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Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Anpassung des Fahrwerks eines Kraftfahrzeuges sowie ein Steuergerät zur Ausführung des Verfahrens gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Ansprüche.
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Aus der
DE 10 2016 216 825 A1 ist ein Fahrzeug mit einer Vierradlenkung bekannt, welches sowohl an der Vorderachse als auch an der Hinterachse mit einer Lenkung ausgestattet ist. Es können somit die Radlenkwinkel sowohl an der Vorderachse als auch die Radlenkwinkel an der Hinterachse während der Fahrt geändert werden. Es lässt sich somit die Fahrdynamik bzw. Agilität eines Kraftfahrzeuges bei höheren Geschwindigkeiten als auch die Wendigkeit bei geringeren Geschwindigkeiten mit gegenläufig eingestellten Radlenkwinkeln an der Vorder- und an Hinterachse bewerkstelligen bzw. verbessern. Bei einem Kraftfahrzeug ist zum verbesserten Fahrbahnkontakt der Räder mit der Fahrbahn sowie auch für den Komfort der Fahrzeuginsassen jedes Rad mit Schwingungsdämpfern am Fahrzeugaufbau abgestützt. Ein solches Fahrzeug weist zusätzlich sowohl an der Vorderachse als auch an der Hinterachse aktive Wankstabilisierungssysteme auf, so dass mittels aktiver Aktuatoren die Wankbewegung des Kraftfahrzeuges während der Fahrt begrenzt werden kann.
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DE 10 2006 017 899 A1 offenbart ein vierrädriges Fahrzeug, bei welchem die Reifenaufstandskräfte der an Vorder- und Hinterachse diagonal gegenüberliegenden Räder während einer Kurvenfahrt mittels Aktuatoren veränderbar ist. Die Verstellung erfolgt jeweils an den sich diagonal gegenüber liegenden Rädern gleichermaßen, so dass bei einer Kurvenfahrt in Abhängigkeit der Fahrzeugquerbeschleunigung das Fahrwerk diagonal bzw. kreuzweise verspannt wird. Damit lässt dich ein übersteuerndes Giermoment erzeugen und mittels dieser Veränderung der Drehbewegung des Fahrzeug eine Agilitätssteigerung im Sinne eines sportlichen Fahrgefühls verwirklichen.
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Fahrzeuge mit einem erhöhten Aufbau, wie beispielsweise Pickups oder auch SUV weisen in der Regel einen höheren Fahrzeugschwerpunkt auf als herkömmliche PKW. Der Schwerpunkt kann sich zusätzlich weiter von der Fahrbahn weg nach oben verlagern, wenn das Fahrzeug beladen wird. Durch gegenläufiges oder gegenphasiges Lenken an der Vorder- und der Hinterachse wird eine virtuelle Radstands- bzw. Achsabstandsminderungssituation herbeigeführt. Wird nun das Fahrzeug bei langsamer Fahrt, z.B. Rangieren, über eine Querfuge in der Straße gefahren, so wird durch den erhöhten Schwerpunkt und die virtuelle Achsabstandsverkürzung bewirkt, dass das Fahrzeug selbst bei geringeren Anregungen wie der vorgenannten Querfuge bereits zum Wanken neigt.
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Es ist eine Aufgabe der Erfindung bei einem wie vorgenannt ausgestatteten Fahrzeug eine Verringerung der Wankempfindlichkeit zu erreichen.
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Diese Aufgabe wird durch eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren sowie ein Steuergerät gemäß den unabhängigen Ansprüchen gelöst. Bevorzugte Weiterbildungen sind jeweils in den Unteransprüchen angegeben.
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Gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung ist ein Verfahren zur Anpassung des Fahrwerks eines Kraftfahrzeuges mit lenkbarer Vorder- und Hinterachse angegeben. Das Verfahren weist folgende Schritte auf:
- - Bestimmen Radlenkwinkel (δv) an der Vorderachse
- - Bestimmen Radlenkwinkel (δh) an der Hinterachse
- - Bestimmen der Geschwindigkeit (v) des Kraftfahrzeuges.
