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Die vorliegende Erfindung betrifft Verfahren und Computerprogrammprodukte zum Bestimmen von Positionen einer Formmassenfront, insbesondere einer Schmelzefront, während eines mit einer Formgebungsmaschine durchzuführenden Prozesses, insbesondere eines Spritzgießprozesses. Die Erfindung betrifft des Weiteren ein Verfahren und ein Computerprogrammprodukt zum Abgleichen einer Simulation eines mit einer Formgebungsmaschine durchzuführenden Prozesses mit einem real durchgeführten Prozess.
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Im Sinne der Erfindung werden Prozesse betrachtet, die mit einer Formgebungsmaschine durchzuführen sind. Ein wichtiges Beispiel solcher Prozesse sind Formgebungsprozesse, mit denen Formteile hergestellt werden. Insbesondere fallen darunter Spritzgießprozesse.
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Andere Prozesse, die Gegenstand der Erfindung sind, wären beispielsweise Massepolsterversuche, um ein Verhalten einer Formmasse, insbesondere einer Spritzgießmasse (also insbesondere plastifizierter thermoplastischer Kunststoff), zu untersuchen, oder Ausspritzversuche, wobei die Formmasse ins Freie ausgespritzt wird.
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Unter Formgebungsmaschinen können Spritzgießmaschinen, Spritzpressen, Pressen und dergleichen verstanden werden.
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Im Folgenden wird der Stand der Technik anhand von Spritzgießprozessen beschrieben. Analoge Aussagen und Schlussfolgerungen gelten aber auch für allgemeine Formgebungsprozesse.
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In der
EP 2583811 A1 wird ein Verfahren offenbart, um einen Spritzgießprozess so stabil wie möglich zu betreiben. Dafür werden Prozessschwankungen, also Schwankungen, die im realen Formgebungsprozess von Zyklus zu Zyklus auftreten, quantifiziert und können so kompensiert werden. Die Bestimmung von Positionen einer Schmelzefront oder das Angleichen (oder auch nur das Durchführen) einer Simulation an den realen Formgebungsprozess sind nicht Gegenstand der
EP 2583811 A1 .
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Unabhängig von der Problematik des stabilen Betreibens eines Formgebungsprozesses über viele Zyklen hinweg, muss der Formgebungsprozess natürlich zunächst einmal eingestellt werden, was auch als Einrichten bezeichnet wird.
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Beim Einrichten eines Spritzgießprozesses müssen verschiedenste Einstellungen der Spritzgießmaschine vorgenommen werden, um einen Formgebungsprozess zu erzielen, der Formteile produziert, die den jeweiligen Qualitätsanforderungen genügen. Eine der Einstellungen, die vorgenommen werden müssen, ist das Einspritzprofil, d.h. das Bewegungs- und/oder Kraftprofil, welches ein Aktuator, meist in Form einer Plastifizierschnecke, abfährt, um die Formmasse zum Herstellen des Formteils in die zumindest eine Formkavität zu verbringen.
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Diese kann beispielsweise so gewählt werden, dass sich eine möglichst konstante Geschwindigkeit ergibt, mit welcher die Schmelzefront die zumindest eine Formkavität füllt, insbesondere um innere Spannungen im fertigen Formteil zu vermeiden.
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Es ist daher offensichtlich, dass es vorteilhaft ist, wenn die Füllung der Formkavität nachverfolgt werden kann, d.h. wenn herausgefunden werden kann, zu welchem Zeitpunkt sich die Formmassenfront wo in der Kavität befindet.
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Dieses Ziel haben sich die Veröffentlichungen
WO 2016/177512 A1 und
WO 2016/177513 A1 gesetzt.
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Nachteilig ist dabei jedoch, dass auf sogenannte Ereignisse und Ereignismuster zurückgegriffen werden muss, wobei es sich letztlich um gewisse Merkmale eines Druckverlaufs in der Formmasse während des Einspritzens handelt. Wie bereits den Figuren dieser beiden Offenbarungen anzusehen ist, wird es in der Praxis sehr schwierig sein, diese Merkmale des Druckverlaufs zuverlässig und automatisch im Rahmen einer Datenauswertung zu erfassen. Kleine Knicke im Druckverlauf, wie sie aufgrund der Geometrie der Formkavität auftreten, sind schon mit dem menschlichen Auge nur bei genauem Hinsehen zu identifizieren. Eine automatische Implementierung zur Erfassung solcher Merkmale bei einer Serienmaschine trifft daher in der Praxis auf unüberwindbare Hindernisse.
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Ein anderer Ansatz zum Einrichten des Formgebungsprozesses ist es, die Simulation so anzupassen, dass sie den realen Formgebungsprozess möglichst realistisch abbildet, wofür die
US 2002188375 A1 Simulationen an Messergebnisse aus dem realen Formgebungsprozess mit dem Simulationsergebnis abgleicht. Allerdings geschieht dieses Abgleichen durch einen Bediener, was im Sinne der Automatisierung und der Reproduzierbarkeit natürlich nicht vorteilhaft ist. Insbesondere lassen sich dadurch Ungenauigkeiten nicht erfassen, die für das menschliche Auge nicht offensichtlich sind.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, Verfahren und Computerprogrammprodukte bereitzustellen, womit eine zuverlässige und reproduzierbare Bestimmung der Positionen der Formmassenfront möglich ist. Analog dazu soll in einer weiteren Ausprägung der Erfindung eine Simulation zuverlässig und reproduzierbar an den realen Prozess angepasst werden können.
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Hinsichtlich der Verfahren wird dies einerseits mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Dies geschieht, indem
- - im Rahmen einer Simulation des Prozesses zumindest ein Simulationsverlauf zumindest einer für den Prozess charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, berechnet wird,
- - Positionen einer simulierten Formmassenfront aus der Simulation bestimmt werden,
- - der reale Prozess durchgeführt wird, wobei zumindest ein Messverlauf der zumindest einen charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, direkt oder indirekt gemessen wird,
- - zumindest eine Transformation gewählt wird, welche zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Simulationsverlauf angewendet wird, sodass zumindest ein transformierter Simulationsverlauf entsteht,
- - zumindest ein Parameterwert für den zumindest einen Parameter so bestimmt wird, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Messverlauf und dem zumindest einen transformierten Simulationsverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Positionen der realen Formmassenfront bestimmt werden, indem die zumindest eine Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf die Positionen der simulierten Formmassenfront angewendet wird.
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Andererseits geschieht dies mit einem Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 2, nämlich indem
- - im Rahmen einer Simulation des Prozesses zumindest ein Simulationsverlauf zumindest einer für den Prozess charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, berechnet wird,
- - Positionen einer simulierten Formmassenfront aus der Simulation bestimmt werden,
- - der reale Prozess durchgeführt wird, wobei zumindest ein Messverlauf der zumindest einen charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, direkt oder indirekt gemessen wird,
- - zumindest eine Transformation gewählt wird, welche zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Messverlauf angewendet wird, sodass zumindest ein transformierter Messverlauf entsteht,
- - zumindest ein Parameterwert für den zumindest einen Parameter so bestimmt wird, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Simulationsverlauf und dem zumindest einen transformierten Messverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Positionen der realen Formmassenfront bestimmt werden, indem zumindest eine Inverse der zumindest einen Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf die Positionen der simulierten Formmassenfront angewendet wird.
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Hinsichtlich der Computerprogrammprodukte wird die Aufgabe einerseits durch die Merkmale des Anspruchs 13 gelöst, nämlich durch Befehle die einen ausführenden Computer dazu veranlassen,
- - zumindest einen Simulationsverlauf zumindest einer für den Prozess charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, im Rahmen einer Simulation zu berechnen oder von einer separaten Simulation entgegenzunehmen,
- - Positionen einer simulierten Formmassenfront aus der Simulation zu bestimmen oder von der separaten Simulation entgegenzunehmen,
- - zumindest einen Messverlauf der zumindest einen charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, aus dem realen Prozess entgegenzunehmen,
- - zumindest eine Transformation zu wählen oder eine Eingabe dahingehend entgegenzunehmen, welche zumindest eine Transformation zu wählen ist, wobei die zumindest einen Transformation zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Simulationsverlauf anzuwenden, sodass zumindest ein transformierter Simulationsverlauf entsteht,
- - zumindest einen Parameterwert für den zumindest einen Parameter so zu bestimmen, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Messverlauf und dem zumindest einen transformierten Simulationsverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Positionen der realen Formmassenfront zu bestimmen, indem die zumindest eine Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf die Positionen der simulierten Formmassenfront angewendet wird, und die Positionen der realen Formmassenfront auszugeben.
