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Die Erfindung betrifft ein Beckenanbindungssystem für eine beckenseitige Kopplung eines Exoskeletts mit einem Nutzer nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, ein entsprechendes Exoskelett nach Anspruch 10 sowie ein dazugehöriges Verfahren gemäß Anspruch 13.
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Exoskelette sind künstlich von außen an einen Körper eines Trägers angelegte mechanische Stützstrukturen zur Entlastung oder Unterstützung einer Körpermuskulatur eines Trägers. Als aktive Exoskelette - d.h. Exoskelette mit aktiven, zumeist elektromotorischen, Aktuatoren - oder passive Exoskelette - d.h. Exoskeletten mit passiven Aktuatoren, z.B. Federspeichern - finden sie beispielsweise Verwendung in der Unterstützung von Geh- oder Beugebewegungen und müssen hierzu Kräfte bzw. Momente zwischen Gliedmaßen und dem Rumpf des Trägers übertragen bzw. einleiten.
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Hierzu müssen Exoskelette kraftleitend, d.h. mechanisch, mit dem Träger gekoppelt werden. Kraftleitende Verbindungen erfolgen üblicherweise durch Befestigung des Exoskeletts über in das Exoskelett integrierte Gurte und/oder Tragegeschirre am Körper des Trägers. Das Exoskelett wird z.B. über rucksackähnliche Tragegeschirre sowie zusätzliche Beinanbindungen und/oder Armanbindungen an den Extremitäten und dem Torso des Trägers befestigt. Die Position von Gurten und Tragegeschirr müssen nach Anlage des Exoskeletts regelmäßig nachjustiert, an den richtigen Stellen positioniert und gegebenenfalls manuell verstellt werden. Insbesondere, wenn dasselbe Exoskelett von unterschiedlichen Trägern mit unterschiedlichen Körpermaßen genutzt werden soll, ist die Rüstzeit zur Einstellung des Exoskeletts mit erheblichem Einstellungsaufwand verbunden. Aber auch wenn das Exoskelett nur einen Nutzer besitzt, ist das An- und Ablegen mit Lösen und Festzurren der Gurte zeitintensiv.
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Eine Körperanbindung über eine Weste und einen auch an einem Becken aufliegenden Hüftgurt ist beispielsweise aus der
37 der
DE 10 2018 112 556 A1 bekannt. Die
US 2021 0220 207 A1 zeigt ein Anbindungssystem eines Exoskeletts, bei dem eine separate und vorzugsweise gepolsterte Rückenplatte zwischen einen Beckenrahmen des Exoskeletts und einem Nutzer eingezogen ist. Ferner ist aus der
US 2011 0160 626 A1 ein Beckenanbindungssystem bekannt, das ein mit einem Beckenrahmen verbundenes Rückenpolster aufweist. Auch bei den zwei letztgenannten Dokumenten wird das Exoskelett über Hüftgurte mit dem Nutzer verbunden.
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Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Erfindung ein nutzerfreundliches Exoskelett anzugeben, welches geringe Rüstzeiten und einen erhöhten Tragekomfort aufweist.
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Die Aufgabe wird u.a. gelöst durch ein Beckenanbindungssystem für ein Exoskelett mit einem starren Beckenrahmen und einer lateral links bzw. rechts angeordneten, im Wesentlichen steifen Beckenauflageplatte zur seitlichen Anlage an das Becken bzw. einen Beckenkamm eines Nutzers, die mit dem Beckenrahmen verbunden ist. Über die Beckenauflageplatten können Kräfte und Momente, v.a. jedoch Drehmomente um die Hochachse (Vertikale), sehr viel direkter als über meist gepolsterte und damit nachgiebige Hüftgurte übertragen werden. Da die Auflage- bzw. Kontaktfläche zwischen den Beckenauflageplatten und der Becken geringer ist als bei Hüftgurten, kann außerdem die Atmungsaktivität der Beckenanbindung verbessert und der Transpirationsneigung eines Nutzers entgegengewirkt werden. Schließlich besitzt das erfindungsgemäße Beckenanbindungssystem auch den Vorteil von sehr kurzen Rüstzeiten, da keine Schnallen geschlossen oder Gurte verzurrt werden müssen, sondern der Nutzer lediglich in die Beckenauflageplatten „hineinschlüpfen‟ muss. Auf einen klassischen, das Becken bzw. die Hüfte vollumfänglich umschließenden Hüftgurt kann verzichtet werden.
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Erfindungsgemäß sind die Beckenauflageplatten beweglich gegenüber dem Beckenrahmen gelagert bzw. angebunden, wobei dies über ein Lagersystem mit wenigstens einem Freiheitsgrad erfolgt, welches zumindest eine Relativbewegung zwischen der Beckenauflageplatte und dem Beckenrahmen zulässt.
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Durch bewegliche Beckenauflageplatten kann einerseits ein Anlegeprozess vereinfacht werden, anderseits können durch ruppige Bewegungen induzierte Kraftspitzen aufgefangen und über einen längeren Zeitraum verteilt werden. Beides erhöht den Tragekomfort. Ein Nebeneffekt ist, dass das (aktive) Aktuatoren des Exoskeletts ohne Komforteinbußen aggressiver angesteuert werden kann, da Kraftspitzen geglättet werden.
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Die zulässige Relativbewegung kann in einer translatorischen Relativbewegung in lateraler Richtung (rechts-links), einer rotativen Relativbewegung um eine Hochachse (Vertikale) oder in einer rotativen Relativbewegung um eine lateral ausgerichtete Drehachse in einer Transversalebene (Horizontalachse, Beugeachse) bestehen. Möglich ist auch eine Überlagerung von mehreren dieser Freiheitsgrade.
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Unter den Begriffen „Lagersystem“ bzw. „Lager“ ist im Sinne dieser Schrift eine geführte Lagerung, d.h. ein Radiallager (Drehlager) oder ein Axiallager (Linearlager, Linearführung) sowie Kombinationen hiervon zu verstehen.
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Über das Lagersystem ist es möglich, dass die Beckenauflageplatten der Bewegung eines Nutzers in ausgewählten Freiheitsgraden zu folgen, ohne dass die Anlage und die Kraftübertragung in nicht ausgewählten Freiheitsgraden verringert wird. Vermieden oder zumindest verringert werden kann hierdurch u.a. ein Rutschen und Scheuern der Beckenauflageplatten gegenüber dem Becken des Trägers z.B. bei Beugebewegungen.
