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Die vorliegende Erfindung betrifft unter anderem ein Verfahren zum Betreiben eines automatisierten Fahrzeugs, abhängig von einer Fahrstrategie, wobei diese Fahrstrategie abhängig von einem zu erwartenden Kollisionsbereich am automatisierten Fahrzeug bestimmt wird.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren zum Betreiben eines automatisierten Fahrzeugs umfasst einen Schritt des Bestimmens einer Kollisionsgefahr für das automatisierte Fahrzeug, ausgehend von einem Objekt in einer Umgebung des automatisierten Fahrzeugs, und einen Schritt des Bestimmens eines Kollisionsbereichs am automatisierten Fahrzeug, abhängig von dem Objekt. Das Verfahren umfasst weiterhin einen Schritt des Bestimmens einer Fahrzeugstrategie für das automatisierte Fahrzeug, abhängig von dem Kollisionsbereich, und einen Schritt des Betreibens des automatisierten Fahrzeugs, abhängig von der Fahrzeugstrategie.
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Unter einem automatisierten Fahrzeug ist ein Fahrzeug zu verstehen, welches gemäß einem der SAE-Level 1 bis 5 (siehe Norm SAE J3016) ausgebildet ist. Vorzugsweise ist unter dem automatisierten Fahrzeug ein Personenbeförderungsmittel, wie beispielsweise ein sogenanntes Shuttle bzw. „People Mover“ zu verstehen.
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Unter einer Kollisionsgefahr - ausgehend von dem Objekt (beispielsweise ein weiteres Fahrzeug, etc.) - ist eine (von vorgegebenen Kriterien abhängige) Wahrscheinlichkeit einer Kollision zwischen dem automatisierten Fahrzeug und dem Objekt, beispielsweise abhängig von einer Geschwindigkeit und/oder einer Beschleunigung und/oder eines Lenkverhaltens des automatisierten Fahrzeugs und/oder des Objekts, - zum Zeitpunkt des Bestimmens der Kollisionsgefahr - zu verstehen. Dabei wird die Kollisionsgefahr beispielsweise - in Form eines Signals bzw. in Form von Datenwerten - als „Kollision wahrscheinlich“ oder „Kollision unwahrscheinlich“ bestimmt, indem eine Trajektorie des automatisierten Fahrzeugs und/oder eine Trajektorie des Objekts bestimmt werden, wobei deren (zeitlicher) Verlauf zueinander überprüft wird (beispielsweise wird geprüft, ob sich die beiden Trajektorien in einem kritischen Bereich derart kreuzen, dass das automatisierte Fahrzeug und das Objekt zeitgleich diesen kritischen Bereich erreichen, was somit zu einer Kollisionsgefahr „Kollision wahrscheinlich“ führt). Eine Kollisionsgefahr wird beispielsweise dann als „Kollision unwahrscheinlich“ bestimmt, wenn die beiden Trajektorien einen vorgegebenen Mindestabstand (beispielsweise einige Meter) nicht unterschreiten oder eine vorgegebene Mindestdauer (beispielsweise einige Sekunden) - falls sich die beiden Trajektorien in einem kritischen Bereich kreuzen - zwischen dem automatisierten Fahrzeug und dem Objekt beim Erreichen bzw. Passieren dieses kritischen Bereichs vorhanden ist.
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Unter einem zu erwartenden Kollisionsbereich ist ein Bereich des automatisierten Fahrzeugs zu verstehen, welcher bei einer Kollision von dem Objekt getroffen wird.
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Unter einer Fahrstrategie ist allgemein eine Fahr- bzw. Steuervorgabe für das automatisierte Fahrzeug zu verstehen. Das Bestimmen der Fahrstrategie umfasst das Bereitstellen eines Signals (beispielsweise für ein Steuergerät und/oder für eine Ausgabeeinheit des automatisierten Fahrzeugs, etc.), welches die Fahrstrategie repräsentiert.
