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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen von Fahrzeugparametern eines radgetriebenen Fahrzeuges, insbesondere eines Kraftfahrzeuges, sowie Messsystem für ein radgetriebenes Fahrzeug, insbesondere für ein Kraftfahrzeug.
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Bei der Entwicklung von Kraftfahrzeugen ist es grundsätzlich von Interesse, die tatsächlichen Trägheitseigenschaften, wie z.B. Trägheit oder die Lage des Schwerpunktes, des Fahrzeuges zu ermitteln. Derartige Trägheitseigenschaften sind beispielsweise Grundlage für Simulationen der Fahrdynamik sowie deren Implementierung in Fahrassistenzsysteme. Dabei ist es bekannt, eine Schätzung der Schwerpunktlage aus vorhandenen CAD-Daten zu ermitteln. Dies stellt jedoch aufgrund der hohen Komplexität und der Vielzahl an beteiligten Baugruppen bei modernen Fahrzeugen derart hohe Anforderungen an die Datenpflege jedes einzelnen Bauteils, dass die Schätzungen der Schwerpunktlage in der Regel zu ungenau sind, um sie ohne weitere Überprüfung in einem Versuch als Grundlage für Fahrdynamikberechnungen zu nutzen.
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Daher wird die Lage des Schwerpunktes für Fahrzeuge üblicherweise durch einen Pendelversuch bestimmt. Dies erfordert jedoch einen hohen Aufwand und einen komplexen Versuchsaufbau zur Durchführung des Pendelversuches. Auch zur Ermittlung des Trägheitstensors eines Kraftfahrzeuges werden meist derartige Versuche angewendet.
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Aus der
DE 10 2012 101 705 B4 ist es ferner bekannt für einen Hubschrauber anhand von Messungen der Auflagekräfte die Lage des Schwerpunktes zu bestimmen. Dabei wird der Hubschrauber durch eine Transportvorrichtung in mehrere unterschiedliche Lagen versetzt, für die daraufhin die Messungen vorgenommen werden. Somit wird auch hier ein komplexer Versuchsaufbau eingesetzt, um die unterschiedlichen Lagen des Hubschraubers zu ermöglichen. Ferner sind derartige Lagen nicht ohne Weiteres auf radgetriebene Fahrzeuge übertragbar.
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, voranstehende, aus dem Stand der Technik bekannte Nachteile zumindest teilweise zu beheben. Insbesondere ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung ein Bestimmen von zumindest einem Fahrzeugparameter eines radgetriebenen Fahrzeuges, insbesondere eines Kraftfahrzeuges, zu vereinfachen.
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Die voranstehende Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1, ein Messsystem mit den Merkmalen des Anspruchs 10. Weitere Merkmale und Details der Erfindung ergeben sich aus den jeweiligen Unteransprüchen, der Beschreibung und den Zeichnungen. Dabei gelten Merkmale und Details, die im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Verfahren beschrieben sind, selbstverständlich auch im Zusammenhang mit dem erfindungsgemäßen Messsystem und jeweils umgekehrt, so dass bezüglich der Offenbarung zu den einzelnen Erfindungsaspekten stets wechselseitig Bezug genommen wird bzw. werden kann.
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Erfindungsgemäß ist ein Verfahren zum Bestimmen von zumindest einem Fahrzeugparameter eines radgetriebenen Fahrzeuges, insbesondere eines Kraftfahrzeuges, beansprucht. Dabei umfasst das Verfahren folgende Schritte:
- - Messen von dynamischen Zustandsgrößen des Fahrzeuges, insbesondere am Fahrzeug, während einer Messfahrt des Fahrzeuges,
- - Bereitstellen eines analytischen Zusammenhangs zwischen den dynamischen Zustandsgrößen und zumindest einer Trägheitseigenschaft des Fahrzeuges,
- - Bestimmen der Trägheitseigenschaft des Fahrzeuges in Abhängigkeit von dem analytischen Zusammenhang und den dynamischen Zustandsgrößen.