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Die Reihenfolge der vorgenannten Schritte ist dabei variabel. Üblicherweise wird bei Kraftfahrzeugen mit Vierradlenkung etwa unterhalb einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h ein gegenläufiges oder gegenphasiges Verstellen der Räder an der Vorderachse und an der Hinterachse durchgeführt. Werden beispielsweise an der Vorderachse die Räder links eingeschlagen, so werden bei einem gegenphasigen oder gegenläufigen Radlenkwinkel an der Hinterachse die Räder nach rechts eingeschlagen. Durch dieses Vorgehen wird der virtuelle Radstand oder Achsabstand verringert. Das gegenläufige Lenken an der Vorder- und an der Hinterachse bewirkt eine Verringerung des Wendekreises des Fahrzeuges. Das Fahrzeug wird somit wendiger. Bei langsamer Fahrt wirken sich jedoch geringe Anregungen, wie Querfugen oder kleine Hindernisse auf der Fahrbahn, wie z.B. Steine oder auch Schlaglöcher negativ auf die Wankneigung des Fahrzeuges aus. Mit anderen Worten beginnt das Fahrzeug bei gleichen Anregungen aufgrund des virtuell verkürzten Radstands eher zu wanken als mit dem konstruktiv vorhandenen Radstand.
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Beim Wanken handelt es sich im Wesentlichen um eine Bewegung des Fahrzeugaufbaus um dessen Längsachse. Der Effekt ist umso größer, je höher die gegenläufigen Radwinkel an der Vorder- und an der Hinterachse eingestellt sind. Je geringer die Geschwindigkeit und/oder je höher der Schwerpunkt des Fahrzeuges ist, je eher lässt sich bei langsamer Fahrt eine Zunahme der Wankneigung durch eine geringe Anregung bewirken. Die langsamen Wankbewegungen werden insbesondere von Insassen als unangenehm wahrgenommen.
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Erfindungsgemäß wird mittels zumindest eines Fahrwerkaktuators an zumindest einer Achse ein Verspannen des Fahrwerks vorgenommen. Durch das Absenken oder Anheben der Karosserie bzw. des Fahrzeugaufbaus gegenüber zumindest einem Rad an der Vorder- oder Hinterachse bzw. Vorder- und Hinterachse wird bewirkt, dass der Ausgangspunkt für eine Wankbewegung auf der Federsteifigkeits-Kennlinie des Fahrwerks des Kraftfahrzeuges verschoben wird. Bevorzugt wird das Absenken bzw. Anheben gegenüber der Karosserie bzw. des Fahrzeugaufbaus an den sich diagonal gegenüberliegenden radnahen Bereichen vorgenommen. Die Neigung zum Wanken wird somit in Abhängigkeit zumindest der Parameter Radlenkwinkel an der Vorder- und der Hinterachse sowie Geschwindigkeit des Kraftfahrzeuges angepasst. Mit Anpassung der Wankneigung ist hier gemeint, dass der Ausgangspunkt für den Beginn einer Wankbewegung derart verschoben wird, so dass die bei geringen Geschwindigkeiten während einer Kurvenfahrt mit gegenphasigen Radlenkwinkeln an der Vorder- und der Hinterachse notwendigen stoßartigen Anregungen ein geringes oder noch kein Wanken der Karosserie auslösen. Mit anderen Worten wird die Empfindlichkeit der Wankneigung gegenüber einer vorgenannten Anregung herabgesetzt. In vorteilhafter Weise wird somit bewirkt, dass in Abhängigkeit der aktuell vorliegenden virtuellen Radstandsverkürzung das Fahrzeug weniger anfällig für querdynamische Störanregungen wird.
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Bei der Auslegung eines Fahrwerkes für das jeweilige Fahrzeug ist in Abhängigkeit von dessen Schwerpunkt die Wankneigung in Abhängigkeit der vorgenannten Parameter als Kennlinie errechnet oder es wird diese empirisch am jeweiligen Fahrzeug oder anhand von Simulationen ermittelt. Anhand einer solchen Kennlinie kann der zumindest eine Fahrwerksaktuator an der zumindest einen Achse das notwendige Verspannen des Fahrwerks vornehmen.
