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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Auf- und/oder Zufahren eines Walzgerüsts beim Walzen, insbesondere Warmwalzen eines Walzprodukts. Die Erfindung betrifft ferner ein Walzgerüst sowie eine Vorrichtung zum Walzen eines Walzprodukts.
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Hintergrund der Erfindung
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Bei der Herstellung flachgewalzter Metallprodukte werden Brammen oder Bänder durch ein oder mehrere Walzgerüste gefördert. Ein Walzgerüst weist zumindest zwei parallel ausgerichtete Arbeitswalzen auf, die einen Walzspalt ausbilden, durch den das Walzprodukt zumeist zum Zweck der Dickenreduktion tritt. Die Relativposition der Arbeitswalzen zur Einstellung des Walzspalts kann beispielsweise über eine hydraulische Anstellung einer oder beider Arbeitswalzen variiert werden.
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In manchen Prozesssituationen wird das Walzprodukt durch ein offenes Walzgerüst gefördert, ohne dass die Arbeitswalzen eine Kraft zur Umformung auf das Walzprodukt ausüben. Erst nach einer gewissen Zeit oder einer bestimmten Bandlänge wird das Walzgerüst geschlossen, um den eigentlichen Walzprozess zu beginnen oder fortzuführen. So wird beispielsweise bei einem fliegenden Walzenwechsel in einer Gießwalzanlage oder einer Tandemwalzstraße zuerst der Walzspalt des Walzgerüsts geöffnet, wodurch die Dickenabnahme an diesem Walzgerüst auf null reduziert wird, um einen Walzenwechsel zu ermöglichen. Nach dem Walzenwechsel wird der Walzspalt geschlossen.
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Beim Schließen oder Öffnen des Walzspalts kann es vorkommen, dass das Walzprodukt nicht stabil in der gewünschten, üblicherweise mittigen Lage im Walzspalt verbleibt, sondern seitlich wegläuft. Kleine Unregelmäßigkeiten bezüglich der Anstellung der Arbeitswalzen, der geometrischen Form und dergleichen können bewirken, dass die relative Zu- oder Abnahme des Walzspalts über die Bandbreite beim Zufahren des Walzgerüsts nicht konstant bleibt, wodurch eine seitliche Kraft auf das Walzprodukt ausgeübt wird, die zu einer unerwünschten Lageänderung in seitlicher Richtung, d.h. in Axialrichtung der Arbeitswalzen führt.
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Darstellung der Erfindung
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Eine Aufgabe der Erfindung besteht darin, ein verbessertes Konzept zum Auf- und Zufahren eines Walzgerüsts anzugeben, insbesondere die Zuverlässigkeit des Walzprozesses zu verbessern.
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Gelöst wird die Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1, ein Walzgerüst mit den Merkmalen des Anspruchs 7 sowie eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 13. Vorteilhafte Weiterbildungen folgen aus den Unteransprüchen, der folgenden Darstellung der Erfindung sowie der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele.
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Das Verfahren, das Walzgerüst sowie die Vorrichtung kommen insbesondere in einem Walzwerk zum Walzen eines Walzprodukts aus Metall, vorzugsweise aus Stahl oder einem Nichteisenmetall, zur Anwendung. Das Walzprodukt ist vorzugsweise ein Metallband, insbesondere ein Warmband.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung betrifft das Auf- und/oder Zufahren eines Walzgerüsts mit zumindest zwei einen Walzspalt ausbildenden Arbeitswalzen. Das Walzprodukt wird zur Umformung durch den Walzspalt entlang einer Förderrichtung transportiert. Zumindest eine der beiden Arbeitswalzen ist in der Ebene senkrecht zur Förderrichtung so bewegbar, dass nicht nur der Walzspalt vergrößert und verkleinert werden kann, sondern dass die Anstellung der Arbeitswalze relativ zum Walzprodukt variierbar ist. Die „Anstellung“ bezeichnet hierbei den Grad der Schrägstellung der Arbeitswalze in der besagten Ebene relativ zu der anderen Arbeitswalze oder zur Bandebene, sofern das Walzprodukt bandförmig ausgebildet ist.