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Die Trägheitseigenschaft stellt somit einen Fahrzeugparameter dar, der durch das Verfahren bestimmbar ist. Unter der Trägheitseigenschaft kann insbesondere eine Eigenschaft des Fahrzeugs verstanden werden, die abhängig von der Masse des Fahrzeugs und/oder der Masseverteilung des Fahrzeugs ist. Insbesondere kann eine Lage eines Schwerpunktes und/oder ein Trägheitsmoment unter der Trägheitseigenschaft verstanden werden. Die dynamischen Zustandsgrößen können insbesondere in Abhängigkeit von der Messfahrt und/oder von einem Fahrmanöver am Fahrzeug variieren. Insbesondere können die dynamischen Zustandsgrößen Reaktionskräfte und/oder Reaktionsmomente an Auflagerpunkten und/oder Beschleunigungen oder Geschwindigkeiten des Fahrzeugs umfassen. Unter der Messfahrt kann ein Betrieb des Fahrzeuges verstanden werden, bei welchem das Fahrzeug eine Fahrstrecke abfährt. Die Messfahrt kann dabei zu Versuchszwecken oder in einem Normalbetrieb des Fahrzeuges, beispielsweise einen Betrieb durch einen Benutzer, durchgeführt werden. Insbesondere können die dynamischen Zustandsgrößen einen zeitlichen Verlauf umfassen. Dazu können die dynamischen Zustandsgrößen über einen vorbestimmten Zeitraum während der Messfahrt oder über die gesamte Messfahrt gemessen werden.
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Der analytische Zusammenhang kann vorzugsweise eine oder mehrere Bewegungsgleichungen umfassen, durch welche die gemessenen dynamischen Zustandsgrößen mit der zumindest einen Trägheitseigenschaft in mathematische Beziehung gesetzt werden. Insbesondere ist der analytische Zusammenhang dabei modellfrei. Beispielsweise kann der analytische Zusammenhang auf dem Impulssatz und/oder dem Drehimpulssatz basieren. Unter modellfrei kann in diesem Zusammenhang insbesondere verstanden werden, dass die Summe der Kräfte und Momente im Impuls- und Drehimpulssatz als Messgrößen zur Verfügung gestellt werden und nicht weiter zerlegt werden, um beispielsweise ein Fahrzeugmodell wie das Einspurmodell zu entwickeln. Der analytische Zusammenhang kann für die Messfahrt nach dem Messen der dynamischen Zustandsgrößen ermittelt werden oder vorbestimmt sein. So ist es denkbar, dass der analytische Zusammenhang durch ein Speichermodul einer Kontrolleinheit bereitgestellt wird. Beim Bestimmen der Trägheitseigenschaft in Abhängigkeit von dem analytischen Zusammenhang und der gemessenen dynamischen Zustandsgrößen kann die Trägheitseigenschaft durch Einsetzen der gemessenen dynamischen Zustandsgrößen in den analytischen Zusammenhang berechnet werden. Vorzugsweise kann die Trägheitseigenschaft einem Benutzer, einem Simulationsprogramm und/oder zur Bestimmung einer Fahrdynamik bereitgestellt werden. Dazu kann z.B. ein Bereitstellen der Trägheitseigenschaft, insbesondere durch Senden der Trägheitseigenschaft an eine Recheneinheit und/oder Speichereinheit, erfolgen. Das Bereitstellen des analytischen Zusammenhangs und/oder das Bestimmen der Trägheitseigenschaft kann fahrzeugseitig, d.h. insbesondere durch eine Kontrolleinheit des Fahrzeugs, und/oder stationär, d.h. beispielsweise auf einem separaten Computer, durchgeführt werden. Ferner kann das Bereitstellen des analytischen Zusammenhangs und/oder das Bestimmen der Trägheitseigenschaft während der Messfahrt und/oder nach Abschluss der Messfahrt durchgeführt werden.
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Bei der Trägheitseigenschaft handelt es sich somit um einen Fahrzeugparameter, der im Rahmen des Verfahrens bestimmt wird. Insbesondere kann somit in einfacher Art und Weise eine Objektivierung, d.h. insbesondere mechanische Beschreibung, einer Fahrdynamik des Fahrzeuges durchgeführt werden. Durch das erfindungsgemäße Verfahren kann die Trägheitseigenschaft insbesondere ohne separaten Versuchsaufbau bestimmt werden. So ist es denkbar, dass die Messfahrt im Rahmen einer Testfahrt des Fahrzeuges durchgeführt wird, bei welcher noch weitere Messungen aufgenommen werden. Vorzugsweise können dabei Sensoren zum Messen der dynamischen Zustandsgrößen eingesetzt werden, durch welche während der Messfahrt weitere Messungen durchgeführt werden. Somit kann durch das erfindungsgemäße Verfahren durch eine einfache Datenauswertung das Bestimmen der Trägheitseigenschaft vereinfacht sein.