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Unter einem Betreiben des automatisierten Fahrzeugs ist wenigstens ein Umsetzen der Fahrstrategie zu verstehen. In einer möglichen Ausführungsform umfasst das Betreiben weiterhin beispielsweise eine automatisierte Quer- und/oder Längssteuerung und/oder ein Ausführen einer sicherheitssteigernden Assistenzfunktion (Straffen der Gurte, Vorkonditionierung eines Airbags, Anpassung der Sitzlage, etc.) zu verstehen. Unter einem Betreiben ist insbesondere zu verstehen, dass das Fahrzeug derart betrieben wird, dass die Auswirkungen einer Kollision für das automatisierte Fahrzeug bzw. die Insassen des automatisierten Fahrzeugs verringert werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren löst vorteilhafterweise die Aufgabe, ein automatisiertes Fahrzeug derart zu betreiben, dass bei einer unvermeidlichen Kollision, insbesondere bei einer Seitenkollision (der zu erwartende Kollisionsbereich entspricht einer Seite des automatisierten Fahrzeugs), negative Auswirkungen vermindert oder vollständig vermieden werden. Diese Aufgabe wird mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens gelöst, indem ein zu erwartender Kollisionsbereich und abhängig davon eine Fahrstrategie bestimmt wird, wobei das automatisierte Fahrzeug anschließend abhängig von dieser Fahrstrategie betrieben wird. Dadurch kann das Unfall- bzw. Verletzungsrisiko betroffener Verkehrsteilnehmer deutlich verringert werden. Dies ist gerade für stehende Insassen vorteilhaft, da diese bei einer Kollision besonders gefährdet sind. Weiterhin steigert ein derartiges Verfahren - aufgrund der zunehmenden Sicherheit - die Akzeptanz eines automatisierten Fahrzeugs.
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Vorzugsweise umfasst das automatisierte Fahrzeug wenigstens ein Rad mit einer drehbaren Radaufhängung, wobei die Fahrzeugstrategie ein Drehen des wenigstens einen Rades mittels der drehbaren Radaufhängung vorsieht.
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Typischerweise ist eine drehbare Radaufhängung für ein „lenkbares“ Rad durch einen Radträger gelagert, welcher wiederum über einen unteren und oberen Querlenker mit dem Fahrzeugaufbau (des automatisierten Fahrzeugs) verbunden ist. In einer alternativen Ausführungsform handelt es sich beispielsweise um ein sogenanntes Steer-by-wire-System, wobei ein Lenkbefehl ausschließlich elektrisch zum elektromechanischen Aktor, der den Lenkbefehl ausführt, weitergeleitet wird. Die grundlegende Idee dahinter ist die Schaltbarkeit der Radaufhängung derart, dass das wenigstens eine Rad kurz vor der Kollision oder zum Zeitpunkt der Kollision durch eine vom Objekt ausgeübte Seitenkraft in eine vorteilhaftere Richtung gedreht werden kann und somit möglichst geringe Reibungskräfte zwischen dem wenigstens einen Rad und einer Fahrbahn, auf der sich das automatisierte Fahrzeug befindet, vorliegen. Im Normalzustand ist die Funktionsweise der Räder wie üblich und dient ausschließlich dem Fahrzustand.
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Hierin zeigt sich der Vorteil, dass eine Fahrwerksgestaltung des automatisierten Fahrzeugs derart gestaltet ist, dass für normale Fahrfunktionen (Geradeaus-, Kurven- oder Ausweichfahrten, etc.) eine übliche Funktionsweise gewährleistet ist, aber bei einer Kollision durch schnell schaltende Aktuatoren eine schnelle Verdrehung der Räder durch eine äußere Kraft möglich gemacht wird. Diese Aktuatoren können beispielsweise pyrotechnisch, elektrisch, mechanisch, piezoelektrisch oder magnetisch, etc. erfolgen. In einer bevorzugten Ausführungsform sind die entsprechenden Aktuierungselemente in allen Radaufhängungen des automatisierten Fahrzeugs verbaut. Mittels der Aktuatoren werden die Radaufhängungen von einem intrinsisch lenkbaren Rad zu einem von außen gesteuerten Rad geschaltet.
