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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Simulieren eines technischen Systems. Die vorliegende Erfindung betrifft darüber hinaus eine entsprechende Vorrichtung, ein entsprechendes Computerprogramm sowie ein entsprechendes Speichermedium.
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Stand der Technik
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In der Softwaretechnik wird die Nutzung von Modellen zur Automatisierung von Testaktivitäten und zur Generierung von Testartefakten im Testprozess unter dem Oberbegriff „modellbasiertes Testen“ (model-based testing, MBT) zusammengefasst. Hinlänglich bekannt ist beispielsweise die Generierung von Testfällen aus Modellen, die das Sollverhalten des zu testenden Systems beschreiben.
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Insbesondere eingebettete Systeme (embedded systems) sind auf schlüssige Eingangssignale von Sensoren angewiesen und stimulieren wiederum ihre Umwelt durch Ausgangssignale an unterschiedlichste Aktoren. Im Zuge der Verifikation und vorgelagerter Entwicklungsphasen eines solchen Systems wird daher in einer Regelschleife dessen Modell (model in the loop, MiL), Software (software in the loop, SiL), Prozessor (processor in the loop, PiL) oder gesamte Hardware (hardware in the loop, HiL) gemeinsam mit einem Modell der Umgebung simuliert. In der Fahrzeugtechnik werden diesem Prinzip entsprechende Simulatoren zur Prüfung elektronischer Steuergeräte je nach Testphase und -objekt mitunter als Komponenten-, Modul- oder Integrationsprüfstände bezeichnet.
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DE10303489A1 offenbart ein derartiges Verfahren zum Testen von Software einer Steuereinheit eines Fahrzeugs, eines Elektrowerkzeugs oder eines Robotiksystems, bei dem durch ein Testsystem eine von der Steuereinheit steuerbare Regelstrecke wenigstens teilweise simuliert wird, indem Ausgangssignale von der Steuereinheit erzeugt werden und diese Ausgangssignale der Steuereinheit zu ersten Hardware-Bausteinen über eine erste Verbindung übertragen werden und Signale von zweiten Hardware-Bausteinen als Eingangssignale zur Steuereinheit über eine zweite Verbindung übertragen werden, wobei die Ausgangssignale als erste Steuerwerte in der Software bereitgestellt werden und zusätzlich über eine Kommunikationsschnittstelle in Echtzeit bezogen auf die Regelstrecke zum Testsystem übertragen werden.
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Derartige Simulationen sind auf verschiedenen Gebieten der Technik verbreitet und finden beispielsweise Einsatz, um eingebettete Systeme in Elektrowerkzeugen, Motorsteuergeräte für Antriebs-, Lenk- und Bremssysteme, Kamerasysteme, Systeme mit Komponenten der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, Robotiksysteme oder autonome Fahrzeuge in frühen Phasen ihrer Entwicklung auf Tauglichkeit zu prüfen. Dennoch werden die Ergebnisse von Simulationsmodellen nach dem Stand der Technik aufgrund fehlenden Vertrauens in ihre Zuverlässigkeit nur begrenzt in Freigabeentscheidungen einbezogen.
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Offenbarung der Erfindung
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Die Erfindung stellt ein Verfahren zum Simulieren eines technischen Systems, eine entsprechende Vorrichtung, ein entsprechendes Computerprogramm sowie ein Speichermedium gemäß den unabhängigen Ansprüchen bereit.
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Die Aussagekraft dieser am Prototyp genommenen Maße für das geplante Serienprodukt indes ist fragwürdig, da ein Prototyp in aller Regel nicht mit dem in der späteren Serienproduktion verwendeten - und zum Zeitpunkt dieses sogenannten Prototypings mitunter noch gar nicht verfügbaren - Werkzeug gefertigt wird und somit nur bedingt Rückschlüsse auf die spätere Serienfertigung erlaubt.
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Das nachfolgend beschriebene Verfahren fußt weiterhin auf der Erkenntnis, dass die Aussagekraft eines einzigen Musters (sample) oder Prototyps im Hinblick auf die Gesamtheit (fachsprachlich: Population) aller „in Serie“ zu fertigenden Produkte für den Feldeinsatz sehr beschränkt ist. Sie trägt ferner der Interaktion zwischen einzelnen Produkten Rechnung, die einen deutlich größeren Raum an Variationen aufspannt. Beispielsweise könnten eine durch einen bestimmten Hersteller gefertigte Lenkung und Bremse in ein Fahrwerk eines weiteren Herstellers eingebaut werden, welches wiederum durch einen Erstausrüster (original equipment manufacturer, OEM) in ein Fahrzeugchassis integriert wird. Derlei branchenübliche Wertschöpfungsketten führen zu einer extrem großen Variationsbreite, die wiederum vom Lenkungs- oder Bremsregler beherrscht werden muss. Für die Regler-Auslegung werden daher häufig so genannte Grenzmuster hergestellt, die Betrachtungen im ungünstigsten Fall (worst case) ermöglichen. Dieses Vorgehen erlaubt eine bessere Beurteilung der Population durch die Kenntnis der Randlagen.