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Andererseits wird die Aufgabe mit einem Computerprogrammprodukt gemäß Anspruch 14 gelöst, welches Befehle aufweist, die einen ausführenden Computer dazu veranlassen,
- - zumindest einen Simulationsverlauf zumindest einer für den Prozess charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, im Rahmen einer Simulation zu berechnen oder von einer separaten Simulation entgegenzunehmen,
- - Positionen einer simulierten Formmassenfront aus der Simulation zu bestimmen oder von der separaten Simulation entgegenzunehmen,
- - zumindest einen Messverlauf der zumindest einen charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, aus dem realen Prozess entgegenzunehmen,
- - zumindest eine Transformation zu wählen oder eine Eingabe dahingehend entgegenzunehmen, welche zumindest eine Transformation zu wählen ist, wobei die zumindest eine Transformation zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Messverlauf anzuwenden, sodass zumindest ein transformierter Messverlauf entsteht,
- - zumindest einen Parameterwert für den zumindest einen Parameter so zu bestimmen, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Simulationsverlauf und dem zumindest einen transformierten Messverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Positionen der realen Formmassenfront zu bestimmen, indem zumindest eine Inverse der zumindest einen Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf die Positionen der simulierten Formmassenfront angewendet wird, und die Positionen der realen Formmassenfront auszugeben.
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In Hinblick auf die weitere Ausprägung der Erfindung wird die Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 15 gelöst, indem
- - im Rahmen einer Simulation des Prozesses ein Simulationsverlauf einer für den Spritzgießvorgang charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, berechnet wird,
- - der reale Prozess durchgeführt wird, wobei zumindest ein Messverlauf der charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, direkt oder indirekt gemessen wird,
- - zumindest eine Transformation gewählt wird, die zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Simulationsverlauf oder den zumindest einen Messverlauf angewendet wird, sodass zumindest ein transformierter Simulationsverlauf oder zumindest ein transformierter Messverlauf entsteht,
- - zumindest ein Parameterwert für den zumindest einen Parameter so bestimmt wird, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Messverlauf und dem zumindest einen transformierten Simulationsverlauf oder dem zumindest einen Simulationsverlauf und dem zumindest einen transformierten Messverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Simulation auf Basis von oder mit dem zumindest einen bestimmten Parameterwert, insbesondere auf Basis der zumindest einen Transformation oder zumindest einer Inversen der zumindest einen Transformation, geändert und erneut durchgeführt wird.
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Durch das Anwenden der Transformation oder der Inversen der Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf die Positionen der Formmassenfront können erfindungsgemäß die realen Positionen der Formmassenfront bestimmt oder zumindest näherungsweise bestimmt werden. Dadurch werden Informationen über den zeitlichen Verlauf der Formmassenfront während des Prozesses generiert.
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In Hinblick auf die weitere Ausprägung der Erfindung wird die Aufgabe durch ein Computerprogrammprodukt mit den Merkmalen des Anspruchs 25 gelöst. Dies geschieht durch Befehle, die einen ausführenden Computer dazu veranlassen,
- - zumindest einen Simulationsverlauf zumindest einer für den Prozess charakteristischen Größe, insbesondere ein simulierter Druckverlauf, im Rahmen einer Simulation zu berechnen oder von einer separaten Simulation entgegenzunehmen,
- - zumindest einen Messverlauf der zumindest einen charakteristischen Größe, insbesondere ein gemessener Druckverlauf, aus dem realen Prozess entgegenzunehmen,
- - zumindest eine Transformation zu wählen oder eine Eingabe dahingehend entgegenzunehmen, welche zumindest eine Transformation zu wählen ist, wobei die zumindest eine Transformation zumindest einen Parameter aufweist,
- - die zumindest eine Transformation zumindest einmal auf den zumindest einen Simulationsverlauf oder den zumindest einen Messverlauf anzuwenden, sodass zumindest ein transformierter Simulationsverlauf oder zumindest ein transformierter Messverlauf entsteht,
- - zumindest einen Parameterwert für den zumindest einen Parameter so zu bestimmen, dass eine Abweichung zwischen dem zumindest einen Messverlauf und dem zumindest einen transformierten Simulationsverlauf oder zwischen dem zumindest einen Simulationsverlauf und dem zumindest einen transformierten Messverlauf gemäß einem vorherbestimmten Fehlermaß minimiert ist, und
- - die Simulation einerseits auf Basis von oder mit dem zumindest einen bestimmten Parameterwert, insbesondere auf Basis der zumindest einen Transformation oder zumindest einer Inversen der zumindest einen Transformation, zu ändern und erneut durchzuführen.
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Im Rahmen der Erfindung können jeweils ein einziges Exemplar oder mehrere Exemplare der verschiedenen realen oder virtuellen Objekte und insbesondere der folgenden betrachtet / verwendet werden: der zumindest eine Simulationsverlauf, der zumindest eine Messverlauf, die zumindest eine Transformation, der zumindest eine Parameter, der zumindest eine transformierte Simulationsverlauf, der zumindest eine transformierte Messverlauf, der zumindest eine Parameterwert, die zumindest eine Inverse der zumindest einen Transformation.
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Für eine leichtere Lesbarkeit der Beschreibung wird im Folgenden teilweise auf diese Objekte im Singular (bspw. die Transformation) und teilweise im Plural (bspw. die Transformationen) Bezug genommen. Die Beschreibung soll aber so verstanden werden, dass jeweils Singular und Plural gemeint sind.
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Die Erfindung kann sowohl durch Anwenden der Transformation auf den Simulationsverlauf als auch durch Anwenden der Transformation auf den Messverlauf realisiert werden, wobei in letzterem Fall die Inverse der Transformation zu verwenden ist, um die tatsächlichen Positionen der Formmassenfront zu berechnen. Ähnliches gilt für die Ausprägung der Erfindung in Bezug auf das Ändern und erneute Durchführen der Simulation.
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Erfindungsgemäß wird bei allen Ausprägungen der Erfindung durch das Bestimmen des zumindest einen Parameterwerts eine der Transformation entsprechende Abweichung zwischen dem Simulationsergebnis und dem Messverlauf quantifiziert, d.h. der bestimmte zumindest eine Parameterwert gibt das Ausmaß der Abweichung an.
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Dadurch dass bei dieser Quantifizierung nur auf relativ leicht implementierbare Maßnahmen (Transformation, Fehlerminimierung, Fehlermaß) zurückgegriffen wird, wird der erfindungsgemäße Effekt einer zuverlässigen und reproduzierbaren Bestimmung der Positionen der Formmassenfront oder Anpassung der Simulation an den realen Prozess erreicht.
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Selbstverständlich können die verschiedenen Ausprägungen der Erfindung miteinander kombiniert werden.
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Alternativ zur Verwendung eines mathematischen Fehlermaßes kann die Minimierung der Abweichung gemäß einer Bedienereingabe durchgeführt werden. D.h. die Abweichung zwischen (transformiertem) Messverlauf und (transformiertem) Simulationsverlauf kann für einen Bediener visuell dargestellt werden, der dann den zumindest einen Parameterwert der zumindest einen Transformation so wählt, dass die Abweichung nach Einschätzung des Bedieners minimiert ist.
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Beispielsweise bei einem Spritzgießprozess kann das Einspritzprofil durch die Erfindung so angepasst werden, dass die Formmassenfront bestimmte Eigenschaften aufweist. Eine konstante Formmassenfrontgeschwindigkeit wäre ein Beispiel. Außerdem können Kernzüge die während des Einspritzvorgangs betätigt werden, besser eingestellt werden.
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Fehler am Formteil können so besser zu Aktorpositionen zugeordnet werden, was bei der Prozessoptimierung hilfreich sein kann. Bei der Durchführung von Füllstudien kann die Visualisierung der Formmassenfront hilfreich sein, um ein Mindestmaß der Füllung abzuschätzen (Auswerferstifte) oder es kann gezielt ein bestimmter Füllgrad eingestellt werden.