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Vorzugsweise kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorgesehen sein, dass die dynamischen Zustandsgrößen beim Messen der dynamischen Zustandsgrößen zumindest teilweise an zumindest einer Lagerstelle, an welcher zumindest ein Teilbereich des Fahrzeugs aufliegt, insbesondere an zumindest einer Radnabe des Fahrzeugs, gemessen werden. Vorzugsweise werden die dynamischen Zustandsgrößen an mehreren Lagerstellen gemessen. Insbesondere handelt es sich bei den gemessenen dynamischen Zustandsgrößen somit um Auflagerkräfte und Auflagermomente, die an der Lagerstelle gemessen werden. Unter dem Teilbereich des Fahrzeugs kann insbesondere der Teil des Fahrzeugs verstanden werden, der an der Lagerstelle oder an den Lagerstellen aufliegt. Wird die Radnabe als Lagerstelle genutzt, an welcher die dynamischen Zustandsgrößen gemessen werden, hat dies den Vorteil, dass die Radnabe nahe am tatsächlichen Auflagerpunkt des Fahrzeuges auf einem Untergrund liegt. Somit wird an der Radnabe ein Großteil des Fahrzeuges abgestützt und insbesondere bei der Messung berücksichtigt. Die gemessenen Orientierungen der dynamischen Zustandsgrößen, insbesondere der Auflagerkräfte und Auflagermomente, können vorzugsweise um aufbaubedingte Winkel, z.B. aufgrund eines Radsturzes, eines Lenkwinkels oder eines Einbauwinkels, bereinigt werden. Dazu kann eine Multiplikation mit einer Drehmatrix erfolgen. Zusätzlich oder alternativ zu einer Messung an der Radnabe ist es denkbar, dass die dynamischen Zustandsgrößen an einem Untergrund des Fahrzeuges und/oder an einer Lauffläche eines Reifens des Fahrzeuges gemessen werden.
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Ferner kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass beim Bestimmen der zumindest einen Trägheitseigenschaft eine, insbesondere in Bezug auf eine Fahrzeughochachse des Fahrzeugs, vertikale Lage eines Schwerpunktes des Fahrzeugs bestimmt wird. Zusätzlich oder alternativ ist es denkbar, dass beim Bestimmen der zumindest einen Trägheitseigenschaft eine horizontale Lage und/oder eine andere Lage des Schwerpunktes bestimmt wird. Unter dem Schwerpunkt kann insbesondere der Massenmittelpunkt verstanden werden. Der Schwerpunkt kann auch als Gewichtsschwerpunkt bezeichnet werden. Unter der Lage des Schwerpunktes kann insbesondere eine Koordinate des Schwerpunktes in einem Bezugskoordinatensystem verstanden werden. Das Bezugskoordinatensystem kann an einem festen Punkt des Fahrzeuges, insbesondere in Abhängigkeit vom Fahrzeugaufbau, oder des Untergrundes des Fahrzeuges orientiert sein. Eine in Bezug auf die Fahrzeughochachse des Fahrzeugs horizontale Lage des Schwerpunktes kann insbesondere unabhängig von der Messfahrt in Abhängigkeit von der Symmetrie und/oder weiteren Fahrzeugdaten ermittelt werden. Weiterhin können auch Reaktionskräfte an Lagerstellen, wie z.B. an Radnaben, zur Bestimmung der horizontalen Lage des Schwerpunktes genutzt werden. Vorzugsweise kann die horizontale Lage des Schwerpunktes durch ein stationäres Wiegen des Fahrzeugs vor der Messfahrt bestimmt werden. Insbesondere die Ermittlung der vertikalen Lage des Schwerpunktes bietet daher den Vorteil, eine sonst aufwendig zu ermittelnde Koordinate des Schwerpunktes in einfacher Art und Weise bestimmen zu können.
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Weiterhin kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass beim Bestimmen der zumindest einen Trägheitseigenschaft zumindest ein Trägheitsmoment und/oder ein Trägheitstensor des Fahrzeuges bestimmt wird. Bei dem Trägheitsmoment kann es sich insbesondere um ein Hauptträgheitsmoment oder um ein Deviationsmoment handeln. Der Trägheitstensor kann aus mehreren Trägheitsmomenten gebildet sein, die in Abhängigkeit von dem analytischen Zusammenhang und den dynamischen Zustandsgrößen bestimmt wurden. Auch der Trägheitstensor stellt eine Trägheitseigenschaft des Fahrzeugs dar, welche üblicherweise in aufwendigen Pendelversuchen ermittelt wird. Durch die während der Messfahrt gemessenen dynamischen Zustandsgrößen und den analytischen Zusammenhang kann somit die Ermittlung des Trägheitstensors oder zumindest eines Trägheitsmomentes vereinfacht sein. Insbesondere kann der Trägheitstensor dabei auf ein Koordinatensystem im Schwerpunkt oder auf ein Bezugskoordinatensystem bezogen sein. Insbesondere kann beim Bestimmen des Trägheitstensors aufgrund von Symmetrieeigenschaften des Fahrzeugs vorgesehen sein, dass lediglich ein Deviationsmoment und die Hauptträgheitsmomente bestimmt werden und die übrigen Trägheitsmomente vernachlässigt werden.