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Nach dem Stand der Technik wird derartiges Wissen nur sehr selten in das Simulationsmodell eingepflegt. Da somit nicht alle relevanten Unsicherheiten in der Simulation Berücksichtigung finden, basieren Rückschlüsse hinsichtlich Mechanik, Software, Regelung und Gesamtsystem auf Prototypen bzw. Grenzmustern der Prototypen.
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Die für den Betrieb des simulierten Systems erforderliche Software wird hierbei üblicherweise für die durch seine Hardware vorgegebenen Rahmenbedingungen ausgelegt. Eine Rückwirkung auf die Hardware und die an letztere gestellten Genauigkeitsanforderungen ist in diesem Fall nicht vorgesehen, sodass die gegenseitige Beeinflussung von Hardware, Software und Fertigung des Systems außer Acht bleibt.
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Die vorliegende Lösung erkennt vor diesem Hintergrund, dass eine toleranzbasierte Simulationsumgebung die Komplexität des Systemverhaltens realitätsnah nachbilden kann. Dies wird durch eine iterative Verbesserung der statistischen Aussagekraft des Simulationsmodells erreicht, die sich über den gesamten Produktlebenszyklus des Systems fortsetzt. Hierzu können in frühen Schritten des Entwicklungsprozesses Daten aus Vorgängermodellen für Unsicherheitsbetrachtungen herangezogen werden. Diese können dann mit Zeichnungstoleranzen, Prototypen, Messungen an fließbandgefertigten Bauteilen oder Baugruppen bei ihrer Prüfung am Bandende (end of line) bzw. Felddaten verbessert, verifiziert oder falsifiziert werden. Somit wird auch das Simulationsmodell selbst sukzessiv verbessert, da es anhand der solchermaßen aktualisierten Daten mit neuem Wissen über die seinen Parametern anhaftenden Unsicherheiten gleichsam angereichert wird.
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Ein Vorteil dieses Ansatzes liegt zusammenfassend darin, dass für die Erstellung eines neuen Modells auf das Vorgängerprojekt Bezug genommen wird, indem darauf aufbauend teilweise neue Parametersätze aus der Vermessung eines Prototyps oder anderweitigen Versuchsmodelles generiert werden. Auf diesem Wege wird bestehendes Wissen über das Modell mit dem Ziel aufgegriffen, es fortwährend gleichsam anzureichern, anstatt in neuen Simulationsmodellen grundlegende Erfahrungen von neuem zu sammeln.
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Ein Vorzug der erfindungsgemäßen Lösung besteht somit in der eröffneten Möglichkeit, die Qualität des Modells sukzessiv zu verbessern bzw. etwaige Unsicherheiten in der Simulationsumgebung genauer zu spezifizieren. In einem vorgelagerten Schritt (z. B. im Zuge der Akquise von neuen Projekten) kann mittels des bereits sehr detaillierten Vorgängermodells eine Hilfestellung bei der Erstellung von Produktanforderungen gegeben werden. Außerdem kann das Modell den Projektplanungs- und Systemanalyseprozess bei der Ableitung von System- und Komponentenanforderungen aus den Produktanforderungen unterstützen und frühzeitig Fehler aufzeigen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise mechanische Komponenten des Systems in Zusammenarbeit mit der Fertigung und den zu erwartenden Fertigungsgenauigkeiten genauer auslegen und optimieren. Hierbei kann insbesondere das durch den Fertigungsprozess bedingte Zusammenwirken toleranzbehafteter Bauteile auf das Gesamtsystem in der Mechanik-Entwicklung berücksichtigt werden. Bei der Regler-Auslegung lassen sich die besagten Grenzmuster auch für die Simulation heranziehen, um die Stabilität des Reglers ohne aufwändige Tests zu untersuchen.
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Auch die nachfolgende Applikation der Software an realen Bauteilen lässt sich bei diesem Vorgehen auf wenige Muster beschränken und führt dennoch zu einem robusteren Systemverhalten, wenn sie auf der bei Serienmodellen zu erwartenden stochastischen Verteilung der Maße dieser Bauteile beruht.
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Durch die in den abhängigen Ansprüchen aufgeführten Maßnahmen sind vorteilhafte Weiterbildungen und Verbesserungen des im unabhängigen Anspruch angegebenen Grundgedankens möglich. So kann ein Einsatz auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens und anderer automatisierter Systeme, z. B. der Robotik, vorgesehen sein. Besonders auf diesen Einsatzgebieten kann eine erfindungsgemäße Simulation eingebetteter Systeme deren Funktionssicherheit nachhaltig erhöhen.