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Vorzugsweise umfasst das automatisierte Fahrzeug für jedes Rad eine reibungsmindernde Substanz derart, dass die reibungsmindernde Substanz in einem Bereich jedes Rades derart freigegeben werden kann, dass eine Reibungsminderung zwischen jedem Rad und einer Fahrbahn, auf der sich das automatisierte Fahrzeug befindet, verringert werden kann, wobei die Fahrstrategie ein Freigeben der reibungsmindernden Substanz vorsieht.
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Hierbei ist ein System zu verstehen, welches an allen Rädern zu einer deutlichen Verringerung der Reibungskräfte in Querrichtung führen soll. Dazu wird insbesondere auf der der Kollision abgewandten Seite eine reibungsmindernde Substanz, wie beispielsweise eine Flüssigkeit (Öl, etc.) und/oder ein granulares Material, beispielsweise aus einem oberhalb des Rades befindlichen Reservoirs, freigegeben. Diese Substanz verteilt sich auf der Fahrbahn derart im Bereich jedes Rades, dass die Räder - relativ zu einer Querrichtung des automatisierten Fahrzeugs - auf der Fahrbahn rutschen können.
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Vorzugsweise umfasst das automatisierte Fahrzeug wenigstens einen Außenairbag, wobei die Fahrstrategie ein Auslösen des wenigstens einen Außenairbags, insbesondere im Kollisionsbereich, vorsieht.
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Hierin zeigt sich der Vorteil, dass der wenigstens eine Außerairbag einerseits einen Teil der Kollisionsenergie absorbieren und andererseits die Auswirkungen der Kollision auf eine Fahrgastzelle des automatisierten Fahrzeugs mindern kann. Dies kann vorteilhafterweise dazu genutzt werden, die Kräfteverteilung auf der der Kollision zugewandten Seite zu „vergleichmäßigen“. Dies ist insbesondere für ein Shuttle mit einer relativ gering ausgeprägten strukturellen Steifigkeit von Vorteil.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung, insbesondere ein Steuergerät, ist dazu eingerichtet, alle Schritte des Verfahrens gemäß einem der Verfahrensansprüche auszuführen.
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In einer möglichen Ausführungsform umfasst die Vorrichtung eine Recheneinheit (Prozessor, Arbeitsspeicher, Festplatte und/oder nichtflüchtiger Speicher) sowie eine geeignete Software um das Verfahren gemäß einem der Verfahrensansprüche auszuführen. Dazu umfasst die Vorrichtung eine Schnittstelle, welche dazu ausgebildet ist, eine Umgebung des automatisierten Fahrzeugs in Form von Umgebungsdatenwerten von einer (Umfeld-) Sensorik des Fahrzeugs zu erfassen. Dabei ist unter einem Erfassen der Umgebungsdatenwerte beispielsweise zu verstehen, dass die Umgebungsdatenwerte mittels der Sensorik erfasst und mittels der Schnittstelle von der Sensorik empfangen werden. Weiterhin umfasst die Vorrichtung beispielsweise eine Schnittstelle, welche mit einer Navigationsvorrichtung derart verbunden ist, dass eine Trajektorie des automatisierten Fahrzeugs von der Navigationsvorrichtung angefordert und/oder empfangen werden kann. In einer möglichen Ausführungsform umfasst die Vorrichtung beispielsweise zusätzlich eine Schnittstelle mittels derer eine Geschwindigkeit und/oder eine Beschleunigung und/oder weitere Parameter angefordert und empfangen werden können. Weiterhin umfasst die Vorrichtung eine Schnittstelle um ein Signal zum Betreiben des automatisierten Fahrzeugs bereitzustellen bzw. auszusenden.