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Weiterhin kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass zum Bestimmen der Trägheitseigenschaft des Fahrzeuges eine Fehlerminimierung, insbesondere zwischen den gemessenen, dynamischen Zustandsgrößen basierend auf den Trägheitseigenschaften, durchgeführt wird, vorzugsweise so dass ein verbleibender Restfehler ein Messrauschen umfasst. Vorzugsweise kann die Fehlerminimierung zwischen den gemessenen Kräften und/oder Momenten der Lastsensoreinheit und erwarteten Kräften und/oder Momenten der Inertialmesseinheit und der Trägheitseigenschaft durchgeführt werden. Verbleibende Messfehler können z.B. ein Messrauschen umfassen, welches beim Messen der dynamischen Zustandsgrößen aufgenommen wird. Bei der Fehlerminimierung können die gemessenen dynamischen Zustandsgrößen gefiltert werden und/oder eine mathematische, insbesondere numerische, Optimierung ausgeführt werden. Insbesondere kann ein phasenfreier Filter zur Bestimmung einer Drehbeschleunigung aus den Drehraten verwendet werden. Weiterhin ist es denkbar, dass die Fehlerminimierung für jede der Messgrößen durchgeführt wird oder in den analytischen Zusammenhang integriert ist. Vorzugsweise kann die Fehlerminimierung die Methode der kleinsten Quadrate umfassen und auf den analytischen Zusammenhang angewendet werden.
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Ferner kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass beim Messen der dynamischen Zustandsgrößen während der Messfahrt des Fahrzeuges vorbestimmte Fahrmanöver, vorzugsweise vorbestimmte Lenkbewegungen, des Fahrzeugs durchgeführt werden. Es hat sich herausgestellt, dass bestimmte Fahrmanöver besonders zuverlässige Messergebnisse für die Bestimmung der Trägheitseigenschaft ermöglichen. Insbesondere Lenkbewegungen mit einer Querbeschleunigung von größer oder gleich 4m/s2 können hierzu von Vorteil sein. Sowohl die Lage des Schwerpunktes, als auch der Trägheitstensor können eine höhere Genauigkeit aufweisen, wenn während der Messfahrt Reaktionsmomente des Fahrzeugs angeregt werden, indem z.B. ein Wank- und/oder Rollmoment erzeugt wird. Die Lenkbewegungen können sinusartig ausgeführt werden. Weiterhin können durch das vorbestimmte Fahrmanöver sog. Lenkwinkelrampen und/oder Lenkwinkelsweeps vorgesehen sein. Derartige Fahrmanöver sind häufig ohnehin Teil einer Objektivierung der Fahrdynamik eines Fahrzeuges, so dass diese in einfacher Art und Weise zur Messung der dynamischen Zustandsgrößen genutzt werden können. Durch die Durchführung der vorbestimmten Fahrmanöver kann sich zusätzlich eine einfache Vergleichsmöglichkeit von Messfahrten mit unterschiedlichen Randbedingungen, wie z.B. unterschiedlichen Fahrzeugkonfigurationen oder Streckenbedingungen, und/oder von Fahrzeugtypen ergeben.
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Weiterhin ist es bei einem erfindungsgemäßen Verfahren denkbar, dass das Messen von dynamischen Zustandsgrößen durch zumindest zwei Messeinheiten durchgeführt wird, insbesondere wobei ein gegenseitiges Plausibilisieren für die Messeinheiten erfolgt. Durch einen Vergleich der Messergebnisse können die Messungen plausibilisiert werden. Dadurch kann eine hohe Zuverlässigkeit erreicht werden, insbesondere ohne auf aufwendige Pendelversuche oder dergleichen zurückzugreifen. Die beiden Messeinheiten können vorzugsweise unterschiedliche Messprinzipien aufweisen. Insbesondere können die Messungen als plausibilisiert angenommen werden, wenn beide Messeinheiten die gleichen Messergebnisse zeigen oder die Messergebnisse beider Messeinheiten in einem vorbestimmten Toleranzbereich liegen. Um eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse der beiden Messeinheiten zu erreichen, kann vorgesehen sein, dass einer der Messeinheiten ein Bezugskoordinatensystem zugeordnet wird und ein Koordinatensystem der Messergebnisse der weiteren Messeinheit auf das Bezugskoordinatensystem bezogen wird, insbesondere in das Bezugskoordinatensystem transformiert wird. Zusätzlich oder alternativ kann ein Bezugskoordinatensystem auf den Schwerpunkt des Fahrzeuges bezogen sein. Insbesondere können dabei die Messergebnisse beider Messeinheiten auf das Bezugskoordinatensystem bezogen und/oder in das Bezugskoordinatensystem transformiert werden.