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Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren wird das Walzprodukt durch den Walzspalt entlang der Förderrichtung transportiert, und währenddessen wird das Walzgerüst Auf- oder Zufahren, indem der Walzspalt entsprechend vergrößert oder verkleinert wird. Im aufgefahrenen Zustand des Walzgerüsts üben die Arbeitswalzen - im Unterschied zum zugefahrenen Zustand - vorzugsweise keine, allenfalls eine geringe Walzkraft auf das Walzprodukt aus.
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Gemäß der Erfindung wird während des Auf- bzw. Zufahrens des Walzgerüsts eine Position des Walzprodukts vor und/oder hinter dem Walzspalt in Richtung quer zur Förderrichtung, d.h. in Axialrichtung der Arbeitswalzen, detektiert. Die Bezeichnungen „vor“ und „hinter“ sind relativ zur Förderrichtung des Walzprodukts definiert. In Abhängigkeit der detektierten Position wird die Anstellung der entsprechenden Arbeitswalze so geändert, dass das Walzprodukt während des Auf- bzw. Zufahrens des Walzgerüsts an einer Sollposition gehalten bzw. stabilisiert wird. Prinzipiell kann auch die Anstellung beider Arbeitswalzen zu diesem Zweck verändert werden.
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Der Walzspalt bzw. dessen geometrische Form wird demnach während des Auf- oder Zufahrens des Walzgerüsts so geregelt, dass das Walzprodukt nicht seitlich wegläuft, sondern dicht an einer Sollposition gehalten wird. Auf diese Weise wird eine Stabilisierung des Prozesses des Auf- und Zufahrens des Walzgerüsts bei gleichzeitig gefördertem Walzprodukt erzielt, wodurch die Qualität der Produktion verbessert und etwaiger Ausschuss minimiert werden können. Gleichzeitig ist eine besonders effiziente Produktion möglich, da beispielsweise ein fliegender Walzenwechsel bei laufender Produktion möglich ist, ohne dass die Gefahr einer Produktionsunterbrechung oder von Qualitätseinbußen durch eine Fehlplatzierung des Walzprodukts im Walzspalt besteht.
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Es sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnungen „Position“ und „Lage“ in Bezug auf die Platzierung des Walzprodukts im Walzspalt in Querrichtung synonym verwendet werden.
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Vorzugsweise wird die Position des Walzprodukts berührungslos detektiert, wodurch zur Durchführung des Verfahrens keine unnötigen Kräfte auf das Walzprodukt einwirken und ferner die Zuverlässigkeit der entsprechenden Detektoren erhöht wird, da sie keinem oder nur einem geringen Verschleiß unterliegen.
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Die Position des Walzprodukts wird beispielsweise optisch, vorzugsweise mittels einer oder mehrerer Kameras, mittels Radar oder Laserscannen detektiert. Auf diese Weise können bestehende Anlagen auf maschinenbaulich einfache und zuverlässige Weise nachgerüstet werden.
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Zur Positionsbestimmung bietet es sich im Fall eines bandförmigen Walzprodukts an, eine oder beide Bandkanten zu detektieren. Diese können im Fall der Verwendung einer oder mehrerer Kameras beispielsweise über eine Bilderkennung erkannt werden, und etwaige Abweichungen von der Sollposition können so softwaregestützt ermittelt werden.
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Alternativ zur expliziten Ermittlung der Position des Walzprodukts kann ein physikalischer Parameter genutzt werden, der die Position des Walzprodukts indirekt abbildet, wie beispielsweise eine Bandzugverteilung. Die Bandzugverteilung kann über die Breite des Walzprodukts, d.h. in Axialrichtung der Arbeitswalzen, vor und/oder hinter dem Walzgerüst gemessen und dann zur Regelung verwendet werden, um die Position des Walzprodukts stabil zu halten.