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Die Wankneigung kann des Weiteren auch durch weitere Parameter beeinflusst sein. Beispielhaft sei hier der Luftdruck in den verwendeten Reifen genannt. Insbesondere wird das Verspannen jedoch auch in Abhängigkeit vom derzeitigen Schwerpunkt des Fahrzeuges vorgenommen. Es ist offensichtlich, dass je nach Beladung des Fahrzeuges eine Änderung des Schwerpunktes zu erwarten ist. Der Schwerpunkt des Fahrzeugs wird vorzugsweise durch eine dynamische Beladungserkennung und/oder durch eine Höhenstandssensorik erfasst. Die somit ermittelten Daten zum Schwerpunkt bilden dann einen weiteren Parameter, der zusätzlich zu den vorgenannten Parametern berücksichtigt wird.
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In weiter bevorzugter Weise werden mittels einer Sensorik querdynamische Störanregungen ermittelt und das Fahrwerk zusätzlich in Abhängigkeit der ermittelten Störanregung verspannt. Es kann hierbei auf vorhandene Sensoren zurückgegriffen werden. Hier bieten sich z.B. Sensoren vorhandener Ausrüstung im Fahrzeug an, wie z.B. dem ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) oder Sensoren einer elektronischen Wankstabilisierung. Ebenso können im Fahrzeug vorhandene optische Erfassungssysteme (Radar, LiDAR, Kameras) genutzt werden. Des Weiteren kann auf sogenannte C2C/C2X-Daten zurückgegriffen werden. Bei C2C handelt es sich um eine Kommunikation von Fahrzeugen untereinander. Bei C2X handelt es sich um eine Kommunikation von dem fahrenden Fahrzeug mit einer Datenquelle oder Sensorik im Umgebungsbereich. Die Datenquelle kann beispielsweise in der Fahrbahn oder am Fahrbahnrand (Gebäude, Ampel etc.) installiert sein oder die Daten können virtuell in einer sogenannten Cloud abrufbar vorhanden sein. Das fahrende Fahrzeug wertet die Daten des vorausfahrenden Fahrzeugs oder von vorhandenen Daten in der Umgebung aus und kann so auf der Fahrbahn in Fahrtrichtung vorhandene Querfugen etc. berücksichtigen und eine Verspannung bereits vorzeitig vornehmen.
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Für das Verspannen des Fahrzeuges können im Fahrwerk vorhandene Aktuatoren genutzt werden. Wenn das Fahrwerk in dem Fahrzeug über eine regelbare Schwingungsdämpfung verfügt, können die regelbaren Schwingungsdämpfer, z.B. in Form einer Luftfederung genutzt werden, um sich von zumindest einem Rad abzustützen und damit ein Anheben der Karosserie zu bewirken. Alternativ kann anders herum ein Absenken vorgenommen werden. Genutzt werden kann auch eine vorhandene aktive Wankstabilisierung, wobei z.B. der Wankstabilisator an der Vorderachse je nach Kurvenrichtung den entsprechenden Karosserieteil radnah absenkt, um so ein Verspannen zu bewirken. In vorteilhafter Weise können so mittels einer Kombination von zwei oder mehr Fahrwerksaktuatoren die jeweils notwendige Verspannung zur Steifigkeitserhöhung vorgenommen werden. Bei zwei oder mehr Fahrwerksaktuatoren kann auch eine Kombination von unterschiedlichen Aktuatoren erfolgen. Beispielsweise kann an der Vorderachse ein Absenken gegenüber dem linken Vorderrad durch einen Wankstabilisator erfolgen, wohingegen an der Hinterachse die Absenkung gegenüber dem hinteren und rechts außen gelegenen Rad durch einen regelbaren Schwingungsdämpfer erfolgt. Alternativ kann auch beispielsweise durch das ESP das Abbremsen einzelner Räder unterstützend zum Verspannen des Fahrwerks eingesetzt werden.
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In einer weiteren alternativen Ausführungsform kann der Aufbau des Kraftfahrzeuges in Richtung Kurvenmittelpunkt vorgespannt und/oder geneigt werden. Durch an der Vorder- und an der Hinterachse vorhandene aktiven Aktuatoren der Wankstabilisierung kann beispielsweise bereits ein geringes Verspannen des Fahrzeugaufbaus im Kurvenmittelpunkt einen positiven Effekt haben. Alternativ kann das Neigen eines Fahrzeuges mit aktiver Luftfederung in Richtung Kurvenmittelpunkt alternativ vorgenommen werden. Hierzu können beispielsweise auch die kurvenäußeren Dämpfer härter geschaltet werden.