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Es ist ferner bei einem erfindungsgemäßen Verfahren denkbar, dass die dynamischen Zustandsgrößen durch eine Inertialmesseinheit zum Bestimmen zumindest einer Beschleunigung und/oder zumindest einer Drehrate des Fahrzeugs und/oder durch eine Lastsensoreinheit zum Bestimmen zumindest einer Kraft und/oder zumindest eines Momentes des Fahrzeuges an einer Lagerstelle bestimmt werden. Die Inertialmesseinheit und die Lastsensoreinheit können die beiden Messeinheiten zur Plausibilisierung der jeweiligen Ergebnisse darstellen. Vorzugsweise werden dabei durch die Inertialmesseinheit Beschleunigungen und Winkelbeschleunigungen und/oder Drehraten am Fahrzeug und durch die Lastsensoreinheit Kräfte und Momente in Form von Reaktionskräften und Reaktionsmomenten an Lagerstellen des Fahrzeuges gemessen. Vorzugsweise kann ein Koordinatensystem der Lastsensoreinheit in ein Bezugskoordinatensystem der Inertialmesseinheit transformiert werden.
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Weiterhin kann bei einem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhafterweise vorgesehen sein, dass das Verfahren folgenden Schritt aufweist:
- - Bestimmen einer Fahrdynamikregelung und/oder einer Fahrdynamikmodellierung auf Grundlage der Trägheitseigenschaft.
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Somit kann die ermittelte Trägheitseigenschaft direkt in die Fahrdynamikregelung und/oder Fahrdynamikmodellierung eingebunden werden. Unter der Fahrdynamikmodellierung kann z.B. eine Simulation oder ein Rechenmodell verstanden werden, welches einem Fahrassistenzsystem zugrunde gelegt wird. Wenn es sich bei der Messfahrt um einen Normalbetrieb des Fahrzeuges handelt, kann die ermittelte Trägheitseigenschaft direkt zur Fahrdynamikregelung genutzt werden. Dazu können beispielsweise zumindest das Bereitstellen des analytischen Zusammenhangs und das Bestimmen der Trägheitseigenschaft durch eine Kontrolleinheit des Fahrzeugs durchgeführt werden, die auch die Fahrdynamik des Fahrzeugs regelt. Insbesondere kann die Fahrdynamikregelung z.B. eine Anpassung von Dämpfereigenschaften, Trajektoriendaten, Querdynamik und/oder dergleichen umfassen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt der Erfindung ist ein Messsystem zum Bestimmen von Fahrzeugparametern für ein radgetriebenes Fahrzeug, insbesondere für ein Kraftfahrzeug, beansprucht. Das Messsystem weist zumindest eine Messeinheit zum Bestimmen von dynamischen Zustandsgrößen am Fahrzeug während einer Messfahrt des Fahrzeuges und eine Kontrolleinheit zum Ausführen eines erfindungsgemäßen Verfahrens auf.
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Insbesondere weist die Kontrolleinheit mehrere Module auf, die zum Ausführen der Schritte des Verfahrens ausgebildet sind. Vorzugsweise kann die Messeinheit eine Inertialmesseinheit und/oder eine Lastsensoreinheit aufweisen. Die Messeinheit und/oder die Kontrolleinheit können in das Fahrzeug integriert sein. Es ist jedoch ebenfalls denkbar, dass die Messeinheit in einem Untergrund, wie z.B. einer Fahrbahn, für die Messfahrt angeordnet ist. Dadurch können die Reaktionskräfte des Fahrzeugs am Untergrund aufgenommen werden. Die Kontrolleinheit kann ferner in eine zentrale Leitstelle außerhalb des Fahrzeugs integriert sein, um die gemessenen dynamischen Zustandsgrößen zentral auswerten zu können. Dadurch ist es nicht notwendig, Rechen- und/oder Speicherkapazitäten für das Bereitstellen des analytischen Zusammenhangs und/oder für das Bestimmen der Trägheitseigenschaft in das Fahrzeug zu integrieren. Dadurch kann der Versuchsaufbau für das Fahrzeug vereinfacht sein.