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Vorzugsweise wird die Anstellung der Arbeitswalze hydraulisch geändert, wodurch die Anstellbarkeit auf maschinenbaulich einfache und zuverlässige Weise realisiert wird. So sind beispielsweise zwei Hydraulikzylinder installiert, die als Aktuatoren fungieren. Zu diesem Zweck können die Hydraulikzylinder rechts und links unmittelbar an der betreffenden Arbeitswalze angreifen, oder sie können eine Baueinheit aus Arbeitswalze und einer zugehörigen Stützwalze bewegen. Allerdings kann die Anstellung der Arbeitswalze auch auf andere Weise variiert werden, beispielsweise mittels eines oder mehrerer Elektromotoren oder Linearmotoren.
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Das vorstehend dargelegte Verfahren in den verschiedenen Ausführungsvarianten kann auch in einem Walzwerk, insbesondere Warmwalzwerk, mit mehreren Walzgerüsten angewendet werden, die gemeinsam eine Walzstraße, insbesondere Tandemstraße, bilden. In diesem Fall wird das Walzprodukt durch den Walzspalt jeder der Walzgerüste entlang der Förderrichtung transportiert, während ein oder mehrere der Walzgerüste auf- oder zugefahren werden. Während des Auf- bzw. Zufahrens des entsprechenden Walzgerüsts wird eine Position des Walzprodukts vor und/oder hinter dem zugehörigen Walzspalt in Richtung quer zur Förderrichtung detektiert, und es wird die Anstellung der entsprechenden Arbeitswalze in Abhängigkeit der detektierten Position so verändert, dass das Walzprodukt während des Auf- bzw. Zufahrens des entsprechenden Walzgerüsts an einer Sollposition stabilisiert bzw. gehalten wird. Auf diese Weise ist das Auf- und Zufahren eines oder mehrerer Walzgerüste gleichzeitig möglich, ohne den Produktionsprozess stoppen oder Qualitätseinbußen befürchten zu müssen.
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Die oben genannte Aufgabe wird ferner durch ein Walzgerüst zum Walzen eines Walzprodukts, vorzugsweise eines Metallbands, gelöst, wobei das Walzgerüst umfasst: zumindest zwei Arbeitswalzen, die einen Walzspalt ausbilden, in dem das in einer Förderrichtung transportierbare Walzprodukt umformbar ist; eine Anstelleinrichtung, die eingerichtet ist, um die Anstellung zumindest einer der Arbeitswalzen in einer Ebene senkrecht zur Förderrichtung zu variieren sowie das Walzgerüst durch Vergrößerung oder Verkleinerung des Walzspalts entsprechend auf- oder zuzufahren; und eine Lagesteuerung, die eingerichtet ist, um während des Auf- bzw. Zufahrens des Walzgerüsts eine Position des Walzprodukts vor und/oder hinter dem Walzspalt in Richtung quer zur Förderrichtung zu detektieren und die Anstellung der entsprechenden Arbeitswalze in Abhängigkeit der detektierten Position so zu ändern, dass das Walzprodukt während des Auf- bzw. Zufahrens des Walzgerüsts an einer Sollposition stabilisiert bzw. gehalten wird.
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Die Merkmale, technischen Wirkungen, Vorteile sowie Ausführungsbeispiele, die in Bezug auf das Verfahren beschrieben wurden, gelten analog für das Walzgerüst.
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So umfasst die Lagesteuerung aus den oben genannten Gründen vorzugsweise zumindest einen Lagedetektor, eingerichtet, um die Position des Walzprodukts vor und/oder hinter dem Walzspalt berührungslos zu detektieren.
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Vorzugsweise umfasst der Lagedetektor aus den oben genannten Gründen eine oder mehrere Kameras.
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Vorzugsweise umfasst die Lagesteuerung ferner eine Lageauswertung in Kommunikation mit dem Lagedetektor sowie einen Lageregler in Kommunikation mit der Lageauswertung, wobei die Lageauswertung eingerichtet ist, um aus den Detektionswerten des Lagedetektors die aktuelle Position des Walzprodukts in der Richtung quer zur Förderrichtung zu ermitteln und an den Lageregler zu übermitteln, wobei der Lageregler eingerichtet ist, um aus der aktuellen Position des Walzprodukts einen Schwenkwert für die Anstelleinrichtung zu berechnen und diese direkt oder über einen Positionsregler der Anstelleinrichtung so anzusteuern, dass die Position des Walzprodukts während des Auf- bzw. Zufahrens des Walzgerüsts an der Sollposition stabilisiert wird.