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Weitere Merkmale und vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung.
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In einer konkretisierteren und vorteilhaften Ausführungsform weist das Lagersystem zweckmäßigerweise wenigstens eines der nachfolgenden Lager auf: ein Schiebelager für einen translativen Freiheitsgrad, ein Hochachsen-Drehlager für einen Freiheitsgrad um die Hochachse und/oder ein Horizontal-Drehlager für einen Freiheitsgrad in der Horizontalen (Beugeachse).
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Das oder die Lager sind vorzugsweise als Gleitlager ausgebildet. Gleitlager sind kostengünstig und wartungsarm. In einer besonders bevorzugten Ausführungsform ist das Schiebelager gleichzeitig auch als Drehlager zur Ausbildung des Hochachsen-Drehlagers oder des Horizontal-Drehlagers, d.h. als Dreh-Schiebe-Lager, ausgebildet. Durch eine derartige Funktionsintegration ist eine räumliche Verdichtung des Lagersystems ohne Funktionseinbußen möglich.
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Vorteilhaft ist es ferner, wenn eines der Lager ein Spannmittel zur Auslenkung eines Lagerbestandteils in eine Vorzugsposition und/oder ein Dämpfungsmittel zur Dämpfung von Stoßkräften aufweist. Als passive Spannmittel kommen beispielsweise Federelemente (etwa Dreh- und Torsionsfedern für Drehlager oder Spiralfedern für Linearlager) in Frage. Geeignete Dämpfungsmittel sind beispielsweise Federelemente oder Gummipuffer, wobei Gummipuffer insbesondere als Lagerbuchsen oder als Lagereinsätze eingesetzt werden können, wenn hohe Dämpfungen oder zusätzliche Winkeltoleranzen ermöglicht werden sollen. Indem Spannmittel und Dämpfungsmittel Kraftspitzen auffangen können, für zusätzliche Bewegungsfreiheit sorgen und/oder Beckenauflageplatten automatisch in eine für ein Anlegen des Exoskeletts bzw. der Beckenauflageplatten vorteilhafte Vorzugsposition lenken, kann neben dem Tragekomfort auch die Handhabung des Beckenanbindungssystems weiter gesteigert werden. Da vorgeschlagene Spann- und Dämpfungsmittel außerdem einfach austauschbar sind, können die Spann- und Dämpfungsmittel auch für eine nutzerspezifische Anpassung des Beckenanbindungssystems eingesetzt werden, insofern einige Nutzer eine harte Beckenanbindung und andere Nutzer eher eine weiche Beckenanbindung bevorzugen werden.
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Darüber hinaus ist es in vorteilhaften Abwandlungen der Erfindung möglich, Spannmittel nicht wie zuvor beschrieben nur passiv, sondern aktiv auszuführen oder um eine aktive Komponente (Stellmotor) zu ergänzen. Durch eine aktive Komponente kann beispielsweise ein Anlagedruck der Beckenauflageplatten insbesondere in Echtzeit geregelt und bspw. dynamisch an jeweils vorherrschende Belastungssituationen angepasst werden.
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Um einen zulässigen Verstellbereich eines Lagers (Verstellweg im Falle eines Linearlagers, Schwenkwinkel im Falle eines Radiallagers) zu begrenzen, kann es zweckmäßig sein, einen Freiheitsgrad zu beschränken. Insbesondere vorteilhaft ist es, wenn das Hochachsen-Drehlager als Kipplager mit einem ersten Anschlag und einem zweiten Anschlag ausgebildet ist, so dass der zulässige Verstellbereich zwischen dem ersten Anschlag und dem zweiten Anschlag verläuft.
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Durch einen definierten Anschlag kann zum einen eine haptische Rückmeldung an den Nutzer erfolgen, zum anderen können unsinnige Positionen der Beckenauflageplatten - z.B. eine Ausrichtung vis-à-vis der Rückenplatte, in der ein Anlegen des Beckenanbindungssystems nicht möglich wäre - vermieden werden. Die Beckenauflageplatten können damit immer in einem Bereich gehalten werden, in dem ein sofortiges Einsteigen des Nutzers in das Beckenanbindungssystem möglich ist. Da ein manuelles Ausrichten der Beckenauflageplatten entfällt, können die Rüstzeiten weiter reduziert werden.
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Der erste Anschlag kann einer offenen Stellung (Öffnungsstellung) und der zweite Anschlag einer geschlossenen Stellung (Verschlussstellung) des Beckenanbindungssystems zugeordnet sein. Unter einer offenen Stellung ist eine Position der Beckenauflageplatten zu verstehen, in der der Beckenanbindungssystem für einen Kopplungsvorgang bereit ist; unter einer geschlossenen Stellung ist eine Position zu verstehen, in der das Beckenanbindungssystem erfolgreich mit dem Becken eines Nutzers gekoppelt wurde.
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Besonders bevorzugt ist, wenn das das Kipplager zwischen dem ersten und dem zweiten Anschlag einen Winkel (Kippwinkel) von mehr als 15°, vorzugsweise mehr als 30°, besonders bevorzugt mehr als 45°, aber weniger als 65° überstreicht.
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In einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung sind der erste und/oder der zweite Anschlag des Kipplagers als Rastmittel ausbildet und/oder umfassen ein Rastmittel zum lösbaren Fixieren der Beckenauflageplatten an dem ersten Anschlag (offene Stellung) und dem zweiten Anschlag (geschlossene Stellung). Undefinierte Zwischenstellungen können hierdurch ausgeschlossen werden. Die Stellung der Beckenauflageplatte ist (in Bezug auf das Kipplager) im Prinzip digital mit genau zwei möglichen Stellungen ausgebildet. Da die Stellungen wiederholbar gleichbleibend sind, wird eine Gewöhnung eines Nutzers an das Beckenanbindungssystem erleichtert. Außerdem kann ein unbeabsichtigtes Lösen des Beckenanbindungssystems, d.h. ein Übergang von der geschlossenen Stellung in die offene Stellung, vermieden oder zumindest erschwert werden.