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Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung, in der unter Bezugnahme auf die Zeichnungen Ausführungsbeispiele der Erfindung im Einzelnen beschrieben sind. Dabei können die in den Ansprüchen und in der Beschreibung erwähnten Merkmale jeweils einzeln für sich oder in beliebiger Kombination erfindungswesentlich sein. Es zeigen schematisch:
- 1a+b ein erfindungsgemäßes Messsystem bei einem Kraftfahrzeug in einem ersten Ausführungsbeispiel,
- 2 ein erfindungsgemäßes Verfahren, welches durch das erfindungsgemäße Messsystem ausführbar ist, in schematischer Darstellung von Verfahrensschritten,
- 3 Reaktionskräfte an Lagerstellen bei dem erfindungsgemäßen Messsystem,
- 4 ein Bezugskoordinatensystem in dem erfindungsgemäßen Messsystem,
- 5a-c zeitliche Verläufe von dynamischen Zustandsgrößen über die Zeit bei dem erfindungsgemäßen Verfahren.
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In der nachfolgenden Beschreibung zu einigen Ausführungsbeispielen der Erfindung werden für die gleichen technischen Merkmale auch in unterschiedlichen Ausführungsbeispielen die identischen Bezugszeichen verwendet.
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Die 1a und 1b zeigen ein erfindungsgemäßes Messsystem 10, das zumindest teilweise in ein radgetriebenes Fahrzeug 1 in Form eines Kraftfahrzeuges 1 integriert ist, in einem ersten Ausführungsbeispiel. Zum Messen 101 von dynamischen Zustandsgrößen 201 des Fahrzeuges 1 gemäß 2 sind Sensoren einer Lastsensoreinheit 4 an Lagerstellen 2 des Fahrzeuges 1 angeordnet. An den Lagerstellen 2 liegt zumindest ein Teilbereich 1.1 des Fahrzeuges 1 auf. Insbesondere handelt es sich bei den Lagerstellen 2 um Radnaben 2 des Fahrzeugs 1. Durch die Sensoren werden Reaktionskräfte und/oder Reaktionsmomente an den Lagerstellen 2 gemessen, wenn das Fahrzeug 1 eine Messfahrt 200 durchführt. Weiterhin weist das Messsystem 10 eine Inertialmesseinheit 3 auf, durch welche dynamische Zustandsgrößen 201 des Fahrzeugs 1 in Form von Beschleunigungen und/oder Drehraten des Fahrzeugs 1 während der Messfahrt 200 gemessen werden können. Zusätzlich oder alternativ kann die Lastsensoreinheit 4 Sensoren im Untergrund des Fahrzeuges 1 aufweisen, um Reaktionskräfte und/oder Reaktionsmomente zu messen. Weiterhin weist das Messsystem 10 eine Kontrolleinheit 5 auf, die zum Ausführen eines Verfahrens 100 zum Bestimmen von zumindest einem Fahrzeugparameter des Fahrzeuges 1 ausgebildet ist. Die Kontrolleinheit 5 kann in das Fahrzeug 1 integriert sein oder außerhalb des Fahrzeuges 1, z.B. in einer zentralen Leitstelle, angeordnet sein. Vorzugsweise steht die Kontrolleinheit 5 während des Messens 101 der dynamischen Zustandsgrößen 201 des Fahrzeuges 1 mit den Messeinheiten 3, 4 in Datenverbindung.
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2 zeigt das erfindungsgemäße Verfahren 100 in schematischer Darstellung von Verfahrensschritten. Dabei ist das Messen 101 der dynamischen Zustandsgrößen 201 des Fahrzeuges 1 vorgesehen, wobei durch jede der in den 1a und 1b dargestellten Messeinheiten 3, 4 separat dynamische Zustandsgrößen 201 ermittelt werden. Dadurch können die Messungen in einfacher Art und Weise verglichen werden, um Messfehler zu erkennen. Dazu handelt es sich, wie zuvor beschrieben, bei den Messeinheiten 3, 4 um unterschiedliche Messeinheiten. Zumindest das Messen 101 der dynamischen Zustandsgrößen 201 erfolgt im Rahmen des Verfahrens 100 während der Messfahrt 200 des Fahrzeuges 1. Während der Messfahrt 200 können vorzugsweise vorbestimmte Fahrmanöver, insbesondere vorbestimmte Lenkbewegungen, durch das Fahrzeug 1 ausgeführt werden. Dadurch können vorteilhafte Messergebnisse erzielt werden, da dadurch dem Fahrzeug 1 ein charakteristischer und vergleichbarer Verlauf der dynamischen Zustandsgrößen 201 während der Messfahrt 200 aufgeprägt werden kann. Hier haben sich insbesondere vorbestimmte Lenkbewegungen als vorteilhaft herausgestellt, um Fahrzeugparameter zu bestimmen. Es ist ebenfalls denkbar, dass auch die weiteren Schritte des Verfahrens 100 während der Messfahrt 200 durchgeführt werden.
