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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Erkennen von Kinetose mittels mehrerer Sensoren.
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Demgemäß ist vorgesehen:
- - Ein Verfahren zum Erkennen von Kinetose mittels mehrerer Sensoren mit den folgenden Schritten: Auswählen von mehreren Sensoren, dessen Sensordaten für das Erkennen der Kinetose zu berücksichtigen sind; Vorgeben eines Bayesschen Netzes aufgrund der ausgewählten Sensoren, wobei das Bayessche Netz die Abhängigkeit zwischen den Sensordaten und einer Kinetose modelliert; Ermitteln einer Wahrscheinlichkeitsverteilung für Kinetose aufgrund des Bayesschen Netzes.
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Kinetose nennt man körperliche Reaktionen wie Blässe, Schwindel, Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen, die durch ungewohnte Bewegungen, etwa in einem Verkehrsmittel oder in einem Wolkenkratzer ohne ausreichende Schwingungstilgung, ausgelöst werden können. Seekrankheit, Luftkrankheit, Raumkrankheit oder die Landkrankheit von Seeleuten auf Landgang sind bekannte Formen von Kinetose. Passive Bewegung in Reisebussen, Autos, Zügen mit Neigetechnik, Flugzeugen, Achterbahnen kann ebenfalls Kinetose hervorrufen. Charakteristisch ist, dass die Fahrer des jeweiligen Fahrzeugs fast nie an Kinetose erkrankt sind.
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Auch in Fahr- und Flugsimulatoren und Erlebniskinos kann es zum Auftreten von Kinetose kommen. Erstere Form der Kinetose wird als Simulator Sickness (Simulatorkrankheit) bezeichnet; relativ neu sind Erkrankungsfälle unter Computerspielern (Gaming Sickness oder Spielübelkeit), insbesondere bei Nutzung von VR-Brillen (VR-Krankheit).
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Fahrzeuge sind Land-, Luft-, oder Wasserfahrzeuge. In dieser Patentanmeldung sind von dem Fahrzeugbegriff auch Fahrzeugsimulatoren umfasst.
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Eine Schnittstelle ist eine Einrichtung zwischen wenigstens zwei Funktionseinheiten, an der ein Austausch von logischen Größen, z.B. Daten, oder physikalischen Größen, z.B. elektrischen Signalen, erfolgt, entweder nur unidirektional oder bidirektional. Der Austausch kann analog oder digital erfolgen. Der Austausch kann ferner drahtgebunden oder drahtlos erfolgen.
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Ein Sensor, auch als Detektor, (Messgrößen- oder Mess-)Aufnehmer oder (Mess-)Fühler bezeichnet, ist ein technisches Bauteil, das bestimmte physikalische, chemische Eigenschaften oder Kriterien, z. B. Temperatur, Feuchtigkeit, Druck, Geschwindigkeit, Helligkeit, Beschleunigung, pH-Wert, Ionenstärke, elektrochemisches Potential und/oder die stoffliche Beschaffenheit seiner Umgebung qualitativ oder als Messgröße quantitativ erfassen kann. Diese Größen werden mittels physikalischer oder chemischer Effekte erfasst und als Sensordaten in ein weiterverarbeitbares elektrisches Signal umgeformt. Fahrzeugsensoren sind an einem Fahrzeug montiert, um eine Fahrzeugumgebung zu erfassen. Sensordaten, die von Fahrzeugsensoren erfasst werden, sind fahrzeugumgebungsbedingte Sensordaten.
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Bewegungen eines Fahrzeugs verursachen Reize auf Passagiere in dem Fahrzeug. Bei einer anhaltenden Bewegung des Fahrzeugs überlagern sich die Reize und führen zu einem Reizniveau.
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Sensordaten zu ursachenbedingten Kriterien sind beispielsweise Daten über eine Bewegung, beispielsweise eine Längs und/oder Querbeschleunigung, eines Fahrzeugs, sowie daraus abgeleitete Größen wie beispielsweise der sogenannte Motion Sickness Dose Value nach ISO 2631-1.
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Sensordaten zu auswirkungsbedingten Kriterien sind Daten, die sich auf mögliche Symptome einer Kinetose beziehen, dies sind beispielsweise Daten zur Gesichtsfarbe, zur Gesichtstemperatur, zum Puls, zur Hautleitfähigkeit und dergleichen.
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Ein Bayessches Netz oder Bayes'sches Netz (benannt nach Thomas Bayes) ist ein gerichteter azyklischer Graph (DAG), in dem die Knoten Zufallsvariablen und die Kanten bedingte Abhängigkeiten zwischen den Variablen beschreiben. Jedem Knoten des Netzes ist eine bedingte Wahrscheinlichkeitsverteilung der durch ihn repräsentierten Zufallsvariable gegeben, in Abhängigkeit der Zufallsvariablen an den Elternknoten. Diese Verteilung kann beliebig sein, jedoch wird häufig mit diskreten oder Normalverteilungen gearbeitet. Eltern eines Knotens v sind diejenigen Knoten, von denen eine Kante zu v führt.