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Unter Simulationen im Sinne der Erfindung sind Computersimulationen zu verstehen, die mittels eines mathematischen Modells physikalische und/oder chemische Vorgänge nachbilden, die beim zu betrachtenden Prozess auftreten. Es bestehen im Sinne der Erfindung aber keine Beschränkungen, wie einfach oder komplex diese Modelle zu sein haben. D.h. es bestehen keine prinzipiellen Einschränkungen dahingehend, wie „realistisch“ oder genau die Simulationen die Realität abbilden. Insbesondere können die Simulationen - neben der ohnehin vorhandenen Berechnungsungenauigkeit - Näherungen und analytische Teilberechnungen aufweisen.
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Ebenso wenig müssen die Simulationen den gesamten Prozess abbilden. Insbesondere bei Spritzgießprozessen kann beispielsweise nur der Füllvorgang (Einspritzvorgang) simuliert werden. Natürlich ist es ebenso denkbar, auch den im Wesentlichen vollständigen Prozess zu simulieren, in den beispielsweise auch das Maschinenverhalten inkludiert sein kann.
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Es ist ein Vorteil der Erfindung, dass auch Abweichungen zwischen Simulation und realem Prozess erkannt und/oder kompensiert werden können, die durch Simulieren nur eines Teilprozesses des Prozesses entstehen.
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Bei Bezugnahmen auf Positionen der realen Formmassenfront oder den realen Prozess ist darunter nicht zu verstehen, dass die Positionen oder andere Simulationsergebnisse exakt der Wirklichkeit entsprechen sollen, weil dies aufgrund von stets vorhandenen Ungenauigkeiten aus Messungen und Näherungen natürlich unmöglich wäre. Vielmehr sind der reale Prozess und die reale Formmassenfront im Gegensatz zu den virtuellen oder simulierten Formgebungsprozessen und Formmassenfronten zu sehen, die im Rahmen der (Computer-)Simulation virtuell berechnet werden. Gemeint sind also der „echte“ Prozess und die „echte“ Formmassenfront und deren näherungsweise Berechnung.
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Die Formmassenfront ist als jene Grenzfläche zu verstehen, die sich zwischen der Formmasse während der Bewegung in die Formkavität und dem zuvor in der Formkavität vorhandenen Medium oder Vakuum ergibt.
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Die Formmasse kann bevorzugt ein thermoplastischer Kunststoff sein, wobei der Formgebungsprozess dann ein Spritzgießprozess ist. Bei Spritzgießprozessen können aber durchaus Zusätze, wie Fasern, Gase oder Pulver, als Beladungen zum Kunststoff hinzugeben werden.
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Grundsätzlich können die verschiedenen Ausprägungen der Erfindung (Fließfront oder Formmassenfront Bestimmen oder Abgleich der Simulation) für jeden Prozess verwendet werden, für den die entsprechende Simulationsvariante vorhanden ist. Darunter fallen beispielsweise Schäumverfahren, Mehrkomponentenspritzguss, Duroplast, Silikon, Elastomer, Coinjektion, Spritzprägen, variotherme Temperierung, reaktive Verfahren und dergleichen.
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Der für den Prozess charakteristische Parameter kann insbesondere für einen Teilprozess des Formgebungsprozess charakteristisch sein. Beim Beispiel eines Spritzgießprozesses kann es sich beispielsweise um einen für den Einspritzvorgang charakteristischen Parameter handeln.
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Die Positionen der Formmassefront sind als jene Positionen zu verstehen, die sich beim realen Prozess in zeitlicher Abfolge beispielsweise beim sukzessiven Befüllen der Formgebungskavität ergeben. Die erfindungsgemäße Simulation kann natürlich auch die Struktur der Formmassenfront - also beispielsweise die räumliche Form der Formmassenfront-erfassen. Im Sinne der Erfindung können die Positionen der Formmassenfronten aber schon in Form einer einzigen Position pro Zeitpunkt (oder einem dem jeweiligen Zeitpunkt entsprechenden anderen Parameter) angegeben werden und zwar unabhängig davon, ob die Simulation in 1, 2 oder mehr Raumdimensionen durchgeführt wird.
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Bei der Ausprägung der Erfindung nach den Ansprüchen 1, 2, 13 und 14 muss prinzipiell nur eine einzige Simulation durchgeführt werden, um die Positionen der Formmassenfronten zu bestimmen. Natürlich können auch hier mehrere Simulationen durchgeführt werden. Für eine einfachere Lesbarkeit werden „Simulation“ und „Simulationen“ austauschbar verwendet.
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Durch das Anwenden der Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert (oder der Inversen, wenn die Transformation auf den Messverlauf angewendet wird) auf die Positionen der simulierten Formmassenfront können die Positionen der realen Formmassenfront erfindungsgemäß bestimmt werden, weil die Abweichungen zwischen dem realen Prozess und dem simulierten Prozess durch den bestimmten zumindest einen Parameterwert im Zusammenspiel mit der Transformation erfindungsgemäß quantifiziert wurden.
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Die Anwendung von Simulationssoftware, sei es zur Auslegung von Kunststoffartikeln und dazugehörigen Werkzeugen, der Fehlerbehebung oder der Optimierung von Prozessen im Bereich des Spritzgießens und damit verbundenen anderen Verfahren, wird seit Jahren immer mehr und wird sich auch in Zukunft weiter steigern.
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Neben den vielen Vorteilen die Simulationen mit sich bringen (z.B. Kostenersparnis beim Werkzeugbau, da Fehler/Probleme im Vorhinein schon behoben werden können oder der Zeitersparnis bei der Fehlersuche bei einem bestehenden Werkzeug) muss man beachten, dass eine Simulation die Realität nur zum Teil richtig abbilden kann. Umso genauer die Simulationsmodelle (Geometrie, Materialmodelle, Start- und Randbedingungen etc.) dabei gestaltet werden, umso besser können sie auch die Realität wiedergeben. Daher besteht das Ziel darin immer die Simulation so genau wie möglich zu modellieren, damit man mit den berechneten Simulationswerten so nahe wie möglich an die Messwerte eines realen Prozesses gelangt.
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Das ist leider nicht immer möglich, da z.B. gewisse Geometrien (Heißkanal, Düse, Schneckenvorraum) und Einstellungen bzw. Informationen (Massetemperatur, Reibungsverluste, Kompressionsentlastung, Verhalten der Rückstromsperre etc.) von und an der Maschine etc. nicht vorhanden sind und zum Beispiel Materialmodelle, die in den Simulationen verwendet werden, nicht zu 100 % richtig das reale Materialverhalten abbilden (Materialien auch des gleichen Typs unterscheiden sich von Charge zu Charge oder Materialparameter sind für ein bestimmtes Material nicht in der Simulation hinterlegt).
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Daher wird es bei den Ergebnissen einer durchgeführten Simulation, welche mit bereits vorhandenen Daten, Wissen und Einstellungen modelliert wurde, im Normalfall zu Abweichungen zum realen Prozess kommen.
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Sind die Ergebnisse (d.h. der für den Prozess charakteristische Parameter, wie bspw. Drücke, Temperaturen etc.) von Simulation und realem Prozess vorhanden, werden die Simulationsergebnisse gemäß der zweiten Ausprägung der Erfindung abgeglichen. Das bedeutet, dass man versucht das Simulationsmodell so anzupassen, dass bei einer erneuten Durchführung der veränderten Simulationen die gleichen (oder zumindest angenäherte) Ergebnisse wie im realen Prozess erhalten werden. Das kann z.B. geschehen indem man Einspritzprofile, Massetemperaturen, Materialmodelle, Geometrien etc. im Simulationsmodell verändert. Wie man bemerkt, können sehr viele Parameter für einen Abgleich von Simulation und realem Prozess angepasst werden. Das Problem in diesem Fall ist, dass nicht bekannt ist welche Parameter in welcher Höhe angepasst werden müssen, damit ein ausreichender Abgleich erhalten wird. Insbesondere mit dem freien Auge des Bedieners, wie dies im Stand der Technik vorgesehen ist, erhält man dabei natürlich ungenaue und nicht reproduzierbare Ergebnisse.