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Figurenliste
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in den Zeichnungen dargestellt und in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigt:
- 1 das Flussdiagramm eines Verfahrens gemäß einer ersten Ausführungsform.
- 2 schematisch eine Arbeitsstation gemäß einer zweiten Ausführungsform.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 illustriert das Verfahren am Beispiel eines simulationsgestützten Entwicklungsprojekts, dem ein Vorgängerprojekt zur Entwicklung eines ähnlichen Systems vorausgeht. Ausgehend von diesem Vorgängermodell wird zur simulativen Prinzipuntersuchung (21) zunächst ein parametrisiertes Simulationsmodell des zu simulierenden Systems erstellt (11), dessen Zeichnungen oder anderweitigen Konstruktions- oder Fertigungsunterlagen sich bereits vorläufige Toleranzangaben (12) entnehmen lassen. Anhand dieser Toleranzangaben (12) werden die Parameter des Simulationsmodells einstweilig eingegrenzt (13). Auf der Grundlage der so gewonnenen Erkenntnisse betreffend den zu betrachtenden Wertebereich können erste Abschätzungen für den ungünstigsten Fall getroffen sowie Optimierungen der Gestalt vorgenommen werden (22).
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Nach der Fertigung von Funktions- und insbesondere Grenzmustern, Prototypen oder anderen Versuchsmodellen des Systems oder von dessen Bauteilen werden deren Maße (14) genommen, anhand deren eine geeignete stochastische Verteilung der Parameter für die Simulation festgelegt (15) werden kann, um die Simulation im Hinblick auf die ungünstigsten Fälle zu validieren, das Verständnis der bestehenden Unsicherheiten zu schärfen und die Aussagekraft des Simulationsmodells zu steigern (23).
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Bei Anlauf der Serienfertigung können entsprechende Maße (16) auch von Serienmodellen des Systems und seiner - nunmehr mit Serienwerkzeug hergestellten - mechanischen Komponenten genommen werden, um die besagte Verteilung entsprechend zu verfeinern (17) und eine seriennahe Untersuchung des Gesamtsystems sowie deren Validierung zu ermöglichen (24).
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Nach Markteinführung eines das System umfassenden Produktes schließlich können mithilfe seiner Serienmodelle umfangreiche Felddaten (18) erhoben und die Verteilung anhand dieser Felddaten (18) weiter verfeinert (19) werden. Diese Anreicherung der Informationen mit Betriebsdaten des Produkts erlaubt es, dessen Alterung im Hinblick auf die bezüglich der Verteilung getroffenen Annahmen nachzuvollziehen (25) und aus der damit einhergehenden Verhaltensänderung entsprechende Rückschlüsse auf das Gesamtsystem zu ziehen.
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Die auf diese Weise über den Produktlebenszyklus gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, die Gesamtsystemsimulation zu präzisieren und ihre verbleibenden Unsicherheiten besser zu charakterisieren. Durch die Verwendung bestehender Modelle (und derer Parameterunsicherheiten) kann frühzeitig eine sehr realitätsnahe Gesamtsystemsimulation angestellt werden, um mögliche Defekte ebenso frühzeitig aufzudecken. Außerdem können in frühen Entwicklungsphasen bereits die zu erwartenden gegenseitigen Einflüsse von Mechanik, Elektrik, Regelung und Software des entwickelten Produktes untersucht und - aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung - gezielt Verbesserungen in Einzelbereichen (fachsprachlich: Domänen) vorgenommen werden.
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Weiterhin kann das Simulationsmodell durch eine kontinuierliche Integration (continuous integration) bei jeder Parameteränderung automatisch bewertet und hinsichtlich vordefinierter Anforderungen mit älteren Modellständen verglichen werden, um den Einfluss der Änderung unmittelbar nachzuvollziehen. Schließlich kann die Weiterentwicklung des Systems anhand der gewonnenen Informationen über mehrere Projekte hinweg überwacht werden, um aus diesen Informationen Handlungsempfehlungen für die zukünftige Weiterentwicklung abzuleiten.
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In Anbetracht der hohen Zuverlässigkeit der Simulation unterstützt dieser Ansatz eine sinnvolle Festlegung von Anforderungen (requirements) an die Fertigung, um die Funktionssicherheit des Systems bei einem Höchstmaß an Toleranz zu gewährleisten.
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Dieses Verfahren kann beispielsweise in Software oder Hardware oder in einer Mischform aus Software und Hardware beispielsweise in einer Arbeitsstation (20) implementiert sein, wie die schematische Darstellung der 2 verdeutlicht.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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