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Ein Bayes'sches Netz dient dazu, die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsverteilung aller beteiligten Zufallsvariablen unter Ausnutzung bekannter bedingter Abhängigkeiten zwischen diesen Zufallsvariablen möglichst kompakt zu repräsentieren.
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Hat ein Knoten keine Eltern, also parentale Knoten, so handelt es sich bei der assoziierten Wahrscheinlichkeitsverteilung um eine unbedingte Verteilung.
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Der Satz von Bayes ist ein mathematischer Satz aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, der die Berechnung bedingter Wahrscheinlichkeiten beschreibt. Für zwei Ereignisse A und B mit P ( B ) > 0 lässt sich die Wahrscheinlichkeit von A unter der Bedingung, dass B eingetreten ist, durch den Quotienten aus dem Produkt der Wahrscheinlichkeit von A mit der Wahrscheinlichkeit von B unter der Bedingung, dass A eingetreten ist, und der Wahrscheinlichkeit von B errechnen
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Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung dient dazu, Mengen eine Zahl zwischen null und eins zuzuordnen. Diese Zahl ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass das durch die Menge beschriebene Ereignis eintritt. Typisches Beispiel hierfür wäre das Werfen eines fairen Würfels: Der Menge {2}, also dem Ereignis, dass die Augenzahl 2 geworfen wird, wird von der Wahrscheinlichkeitsverteilung die Wahrscheinlichkeit 1/6 zugeordnet. In dieser Patentanmeldung umfasst der Begriff Wahrscheinlichkeitsverteilung auch den Begriff Wahrscheinlichkeitsdichte.
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Computerprogrammprodukte umfassen in der Regel eine Folge von Befehlen, durch die die Hardware bei geladenem Programm veranlasst wird, ein bestimmtes Verfahren durchzuführen, das zu einem bestimmten Ergebnis führt.
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Die grundlegende Idee der Erfindung ist es, die Sensordaten als Knoten eines Bayesschen Netzes zu modellieren. Somit lässt sich ein Verfahren zur Analyse von einer Kinetose anhand einer Kombination von relevanten Kriterien bereitstellen, wodurch eine hohe Variabilität gewährleistet ist.
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Die Modellierung in einem Bayesschen Netz ermöglicht es, verschiedene Datengrundlagen zu modellieren und abzubilden, wobei das Modell bei einer Änderung in der Datengrundlage, d. h. dass Sensordaten bestimmter Sensoren hinzukommen oder entfallen, entsprechend dem Satz von Bayes neu modelliert wird.
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Somit ist es möglich, individuelle und an die verfügbare Fahrzeugsensorik anpassbare Modelle für Kinetose für Fahrzeuginsassen aufzustellen.
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Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen ergeben sich aus den weiteren Unteransprüchen sowie aus der Beschreibung unter Bezugnahme auf die Figuren der Zeichnung.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung beziehen sich die Sensordaten auf ursachenbedingte Kriterien und auf auswirkungsbedingte Kriterien. Dabei werden die ursachenbedingten Kriterien und die auswirkungsbedingten Kriterien von dem Bayesschen Netz modelliert.
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Dementsprechend ist vorgesehen, Kinetose aufgrund einer Kombination von ursachenbedingten und auswirkungsbedingten Kriterien zu beurteilen. Hierfür ist vorgesehen, sowohl Sensordaten, die sich auf ursachenbedingte Kriterien beziehen, als auch Sensordaten, die sich auf auswirkungsbedingte Kriterien beziehen, auszuwerten.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung bilden die ursachenbedingten Kriterien bezogen auf die auswirkungsbedingten Kriterien parentale Knoten des Bayesschen Netzes. Dementsprechend handelt es sich bei dem Modell um ein zweistufiges Modell, in dem in einer ersten Stufe ursachenbedingte Sensordaten berücksichtigt werden und in einer zweiten Stufe auswirkungsbedingte Sensordaten berücksichtigt werden.
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Das bedeutet, dass zunächst die Wahrscheinlichkeit von einer Kinetose unter der Bedingung der erfassten ursachenbedingten Sensordaten ermittelt wird und in der zweiten Stufe diese ermittelte Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der auswirkungsbedingten Sensordaten korrigiert wird. In diesem Fall wird also die Wahrscheinlichkeit einer Kinetose unter der Bedingung der gemessenen ursachenbedingten Sensordaten und den gemessenen auswirkungsbedingten Sensordaten ermittelt.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung werden die Sensoren, dessen Sensordaten von dem Bayesschen Netz modelliert werden, abhängig von ihrer Verfügbarkeit ausgewählt.
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Somit lässt sich das gleiche Computerprogrammprodukt bei verschiedenen Datengrundlagen anwenden. Beispielsweise ist es denkbar, dass sich die Verfügbarkeit von Sensordaten zwischen Fahrzeugen aufgrund einer unterschiedlichen Verfügbarkeit von Sensoren unterscheidet.
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Ferner ist es denkbar, dass sich die Verfügbarkeit von Sensordaten in einem Fahrzeug je nach Sitzplatz unterscheidet, wenn beispielsweise Sensoren zur Erfassung von auswirkungsbedingten Kriterien nur auf einem Fahrer- oder Beifahrersitz und nicht auf der Rückbank verbaut sind.