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Die Erfindung betrifft des Weiteren ein Steuergerät zum Ausführen eines Verfahrens mit den zuvor angegebenen Alternativen bzw. Kombination aus diesen. Es kann sich hierbei um ein separates Steuergerät für dieses Verfahren handeln. Alternativ kann die Funktionalität auf einem vorhandenen Steuergerät ausgeführt werden. Hierbei bieten sich die vorhandenen Steuergeräte für das ESP oder die auf den bzw. für die Fahrwerksaktuatoren vorhandenen Steuergeräte an. Das Steuergerät ist insbesondere in der Lage, die Signale der vorgenannten Sensoriken auszuwerten und diese mit einer Kennlinie für die Wankneigung abzugleichen. Hierzu ist in dem Steuergerät zumindest eine Kennlinie hinsichtlich der Wankneigung des Kraftfahrzeugs gespeichert. Die durch die Sensorik erfassten vorgenannten Parameter werden fortwährend ermittelt und mit zumindest einer gespeicherten Kennlinie verglichen und in Abhängigkeit davon wird das Verspannen des Fahrwerks durch das Steuergerät ausgelöst und geregelt.
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Schließlich betrifft die Erfindung ein Fahrwerk eines Kraftfahrzeuges mit Vorder- und Hinterachslenkung, welche sich dadurch auszeichnet, dass zumindest eine Lenkung als steer-by-wire-Lenkung ausgebildet ist. In dem Fahrwerk ist zumindest ein Aktuator vorhanden, welcher zur Verstellung des Fahrwerks gemäß einem der vorgenannten Verfahrensschritte oder Kombination daraus betrieben wird. Bei einer steer-by-wire-Lenkung handelt es sich um eine Lenkvorrichtung, die keine mechanische Verbindung zwischen einem Lenkrad und den zu lenkenden Rädern besitzt, welches von einem Fahrer des Kraftfahrzeuges verstellt wird. Stattdessen wird in Abhängigkeit von der Lenkeingabe des Fahrers und der aktuell beabsichtigten Trajektorie des Fahrzeuges sowie in Abhängigkeit von zum Beispiel der Fahrzeuggeschwindigkeit, der Beschleunigung sowie der Gierrate etc. die Änderung der Radlenkwinkel an einer Fahrzeugachse vorgenommen.
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Zur Erfindung werden nachfolgend bevorzugte Ausführungsformen unter Bezugnahme auf die Zeichnungen beschrieben. Es zeigen:
- 1 eine Aufsicht auf ein Fahrzeug mit 4-Rad-Lenkung
- 2 ein Fzg. gem. 1 mit verspanntem Fahrwerk
- 3 ein Fzg. in perspektivischer Seitenansicht mit verspanntem Fahrwerk
- 4 ein Fzg. in perspektivischer Seitenansicht mit alternativ verspanntem Fahrwerk
- 5 ein Fzg. in Aufsicht mit alternativ verspanntem Fahrwerk
- 6 ein Diagramm zur Erläuterung der Wankempfindlichkeit
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1 zeigt schematisch ein Fahrzeug 1 mit einer lenkbaren Vorderachse 21 und einer lenkbaren Hinterachse 31. Zum Lenken der Räder 2 an der Vorderachse 21 ist eine zentrale, d.h. auf beide Räder gleichzeitig wirkende steer-by-wire-Lenkvorrichtung 4 vorgesehen, welche an den Rädern 2 über ein Lenkgestänge 41 den Radlenkwinkel vorne δv einstellen bzw. ändern kann. Dieser Winkel δv ist am rechten Rad 2 in der 1 beispielhaft