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Weiterhin umfasst das Verfahren 100 ein Bereitstellen 102 eines analytischen Zusammenhangs 210 zwischen den dynamischen Zustandsgrößen 201 und zumindest einer Trägheitseigenschaft 202 des Fahrzeuges 1, die insbesondere ein Trägheitsverhalten des Fahrzeugs 1 beeinflusst. Insbesondere erfolgt das Bereitstellen 102 des analytischen Zusammenhangs 210 für jede der Messeinheiten 3, 4 separat. In Abhängigkeit von dem analytischen Zusammenhang 210 und den dynamischen Zustandsgrößen 201 ist ferner ein Bestimmen 104 der Trägheitseigenschaft 202 vorgesehen. Insbesondere werden mehrere Trägheitseigenschaften 202 des Fahrzeuges 1 dabei bestimmt. Vorzugsweise können ein Trägheitstensor Jij und/oder eine Lage S.1, S.2, S.3 eines Schwerpunktes S des Fahrzeuges 1 als Trägheitseigenschaft 202 bestimmt werden. Die Lagen des Schwerpunktes S sind in 1 gezeigt. Bei der Lage S.1, S.2, S.3 kann es sich um eine in Bezug auf eine Fahrzeughochachse 1.2 horizontale Lage S.1, S.2 handeln oder um eine in Bezug auf die Fahrzeughochachse 1.2 vertikale Lage S.3 des Schwerpunktes S. Insbesondere die Bestimmung der vertikalen Lage S.3 des Schwerpunktes S kann durch das Verfahren 100 besonders vereinfacht sein.
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Der analytische Zusammenhang
210 ergibt sich vorzugsweise aus dem Impulssatz nach
und dem Drehimpulssatz ω̇ = (J
1)
-1 ∑M - (J
1)
-1ω × (J
1ω). Der Impulssatz und der Drehmomentsatz ergeben sich insbesondere aus den Basisgleichungen des Newtonschen Gesetzes F = m · α bzw. M = J
1· α. Hierbei bezeichnet α eine Winkelbeschleunigung und a eine Beschleunigung. Die gemessenen dynamischen Zustandsgrößen
201 umfassen die Kräfte F und Momente M in Vektorschreibweise sowie den Drehvektor ω und den Geschwindigkeitsvektor V. Kräfte F
x, F
z an den Lagerstellen
2 sind in
3 schematisch gezeigt. Aus dem Impulssatz und dem Drehimpulssatz lässt sich somit der Trägheitstensor
J1 des Fahrzeuges
1 bestimmen. Die dynamischen Zustandsgrößen
201 in Form der Beschleunigung des Fahrzeuges
1 können insbesondere aus den durch die Inertialmesseinheit
3 gemessenen dynamischen Zustandsgrößen
201 ermittelt werden, wenn deren Lage um den Hebelarm der Inertialmesseinheit
3 zum Schwerpunkt
S korrigiert wird. Daraus ergibt sich der Beschleunigungsvektor V̇ in Abhängigkeit von der Lage
S.1,
S.2,
S.3 des Schwerpunktes
S bzw. von der vertikalen Lage
S.3 des Schwerpunktes
S, wenn die horizontalen Lagen
S.1,
S.2 vorbestimmt wurden.
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Ferner erfolgt ein Plausibilisieren 103 der Trägheitseigenschaften 202. Dies kann durch einen direkten Vergleich der errechneten Trägheitseigenschaften 202 durchgeführt werden. Vorzugsweise können die Trägheitseigenschaften 202 plausibilisiert werden, indem bereits vor dem Bestimmen 104 der Trägheitseigenschaften 202 ein Vergleich der Messeinheiten 3, 4, beispielsweise anhand des Impulssatzes, erfolgt. Dazu können anhand der durch die Inertialmesseinheit 3 ermittelten Beschleunigungen Kräfte und Momente ermittelt werden, die mit den Kräften und Momenten der Lastsensoreinheit 4 übereinstimmen sollen. Da der Ortsvektor von der Lastsensoreinheit 4 zur Inertialmesseinheit 3 bekannt ist, kann hierüber die jeweilige Relativposition der Messeinheiten 3, 4 zum Schwerpunkt S des Fahrzeuges bestimmt werden. Dies ist in 4 dargestellt, wonach die Lage des Koordinatensystems K3 der Inertialmesseinheit 3 zum Koordinatensystem K4 der Lastsensoreinheit 4 anhand der baulichen Abmaße bestimmt werden kann. Da beide Messgrößen jedoch von der Lage S.1, S.2, S.3 des Schwerpunktes S abhängen, ist unter Berücksichtigung der Koordinatensysteme K3, K4 die Plausibilisierung 103 möglich.