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Darüber hinaus kann sich die Verfügbarkeit von Sensordaten auch über die Zeit ändern, wenn beispielsweise ein Sensor ausfällt.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung modelliert die Wahrscheinlichkeitsverteilung eine mehrgradige Intensität der Kinetose. Dementsprechend kann beispielsweise vorgesehen sein, die Intensität der Kinetose auf einer Skala von 1-10 zu beurteilen, wobei 1 bedeutet, dass keine Kinetose vorliegt und 10 bedeutet, dass eine Kinetose mit maximalen Symptomen vorliegt. In diesem Fall handelt es sich bei der Wahrscheinlichkeitsverteilung um eine diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung mit zehn Zuständen.
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Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung ist das Bayessche Netz ein Fuzzy-Bayessches-Netz, welches eine Unschärfe von dem Bayesschen Netz zugrunde liegenden Zufallsvariablen über einen Grad der Zugehörigkeit einer Zufallsvariablen zu einer Menge modelliert.
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Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn keine klaren Daten, beispielsweise aufgrund von Studien, vorliegen, sondern lediglich unscharfe Daten. Unscharfe Daten bedeutet, dass Zufallsvariablen zu mehreren Ergebnismengen gehören können, also Werte mehrere Ergebnismengen annehmen können. In diesem Fall ist also nicht nur der Wert einer Zufallsvariable selbst von Bedeutung, sondern auch dessen Grad an Zugehörigkeit zu der jeweiligen Ergebnismenge.
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Ein Beispiel für unscharfe Daten ist etwa ein nur ungenau bestimmbarer Puls als Indikator für das Vorhandensein einer Kinetose. Anschaulich kann das bedeuten, dass ein gemessener Puls nur als „normal“ oder „erhöht“ klassifiziert werden kann und der Grad der Zugehörigkeit der Zufallsvariable „Puls“ zu diesen beiden Klassen als Fuzzy Variable modelliert wird.
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Das Computerprogrammprodukt gemäß einer Ausführungsform der Erfindung führt die Schritte eines Verfahrens gemäß der vorangehenden Beschreibung aus, wenn das Computerprogrammprodukt auf einem Computer, insbesondere einem fahrzeuginternen Computer, läuft. Wenn das betreffende Programm auf einem Computer zum Einsatz kommt, ruft das Computerprogrammprodukt einen Effekt hervor, nämlich das Auswählen geeigneter Sensordaten zur Beurteilung einer Kinetose sowie das Ermitteln von Abhängigkeiten zwischen den Sensordaten und einer Kinetose.
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Es versteht sich, dass ein System zur Beurteilung einer Kinetose eines Fahrzeuginsassen mit wenigstens einer Schnittstelle zu einem ursachenbezogenen Sensor, der ursachenbezogene Sensordaten zu einer Kinetose erfasst, wenigstens einer Schnittstelle zu einem auswirkungsbezogenen Sensor, der auswirkungsbezogene Sensordaten zu einer Kinetose erfasst, sowie mit einer Recheneinheit, die eingerichtet ist, das Verfahren wie es in dieser Patentanmeldung beschrieben ist, durchzuführen, vorteilhaft ist.
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Die vorliegende Erfindung wird nachfolgend anhand der in den schematischen Figuren der Zeichnungen angegebenen Ausführungsbeispiele näher erläutert. Es zeigen dabei:
- 1 ein schematisches Blockdiagramm gemäß einer Ausführungsform der Erfindung.
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Die beiliegenden Zeichnungen sollen ein weiteres Verständnis der Ausführungsformen der Erfindung vermitteln. Sie veranschaulichen Ausführungsformen und dienen im Zusammenhang mit der Beschreibung der Erklärung von Prinzipien und Konzepten der Erfindung. Andere Ausführungsformen und viele der genannten Vorteile ergeben sich im Hinblick auf die Zeichnungen. Die Elemente der Zeichnungen sind nicht notwendigerweise maßstabsgetreu zueinander gezeigt.
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In den Figuren der Zeichnungen sind gleiche, funktionsgleiche und gleichwirkende Elemente, Merkmale und Komponenten - sofern nicht anders ausgeführt ist - jeweils mit denselben Bezugszeichen versehen.
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1 zeigt ein schematisches Blockdiagramm eines Verfahrens zum Erkennen von Kinetose mittels mehrerer Sensoren gemäß einer Ausführungsform der Erfindung. In dem Schritt S1 werden mehrere Sensoren, dessen Sensordaten für das Erkennen der Kinetose zu berücksichtigen sind, ausgewählt. In dem Schritt S2 wird ein Bayessches Netz aufgrund der ausgewählten Sensoren, wobei das Bayessche Netz die Abhängigkeit zwischen den Sensordaten und einer Kinetose modelliert, vorgegeben. In dem Schritt S3 wird eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für Kinetose aufgrund des Bayesschen Netzes ermittelt.
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Bezugszeichenliste
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- S1-S3
- Verfahrensschritte