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Bis heute ist es üblich, dass in diesem Fall z.B. Parameterstudien mit sehr vielen verschiedenen Varianten unterschiedlicher Parameterkombinationen mit sich verändernden Werten durchgeführt werden. Mit Zufall bzw. auch gewisser Systematik kann dann mit einer bestimmen Parameterkombination ein Abgleich erreicht werden. Der Nachteil hierbei ist, dass sehr viele Simulation durchgeführt werden müssen, bis ein ausreichender Abgleich erzielt werden kann, und zusätzlich ist es schwierig eine Aussage darüber treffen zu können, warum welche Parameter in welcher Höhe in der Simulation für den Abgleich verändert werden mussten.
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Die Verbesserung dieser Problematik ist eine weitere Leistung der Erfindung in der weiteren Ausprägung der Erfindung.
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Durch das Anwenden von Transformationen, welche die jeweiligen Abweichungen zwischen Simulation und realem Prozess (nach Minimierung des Fehlermaßes) quantifizieren, und die Simulation auf den realen Prozess transformieren und die dementsprechende Rückführung von den gefundenen Transformationsparametern zurück in die Simulation kann der Abgleich effektiv(er) durchgeführt werden, weil durch die Wahl und Ermittlung der Werte der benötigen Parameter auf die benötigten Änderungen im Simulationsmodell geschlossen werden kann.
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Durch das Minimieren des Fehlermaßes werden zuerst die Transformationsparameter für das Abbilden des Simulationsverlaufs auf den Messverlauf berechnet. Bevor also noch zusätzliche Parameterstudien nach dem Trial & Error Verfahren durchgeführt werden müssen, um die richtigen Parametereinstellungen der Simulation zu finden, kann man auf einen Schlag mithilfe der Transformationsparameter die Simulation im nächstfolgenden Schritt dementsprechend anpassen und muss nicht unzählige Simulationen starten. Das spart Zeit und Aufwand und man kann durch die eingesetzten Transformationen genaue Aussagen darüber treffen, was in der Simulation im Vergleich zum realen Prozess nicht richtig abgebildet wurde.
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Durch das Wissen der bestimmten Parameterwerte können z.B. Materialmodelle bzw. die dazugehörigen Materialparameter im Simulationsmodell verändert werden. Das ist ein großer Vorteil, da erstens von vielen Materialien keine ausreichenden Materialparameterdaten vorhanden sind und zweites sich Materialdaten von einem Materialtyp von Charge zu Charge unterscheiden können. Durch ein Anpassen des Materialmodells kann diese Abweichung effektiv ausgeglichen werden.
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Oft sind Daten des Totvolumens bei einem Simulationsmodell nicht modelliert oder es können die Auswirkungen des Totvolumens nicht richtig bestimmt werden, da die hierfür benötigten Daten nicht vorhanden oder nur unvollständig vorhanden sind. Mit den richtigen Transformationen können auch diese Abweichungen zwischen Simulation und realem Prozess quantifiziert und dann dementsprechend die Simulation abgeglichen werden.
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Ein zusätzlicher großer Vorteil der Erfindung ist, dass durch die Transformation des Simulationsverlaufs auf einen Messverlauf, die Fließfront sich in beiden Kurven an der gleichen Stelle bei der gleichen Schneckenposition befindet. Hierzu muss keine Rückführung der Transformationsparameter in das Simulationsmodell stattfinden. Somit ist eine Zuordnung von Füllbildern aus der Simulation über der virtuellen Schneckenposition auf die reale Schneckenposition möglich und es kann eine Visualisierung der Fließfront bezogen auf die realen Schneckenposition mittels der simulierten Füllbilder auf der Steuerung durchgeführt werden.
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Zusätzlich zur Visualisierung der Fließfront können auch die berechneten Größen aus der Simulation angezeigt werden (Einspritzen, Nachdruck, Abkühlverhalten, Verzug etc.).
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Schutz begehrt wird ebenfalls für eine Formgebungsmaschine, welche zum Durchführen der erfindungsgemäßen Verfahren eingerichtet ist.
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Hierfür können verschiedene Sensoren vorhanden sein, um die für den Prozess charakteristischen Parameter und ggf. weitere Parameter zu messen. Diese können mit einer zentralen Maschinensteuerung der Formgebungsmaschine verbunden oder verbindbar sein. Auf dieser Maschinensteuerung können die erfindungsgemäßen Verfahren softwaretechnisch implementiert sein, d.h. die zentrale Maschinensteuerung kann den Computer darstellen, worauf die erfindungsgemäßen Computerprogrammprodukte zur Ausführung gebracht werden können.
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Der ausführende Computer kann alternativ auch fern von der Formgebungsmaschine angeordnet sein und über eine Datenfernübertragungsverbindung mit verschiedenen Elementen der Formgebungsmaschine in Verbindung stehen, bspw. in Form eines so angebundenen Computer-Servers. Letztlich kann der Computer auch durch verteiltes Rechnen realisiert sein, d.h. die Funktionen der Steuer- und/oder Regeleinheit sind dann durch eine Vielzahl von Rechenprozessen realisiert, die an verschiedenen Computern unabhängig von der Position der Formgebungsmaschine laufen können.
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Wie bereits erwähnt, können unter Formgebungsmaschinen Spritzgießmaschinen, Spritzpressen, Pressen und dergleichen verstanden werden.
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In einer besonders bevorzugten Ausführungsform ist die automatische Durchführung der erfindungsgemäßen Verfahren vorgesehen oder, anders ausgedrückt, sind die erfindungsgemäßen Computerprogrammprodukte zum automatischen Durchführen der entsprechenden Befehle konzipiert. Aber auch eine manuelle oder teilautomatisierte Realisierung der Erfindung ist natürlich denkbar.
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Der mit der Formgebungsmaschine durchzuführende Prozess kann eine Schmelzefront beinhalten, die sich teilt oder geteilt ist. Auch ein Aufeinandertreffen der geteilten Schmelzefronten kann vorgesehen sein.
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Die Simulation kann aus Teilsimulationen bestehen oder es können für ein Simulationsergebnis mehrere Simulationen des physikalischen und/oder chemischen Prozesses durchgeführt werden, deren Ergebnisse kombiniert werden können.
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Im Rahmen der Erfindung können eine oder mehrere Transformationen verwendet werden. Diese können hintereinander oder kombiniert angewendet werden. Insbesondere kann die erfindungsgemäße Minimierung des Fehlermaßes zwischen verschiedenen Transformationen oder nach dem Anwenden aller Transformationen angewendet werden. D.h. die Minimierung des Fehlermaßes kann in den erfindungsgemäßen Verfahren einmal oder mehrere Male durchgeführt werden.
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Wenn mehr als eine Minimierung des Fehlermaßes durchgeführt wird, kann ein einziges Fehlermaß verwendet werden oder es können andere Fehlermaße pro Minimierung verwendet werden. Analoges gilt für das vorgegebene Kriterium aus Anspruch 16.
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Natürlich kann die Abweichung zwischen dem Messverlauf und dem transformierten Simulationsverlauf oder die Abweichung zwischen dem Simulationsverlauf und dem transformierten Messverlauf mehrere Male gebildet und die Minimierung des Fehlermaßes dementsprechend mehrere Male durchgeführt werden.
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Weitere vorteilhafte Ausführungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen definiert.
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Besonders bevorzugt kann es vorgesehen sein, dass die Positionen der realen Formmassenfront an einer Visualisierungseinheit einer Formgebungsmaschine, mittels welcher der Prozess durchgeführt wurde, oder an einer separaten Visualisierungseinheit angezeigt werden. Dadurch kann ein für eine Bedienperson leicht zugängliches Bild bereitgestellt werden, das es dieser ermöglicht, die Optimierung leicht voranzutreiben oder zu überprüfen. Die Visualisierungseinheit kann in die zentrale Maschinensteuerung einer Formgebungsmaschine integriert sein.
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Die Visualisierungseinheit und/oder die separate Visualisierungseinheit kann besonders bevorzugt als Bildschirm ausgebildet sein.
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Besonders bevorzugt kann es ebenfalls vorgesehen sein, dass der Simulation eine Formteilgeometrie eines durch den realen Prozess herzustellenden Formteils und/oder Maschineneinstellungen einer bei der Durchführung des realen Prozesses verwendeten Formgebungsmaschine zugrunde gelegt werden.
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Dadurch kann die Simulation von vornherein so nahe wie möglich an den realen Prozess herangebracht werden, sodass die Simulationsabweichungen zwischen dem Messverlauf und dem Simulationsverlauf so gering wie möglich sind.