eingezeichnet. An der Hinterachse 31 sorgt ebenfalls eine zentrale steer-by-wire Lenkvorrichtung 5 über ein Lenkgestänge 51 für das Einstellen bzw. Ändern der Radlenkwinkel δh an den hinteren Rädern 3. In der gezeigten Ausführung sind die Vorderachslenkung 4 und die Hinterachslenkung 5 über ein Steuergerät SG elektrisch miteinander verbunden bzw. gekoppelt. Eine in dem Schwerpunkt Sg gemessene Gierrate RG wird über einen geeigneten Sensor im Schwerpunkt des Fahrzeugs 1 ermittelt (Drehratensensor) und von einem elektronischem Stabilitäts Programm ESC erfasst bzw. ausgewertet, so dass letztlich die Wankneigung aktuell von dem Steuergerät SG berücksichtigt werden kann. An äußeren Enden des Fahrzeugs 1 sind Sensoren S angeordnet, die einer Sensorik zugordnet sind und welche zur Fahrzeugumfelderkennung dienen. Es kann sich hierbei um optische Sensoren handeln, die beispielsweise jeweils eine Kamera umfassen, oder auch um LiDAR oder Radar oder Kombinationen handeln, die zur Erfassung, beispielsweise der optischen Erfassung der Fahrbahn, geeignet sind. Es können somit Fahrbahnzustände wie z.B. Querfugen, Schlaglöcher oder überfahrbare Hindernisse etc. auf der Fahrbahn erfasst und dem Steuergerät SG zugeführt werden. Querdynamische Störanregungen können somit, bevorzugt bevor die Störanregung tatsächlich erfolgt, berücksichtigt werden und das Fahrwerk entsprechend vorgespannt werden. Das Fahrzeug folgt einer Trajektorie T, die in der Figur am vorderen Ende des Fahrzeugs in dessen Fahrtrichtung schematisch dargestellt ist und hier einer Linkskurve entspricht. In diesem und den weiteren Ausführungen wird von einer Geschwindigkeit kleiner als 50 km/h ausgegangen.
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2 zeigt ein Fahrzeug ebenfalls in Aufsicht gemäß der 1. Die Vorderräder 2 sind nach links eingeschlagen und die Hinterräder 3 sind gegenläufig nach rechts eingeschlagen. Das Fahrzeug befindet sich auf einer Trajektorie T, welche einer Linkskurve entspricht. Durch die gegenläufig eingestellten Radlenkwinkel an der Vorder- und Hinterachse ergibt sich eine virtuelle Radstandsverkürzung. Das Fahrzeug befindet sich auf einer Fahrbahn, wobei sich kurz vor den Achsen 21 bzw. 31 Querfugen Q befinden. Die Querfugen sind Vertiefungen in der Fahrbahn, welche hier als Fugen zwischen Fahrbahnteilen existieren. Die Sensorik S wurde von dem Steuergerät SG ausgewertet und in Abhängigkeit von den sensierten Querfugen wurde aufgrund einer erwarteten querdynamischen Störanregung das vordere linke und das hintere rechte Karosseriebereich abgesenkt. Dieses ist durch die Bezugszeichen abs und ein durchkreuztes Kreissymbol dargestellt. Gleichzeitig wurden das vordere rechte und das hintere linke Karosseriebereich durch erhöhte Abstützung an den Rädern angehoben. Dieses ist durch die Bezugszeichen anh und ein Kreissymbol mit mittlerem Punktdargestellt. Es ergibt sich dadurch ein Verspannen des Fahrwerks, so dass eine höhere Steifigkeit gegenüber durch Störanregung bewirkte Wankbewegungen erreicht wird.