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Besonders bevorzugt ist es, wenn die Rastmittel magnetisch ausgebildet sind. Bei den Rastmitteln könnte es sich um Stiftmagnete handeln, die in Flächen der Anschläge (Anschlagsflächen) eingelassen sind, und die Beckenauflageplatten feldkraftschlüssig halten. Die Beckenauflageplatten sind hierfür dann zumindest partiell ferromagnetisch ausgebildet oder um ferromagnetische Mittel ergänzt. Durch die Nutzung von magnetischen Rastmitteln kann auf kostengünstige Weise eine praktisch verschleißfreie und lösbare Fixierung mit hoher Standzeit realisiert werden, wobei zusätzlich die Haltekräfte des ersten und zweiten Anschlags über die Größe der Magnete (Remanenz) technisch vorteilhaft einstellbar sind. Andere Rastmechanismen, wie das Einrasten von federvorbelasteten Stiften oder elastisch verformbaren Vorsprüngen oder Noppen in entsprechende Mulden sind möglich.
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Zusätzlich oder alternativ zu den Rastverbindungen kann an den Anschlägen auch eine mechanische Lösesicherung vorgesehen sein, so dass die Beckenauflageplatten nur bei entsprechender Betätigung der Lösesicherung von dem ersten respektive zweiten Anschlag gelöst werden können. Mit Lösesicherungen lassen sich besonders ausfallsichere Beckenanbindungssysteme umsetzen.
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Für eine gleichmäßigere Kraftverteilung kann es zweckmäßigerweise vorgesehen sein, wenn die Beckenauflageplatten über ein rückseitig verlaufendes Rückenband miteinander verbunden sind. Das Rückenband erstreckt sich vorzugsweise näherungsweise horizontal von der linken Beckenauflageplatte zu der rechten Beckenauflageplatte und ist integral mit den Beckenauflageplatten ausgeführt oder aber lösbar mit diesen verbunden. Über ein Rückenband können vor allem bei Hebebewegungen (Aufrichtbewegungen) von einem Exoskelett auf den Nutzer übertragenen Kräfte aufgefangen und großflächig verteilt werden. Ein Rückenband verhindert ferner zuverlässig ein rückseitiges Herausrutschen des Nutzers aus den Beckenauflageplatten. Im Gegensatz zu einer Verwendung von Hüftgurten, die mit ihren Schnallen und anderen Anbindungselementen wie Nieten (lokale Erhebungen) zu lokalen Druckpunkten und damit geringem Tragekomfort führen, kann dies mit der vorgeschlagenen Lösung vermieden werden.
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Für eine Nutzeranpassung kann das Rückenband wie auch die Beckenauflageplatten in nutzerspezifischen Größen zur Verfügung gestellt werden. Es kann aus unelastischen, vollelastischen oder vorzugsweise teilelastischen Materialen gefertigt sein. Ein hoher Tragekomfort kann insbesondere auch dadurch realisiert werden, dass das Rückenband eine progressive Federkennlinie aufweist, so dass eine Krafteinleitung besonders sanft und schonend erfolgt.
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Um eine einfache und schnelle Anpassbarkeit des Beckenanbindungssystems an unterschiedliche Nutzer zu gewährleisten, hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, wenn die Beckenauflageplatten lösbar, insbesondere über eine lösbare Presspassung (Übermaßpassung), mit dem restlichen Beckenanbindungssystem verbunden bzw. in dem Beckenanbindungssystem angeordnet sind. Dies gewährleistet zum einen eine rasche Anpassung des Beckenanbindungssystems an unterschiedliche Körperstaturen, z.B. durch die Verwendung von unterschiedlich großen Beckenauflageplatten, zum anderen befriedigt dies das Bedürfnis der Nutzer in Bezug auf zunehmend steigende Hygienestandards, die sich u.a. in Ekel und der Ablehnung von bereits von Dritten gebrauchten Beckenanbindungssystemen manifestieren.
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Ein Beckenanbindungssystem kann in einer vorteilhaften Ausgestaltungsform folgende Bauteile umfassen: ein linkes und ein rechtes Adapterstück, ein linkes und ein rechtes Kippwellenstück sowie einen linken und einen rechten Ausleger. Die linken bzw. rechten Bauteile sind bevorzugt wie folgt untereinander verbunden: Der Ausleger ist an einem Beckenrahmen des Exoskeletts befestigt bzw. befestigbar; das Adapterstück ist lösbar und drehfest mit der Beckenauflageplatte verbunden; das Adapterstück ist über eine Stiftwelle mit einem Ende des Kippwellenstücks verbunden; das Kippwellenstück umfasst einen Zylindervorsprung (Kippwelle), der in einer Führungsbuchse (Lagerloch) des Auslegers translatorisch und rotatorisch gelagert ist. Dies ermöglicht einen konstruktiv einfachen Aufbau mit einem hohen Funktionsumfang.
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Unter einem anderen Aspekt der Erfindung wird außerdem ein Exoskelett vorgeschlagen, das ein vorbeschriebenes Beckenanbindungssystem aufweist. Das Exoskelett kann optional eine Rückenplatte mit einer Oberkörperanbindung, insb. einem Brustgeschirr, einem starren Beckenrahmen mit einem lateral links bzw. rechts angeordneten Hüftaktuator zum Einleiten von Drehkräften, und eine Oberschenkelanbindung umfassen. Die Hüftaktuatoren können aktiv in Form von Elektromotoren oder auch passiv in Form von hydraulischen Federspeichern (Luftfedern) und/oder mechanischen Federn (z.B. Torsionsfedern) ausgebildet sein.
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In einer vorteilhaften Weiterbildung ist das Beckenanbindungssystem zur Anpassung an einen Nutzer seitlich verstellbar, insbesondere manuell oder motorisch verstellbar, ausgeführt. Durch eine Seitenverstellung können Krafteinleitungspunkte nahe an den Körper des Nutzers verlegt und damit eine direkte Kraftleitung erzielt werden. Ferner kann die Spurweite des Exoskeletts, d.h. die effektive Breite des Exoskeletts, minimiert werden. Dies verbessert zum einen die Mobilität in beschränkten Raumverhältnissen wie engen Gassen in einem Lager, zum anderen wird hierdurch die Drehmasse (Massenträgheitsmoment) reduziert und macht das Exoskelett dadurch wendiger.