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Der Lagedetektor, die Lageauswertung und der Lageregler können seperate, miteinander kommunizierende Baueinheiten oder auch integral verwirklicht sein. Ferner kann die Lagesteuerung zentral oder dezentral, Bestandteil internetbasierter und/oder cloudbasierter Anwendungen oder auf andere Weise implementiert sein, sowie gegebenenfalls auf Datenbanken zugreifen. Generell gilt, dass die Kommunikation zwischen den elektronischen Komponenten, wie beispielsweise zwischen Lagesteuerung und Anstelleinrichtung(en), zwischen Lagedetektor und Lageauswertung sowie zwischen Lageauswertung und Lageregler, drahtlos oder drahtgebunden erfolgen kann.
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Vorzugsweise umfasst die Anstelleinrichtung aus den oben genannten Gründen einen oder mehrere, vorzugsweise genau zwei, Hydraulikzylinder, die als Aktuatoren der Anstelleinrichtung fungieren.
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Vorzugsweise weist das Walzgerüst zwei Stützwalzen auf, die entsprechend mit den Arbeitswalzen in Kontakt stehen, um die Arbeitswalzen zu stützen und eine Durchbiegung der Arbeitswalzen unter Last zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen.
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Die oben genannte Aufgabe wird ferner durch eine Vorrichtung zum Walzen eines Walzprodukts, vorzugsweise eines Metallbands, gelöst, die ein oder mehrere Walzgerüste nach einer oder mehreren der vorstehend dargelegten Ausführungsvarianten aufweist. Insbesondere sind mehrere Walzgerüste vorgesehen, die eine Walzstraße, vorzugsweise Tandemwalzstraße, bilden.
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Die Merkmale, technischen Wirkungen, Vorteile sowie Ausführungsbeispiele, die in Bezug auf das Verfahren sowie das Walzgerüst beschrieben wurden, gelten analog für die Vorrichtung.
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Weitere Vorteile und Merkmale der vorliegenden Erfindung sind aus der folgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele ersichtlich. Die darin beschriebenen Merkmale können alleinstehend oder in Kombination mit einem oder mehreren der oben dargelegten Merkmale umgesetzt werden, insofern sich die Merkmale nicht widersprechen. Die folgende Beschreibung der bevorzugten Ausführungsbeispiele erfolgt dabei unter Bezugnahme auf die begleitenden Zeichnungen.
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Figurenliste
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Bevorzugte weitere Ausführungsbeispiele der Erfindung werden durch die nachfolgende Beschreibung der Figuren näher erläutert. Dabei zeigen:
- 1 schematisch ein Walzgerüst mit Arbeits- und Stützwalzen sowie einer Anstelleinrichtung zur Variation des Walzspalts, wobei das Walzgerüst in einem aufgefahrenen Zustand gezeigt ist;
- 2 schematisch ein Walzgerüst mit Arbeits- und Stützwalzen sowie einer Anstelleinrichtung zur Variation des Walzspalts, wobei das Walzgerüst in einem zugefahrenen Zustand gezeigt ist;
- 3 schematisch eine Walzstraße mit mehreren Walzgerüsten und einer Lagesteuerung;
- 4 schematisch eine Tandemwalzstraße mit mehreren Walzgerüsten und mehreren Lagesteuerungen; und
- 5 schematisch ein Walzgerüst mit Arbeits- und Stützwalzen sowie einer Lagesteuerung gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel.
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Detaillierte Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele
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Im Folgenden werden bevorzugte Ausführungsbeispiele anhand der Figuren beschrieben. Dabei sind gleiche, ähnliche oder gleichwirkende Elemente in den Figuren mit identischen Bezugszeichen versehen, und auf eine wiederholte Beschreibung dieser Elemente wird teilweise verzichtet, um Redundanz zu vermeiden.
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Die 1 zeigt schematisch ein Walzgerüst 1 zum Walzen eines in einer Förderrichtung R (senkrecht zur Figurenebene) transportierbaren, insbesondere bandförmigen Walzprodukts B.