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In 3 ist das Fahrzeug gemäß 2 in einer perspektivischen Seitenansicht dargestellt. Bei dieser Ansicht sind die Räder 2 der Vorderachse 21 nach rechts eingeschlagen und die Hinterräder 3 der Hinterachse 31 sind nach links eingeschlagen, so dass sich eine Trajektorie ergibt, die eine Kurvenfahrt nach rechts bewirkt. Dadurch wird eine virtuelle Verkürzung des Achsabstands bewirkt. Durch den linken vorderen Schwingungsdämpfer Sv wurde die Karosserie im vorderen linken Bereich abgesenkt, welches durch den Pfeil abs nach unten dargestellt ist. Der vordere rechte Bereich der Karosserie wurde mittels des nicht dargestellten vorderen rechten Schwingungsdämpfers gegenüber dem rechten Vorderrad abgestützt, so dass sich ein Anheben des vorderen rechten Karosseriebereiches ergibt. Der hintere linke Karosseriebereich wurde mittels des linken hinteren Schwingungsdämpfers Sh gegenüber dem hinteren linken Rad 3 angehoben, wie durch den Pfeil anh angegeben ist. Durch den nicht gezeigten rechten hinteren Schwingungsdämpfer Sh wurde ein Absenken der Karosserie gegenüber dem hinteren rechten Rad bewirkt. Oberhalb des Fahrzeugaufbaus bzw. des Fahrerhauses ist ein gebogener Doppelpfeil W eingezeichnet, der die mögliche Wankbewegung des Fahrzeugaufbaus um dessen Längsachse nach einer Störanregung schematisch zeigt. In Zusammenschau der 2 und 3 ist offensichtlich, dass bei Überfahren einer Querfuge Q eine querdynamische Störanregung erfolgen kann, welche eine Wankbewegung verursachen kann. Durch das über Kreuz vorgenommene Absenken bzw. Anheben des jeweiligen Karosseriebereiches wird ein Verspannen bewirkt, so dass der Wankneigung bei langsamer Kurvenfahrt mit gegenläufig eingeschlagenen Rädern an der Vorder- und der Hinterachse entgegengewirkt werden kann. Der mögliche Beginn des Wankens wird verschoben.
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4 zeigt in perspektivischer Seitenansicht ein Fahrzeug analog zum Fahrzeug gemäß 3. Es ist eine alternative Ausführung gezeigt, wobei sowohl an der Vorderachse 21 als auch an der Hinterachse 31 jeweils eine geregelte Wankstabilisierung WSg in dem Fahrzeug eingebaut ist. In bekannter Weise kann durch eine solche geregelte Wankstabilisierung die Wankbewegung oder Wankneigung eines Fahrzeugaufbaus gezielt geregelt werden. In Bezug auf die Erfindung wird die Wankstabilisierung WSg vorliegend eingesetzt, um ein Verspannen des Fahrzeuges durch über Kreuz erfolgtes Absenken bzw. Anheben der Karosserie gegenüber den Rädern an der Vorderachse 21 und an der Hinterachse 31 vorzunehmen. Auch auf diese Weise kann gemäß der zu 3 dargestellten Vorgehensweise ein Verspannen vorgenommen werden.
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5 zeigt eine alternative Ausführung, wobei auch hier ein Fahrzeug wie in 2 dargestellt ist. Die kreuzweise vorgenommene Anhebung anh bzw. Absenkung abs der jeweiligen Karosseriebereiche an der Vorderachse 21 und an der Hinterachse 31 sind entgegengesetzt zur Ausführung gemäß 2 vorgenommen. Auch hiermit wird eine Verspannung des Fahrzeugs vorgenommen. Es ergibt sich auch hier ein Verspannen des Fahrwerks, so dass eine höhere Steifigkeit gegenüber durch Störanregung bewirkte Wankbewegungen erreicht wird.