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Bevorzugt weist das Beckenanbindungssystem eine aktive Stelleinheit, etwa einen Elektromotor, zur automatischen Verstellung des Beckenanbindungssystems auf. Die Stelleinheit kann dabei vorzugsweise in Reaktion auf ein Nutzersignal (Auslöser) automatisch verstellt werden. Als Auslöser kann bspw. ein Kontaktschalter in der Rückenplatte des Exoskeletts eingesetzt werden, der betätigt wird, wenn ein Nutzer rückwärts an die Rückenplatte herantritt und beginnt, ein Brustgeschirr zu schließen. Andere Auslöser, etwa eine manuelle Betätigung eines Verstellschalters, sind möglich.
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Das Nutzersignal kann außerdem Zielvorgaben für eine gewünschte Endstellung der Seitenanpassung umfassen. Diese Zielvorgaben können beispielsweise in einem Speicher des Exoskeletts hinterlegt sein und über Schnellbelegungstasten am Exoskelett abgerufen werden, oder über eine vorzugsweise drahtlose Kommunikationsschnittstelle (Bluetooth, NFC, WLAN) von einem mobilen Endgerät oder einer anderen Identifikationseinheit (RFID-Chip) an das Exoskelett übertragen werden.
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Durch eine motorisch unterstütze Seitenverstellung kann die Rüstzeit, d.h. die Zeit zum Anlegen des Exoskeletts drastisch reduziert werden. Außerdem kann der Nutzer während einer automatischen Seitenverstellung mit seinen Händen anderen Tätigkeiten, z.B. dem Schließen und Verzurren eines Brustgeschirrs, nachgehen.
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In einer anderen, nicht minder vorteilhaften Ausbildung der Erfindung sind in den Beckenauflageplatten Kraftsensoren zur direkten Ermittlung der an den Beckenauflageplatten wirkenden Kräfte (Druck) integriert. Über die Kraftsensoren kann eine Seitenverstellung bis auf einen gewünschten Anlagedruck automatisch angesteuert werden. Die Kraftsensoren könnten jedoch auch nicht unmittelbar in den Beckenauflageplatten, sondern an anderer Stelle im Kraftweg zwischen den Beckenauflageplatten und der Rückenplatte angeordnet sein.
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In einer hierzu alternativen und vorteilhaften Ausführungsform kann der Anlagedruck jedoch auch indirekt bestimmt werden, beispielsweise über an oder in dem Beckenbügel angeordneten Dehnmessstreifen (die bei Kenntnis der Gesamtsteifigkeit des Beckenrahmens einen Rückschluss auf die effektiv wirkenden Kräfte an den Beckenauflageplatten zulassen) oder durch Messung des an der aktiven Stelleinheit (Elektromotor) der Seitenverstellung anliegenden Drehmoments durch z.B. einen Drehmomentsensor. Der Anlagedruck kann jedoch auch indirekt über die Strom- und/oder Spannungsaufnahme des Elektromotors der Seitenverstellung ermittelt werden. Hierdurch kann auf die Verwendung von zusätzlichen Sensoren (Drehmomentsensor, Dehnmessstreifen bzw. Kraftsensoren) und/oder auf die Ermittlung und Übermittlung von nutzerspezifischen Zielvorgaben (Endstellung) verzichtet werden.
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Ein Schließen und Öffnen des Beckenanbindungssystems kann z.B. über eine manuell zu betätigenden Taster ausgelöst werden.
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Die Erfindung adressiert schließlich auch ein Verfahren zum Anlegen eines Exoskeletts über eine Beckenanbindung, wobei die Beckenanbindung eine lateral links und eine lateral rechts liegende und um eine Hochachse schwenkbare Beckenauflageplatten, die zwischen einer offen und einer geschlossenen Stellung schwenkbar sind, umfasst, und die Beckenauflageplatten zunächst in die offene Stellung geklappt sind, und bei Bewegung eines Trägers in die Beckenauflageplatten hinein die Becken des Trägers kontaktieren und in die geschlossene Stellung geklappt und vorzugsweise verrastet werden. Ein Nutzer kann sich hierdurch ohne Einsatz seiner Hände mit dem Exoskelett koppeln.
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Die Erfindung wird anhand einiger Ausführungsformen und mit Verweis auf die beigefügten Figuren nachfolgend beispielhaft beschrieben, wobei die jeweiligen Ausführungen gleichermaßen auf das erfindungsgemäße Beckenanbindungssystem, das erfindungsgemäße Exoskelett und das dazugehörige Verfahren gelesen werden können und sollen.
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Dabei zeigen
- 1 ein beispielhaftes Exoskelett aus dem Stand der Technik,
- 2 ein Exoskelett mit einem erfindungsgemäßen Beckenanbindungssystem in einer perspektivischen Darstellung,
- 2A das Exoskelett aus 2 mit ausgeblendetem Brustgeschirr,
- 3 ein Beckenanbindungssystem,
- 4 eine Explosionsdarstellung einer linken Seite des Beckenanbindungssystems gemäß 4,
- 5 eine Baueinheit aus Beckenauflageplatten und Rückengurt,
- 6A ein Exoskelett mit einem Beckenanbindungssystem in einer offenen Stellung,
- 6B ein Exoskelett mit einem Beckenanbindungssystem in einer geschlossenen Stellung,
- 7 eine Seitenansicht eines Beckenanbindungssystems mit einem Längsschnitt (7A) und einem Transversalschnitt (7B) sowie
- 8 Detailansichten des Längsschnitts gemäß 7A (8A) und des Transversalschnitts gemäß 7B (8B),
- 9 ein Exoskelett mit seitlich verstellbaren Beckenbügeln,
- 10 Zustandsstandbilder für ein automatisiertes Anlegen des Exoskeletts aus 9 in einer Ausgangsstellung (10A), während eines Anlegens (10B) und nach dem Anlegen (10C),
- 11 eine erste schematische Darstellung für eine motorisierte Seitenverstellung sowie
- 12 eine zweite schematische Darstellung für eine motorisierte Seitenverstellung.
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In 1 ist ein aus dem Stand der Technik bekanntes Exoskelett gezeigt.