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In den 5a und 5b sind dynamische Zustandsgrößen 201 in Form von Auflagerkräften Fx, Fy, Fz und Auflagermomenten Mx, My, Mz während einer Messfahrt 200 an einer der Lagerstellen 2 über eine Zeit t gezeigt. Die gemessenen und/oder errechneten Auflagerkräfte Fx, Fy, Fz und Auflagermomente Mx, My, Mz sind innerhalb eines Toleranzbereiches für die Messeinheiten 3, 4 gleich. Insbesondere können die Auflagerkräfte Fx, Fy, Fz und Auflagermomente Mx, My, Mz dabei jeweils für alle Lagerstellen 2 unterschiedlich sein und vorzugsweise für alle Räder des Fahrzeuges 1 separat gemessen werden, wie in 3 gezeigt. Bei den Momenten Mx, My, Mz kann es sich insbesondere um Drehmomente um die jeweilige Achse handeln, in welcher die entsprechende Kraft Fx, Fy, Fz verläuft. 5c zeigt ferner exemplarisch Beschleunigungen ax, ay, az des Fahrzeuges 1, d.h. insbesondere dynamische Zustandsgrößen 201, die durch die Inertialmesseinheit 3 aufgenommen werden können. Bei den Beschleunigungen ax, ay, az des Fahrzeuges 1 kann es sich beispielsweise um die Längs-, Quer-, und Vertikalbeschleunigung des Fahrzeuges 1 handeln. Ein Vergleich mit den dynamischen Zustandsgrößen der 5a und 5b zeigt hier ähnliche Verläufe. Dies kann zur Plausibilisierung 103 und/oder zur Fehlerminimierung genutzt werden. Weitere dynamische Zustandsgrößen 201, die durch die Inertialmesseinheit 3 gemessen werden, können z.B. einen Nickwinkel und/oder einen Wankwinkel des Fahrzeuges 1 über die Zeit t umfassen. Insbesondere können deren Verläufe den Verläufen der Auflagermomente ähneln.
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Auf Grundlage der Trägheitseigenschaft 202 erfolgt im Rahmen des Verfahrens 100 vorzugsweise ein Bestimmen 105 einer Fahrdynamikregelung 211 und/oder einer Fahrdynamikmodellierung 212. Insbesondere kann die Fahrdynamik des Fahrzeugs 1 durch die Kontrolleinheit 5 geregelt werden. So kann die Fahrdynamikregelung 211 eine Anpassung von Dämpfereigenschaften, Querdynamik, Trajektoriendaten und/oder dergleichen umfassen. Durch die Fahrdynamikmodellierung 212 kann die Fahrdynamik des Fahrzeugs 1 z.B. simuliert werden, um Optimierungen vorzunehmen oder darauf basierend die Fahrdynamikregelung 211 zu entwerfen oder anzupassen.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug
- 1.1
- Teilbereich von 1
- 1.2
- Fahrzeughochachse
- 2
- Lagerstelle
- 3
- Messeinheit, insbesondere Inertialmesseinheit
- 4
- Messeinheit, insbesondere Lastsensoreinheit
- 5
- Kontrolleinheit
- 10
- Messsystem
- 100
- Verfahren
- 101
- Bestimmen von 201
- 102
- Bereitstellen von 210
- 103
- Plausibilisieren
- 104
- Bestimmen von 202
- 105
- Bestimmen von 211
- 200
- Messfahrt von 1
- 201
- dynamischen Zustandsgrößen
- 202
- Trägheitseigenschaft
- 210
- analytischer Zusammenhang
- 211
- Fahrdynamikregelung
- 212
- Fahrdynamikmodellierung
- g
- Erdbeschleunigung
- K3
- Koordinatensystem für 3
- K4
- Koordinatensystem für 4
- J1
- Trägheitstensor
- Jij
- Trägheitsmoment
- S
- Schwerpunkt
- S.1, S.2
- horizontale Schwerpunktlagen
- S.3
- vertikale Schwerpunktlage
- t
- Zeit
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012101705 B4 [0004]