte Länge b der Verschleißmarke 12 gespeichert. Von einer optischen Untersuchung der Verschleißmarke 12 kann somit abgesehen werden.
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Das mit der Fertigungsanlage nach 1 durchführbare Verschleißüberwachungsverfahren wird im Folgenden anhand 4 weiter erläutert. Einzelne Schritte des Verfahrens sind mit S1 bis S8 bezeichnet. Im Schritt S1 wird die maximale Größe der Verschleißmarke 12, das heißt der Maximalwert der Abmessung b, vorgegeben. Die maximale Länge b der Verschleißmarke 12 stellt eine zu beachtende Eigenschaft des Werkzeugs 3 dar und gilt unabhängig vom im Einzelfall durchgeführten Zerspanungsvorgang. Eine weitere Vorgabe, welche im Schritt S2, ohne zwingenden zeitlichen Zusammenhang mit dem Schritt S1, gemacht wird, betrifft die Nutzungsdauer des Werkzeugs 3 und stammt vom Verwender des Werkzeugs 3. Beispielsweise besagt die Vorgabe nach S2, welche Anzahl an Werkstücken 5 auf eine bestimmte Art mit dem Werkzeug 3 maximal bearbeitet werden dürfen. In dieser Angabe kann ein Sicherheitsabschlag enthalten sein.
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Ausgehend von den Vorgaben, welche in den Schritten S1 und S2 festgelegt wurden, wird im Schritt S3 die spanabhebende Bearbeitung mit dem Werkzeug 3 durchgeführt. Hierbei werden in der beschriebenen Weise unter anderem Korrekturen erfasst, die die Zustellung des Werkzeugs 3 betreffen. Im folgenden Schritt S4 werden diese Korrekturen unter Nutzung von Winkelfunktionen in die aktuelle Größe der Verschleißmarke 12 umgerechnet. Auf Basis dieser Umrechnung erfolgt im Schritt S5 eine Prognose der möglichen restlichen Nutzungsdauer des Werkzeugs. Im Schritt S6 wird diese Prognose mit der im Schritt S2 vorgegebenen Maximalnutzungsdauer verglichen. Hierbei können sich Abweichungen ergeben, die zeigen, dass die tatsächlich erreichbare Nutzungsdauer kürzer oder länger als die im Schritt S2 veranschlagte Nutzungsdauer ist. Gegebenenfalls fließen derartige Abweichungen im Schritt S7 in die Berechnung einer korrigierten Maximalnutzungsdauer ein. In jedem Fall werden im Schritt S8 Daten zur Beschaffenheit des Werkzeugs 3 sowie zur zu erwartenden Restnutzungsdauer gespeichert. Diese Daten sind bei jeder erneuten Nutzung des Werkzeugs 3 sofort abrufbar und stellen eine wesentliche Hilfe zur Planung der Verwendung des Werkzeugs 3 sowie zu einem eventuellen Werkzeugaustausch dar.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fertigungsanlage
- 2
- Werkzeugmaschine
- 3
- Werkzeug, Wendeschneidplatte
- 4
- Werkzeughalter
- 5
- Werkstück
- 6
- Verbindungsmodul
- 7
- Datenverarbeitungsanlage
- 8
- Schneidkante
- 9
- Schneidenecke
- 10
- Spanfläche
- 11
- Freifläche
- 12
- Verschleißmarke
- α
- Winkel
- a, b
- Abmessungen
- S1... S8
- Verfahrensschritte
- z
- Richtung
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- KR 20180024093 A [0002]
- EP 0290224 A1 [0002]
- DE 3029957 C2 [0003]
- CN 111761409 A [0003]
- DE 3525270 A1 [0004]
- DE 3042211 A1 [0005]
- DE 3535473 A1 [0006]