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Das Exoskelett 1A besteht aus einem im Wesentlichen einteiligen Grundgerüst 2, welches in eine starre Rückenplatte 3 und einen U-förmigen Beckenrahmen 4 unterteilt werden kann. An der Rückenplatte 3 ist ein Oberkörperanbindungssystems 5 in Form eines über Schnallen verschließbaren Brustgeschirrs 5A sowie einem Beckenanbindungssystem 6 in Form eines vollumfänglich umlaufenden Hüftgürtels 6A angeordnet, über die das Exoskelett 1A zur Übertragung von Kräften und Momenten mit einem Nutzer P mechanisch gekoppelt werden kann. Das Brustgeschirr 5A sowie der Hüftgürtel 6A sind über Riemen und Gurte in der Länge einstellbar.
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In dem Beckenrahmen 4 sind lateral außen jeweils elektromotorische Hüftaktuatoren 7L, 7R integriert, die an Ausgangswellen der Hüftaktuatoren 7L, 7R angebrachte Beinbügel 8L, 8R um eine Drehachse X in der Horizontalen verdrehen können. Endseitig sind an den Beinbügeln 8L, 8R jeweils eine Beinanbindung 9R, 9L mit die Oberschenkel des Nutzers umschließenden Beingurten 9A-L bzw. 9A-R angeordnet. Über die Aktuatoren 7L, 7R kann hierdurch ein aufrichtendes Drehmoment zwischen den Beinanbindungen 9L, 9R und dem Grundgerüst 2 bzw. den Oberschenkeln und dem Oberkörper des Nutzers übertragen werden.
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Zum Anlegen des in 1 gezeigten Exoskeletts 1A muss ein Nutzer das Brustgeschirr 5A, den Hüftgürtel 6A sowie die linken und rechten Beingurte 9A-L und 9A-R jeweils einzeln schließen und anschließend festzurren. Die Rüstzeit zum Anlegen des Exoskeletts liegt dabei bei etwa 2 bis 3 Minuten. Ein zügiges An- und Ablegen des Exoskeletts und insb. ein bedarfsgerechtes An- und Ablegen bei einem häufigen Wechsel der Tätigkeiten des Nutzers ist damit praktisch nicht umsetzbar.
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Gerade bei zierlich gebauten Nutzern ist die Beckenanbindung 6 außerdem lateral sehr weit von dem Beckenrahmen 2 entfernt, was eine nur unzulängliche Kraftübertragung vor allem bei Drehmomenten um die Hochachse zur Folge hat. Die Kraftübertragung zwischen dem Exoskelett 1A und dem Nutzer ist in diesem Fall indirekt, spielbehaftet und insgesamt schwammig und kann zu einer verzögerten Reaktion des Exoskeletts 1A auf vom Nutzer initiierte Bewegungen führen. Eine Nutzerunterstützung erfolgt daher oftmals ungenau und erst zeitverzögert.
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Eine über die Gurte hinausgehende Verstellbarkeit in der Breite bietet das Exoskelett 1A nicht. Der Beckenrahmen muss daher stets auf den breitest anzunehmenden Nutzer ausgelegt werden.
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Um diese Nachteile auszugleichen oder zumindest zu verringern, schlägt die Erfindung u.a. Beckenanbindungssystem 10 sowie ein dazugehöriges Exoskelett 1B vor, wie es in den 2 und 2A gezeigt ist. In 2A ist das Exoskelett 1B dabei ohne Brustgeschirr 5A gezeigt.
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Das Beckenanbindungssystem 10 verfügt über zwei im Wesentlichen starr ausgeführte Beckenauflageplatten 11L, 11R zur seitlichen Anlage an die Becken eines Nutzers P, die über Ausleger 12L, 12R mit einem Beckenrahmen 4 verbunden sind. An den Beckenauflageplatten 11L, 11R ist ein insb. in 2A ersichtliches Rückenband 13 jeweils endseitig befestigt und verläuft rückenseitig zur Anlage an eine untere Rückenpartie des Nutzers P. Das Beckenanbindungssystem 10 ersetzt den Hüftgurt 6A des Exoskeletts 1A.
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Ansonsten ist das Exoskelett 1B vergleichbar zu dem Exoskelett 1A aufgebaut, so dass diesbezüglich auf die vorhergehenden Erläuterungen verwiesen wird.
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Grundsätzlich sind der Kürze wegen auch in den nachfolgenden Figurenerläuterungen und Ausführungsbeispielen dabei gleiche oder vergleichbare Bauteile oder Baueinheiten mit gleichen oder vergleichbaren Bezugszeichen bezeichnet, so dass im Nachfolgenden bekannte Bauteile und Baueinheiten nicht jedes Mal erneut erläutert werden, sondern jeweils auf die vorstehenden Erläuterungen zu gleichen oder vergleichbaren Bauteilen oder Baueinheiten Bezug genommen werden kann.
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In diesem Dokument verwendete Richtungsangaben und Lagebezeichnungen beziehen sich stets auf die in der Anatomie gebräuchlichen Richtungsangaben (Frontalebene, Sagittalebene, Transversalebene und die dazugehörigen Richtungen).
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3 zeigt das Beckenanbindungssystem 10 isoliert und in perspektivischer Darstellung. Gut zu erkennen ist dabei das nachfolgend noch näher beschriebene Lagersystem 14L und 14R, über die die Beckenauflageplatten 11L, 11R gegenüber den Auslegern 12L, 12R mit drei Freiheitsgraden T, R1 und R2 gelagert sind. Das Lagersystem 14L, 14R lässt jeweils eine horizontale Bewegung in lateraler Richtung entlang der Horizontalachse H (Translation T), eine erste Rotation um die Horizontalachse H (Rotation R1) sowie eine zweite Rotation um eine Hochachse bzw. Vertikale V (Rotation R2) der Beckenauflageplatten 11L, 11R gegenüber den Auslegern 12L und 12R zu. Die Ausleger 12L und 12R sind über Anbindungspunkten 15L, 15R über geeignete Verbindungsmittel (Schrauben, Nieten) mit dem in 2 gezeigten Beckenrahmen 4 verbindbar.
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In 4 ist eine linke Seite des Beckenanbindungssystems 10 in einer Explosionsdarstellung gezeigt. Die rechte Seite des ist Beckenanbindungssystems 10 im Wesentlichen gleichlaufend ausgebildet, weshalb auf eine Darstellung derselben verzichtet werden kann. Für Detaildarstellungen wird auf die Schnittansichten der 8A und 8B gemäß der in den 7 angedeuteten Schnitte verwiesen.