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Prinzipiell ist es aber auch möglich, z.B. generische Maschineneinstellungen für die Simulation zu verwenden, die beim realen Prozess an der Formgebungsmaschine nicht eingestellt wurden, und die Abweichung durch das erfindungsgemäße Verfahren erfassen zu lassen.
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Zum Durchführen des Prozesses kann ein Plastifizieraggregat mit einer in einem Plastifizierzylinder angeordneten Plastifizierschnecke zum Bereitstellen einer Formmasse und zum Einbringen der Formmasse in zumindest eine Formkavität verwendet werden.
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Die Plastifizierschnecke kann auch kurz als Schnecke bezeichnet werden und der Plastifizierzylinder kann auch kurz als Massezylinder bezeichnet werden.
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Neben einer Plastifizierschnecke können beispielsweise aber auch andere Arten von Aktuatoren, wie beispielsweise Einspritzkolben, verwendet werden.
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Besonders bevorzugt kann der Simulationsverlauf und/oder der Messverlauf und/oder die Positionen der simulierten Formmassenfront und/oder die Positionen der realen Formmassenfront mittels eines Zeitindexes oder eines Positionsindexes eines beim Formgebungsprozess eingesetzten Aktuators, insbesondere der Plastifizierschnecke, parametriert werden.
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Als solcher Index (also „X-Achse“ des Verlaufs) sind im allgemeinsten Fall beliebige Größen des Formgebungsprozesses verwendbar, die mit dem Fortschritt des Prozesses korrelieren. Weitere bevorzugte Beispiele sind: ein Volumen der Formmasse innerhalb eines bestimmten Bereichs (bspw. innerhalb der Formgebungskavität bei einem Spritzgießprozess, ein Volumenstrom (bspw. in die Formgebungskavität hinein), (Soll- oder Istwert) einer Aktuatorgeschwindigkeit (bspw. der Schnecke), eine (repräsentative oder mittlere) Scherrate.
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Das heißt, dass bspw. der Messverlauf dann aus Wertepaaren mit einem Indexparameter und einem Wert der für den Formgebungsprozess charakteristischen Größe bestehen kann.
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Statt einem Zeitparameter kann auch eine Aktuatorposition eines beim Formgebungsprozess verwendeten Aktuators verwendet werden. Beim Beispiel eines Spritzgießprozesses kann beispielsweise der Weg verwendet werden, den die Schnecke (oder ein anderweitiger Einspritzkolben) beim Einspritzen zurücklegt, was auch als Schneckenvorschub bezeichnet wird. Da die Bewegung des Aktuators gemeinhin über ein Profil vorgegeben wird, wären die angesprochenen Verläufe und Positionen zwischen einer Zeitindexierung und einer Positionsindexierung des Aktuators umrechenbar.
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Werden die Bewegungen des Aktuators in der Simulation nicht miterfasst, können trotzdem analoge Parameter verwendet werden, da in der Simulation Rand- und/oder Anfangsbedingungen vorgegeben werden müssen, um den Prozess abzubilden. Beispielsweise ein Volumenstromprofil kann über virtuelle Aktuatorpositionen definiert werden, die Entsprechungen zu den Aktuatorpositionen im realen Prozess darstellen.
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Alternativ können die Aktuatorpositionen aus dem realen Prozess verwendet werden, um einen Volumenindex zu definieren, der dem Volumenstromprofil für die Simulation entspricht und als Zeitindex verwendet werden kann. Den Volumenindex aus der Simulation und dem realen Prozess genau abzugleichen, ist eine Leistung der Erfindung. Das gilt sowohl für die Positionen der Formmassenfront als auch die Mess- und Simulationsverläufe.
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Insbesondere bei einem Spritzgießprozess als Formgebungsprozess kann als für den Prozess (oder einen Teilprozess davon) charakteristische Größe zumindest eines der folgenden verwendet werden: ein Spritzdruck (Einspritzdruck), ein Formmassendruck, ein Schmelzedruck, ein Forminnendruck, eine Forminnentemperatur, eine Formmassentemperatur, eine Einspritzgeschwindigkeit, ein Antriebsmoment, eine Einspritzarbeit, eine Werkzeugatmung, ein realer Volumenstrom.
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An sich bekannte Regressionsverfahren sind ein Beispiel für Verfahren, welche verwendet werden können, um den zumindest einen Parameterwert für den zumindest einen Parameter zu bestimmen.
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Ein konkretes Beispiel für ein verwendbares Fehlermaß wären geringste Fehlerquadrate („least squares“).
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Bestimmte Teile des Simulationsverlaufs und/oder des Messverlaufs und/oder des transformierten Simulationsverlaufs und/oder des transformierten Messverlaufs können bei der Bestimmung des zumindest einen Parameterwerts mit einer Gewichtung versehen werden, um eine besonders gute Übereinstimmung in wichtigen Teilen der Verläufe zu erreichen und/oder eine schlechtere Übereinstimmung in unwichtigen Teilen zuzulassen.
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Es kann vorgesehen sein, dass zumindest eines der folgenden während der Durchführung des realen Formgebungsverfahrens erfolgt:
- - erfindungsgemäße Bestimmung des zumindest einen Parameterwerts,
- - erfindungsgemäße Bestimmung der Positionen der realen Form massenfront,
- - Darstellung der Positionen der realen Formmassenfront gemäß Anspruch 3.
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Dadurch kann die Bestimmung der Positionen der Formmassenfront noch während des Prozesses durchgeführt werden und es kann sogar möglich sein, die Bewegung der Formmassenfront in Echtzeit oder nahe der Echtzeit darzustellen.
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Grundsätzlich können die erfindungsgemäßen Verfahren aber auch nach der Simulation und nach dem realen Prozess durchgeführt werden.
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In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Reihenfolge der erfindungsgemäßen Verfahrensschritte nur durch die Logik vorgegeben ist und nicht durch die Reihenfolge in den unabhängigen Ansprüchen. Beispielsweise kann durchaus auch zuerst der reale Prozess und dann die Simulation durchgeführt werden. Ebenso ist es - je nach vorherbestimmtem Fehlermaß - auch durchaus möglich, dass die zumindest einmalige Anwendung der Transformation auf den Simulationsverlauf oder den Messverlauf nur im Rahmen der Minimierung des Fehlermaßes geschieht.
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Im Rahmen der Minimierung des Fehlermaßes wird unter Minimierung der Abweichung auch die Maximierung einer negativ definierten Abweichung verstanden.
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Das Verfahren nach Anspruch 15 kann auf Ergebnisse der erneut durchgeführten Simulation angewendet werden, wobei dies solange wiederholt wird, bis eine Simulationsabweichung zwischen dem Simulationsverlauf und dem Messverlauf gemäß einem vorgegebenen Kriterium klein genug ist.
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Folgende wären Beispiele für Kriterien, die zum Abbrechen der so gestarteten Schleife verwendet werden können:
- - Es könnte zum Beispiel ein Grenzwert für den zumindest einen bestimmten Parameterwert selbst verwendet werden, da dieser die Abweichung quantifiziert. D.h. die Simulation ist dann gut genug, wenn der zumindest eine bestimmte Parameterwert in einen gewissen Wertebereich (Abhängig von der Transformation) fällt. Zusätzlich kann gewichtet werden, dass beispielsweise bei höheren Drücken eine bessere Übereinstimmung wie bei niedrigen Drücken notwendig ist und umgekehrt.
- - Es können Flächen unter den (transformierten) Simulationsverläufen und den (transformierten) Messwerten und/oder Maximalwerte derselben verglichen werden.
- - Es kann ein Toleranzband für die Abweichung des transformierten Simulationsverlaufs vom Messverlauf (oder umgekehrt) festgelegt werden, innerhalb dessen die Simulation im Rahmen des Kriteriums als gut genug klassifiziert wird.
- - Als weiteres Kriterium kann das Fehlermaß zwischen (transformiertem) Simulationsverlauf und (transformiertem) Messverlauf herangezogen werden. Ein Beispiel wäre ein Fit-Güteparameter, der sich aus der Minimierung des Fehlermaßes ergibt.
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Selbstverständlich können auch sämtliche (inklusive und/oder exklusive) Kombinationen dieser Kriterien herangezogen werden.