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6 zeigt ein Diagramm, welches die Verringerung der Wankempfindlichkeit bei einem Fahrwerk erläutert. Der vertikalen Achse ist die Kraft Fs im Sinne einer Störanregung aufgetragen. Die horizontale Achse zeigt den Weg s der Auslegung einer Fahrwerkfeder, z.B. an einem Rad, welches gegenüber der Karosserie durch eine Feder abgestützt ist. Für Federn ist die Federsteifigkeit als Konstante c bekannt, die abhängig ist von der Federkraft F durch die eine Längung oder Stauchung der Feder bewirkt wird. Bei einem Kraftfahrzeug ist das Fahrwerk derart ausgelegt, dass die verwendeten Federn zum einen ein Tragen der Karosserie auf dem Fahrwerk ermöglichen, andererseits bei Störanregungen ein Einfedern und Ausfedern des Rades ermöglichen, wobei der beabsichtigte Fahrkomfort ermöglicht werden soll. Beim Fahren auf einer Fahrbahn soll somit auch beim Überfahren von Hindernissen oder Durchfahren von Schlaglöchern ein Aus- und Einfedern in dem Maße und in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit derart erfolgen, dass der Fahrzeugaufbau möglichst parallel zur Fahrbahn verbleibt, so dass die Insassen des Fahrzeuges bei einer Normalfahrt einen Fahrkomfort genießen können. An der horizontalen Achse ist zunächst eine Störanregung a1 eingezeichnet. Auf der diagonalen Federsteifigkeits-Kennlinie c ist ein Niveau Wn1 eingezeichnet, welches ein Maß für den Wankbeginn bei der Störanregung a1 ist. Mit anderen Worten wird durch eine Störanregung Fs mit dem Betrag von a1 eine Wankbewegung initiiert, welche durch Auslegung der Feder eine Wankbewegung W1 im Bereich der Klammer bewirkt. Durch eine gegebene Störanregung a1 wird somit erreicht, dass sich der Fahrzeugaufbau nur in gewissen komfortablen Grenzen wankend um die Längsachse bewegen kann. Ist nun aufgrund des geringeren virtuellen Achsabstands bedingt durch gegensinnige Lenkeinschläge an der Vorder- und Hinterachse Störanregung a1 bereits ausreichend, um ein Wanken zu bewirken, so kann prädiziert oder bei Auftreten der Störanregung eine Verspannung des Fahrwerks, wie zu den Ausführungen der 2 bis 5 gezeigt, vorgenommen werden. Durch das Verspannen kann eine Verringerung der Wankempfindlichkeit erreicht werden bzw. ein Beginn der Wankbewegung verzögert bzw. entlang der Federsteifigkeits-Kennlinie verschoben werden. Mit anderen Worten bewirkt das Verspannen des Fahrwerks eine Verschiebung des Ausgangspunkts für die Wankbewegung auf der Federsteifigkeits-Kennlinie. Es wird mit anderen Worten das Niveau angehoben, ab dem eine Wankbewegung beginnen kann. Im vorliegenden Fall ist für die Störanregung vom Betrage a2 durch das Verspannen das Niveau für die Wankneigung Wn2 derart angehoben worden, dass erst ab diesem Punkt eine Wankbewegung W2 möglich ist. Eine Querfuge mit einer Störanregung vom Betrag a1 bewirkt somit aufgrund des Verspannens eine geringeres oder noch kein Wanken.
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Durch den geschickten Einsatz von aktiven Fahrwerksystemen, wie eine aktive Wankstabilisierung und/oder geregelten Schwingungsdämpfern, kann somit bei langsamer Kurvenfahrt mit großen gegenläufigen Hinterachslenkwinkeln die Empfindlichkeit gegenüber querdynamischen Störanregungen verringert werden. Unwohlsein bei den Fahrgästen bzw. dem Fahrer aufgrund einer Wankbewegung aufgrund dieser Störanregung kann somit wirkungsvoll reduziert bzw. vermieden werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Fahrzeug
- 2
- Vorderräder
- 3
- Hinterräder
- 4
- Vorderachslenkung
- 5
- Hinterachslenkung
- 21
- Vorderachse
- 31
- Hinterachse
- 41
- Lenkgestänge
- 51
- Lenkgestänge
- ESC
- Elektronisches Stabilitäts Programm
- RG
- Gierrate
- SG
- Steuergerät
- Sg
- Schwerpunkt
- S
- Sensorik
- T
- Trajektorie
- Q
- Querfuge, Hindernis
- δv
- Radlenkwinkel vorne
- δh
- Radlenkwinkel hinten
- Fs
- Kraft Störanregung
- abs
- Absenken
- anh
- Anheben
- Sv
- Schwingungsdämpfer vorne
- Sh
- Schwingungsdämpfer hinten
- WSg
- Wankstabilisierung, geregelt
- W1
- Wankbewegung
- Wn1
- Wankniveau
- W2
- Wankbewegung
- Wn2
- Wankniveau
- V
- Verspannen (Maß für)
- s/φ
- Federweg
- a1
- Störanregung
- a2
- Störanregung
- Wn1
- Wankneigung (Niveau)
- Wn2
- Wankneigung (Niveau)