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Das Walzgerüst 1 ist gemäß dem Ausführungsbeispiel als Vierwalzen-Gerüst konzipiert, vorzugsweise zum Walzen eines Warmbandes, d.h. zur Verwendung in einem Warmflachwalzwerk. Allerdings kann das Walzgerüst 1 auch einen anderen Aufbau aufweisen und/oder für eine andere Anwendung ausgelegt sein, beispielsweise als Kaltwalzgerüst für Metallbänder oder Strukturwalzgerüst.
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Das Walzgerüst 1 des vorliegenden Ausführungsbeispiels weist zwei parallel verlaufende, gegenüberliegende Arbeitswalzen 10, die einen Walzspalt S ausbilden, sowie zwei zugehörige Stützwalzen 11 auf, die entsprechend mit den Arbeitswalzen 10 in Kontakt stehen, um die Arbeitswalzen 10 zu stützen und eine Durchbiegung der Arbeitswalzen 10 unter Last zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen.
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Das Walzgerüst 1 weist ferner eine Anstelleinrichtung 12 auf, die eingerichtet ist, um zumindest eine der beiden Arbeitswalzen 10, vorzugsweise die obere Arbeitswalze 10, in vertikaler Richtung, d.h. in Schwerkraftrichtung, zu verfahren, um den Walzspalt S zu verändern. Zu diesem Zweck kann die Anstelleinrichtung 12 die Baueinheit aus Arbeitswalze 10 und zugehöriger Stützwalze 11 bewegen, wie dies aus einem Vergleich der 1 und 2 hervorgeht.
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Die Anstelleinrichtung 12 ist ferner eingerichtet, um neben der vertikalen Position der betreffenden Arbeitswalze 10 deren Neigung in der Ebene senkrecht zur Förderrichtung R zu justieren. Dies kann dadurch realisiert werden, dass die Anstelleinrichtung 12 zwei Angriffspunkte an der Arbeitswalze 10 oder der Baueinheit aus Arbeitswalze 10 und Stützwalze 11 aufweist. Im vorliegenden Ausführungsbeispiel sind die beiden Anstellpositionen als „Anstellposition der Bedienseite“ sos und „Anstellposition der Antriebsseite“ SDS bezeichnet, motiviert durch die Position des Antriebs (in den Figuren nicht gezeigt) für die Walzen 10, 11 auf der Antriebsseite DS und die Position des Zugangs für Bedienpersonal auf der Bedienseite OS, etwa zur Wartung des Walzgerüsts 1, zum Austausch von Walzen 10, 11 und dergleichen.
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Im vorliegenden Ausführungsbeispiel umfasst die Anstelleinrichtung 12 zwei Hydraulikzylinder 12a, die als Aktuatoren der Anstelleinrichtung 12 fungieren. Allerdings kann die Anstellung der Arbeitswalze 10 auch auf andere Weise variiert werden, beispielsweise mittels eines oder mehrerer Linear- und/oder Elektromotoren.
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Das Walzgerüst 1 der 1 ist in einem geöffneten bzw. aufgefahrenen Zustand gezeigt, in dem der Walzspalt S geöffnet ist und somit keine Dickenreduktion des Walzguts B stattfindet. Ein geöffneter Walzspalt S kann zu Beginn des Walzprozesses, zum Einfädeln des Walzprodukts B in das eine oder die mehreren Walzgerüste 1, für Wartungsarbeiten, einen fliegenden Walzenwechsel, d.h. einen Walzenwechsel während laufender Produktion, und in anderen Prozesssituationen erforderlich sein. Die 2 zeigt das Walzgerüst 1 in einem zugefahrenen bzw. geschlossenen Zustand, in dem sich die Arbeits- und Stützwalzen 10, 11 in ihrer Betriebsposition befinden, in der eine Walzkraft Fw auf das Walzprodukt B wirkt und plastisch verformt, insbesondere in der Dicke reduziert wird.