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Die Grenzwerte und/oder Toleranzen können so gewählt werden, dass
- - sich in Bezug auf eine Volumen der Formmasse eine Unterschied von weniger 10 %, bevorzugt 5 % und besonders bevorzugt 1 %, ergibt oder
- - sich in Bezug auf einen Druck der Formmasse ein Unterschied von weniger als 20 %, bevorzugt weniger als 10 % und besonders bevorzugt weniger als 1 %, ergibt.
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Im Rahmen der Simulation können weitere positionsbezogene Simulationsergebnisse, insbesondere beinhaltend Scherraten, eine Temperaturverteilung und/oder eine Druckverteilung, berechnet werden.
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Die weiteren positionsbezogenen Simulationsergebnisse können an einen realen Prozessverlauf angepasst werden, indem
- - die zumindest eine Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf Raumpositionen der positionsbezogenen weiteren Simulationsergebnisse angewendet wird oder
- - die zumindest eine Inverse der zumindest einen Transformation mit dem bestimmten zumindest einen Parameterwert auf Raumpositionen der positionsbezogenen weiteren Simulationsergebnisse angewendet wird.
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Die so an den realen Prozessverlauf angepassten weiteren positionsbezogenen Simulationsergebnisse können an der Visualisierungseinheit oder an der separaten Visualisierungseinheit angezeigt werden.
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Besonders bevorzugt können die Positionen der realen Formmassenfront und die angepassten weiteren positionsbezogenen Simulationsergebnisse gemeinsam angezeigt werden. Dadurch kann eine für Bediener besonders intuitive Visualisierung erreicht werden, die gleichzeitig ein hohes Maß an Informationen bereitstellt.
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Aus Berechnungsergebnissen der Simulation können ein gewünschter Prozessverlauf, insbesondere ein Füllverlauf für den Formgebungsprozess, gewählt werden und auf Basis eines Unterschieds zwischen dem gewünschten Prozessverlauf und den Positionen der realen Formmassenfront Einstellungen der Formgebungsmaschine so geändert werden, dass die Positionen der realen Formmassenfront näher am gewünschten Prozessverlauf liegen als vor der Änderung. Anders ausgedrückt, kann aus der Simulation ein gewünschtes Füllbild extrahiert werden und die erfindungsgemäße Bestimmung der Positionen der Formmassenfront kann - bspw. durch einen Bediener, aber auch automatisiert oder teilautomatisiert - dazu verwendet werden, die Einstellungen der Formgebungsmaschine so zu ändern, dass sich das gewünschte Füllbild oder zumindest ein am gewünschten Füllbild angenähertes Füllbild einstellt.
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Dadurch können zusätzliche Information bei der Fehlersuche angeboten werden, die man bei einem reinen Abgleich der Formmassenfront nicht anbieten könnte.
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Die zumindest eine Transformation kann eine zeitliche Verschiebung des Simulationsverlaufs oder des Messverlaufs beinhalten, wobei der zumindest eine Parameter ein Ausmaß der zeitlichen Verschiebung betrifft, wobei die zeitliche Verschiebung insbesondere durch ein unbekanntes Volumen der in der Formgebungsmaschine vorhandenen Formmasse hervorgerufen wird. D.h. der zumindest eine Parameter kann angeben, wie weit der Simulationsverlauf oder der Messverlauf verschoben werden soll.
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Die zeitliche Verschiebung kann durch ein unbekanntes Volumen hervorgerufen werden, das in der Formgebungsmaschine vorhanden ist. Dabei kann es sich beispielsweise um ein Massepolster im Plastifizierzylinder, ein Angussvolumen und/oder das Volumen eines Heißkanalsystems eines Formgebungswerkzeugs handeln, welche in der Simulation nicht berücksichtigt wurden. „Unbekannt“ ist also so zu verstehen, dass das Volumen prinzipiell bestimmt werden kann, aber bei der Simulation aus welchen Gründen auch immer nicht berücksichtigt wurde.
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Wie bereits beschrieben, kann die „zeitliche“ Verschiebung auch auf einen Index angewendet werden, der nicht die Zeit selbst ist, sondern beispielsweise ein Parameter, der die Position eines Aktuators mit über die Zeit bekanntem Bewegungsprofil ist.
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Die Simulation kann dann geändert werden, indem auf Basis des zumindest einen bestimmten Parameterwerts für das Ausmaß der zeitlichen Verschiebung ein für die Simulation vorgegebenes Füllvolumen und/oder ein für die Simulation vorgegebener Füllvolumenstrom geändert wird.
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Anders formuliert, kann der bestimmte Parameterwert (der die Abweichung zwischen Simulation und Messverlauf quantifiziert) herangezogen werden, um die Simulation so anzupassen, dass das Simulationsergebnis im Wesentlichen dem realen Prozess entspricht oder zumindest näher am realen Prozess liegt.
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Bei einer Verschiebung als Transformation kann insbesondere das Füllvolumen oder der Füllvolumenstrom verändert werden, weil das Maschinenverhalten in vielen Fällen von der Simulation nicht erfasst wird und sich ein nicht korrekter Füllvolumenstrom oder ein nicht korrektes Füllvolumen als Ausgangspunkt für die Simulation verwendet wird. Das kann mit der vorliegenden Erfindung - vorzugsweise automatisiert oder teilautomatisiert - erkannt und korrigiert werden.
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Die zumindest eine Transformation kann eine, vorzugsweise lineare, Skalierung von Werten der zumindest einen charakteristischen Größe beinhalten, wobei der zumindest eine Parameter ein Ausmaß der Skalierung betrifft.
- D.h. die Skalierung kann beispielsweise eine Multiplikation der charakteristischen Größe mit einem Faktor sein.
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In vielen Fällen liegen einem nicht korrekt skalierten Simulationsergebnis ein Materialmodell oder Materialparameter zugrunde, die nicht genau genug die Realität widerspiegeln. Auch das kann durch die Erfindung - vorzugsweise automatisiert oder teilautomatisiert - erkannt und korrigiert werden.
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Es kann ein Cross-WLF-Modell als Materialmodell für die Simulation verwendet werden, wobei auf das Cross-WLF-Modell etwas weiter unten noch genauer eingegangen wird.
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Es kann ein 2-Domänen Tait Modell für die Beschreibung des pvT Verhaltens der Formmasse verwendet werden. Dieses Modell wird häufig in der folgenden Form angegeben:
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Eine detaillierte Beschreibung der Parameter und der enthaltenen Funktionen kann der einschlägigen Literatur entnommen werden.
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Als Transformation könnte auch ein Druckoffset verwendet werden. Insbesondere kann durch einen Druckoffset eine systematische Messabweichung aus der Bereitstellung des Messverlaufs berücksichtigt werden.
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Der zumindest eine Parameterwert kann in einer Datenbank gespeichert werden und beim Simulieren und/oder Einstellen eines separaten Prozesses verwendet werden.
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Beim Einsatz der Erfindung können nämlich wertvolle Daten gesammelt werden, die effektiv zum weiteren Verbessern von Simulationen von Prozessen und beim Auffinden von Einstellungen für eine Vielzahl von Formgebungsmaschinen und damit durchgeführten Prozessen verwendet werden können (Schwarmintelligenz). D.h. die generierten Daten können in zentralen und/oder dezentralen Datenbanken (on premise, cloud) gesammelt werden und so weiterverwendet werden (Stichwort: Schwarm intelligenz und maschinelles Lernen). Konkrete Beispiele für Aspekte von Simulationen, die mittels der generierten Daten verbessert werden können, wären Modelle für das Schließverhalten von Rückstromsperren oder Materialmodelle, die dann aus erweiterten Materialdatenbanken gespeist werden können.
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Es wurde schon angesprochen, dass mehrere Transformationen durchgeführt werden können und die Minimierung der Abweichung ebenfalls mehrmals durchgeführt werden kann.
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Alternativ oder zusätzlich ist es auch möglich, bei einer Durchführung der Minimierung der Abweichung gemäß dem Fehlermaß oder der Eingabe des Bedieners mehrere Simulationsverläufe und/oder mehrere Messverläufe zu berücksichtigen.
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Dadurch können bspw. Simulationsverläufe und Messverläufe mehrerer charakteristischer Größen untersucht werden und zwar insbesondere so, dass Abweichungen mehrerer Simulationsverläufe und mehrerer Messverläufe gleichzeitig minimiert werden.