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Die Beckenauflageplatte 11L ist auf der einem Nutzer zugewandten Seite näherungsweise bogenförmig ausgebildet und weißt eine konkave Außenfläche 11L-1 auf, die mit einem lösbar fixierten Polster 16L versehen ist. Die konkave Wölbung der Außenfläche 11L-1 ist dabei ergonomisch an die Beckenform, insb. einen seitlichen Beckenkamm des Beckens, eines Nutzers angepasst. Das Polster 16L ist über einen hier nicht dargestellten Klettverschluss befestigt.
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Auf der lateral außenliegenden Seite weist die Beckenauflageplatte 11L eine podestförmige Erhebung 11L-2 mit einer darin eingelassenen Aufnahmeraum 11L-3 auf, die sich in Richtung einer Horizontalen H erstreckt. Quer dazu erstreckt sich ein Schlitz 11L-4 von einer rückseitigen Begrenzung der podestförmigen Erhebung 11L-2 bis in den Aufnahmeraum 11L-3. Durch den Schlitz 11L-4 kann eine endseitige Befestigungsplatte 13L-1 des Rückenbandes 13 in den Aufnahmeraum 11L-3 eingeführt und über eine Befestigungsschraube 13L-2 in dem Aufnahmeraum 11L-3 bzw. einer in dem Aufnahmeraum befestigten Gewindebuchse 11L-5, vgl. die Schnittdarstellungen der 8A und 8B, fixiert werden. Zur Gewichtsreduzierung ist die Beckenauflageplatte 11L-2 in einer Leichtbauweise hergestellt und besteht aus einem vorzugsweise vakuumgeformten Duromer. Die Beckenauflageplatten 11R und 11L sind damit im Wesentlichen eigenstabil und unverformbar.
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In den Aufnahmeraum 11L-3 ist eine näherungsweise kreiszylindrisches Adapterstück 17L einsetzbar, das zur eindeutigen Lagefestsetzung in Bezug auf die Horizontalachse H eine Verdrehsicherungsfläche 17L-1 aufweist. Das Adapterstück 17L ist in den Aufnahmeraum 11L-3 im Wesentlichen formschlüssig gehalten, und durch eine leichte Übermaßpassung reibkraftschlüssig gegen Entnahme aus dem Aufnahmeraum 11L-3 gesichert.
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Das Adapterstück 17L bildet zusammen mit einem über eine Stiftwelle 17L-2 drehbar in dem Adapterstück 17L gehaltenen Kippwellenstück 18L ein erstes, als Kipplager 14L-1 ausgeführtes Lager des Lagersystems 14L zur Drehung des Adapterstücks 17L um die Hochachse V, d.h. ein Hochachsen-Drehlager.
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Das Adapterstück 17L sowie das Kippwellenstück 18L weisen an den gegenseitig zugewandten Enden vertikal durchgehende Bohrungen auf, durch welche die Stiftwelle 17L-2 geführt ist. Das Kippwellenstück 18L wird mit einem flanschartigen Ende 18L-1 dabei in einen Hohlraum 17L-3 des Adapterstücks 17L eingesetzt. Der Hohlraum 17L-3 des Adapterstücks 17L begrenzt dabei die maximale Verstellung bzw. Verdrehung des Kippwellenstücks 18L durch eine erste, vordere Anschlagsfläche 17L-31 und einen zweite, hintere Anschlagsfläche 17L-32 (s. 8B). In die Anschlagsflächen 17L-31 und 17L-32 sind jeweils Stiftmagnete 19L-1 und 19L-2 eingelassen, welche das flanschartige Ende 18L-1 des Kippwellenstücks 18L in der jeweiligen Anschlagsposition halten. Die Anschlagsposition an der vorderen Anschlagsfläche 17L-31 entspricht dabei einer Öffnungsstellung A (s. 6A) des Beckenanbindungssystems 10, und die Anschlagsposition an der hinteren Anschlagsfläche 17L-32 entspricht einer Verschlussstellung B (s. 6B) des Beckenanbindungssystems 10.
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Von dem flanschartigen Ende 18L-1 des Kippwellenstücks lateral weg erstreckt sich eine im Querschnitt kreiszylindrische Kippwelle 18L-2, die gleitend in einem Lagerloch 12L-1 des Auslegers 12L aufgenommen wird. Endseitig wird die Kippwelle 18L-2 über einen an einer Unterlegscheibe 18L-4 anliegendem Sicherungsring 18L-3 gegen Entnahme aus dem Lagerloch 12L-1 gesichert. Die Kippwelle 18L-2 ist über eine Feder 20L gegenüber dem Ausleger 12L vorgespannt.
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Das Lagerloch 12L-1 und die Kippwelle 18L-2 bilden gemeinsam ein Dreh-Schiebelager aus, das die Funktion eines Schiebelagers und die Funktion eines Hochachsen-Drehlagers erfüllt, so dass die Kippwelle 18L-2 sowohl translatorisch (Verschiebung T) als auch rotatorisch entlang bzw. um die Horizontalachse H (Rotation R1) bewegt bzw. gedreht werden kann. Das Dreh-Schiebelager ist dem Lagersystem 14L zuzuordnen.
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Für eine verringerte Lagerreibung in dem Hochachsen-Drehlager sowie in dem Dreh-Schiebelager sind die jeweiligen Reibkontaktflächen mit reibmindernden Gleitlagerbuchsen 21L-1 bis 21L-4 ausgestattet.
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In einer figürlich nicht dargestellten Abwandlung des Dreh-Schiebelagers der 4 kann vorgesehen sein, einen geschlossenen Tauchraum zur Verfügung zu stellen, in dem ein Ende der Kippwelle 18-L2 während einer Translation eintauchen kann. Hierdurch kann neben einer Verletzungsgefahr, die durch das aus dem Lagerloch 12L-1 austretende Ende der Kippwelle 18L-2 gemäß dem Ausführungsbeispiel der 4 bedingt ist, ausgeschaltet und zusätzlich eine ästhetische Anmutung verbessert werden. Der Tauchraum kann bspw. in einer Umkapselung des Lagerlochs 12L-1 bestehen. Alternativ ist es jedoch auch möglich, die Kippwelle teleskopartig mit einem hohlen Außenzylinder und einem Innenzylinder auszuführen und das Linear- bzw. Schiebelager (Translation T) in die teleskopartig ausgeführte Kippwelle zu verlegen. In diesem Fall kann das Lagerloch 12L-1 des Auslegers lateral außen geschlossen ausgeführt sein, und übernimmt in Wechselwirkung mit der Kippwelle 18L-2 lediglich die Funktion eines Rotationslagers (Horizontal-Drehlager).