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Beim Öffnen und/oder Schließen des Walzspalts S kann es vorkommen, dass das Walzprodukt B nicht stabil in der gewünschten, üblicherweise mittigen Lage im Walzspalt S verbleibt, sondern seitlich, d.h. in der Perspektive der 1 und 2 nach links/rechts, wegläuft. Ursache dafür kann eine Schrägstellung der anstellbaren Arbeitswalze 10 sein, wie es in der 1 übertrieben dargestellt ist. Die Anstellposition sos der Bedienseite und die Anstellposition SDS der Antriebsseite stimmen nicht überein.
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Um den Prozess des Auf- und Zufahren des Walzgerüsts 1 zu stabilisieren, ist eine Lagesteuerung 20 vorgesehen, die in den 3, 4 und 5 schematisch dargestellt ist.
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Die Lagesteuerung 20 umfasst einen oder mehrere Lagedetektoren 21, die eingerichtet sind, um die Position des Walzprodukts B vor und/oder hinter (in Förderrichtung R gesehen) dem Walzspalt S eines Walzgerüsts 1 zu detektieren, vorzugsweise berührungslos. Der Lagedetektor 21 umfasst zu diesem Zweck vorzugsweise eine oder mehrere Kameras 21a, die beispielsweise auf die Bandkanten des Walzprodukts B, sofern bandförmig, gerichtet sind. Ein solcher Lagedetektor 21 ist in der 3 gezeigt, die eine schematische Draufsicht auf eine Walzstraße mit mehreren Walzgerüsten 1 zeigt. Der Lagedetektor 21 erfasst die Lage bzw. Position des Walzprodukts B in seitlicher Richtung bzw. Querrichtung, d.h. in Axialrichtung der Arbeitswalzen 10.
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Alternativ zur Verwendung einer oder mehrerer Kameras 21a kann der Lagedetektor 21 die Position des Walzprodukts B durch Verwendung eines auf einem anderen Prinzip beruhenden Detektors erfassen. So lässt sich die Position des Walzprodukts B, insbesondere etwaige Bandkanten, beispielsweise über Radar, Laserscannen oder ein anderes optisches Verfahren erfassen. Alternativ kann statt der expliziten Lage des Walzprodukts B ein Parameter genutzt werden, der die Lage des Walzprodukts B indirekt abbildet, wie beispielsweise eine Bandzugverteilung. Die Bandzugverteilung kann über die Breite des Walzprodukts B, d.h. in Axialrichtung der Arbeitswalzen 10, vor und/oder hinter dem Walzgerüst 1 gemessen und zur Regelung verwendet werden.
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Der Lagedetektor 21 steht mit einer Lageauswertung 22 in Kommunikation, die eingerichtet ist, um aus den Detektionswerten des Lagedetektors 21 die aktuelle Position XACT des Walzprodukts B in seitlicher Richtung zu ermitteln und an einen Lageregler 23 zu übermitteln.
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Der Lageregler 23 berechnet aus der aktuellen Position XACT des Walzprodukts B einen Schwenkwert (Differenzanstellwert) für die Anstelleinrichtung 12 der Arbeitswalzen 10. Indem die Arbeitswalze 10 durch die Anstelleinrichtung 12 geschwenkt wird, lässt sich das Walzprodukt B seitlich bewegen. Der Lageregler 23 steuert die betreffende Anstelleinrichtung 12 direkt oder über einen Positionsregler 13 der Anstelleinrichtung 12 (vgl. 4 und 5) nun so an, dass die Walzproduktlage während des Zufahrens des Walzspalts S stabilisiert wird. In anderen Worten, der Walzspalt S wird so zugefahren, dass die Lage bzw. Position des Walzprodukts B möglichst dicht an einer Sollposition bleibt. Zu diesem Zweck steht der Lageregler 23 mit der Anstelleinrichtung 12 drahtgebunden oder drahtlos in Kommunikation.
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Der Lagedetektor 21, die Lageauswertung 22 und der Lageregler 23 können seperate, miteinander kommunizierende Baueinheiten oder auch integral verwirklicht sein. Ferner kann die Lagesteuerung 20 zentral oder dezentral, Bestandteil internetbasierter und/oder cloudbasierter Anwendungen oder auf andere Weise implementiert sein, sowie gegebenenfalls auf Datenbanken zugreifen. Generell gilt, dass die Kommunikation zwischen den elektronischen Komponenten, wie beispielsweise zwischen Lagesteuerung 20 und Anstelleinrichtung(en) 12, zwischen Lagedetektor 21 und Lageauswertung 22 sowie zwischen Lageauswertung 22 und Lageregler 23, drahtlos oder drahtgebunden erfolgen kann.