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Weitere Vorteile und Einzelheiten ergeben sich aus den Figuren sowie der dazu gehörigen Figurenbeschreibung. Dabei zeigen:
- 1 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem Simulationsverlauf,
- 2 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem erfindungsgemäß transformierten Simulationsverlauf,
- 3 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem Simulationsverlauf, bei dem Positionen von Formmassenfronten visualisiert sind,
- 4 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem erfindungsgemäß transformierten Simulationsverlauf, wobei die erfindungsgemäß ermittelten realen Positionen der Formmassenfronten visualisiert sind,
- 5 ein Diagramm eines Einspritz- bzw. Füllvolumenstromprofils, das eine Randbedingung der durchgeführten Simulation war,
- 6 ein gemäß der weiteren Ausprägung der Erfindung geändertes Volumenstromprofil,
- 7 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem Simulationsverlauf, der mit dem geänderten Volumenstromprofil und einem korrigierten Materialmodell durchgeführt wurde,
- 8 ein weiteres Diagramm mit einem Messverlauf und einem Simulationsverlauf, der mit dem geänderten Volumenstromprofil durchgeführt wurde,
- 9 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem Simulationsverlauf, wobei ein unbekanntes Volumen in der Simulation nicht berücksichtigt wurde, sowie
- 10 ein Diagramm mit einem Messverlauf und einem transformierten Simulationsverlauf, wobei Transformationen mit den drei Transformationsparametern (ΔV, kp, Vunbekannt) durchgeführt wurden.
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Die folgenden Ausführungsbeispiele betreffen einen Einspritzprozess als Teilprozess eines Spritzgießprozesses. Als für diesen Prozess charakteristische Größe wurde ein Einspritzdruck gewählt. Selbstverständlich funktioniert die Erfindung analog für andere mit einer Formgebungsmaschine durchgeführte Prozesse.
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1 zeigt eine gemessene (Messverlauf MV) sowie dazu eine simulierte Druckkurve (Simulationsverlauf SV), wobei als Start- und Randbedingungen Werte aus dem realen Spritzprozess für die Simulation verwendet worden sind.
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Man kann die Abweichung leicht erkennen. Beide Kurven stimmen nicht überein, da z.B. Materialparameter, die in der Simulation verwendet werden nicht mit den Eigenschaften mit dem real gespritzten Material übereinstimmen, oder weil in der Simulation z.B. die Kompressionsentlastung sowie das Verhalten der Rückstromsperre nicht berücksichtigt wurde.
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Als zu Zeitindices analogen Indices Vs und Vm wurden hier Dosiervolumen verwendet, die über die bekannte Schneckengeometrie und die bekannte Geometrie des Massezylinders zu Aktuatorposition zugeordnet werden können. Wie erwähnt, sind die zeitlichen Verläufe der Aktuatorpositionen (Schneckenpositionen) bekannt, wodurch diese Positionen als „Zeitindex“ verwendet werden können. Vs bzw. Vm beschreiben also indirekt die Volumen der in die simulierte bzw. reale Formkavität eingebrachten Formmasse (plastifizierter Kunststoff). Aus der Simulation sind die Indices Vs direkt bekannt.
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Abweichungen entlang der Zeitindices können im Rahmen der Erfindung durch Verschiebungen entlang der X-Achse erfasst werden (zeitliche Verschiebung). Die mathematische Transformation, die im Rahmen der Erfindung dafür verwendet werden kann, ist durch
gegeben, wobei Vs' den transformierten Zeitindex und ΔV den Parameter der Transformation bezeichnet, der das Ausmaß der Verschiebung angibt.
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Abweichungen entlang der Y-Achse können im Rahmen der Erfindung durch Skalierungen des Drucks erfasst werden. Die mathematische Transformation, die im Rahmen der Erfindung dafür verwendet werden kann, ist durch
gegeben, wobei ps' den transformierten simulierten Druck und kp den Parameter der Transformation bezeichnet, der das Ausmaß der Skalierung angibt.
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Selbstverständlich könnte statt der Anwendung der Transformationen auf den Simulationsverlauf SV auch der Messverlauf MV transformiert werden, wobei dann später die Inverse der Transformation zum Bestimmen der Positionen der Formmassenfront verwendet werden muss.
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2 zeigt nun das Ergebnis der Minimierung der Abweichung zwischen dem Messverlauf MV und dem transformierten Simulationsverlauf tSV. Diese Minimierung der Abweichung wurde im vorliegenden Beispiel durch ein an sich bekanntes Regressionsverfahren (hier: geringste Fehlerquadrate, engl: „least squares“) durchgeführt, woraus sich die bestimmten numerischen Parameterwerte für ΔV und kp ergeben, nämlich hier 3,14 ccm und 0,91 (dimensionslos).
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Zu erwähnen ist, dass eine Gewichtung verwendet wurde, um dem Angleichen des Simulationsverlaufs SV an den Messverlauf MV im wichtigen Bereich zwischen den in 2 dargestellten vertikale Linien (bei etwa 5 ccm und etwas weniger als 35 ccm) höheres Gewicht zu verleihen. Im hier vorliegenden konkreten Beispiel wurden die Gewichte außerhalb der vertikalen Linien auf null gesetzt.
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Man sieht, dass nun beide Kurven gut abgeglichen sind (in dieser Art der Transformation im markierten Teilbereich der Simulationskurve zwischen 5 ccm und 34 ccm).
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Daraus folgt, dass die Fließfront sich in beiden Kurven an der gleichen Stelle bei der gleichen Schneckenposition befindet. Man hat somit eine Zuordnung der Füllbilder aus der Simulation über der virtuellen Schneckenposition auf die reale Schneckenposition durchgeführt und kann damit nun eine Visualisierung der Fließfront bezogen auf die realen Schneckenposition mittels der simulierten Füllbilder auf der Steuerung ohne Probleme durchführen.
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Durch Anwenden der Transformationen mit den bestimmten Parameterwerten auf die aus der Simulation bekannten Positionen der Formmassenfront können Positionen der realen Formmassenfront im Spritzgießprozess bestimmt werden. (Wie erwähnt, müssten hier natürlich die Inversen der beiden Transformationen verwendet werden, falls ursprünglich der Messverlauf transformiert wurde.)
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Die 3 und 4 zeigen jeweils die 1 und 2, wobei an gewissen Stellen Visualisierungen der Formmassenfronten hinzugefügt wurden. In 3 sind die Formmassenfronten an jenen Stellen, wie sie sich aus der Simulation ergeben. Nur aus dem gemessenen Messverlauf MV wären diese Positionen noch nicht ersichtlich. Die zu den jeweiligen Zeitpunkten vorliegenden Positionen dieser Formmassenfronten sind in 4 gemäß den aufgefundenen Parameterwerten ΔV, kp für die Transformationen korrigiert. Anders ausgedrückt, wurden die Positionen der realen Formmassenfront in 4 durch Zuordnung der virtuellen Füllbilder auf eine reale Schneckenposition bestimmt.
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Die so korrigierte Abweichung zwischen Messverlauf MV und Simulationsverlauf SV ergibt sich einerseits aus einer nicht korrekten Abbildung des Einspritzprofils (Volumenstromprofil) und einem nicht korrekten Materialmodell in der Simulation.
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Konkret sorgt einerseits das nicht korrekt abgebildete Volumenstromprofil für die Abweichung entlang der X-Achse, die durch die Transformation des Zeitindexes korrigiert wurde. Das in die Formkavität gelangte Volumen der Formmasse wurde also nicht korrekt abgebildet („Abweichung des Schussvolumens“).
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Andererseits sorgt das nicht korrekte Materialmodell für die Abweichung der Druckwerte in der Y-Achse, was durch die Skalierung des Drucks korrigiert wurde.
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Zu erwähnen ist außerdem, dass beide Transformationen (Verschiebung und Skalierung) verwendet werden sollten, um genaue Ergebnisse zu erhalten. Es ist aber denkbar, nur die Translation in X-Richtung zu verwenden, um die realen Positionen der Formmassenfront bis zu einer gewissen Genauigkeit zu bestimmen.
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In dieser konkreten Ausführung der ersten Ausprägung der Erfindung wurde nur eine einzige Simulation durchgeführt. Ein Abgleich der Gesamtsimulation (Drücke, Positionen, Materialmodelle, Temperaturen etc.) findet hier noch nicht statt und muss auch nicht stattfinden, damit diese erste Methode funktioniert. Es wurden noch keine Start- und/oder Randbedingungen in der Simulation im Nachhinein geändert und die Simulation wurde auch nicht wiederholt.