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5 zeigt eine vormontierte Baugruppe mit einer linken und einer rechten Beckenauflageplatte 11L, 11R und einem dazwischen angeordneten Rückenband 13, das - wie in 4 beschrieben - endseitig mit den Beckenauflageplatten 11L, 11R verbunden ist. Diese Baugruppe kann einfach und schnell ausgewechselt werden, indem die Beckenauflageplatten mit ihren respektiven Hohlräumen 17R-3 und 17L-3 (s. 4) auf die Adapterstücke aufgesteckt bzw. abgezogen werden.
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Der Einsatz des dargestellten Beckenanbindungssystems 10 wird anhand der 6A und 6B verdeutlicht. Aufgrund des symmetrischen Aufbaus wird dabei nur eine, die linke, Seite des Beckenanbindungssystems 10 stellvertretend für die linke und rechte Seite des Beckenanbindungssystems 10 beschrieben.
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Die 6A und 6B zeigen jeweils eine Draufsicht auf das Exoskelett 1B (ohne dargestelltes Brustgeschirr 5A), wobei in 6A die Beckenauflageplatte 11L über das linke Kipplager 14L-1 in eine Öffnungsstellung A mit einem Winkel α1 von etwa 70° gekippt ist, d.h. dass die linke Kippwelle 18L-2 an der vorderen Anschlagsfläche 17L-31 anliegt, während in 6B die die Beckenauflageplatte 11L über das linke Kipplager 14L-1 jeweils in eine Verschlussstellung B mit einem Winkel α2 von etwa 90° gekippt ist, d.h. die linke Kippwelle 18L-2 an der hinterer Anschlagsfläche 17L-32 anliegt. Der Kippwinkel β, d.h. die Winkeldifferenz zwischen der Öffnungsstellung A (Winkel α1) und der Verschlussstellung B (Winkel α2) beträgt etwa 20°. Er könnte jedoch auch kleiner oder auch wesentlich größer, z.B. 45° gewählt werden.
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Zum Anlegen des Exoskeletts 1B tritt ein Nutzer rückseitig in das in der Öffnungsstellung A (6A) befindliche Beckenanbindungssystem 10 hinein, wobei das Exoskelett 1B hierzu beispielsweise auf einer Wandhalterung gehalten sein kann. Der Nutzer wird mit einem seitlichen Beckenabschnitt an die konkave Außenfläche 11 L-1 und durch zusätzlichen Druck in rückwärtiger Richtung die Beckenauflageplatte 11L entgegen den Haftkräften des vorderen Stiftmagnetes 19L-1 in die Verschlussstellung B (6B) kippen, wo das flanschartige Ende 18L-1 des Kippwellenstücks 18L dann feldkraftschlüssig von dem hinteren Stiftmagnete 19-2 gehalten wird. Während des Anlegeprozesses wird die Beckenauflageplatte 11L sich entgegen der Stellkräfte der Feder 20L außerdem lateral nach außen bewegen, und so einerseits passiv eine Anpassung des Beckenanbindungssystems 10 an die Breite des Nutzers und anderseits einen wohldefinierten Anlagedruck der Beckenauflageplatten 11L, 11R an die Becken des Nutzers bewirken. Die Becken des Nutzers wird hierdurch ausreichend fest von den Beckenauflageplatten 11L, 11R umgriffen. Das Anlegen erfolgt in Sekundenschnelle und handlos. Das Beckenanbindungssystem eignet sich daher insbesondere auch für körperlich eingeschränkte Personen mit nicht voll funktionsfähigen Extremitäten.
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9 und 10A bis 10C zeigen die Ausbildung und Anwendung einer Stelleinheit zur Seitenverstellung eines nicht vollständig dargestellten Exoskeletts 1C.
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Das Exoskelett 1C weist ein Rückenplatte 3' auf, das über ein nicht dargestelltes Oberkörperanbindungssystem mit einem Oberkörper eines Nutzers verbindbar ist, und an welchem seitlich links und rechts jeweils paarweise zwei Führungsstangen 4R-1, 4L-1 lateral hervorstehen. An den Führungsstangen 4R-1, 4L-1 sind ein linker bzw. rechter Beckenbügel 4L, 4R gleitend gelagert. Die gleitende Lagerung kann auch als Linearlager bezeichnet werden. Zusammen mit einem unteren Abschnitt der Rückenplatte 3' bilden die Beckenbügel 4L, 4R einen näherungsweise U-förmigen Beckenrahmen 4 aus. Wie zuvor sind auch hier lateral außen Hüftaktuatoren 7L und 7R lateral außen am Beckenrahmen 4 verbaut. An den Beckenbügeln 4L und 4R ist außerdem ein Beckenanbindungssystem 10 mit Beckenauflageplatten 11L, 11R zur Anlage an die seitliche Beckenpartie eines Trägers über Ausleger 12L, 12R befestigt. Über einen beispielsweise gemäß der 11 oder 12 ausgebildete Stelleinheit 30A bzw. 30B können die Beckenbügel 4L und 4R gegengleich nach außen bzw. innen verfahren werden, so dass hierüber eine Breitenanpassung (Seitenverstellung) des Grundgerüsts 2, genauer gesagt des Beckenrahmens 4, möglich wird. Das Beckenanbindungssystem 10 ist ansonsten analog den bisherigen Ausführungen aufgebaut und weist insb. die bereits beschriebenen Freiheitsgrade (T, R1, R2) auf.