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Die 4 zeigt eine Tandemwalzstraße 100 mit mehreren Walzgerüsten 1, wobei mehrere Lagesteuerungen 20 verschiedenen Walzgerüsten 1 zugeordnet installiert sind.
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Die 5 zeigt schematisch ein Walzgerüst 1 mit Lagesteuerung 20 gemäß einem weiteren Ausführungsbeispiel. Der Positionsregler 13 der Anstelleinrichtung 12 ist hier in einen Positionsregler 13a der Bedienseite OS und einen Positionsregler 13b der Antriebsseite DS unterteilt, die für die Positionsreglung der entsprechenden Seite, vorzugsweise des entsprechenden Hydraulikzylinders 12a, eingerichtet sind.
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Aus der 5 geht ferner der Einfluss der Lageregelung des Walzprodukts B auf die Positionsregelung der Anstelleinrichtung 12 hervor, wobei mit Fcos die Anstellkraft auf der Bedienseite OS und mit FCDS die Anstellkraft auf der Antriebsseite DS bezeichnet ist. SREF bezeichnet einen Sollwert der mittleren Anstellposition, ΔSREF bezeichnet einen Sollwert der Differenzanstellposition (Schwenkwert), XREF bezeichnet einen Sollwert der Walzproduktlage, und XOP bezeichnet einen Zusatzsollwert für die Walzproduktlage, beispielsweise festgelegt von einer übergeordneten Anlagensteuerung oder einer Bedienperson. Hierbei gilt für die mittlere Anstellposition S = (SDS - SOS) / 2 und die Differenzanstellposition ΔS = SDS - SOS.
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Die hierin dargelegte Steuerung der Walzproduktlage ermöglicht eine Stabilisierung des Prozesses des Auf- und Zufahrens eines Walzgerüsts 1, während eines transportierten Walzprodukts B, indem die Lage des Walzprodukts B in seitlicher Richtung, d.h. quer zur Förderrichtung R, dicht an einer Sollposition gehalten wird. Auf diese Weise können die Qualität der Produktion verbessert und etwaiger Ausschuss minimiert werden. Indem die Lagesteuerung 20 an mehreren Walzgerüsten 1 einer Walzstraße installiert wird, ist ferner das Auf- und Zufahren eines oder mehrerer Walzgerüste 1 gleichzeitig möglich.
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Soweit anwendbar, können alle einzelnen Merkmale, die in den Ausführungsbeispielen dargelegt sind, miteinander kombiniert und/oder ausgetauscht werden, ohne den Bereich der Erfindung zu verlassen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Walzgerüst
- 10
- Arbeitswalze
- 11
- Stützwalze
- 12
- Anstelleinrichtung
- 12a
- Hydraulikzylinder
- 13
- Positionsregler der Anstelleinrichtung
- 13a
- Positionsregler der Bedienseite
- 13b
- Positionsregler der Antriebsseite
- 20
- Lagesteuerung
- 21
- Lagedetektor
- 22
- Lageauswertung
- 23
- Lageregler
- 100
- Tandemwalzstraße
- R
- Förderrichtung
- B
- Walzprodukt
- S
- Walzspalt
- OS
- Bedienseite
- DS
- Antriebsseite
- FW
- Walzkraft
- SOS
- Anstellposition der Bedienseite
- SDS
- Anstellposition der Antriebsseite
- XACT
- Aktuelle Position des Walzprodukts
- FCDS
- Anstellkraft auf der Bedienseite
- FCDS
- Anstellkraft auf der Antriebsseite
- SREF
- Sollwert der mittleren Anstellposition
- ΔSREF
- Sollwert der Differenzanstellposition
- XREF
- Sollwert der Walzproduktlage
- XOP
- Zusatzsollwert
- S
- mittlere Anstellposition
- Δs
- Differenzanstellposition