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Nun zu einem Ausführungsbeispiel der weiteren Ausprägung der Erfindung, wobei eine Anpassung und Wiederholung der Simulation durchgeführt wird:
- Zunächst werden die Transformationen genauso wie im ersten Ausführungsbeispiel nach den 1 und 2 gewählt und die Minimierung der Abweichung wurde ebenfalls genauso durchgeführt, sodass sich die gleichen Parameterwerte für die Parameter ΔV und kp ergeben. Als nächstes muss die Simulation so geändert werden, dass sich eine geringere Abweichung zum Messverlauf ergibt, was nachfolgend beschrieben ist.
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5 zeigt ein Volumenstromprofil, das als Randbedingung für die Simulation verwendet wurde. Der bestimmte Parameter ΔV findet eine leicht interpretierbare Entsprechung im Volumenstromprofil aus 5, was dort durch zwei vertikale Striche angedeutet wurde. Das wurde übrigens durch eine geschickte Wahl des Zeitindexes in Form eines in die Formkavität eingebrachten Volumens Vs der Formmasse ermöglicht. Das ist aber für die Erfindung nicht absolut notwendig. Natürlich können auch andere Zeitindices verwendet werden, die dann für das Korrigieren des Volumenstromprofils umgerechnet werden müssen.
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Wie erwähnt, sieht man aus 5, dass der Parameterwert für ΔV als zu „langes“ Volumenstromprofil auftritt. Diese Abweichung kann durch ein „verkürztes“ Volumenstromprofil kompensiert werden, was in 6 dargestellt ist, das für die anstehende Wiederholung der Simulation verwendet wird.
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Als nächstes muss das Materialmodell angepasst werden, sodass die falsche Druckskalierung - quantifiziert durch den Parameterwert für kp - kompensiert wird.
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Als Materialmodell wurde für die Simulation das sogenannte Cross-WLF-Modell verwendet.
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Das Cross-WLF-Modell gibt die Schmelzeviskosität η der Formmasse wie folgt an:
-
Dabei bezeichnen:
- - η die Schmelzeviskosität in Pa*s,
- - η0 die Null-Scherviskosität in Pa*s,
- - γ̇ die Schergeschwindigkeit (Einheit 1/s),
- - τ* die kritische Schubspannung beim Übergang zur Strukturviskosität, und
- - n einen Exponent, der das strukturviskose Verhalten bei hohen Scherraten beschreibt.
-
Die Null-Scherviskosität wird durch die folgende Gleichung angegeben:
-
Im vorliegenden Ausführungsbeispiel wird dieses Cross-WLF-Modell durch Vorgabe neuer Parameter D1' und τ*' unter Verwendung des Parameterwerts für kp angepasst, nämlich definiert durch
und
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Mit den Werten 3,14 ccm und 0,91 für ΔV bzw. kp wird die so geänderte Simulation erneut durchgeführt.
-
Das Simulationsergebnis - das heißt der zweite Simulationsverlauf SV2 aus der erneut durchgeführten, geänderten Simulation - ist in 7 zusammen mit dem Messverlauf MV dargestellt. Deutlich zu erkennen ist, dass sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen dem Messverlauf MV und dem zweiten Simulationsverlauf SV2 einstellt und zwar schon nach der ersten Wiederholung der Simulation, sodass in diesem Beispiel weitere Iterationsschritte nicht notwendig sind.
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Man muss nicht beide Parameter ΔV und kp gleichzeitig in die Simulation rückführen und dann die Simulation wiederholen. Es ist auch möglich, nur einen Parameter zu verwenden oder mehrere Rückführungen von unterschiedlichen Parametern hintereinander in die Simulation durchzuführen.
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Beispielsweise kann nur der Verschiebeparameter ΔV in die Simulation rückgeführt werden. Dabei wird nur das Einspritzvolumenstromprofil, wie vorher in Verbindung mit den 5 und 6 beschrieben, in der Simulation angepasst und die Simulation wiederholt. Das Materialmodell, welches vorher noch verändert wurde, bleibt in diesem Fall unverändert zur Ausgangssimulation. Bei der Simulationswiederholung erhält man dann das in 8 dargestellte Simulationsergebnis, nämlich den dritten Simulationsverlauf SV3.
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In 8 ist der Abgleich in der X-Achse und die verbleibende Abweichung in der Druckskalierung deutlich zu erkennen. In einem weiteren Schritt könnte auch diese Abweichung durch Fitten einer Skalierung korrigiert werden.
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Durch das erfindungsgemäße Verfahren in der weiteren Ausprägung können auch weitere Arten von Abweichungen quantifiziert und in der Simulation korrigiert werden. Ein Ausführungsbeispiel dazu wird im Folgenden in Verbindung mit 9 beschrieben.
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In vielen Fällen wird in der Simulation nämlich nicht das gesamte Formmassenvolumen, welches sich vor der Einspritzvorrichtung (bspw. Schnecke) befindet, modelliert. Entweder wird überhaupt nur die Formteilgeometrie simuliert, der Schneckenvorraum und die Düse nicht berücksichtigt oder die gesamte Heißkanalgeometrie vernachlässigt. Oft sind die genauen Werte dieser Volumen auch nicht bekannt. Die Kompression des in der Simulation nicht berücksichtigten Formmassenvolumens führt daher zu einer Abweichung zwischen Simulationsverlauf
SV und Messverlauf
MV. Die Simulation weicht also um ein unbekanntes Volumen V
unbekannt von der Messung ab (kann auch als „Totvolumen“ bezeichnet werden). Die Änderung dieses unbekannten Volumens V
unbekannt beim Aufbringen eines Drucks kann durch folgenden Gleichungsterm beschrieben werden:
-
K
0 und K
1 sind dabei Konstanten, welche das druckabhängige Kompressionsmodul der Formmasse in der folgenden genäherten Form K(p)=K0+K1*p beschreiben. Weitere Möglichkeiten die Kompression der Formmasse zu beschreiben können dem Stand der Technik (
DE102016005780 ,
DE102015117237 ) entnommen werden.
-
Der obige Ausdruck kann direkt für folgende Transformation verwendet werden:
-
Wieder bezeichnet Vs' den transformierten Zeitindex und Vunbekannt ist der Parameter der Transformation, dessen Parameterwert erfindungsgemäß aufzufinden ist.
-
Die beiden in Verbindung mit den
1 und
2 beschriebenen Transformationen werden mit dieser Transformation kombiniert, sodass die Transformationen insgesamt wie folgt definiert sind:
für die Transformationen des Zeitindexes und
die Transformation des Drucks als für den Prozess charakteristische Größe.
-
In diesem Beispiel werden die Konstanten K0 und K1 als bekannt angenommen, die Transformationsparameter sind also Vunbekannt, ΔV, kp. Ermittelt man diese Transformationsparameter unter Minimierung des Fehlermaßes - analog zu wie in Verbindung mit den 7 beschrieben - ergeben sich die in 10 dargestellten Verläufe MV und SV4 und Transformationsparameter (ΔV = 3,14 ccm, kp = 0,92, Vunbekannt = 29 ccm).
-
Prinzipiell könnten die Konstanten K0 und K1 auch als Parameter im Sinne der Erfindung aufgefasst werden und es könnten durch das erfindungsgemäße Verfahren Parameterwerte für K0 und K1 ermittelt werden.
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Die Rückführung des unbekannten Volumens in die Simulation könnte in diesem Ausführungsbeispiel durch Modellierung eines zusätzlichen Heißkanalvolumens mit dem ermittelten Transformationsparameter Vunbekannt durchgeführt werden. Selbstverständlich würden dann auch die anderen Anpassungen der zeitlichen Verschiebung (ΔV) und der Skalierung (kp) in der Simulation vorgenommen werden.
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Die Transformation in Bezug auf das unbekannte Volumen kann natürlich auch zum Anpassen der Positionen der Formmassenfronten verwendet werden, wie dies in Verbindung mit den 1 und 2 beschrieben wurde.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 2583811 A1 [0006]
- WO 2016/177512 A1 [0011]
- WO 2016/177513 A1 [0011]
- US 2002188375 A1 [0013]
- DE 102016005780 [0151]
- DE 102015117237 [0151]