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Unter einer (Umfeld-) Sensorik des automatisierten Fahrzeugs ist wenigstens ein Video- und/oder wenigstens ein Radar- und/oder wenigstens ein Lidar- und/oder wenigstens ein Ultraschall- und/oder wenigstens ein weiterer Sensor zu verstehen, welcher dazu ausgebildet ist, eine Umgebung eines (automatisierten) Fahrzeugs - wobei diese Umgebung insbesondere ein Objekt (weiteres Fahrzeug und/oder wenigstens ein weiterer Verkehrsteilnehmer, etc.) umfasst - in Form von Umgebungsdatenwerten zu erfassen. Dazu umfasst die Umfeldsensorik beispielsweise eine Recheneinheit (Prozessor, Arbeitsspeicher, Festplatte und/oder nichtflüchtiger Speicher) mit einer geeigneten Software und/oder ist mit solch einer Recheneinheit verbunden, wodurch Umgebungsmerkmale (hier: unter anderem das Objekt) in dieser Umgebung (weiteres Fahrzeugs, weitere Verkehrsteilnehmer, Infrastrukturmerkmale [Verkehrskreuzung, Straßenverlauf, Verkehrszeichen, Fahrbahnmarkierung, Fahrbahnbegrenzungen], etc.) erfasst und/oder klassifiziert bzw. zugeordnet werden können.
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Weiterhin wird ein Computerprogramm beansprucht, umfassend Befehle, die bei der Ausführung des Computerprogramms durch einen Computer diesen veranlassen, ein Verfahren gemäß einem der Verfahrensansprüche auszuführen. In einer Ausführungsform entspricht das Computerprogramm der von der Vorrichtung umfassten Software.
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Weiterhin wird ein maschinenlesbares Speichermedium, auf dem das Computerprogramm gespeichert ist, beansprucht.
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Weiterhin wird ein automatisiertes Fahrzeug beansprucht, welches wenigstens ein Rad mit einer drehbaren Radaufhängung und/oder eine reibungsmindernde Substanz für jedes Rad und/oder wenigstens einen Außenairbag umfasst, wobei das automatisierte Fahrzeug insbesondere eine Fahrgastzelle umfasst, welche wenigstens zum Transport von stehenden Personen ausgebildet ist, wobei das automatisierte Fahrzeug weiterhin die erfindungsgemäße Vorrichtung umfasst.
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Das automatisierte Fahrzeug ist gemäß einem der SAE-Level 1 bis 5 (siehe Norm SAE J3016) ausgebildet. Vorzugsweise ist das automatisierte Fahrzeug als Shuttle bzw. „People Mover“ ausgebildet.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben und in der Beschreibung aufgeführt.
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Figurenliste
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert. Es zeigt:
- 1 ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Verfahrens in Form eines Ablaufdiagramms.
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Ausführungsformen der Erfindung
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1 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines Verfahrens 300 zum Betreiben 340 eines automatisierten Fahrzeugs.
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In Schritt 301 startet das Verfahren 300. Dies erfolgt beispielsweise indem mittels einer (Umfeld-) Sensorik des automatisierten Fahrzeugs sich bewegende Objekte, wie beispielsweise ein weiteres Fahrzeug, in der Umgebung des automatisierten Fahrzeugs erfasst werden.
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In Schritt 310 wird eine Kollisionsgefahr für das automatisierte Fahrzeug, ausgehend von einem Objekt in einer Umgebung des automatisierten Fahrzeugs, bestimmt.
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In Schritt 320 wird ein Kollisionsbereich am automatisierten Fahrzeug, abhängig von dem Objekt, bestimmt.
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In Schritt 330 wird eine Fahrzeugstrategie für das automatisierte Fahrzeug, abhängig von dem Kollisionsbereich, bestimmt. Dabei umfasst die Fahrstrategie beispielsweise ein Drehen wenigstens eines Rades mittels einer drehbaren Radaufhängung und/oder ein Freigeben einer reibungsmindernden Substanz und/oder ein Auslösen wenigstens eines Außerairbags, insbesondere im Kollisionsbereich.
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In Schritt 340 wird das automatisierte Fahrzeug, abhängig von der Fahrstrategie, betrieben, insbesondere indem die vorab bestimmte Fahrzeugstrategie ausgeführt wird.
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In Schritt 350 endet das Verfahren 300.