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Ein mögliches Einsatzszenario der Seitenverstellung ist in den 10A bis 10C wiedergegeben, wobei 10A eine Ausgangsstellung, 10B einen Zustand während der Kopplung und 10C einen Zustand nach erfolgter Kopplung darstellen. Das Exoskelett 1C liegt in der Ausgangsstellung der 10A auf einer Wandhalterung 24 auf. Ein Nutzer tritt rückseitig in den Beckenrahmen 4 hinein und löst bspw. durch einen in der Rückenplatte 3' eingelassenen Kontaktschalter eine automatische Verstellung der Beckenbügel 4L und 4R aus. Die Beckenbügel 4L, 4R werden dann nach lateral innen verfahren (Translation T2), wobei sich die Beckenauflageplatten 11L, 11R mit zunehmend stärker werdendem Druck an die seitlichen Hüftpartien bzw. den linken und rechten Beckenkamm des Beckens des Nutzers anschmiegen (s. Pfeile T2 in 10B). Die Seitenverstellung wird gestoppt, wenn die Stromaufnahme eines in den 11 oder 12 dargestellten, elektrischen Stellmotors 17 einen voreingestellten Grenzwert, welcher ein Maß für den Anlagedruck ist, überschreitet. Das Exoskelett 1C ist dann mit dem Nutzer ausreichend fest gekoppelt, so dass dieser das Exoskelett 1C über die Beckenauflageplatten 31L, 31R aus der Wandhalterung 24 herausheben kann.
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Mögliche Stelleinheiten für eine Seitenverstellung gemäß den Ausführungen der 9 und 10A bis 10C zeigend die 11 und 12.
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In dem Ausführungsbeispiel der 11 ist die Seitenverstellung 30A als Spindeltrieb ausgeführt. Sie umfasst einen Elektromotor 31, der über eine linke bzw. rechte Kupplung 32L, 32R mit einer rechtsgängigen bzw. linksgängigen Spindel 33L, 33R drehfest verbunden ist, und diese in Drehung versetzten kann, so dass in dem linken bzw. rechten Beckenbügel 4L, 4R drehfest gelagerte Spindelmuttern 34L, 34R eine translatorische Relativbewegung (Pfeile T2) der Beckenbügel 4L, 4R gegenüber der Rückenplatte 3' bewirken. Die Seitenverstellung (Endstellung) wird hierbei bspw. über einen direkt oder indirekt ermittelten Anlagedruck gesteuert. Die Seitenverstellung (Endstellung) könnte jedoch auch durch manuelle Ansteuerung des Elektromotors 31 oder über vorbelegte Tasten erfolgen.
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In 12 ist eine Seitenverstellung 30B als Zahnstangentrieb ausgeführt, die sich dahingehend von der Ausführungsform der 11 unterscheidet, dass eine Seitenverstellung über ein von einem Elektromotor 31 angetriebenes Antriebsritzel 35 erfolgt, das über zwei Zahnstangen 37L, 37R mit einem oberen bzw. unteren Kopplungsgestänge 36L bzw. 36R mit den Beckenbügeln 4L bzw. 4R verbunden ist.
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Die Erfindung ermöglicht kurze Rüstzeiten zum An- und Ablegen von Exoskeletten und einen erhöhten Tragekomfort durch verringerte Auflageflächen eines Beckenanbindungssystems sowie erhöhte Bewegungsfreiheit durch eine Lagerung der Auflagenflächen.
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Bezugszeichenliste
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- 1A
- Exoskelett (Stand der Technik)
- 1B
- Exoskelett
- 1C
- Exoskelett
- 2
- Grundgerüst
- 3
- Rückenplatte
- 4
- Beckenrahmen
- 4L
- Beckenbügel
- 4R
- Beckenbügel
- 4R-1
- Führung
- 4L-1
- Führung
- 5
- Oberkörperanbindungssystems
- 5A
- Brustgeschirr
- 6
- Beckenanbindungssystem (Stand der Technik)
- 6A
- Hüftgürtel (Stand der Technik)
- 7L
- Hüftaktuator
- 7R
- Hüftaktuator
- 8L
- Beinbügel
- 8R
- Beinbügel
- 9R
- Beinanbindung
- 9L
- Beinanbindung
- 9A-L
- Beingurt
- 9A-R
- Beingurt
- 10
- Beckenanbindungssystem
- 11L
- Beckenauflageplatte
- 11L-1
- konkave Außenfläche
- 11L-2
- podestförmige Erhebung
- 11L-3
- Aufnahmeraum
- 11L-4
- Schlitz
- 11L-5
- Gewindebuchse
- 11R
- Beckenauflageplatte
- 12L
- Ausleger
- 12L-1
- Lagerloch
- 12R
- Ausleger
- 13
- Rückenband
- 13L-1
- Befestigungsplatte
- 13L-2
- Befestigungsschraube
- 14L
- Lagersystem
- 14L-1
- Kipplager
- 14R
- Lagersystem
- 15L
- Anbindungspunkte
- 15R
- Anbindungspunkte
- 16L
- Polster
- 16L
- Polster
- 17L
- Adapterstück
- 17L-1
- Drehsicherungsfläche
- 17L-2
- Stiftwelle
- 17L-3
- Hohlraum
- 17L-31
- vordere Anschlagsfläche
- 17L-32
- hintere Anschlagsfläche
- 18L
- Kippwellenstück
- 18L-1
- flanschartiges Ende
- 18L-2
- Kippwelle
- 18L-3
- Sicherungsring
- 18L-4
- Unterlegscheibe
- 19-1
- Stiftmagnet
- 19-2
- Stiftmagnet
- 20L
- Feder
- 21L
- Gleitbuchse
- 24
- Wandhalterung
- 30A
- Stelleinheit (Seitenverstellung)
- 30B
- Stelleinheit (Seitenverstellung)
- 32L
- Kupplung
- 32R
- Kupplung
- 33L
- Spindel
- 33R
- Spindel
- 34L
- Spindelmutter
- 34R
- Spindelmutter
- 35
- Antriebsritzel
- 36L
- Kopplungsgestänge
- 36R
- Kopplungsgestänge
- 37L
- Zahnstange
- 37R
- Zahnstange
- α1
- Winkel (Öffnungsstellung A)
- α2
- Winkel (Verschlussstellung B)
- β
- Kippwinkel
- H
- horizontale Drehachse (Horizontalachse)
- V
- vertikale Drehachse (Hochachse)
- T
- Translationsrichtung
- T2
- Translationsrichtung (Seitenverstellung)