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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer Aufbissschiene, insbesondere zur Behandlung von craniomandibulärer Dysfunktion, aufweisend einen Kunststoff-, Composite- und/oder Elastomer-Flächenkörper mit einer Unterseite, die mit einer Ausformungs-Konfiguration gemäß mindestens Abschnitten des Zahnoberflächenprofils eines Patienten-Unterkiefers versehen ist. Sie betrifft des Weiteren eine mit einem solchen Verfahren hergestellte Aufbissschiene sowie ein Set verschiedener Aufbissschienen.
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Viele Menschen leiden unter Funktionsstörungen des Kiefergelenks, die weitreichende Folgen haben und zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen können, wie etwa eingeschränkte Kieferöffnung, Knacken oder Reiben des Kiefergelenks beim Öffnen oder Schließen des Mundes, Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Schluckbeschwerden, Ohrenschmerzen und ausstrahlende Schmerzen in den gesamten Kopf, den Nacken, die Schulter und den Rücken. Als Therapie für derartige Funktionsstörungen (craniomandibuläre Dysfunktion, CMD) hat sich die Schienentherapie mit sog. Aufbissschienen bewährt. Sie führt bei den beschriebenen Problemen zu Entlastung und bringt die Zähne und das Kiefergelenk weitgehend wieder in ihre richtige Stellung.
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Aufbissschienen sind daher seit Längerem bekannt, und es haben sich verschiedene Herstellungsverfahren hierfür etabliert. Zur Anfertigung wird üblicherweise zunächst ein Alginatabdruck vom Gebiss genommen. Dieser wird mit Superhartgips ausgegossen. Auf dem Modell wird mittels Tiefziehgerät eine heiße Polymerfolie gezogen. In jüngerer Zeit hat sich auch die Herstellung in einem koordinatengesteuerten Fräsverfahren etabliert, dessen Ausgangspunkt ein mit einem 3D-Scanner am oben erwähnten Gipsmodell gewonnene Datensätze des Zahnoberflächenprofils von Oberkiefer und Unterkiefer sind. In jüngster Zeit wurden auch 3D-Druckverfahren, auch bezeichnet als Additive Manufacturing, zur Herstellung von Aufbissschienen eingesetzt. Auch hierbei wird von Datensätzen ausgegangen, die durch Digitalisierung der Oberflächen von Zahnabdruckmodellen gewonnen wurden.
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Sofern die Funktion des Aufbissschiene über eine reine Schutzfunktion gegen übermäßigen Abrieb der Zahnoberflächen (wie etwa bei einer sog. „Knirscher-Schiene“) hinausgehen soll, greift der Zahnarzt üblicherweise in den Entwurfsprozess mit bestimmten Vorgaben zur Funktion der Schiene ein. Bei der auf Datensätzen basierenden Herstellung wirkt sich dies durch die Vorgabe bestimmter Zuordnungen zwischen den Zahnoberflächenprofil-Datensätzen von Unterkiefer und Oberkiefer aus. Alternativ hierzu oder zusätzlich kann die Funktion der Schienen an einem Artikulator simuliert werden, in den das Modell eingesetzt wird und in dem es bestimmten Bewegungsabläufen unterworfen wird.
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In der therapeutischen Praxis zeigen sich beim Einsatz von Aufbissschienen nicht selten gewisse Probleme, insbesondere im langzeitigen Gebrauch der Schienen. Es besteht daher die Aufgabe, Verfahren zur Herstellung von Aufbissschienen - und entsprechend hergestellte Aufbissschienen - anzugeben, die vorteilhaft zur Behebung derartiger Probleme eingesetzt werden können. Im Übrigen besteht ein Bedarf, auch funktional hochwertige Schienen kostengünstiger herstellen zu können und hierzu insbesondere den Zeitaufwand des Zahnarztes und/oder Zahntechnikers im Entwurfsprozess zu verringern.
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Diese Aufgaben werden in ihrem Verfahrensaspekt durch Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 oder 2 und in ihrem Vorrichtungsaspekt durch eine Aufbissschiene gemäß Anspruch 7 und spezieller durch ein Set von Aufbissschienen gemäß Anspruch 15 gelöst. Vorteilhafte Ausprägungen des Erfindungsgedankens finden sich in den jeweiligen abhängigen Ansprüchen.
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Die Erfindung schließt den Gedanken ein, bei der Herstellung einer Aufbissschiene ohne die zeit- und kostenaufwändige Zwischenstufe der Gewinnung eines Abdrucks des Zahnoberflächenprofils und eines entsprechenden Hartgipsmodells auszukommen. Hierzu ist gemäß einem ersten Aspekt der Erfindung vorgesehen, die Zahnoberflächen intraoral mittels eines entsprechenden Intraoralscanners direkt einzuscannen. Derartige Intraoralscanner sind an sich bekannt, und ihr Einsatz ist u.a. in Schutzrechtsveröffentlichungen der Anmelderin beschrieben, so etwa in
DE 10 2014 111 643 A1 .
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Entsprechende technische Ausgereiftheit und Genauigkeit vorausgesetzt, lässt sich durch die direkte Abbildung der Zahnoberflächen zur Gewinnung von Datensätzen des Zahnoberflächenprofils die Ungenauigkeit und Fehleranfälligkeit vermeiden, die prinzipbedingt der Abformung der Zahnoberflächen mittels eines Registrats und dem weiteren Übertragungsschritt in ein hartes Modell anhaftet. Vor allem aber wird der Arbeitsaufwand zumindest im zahntechnischen Bereich, ggf. auch im zahnärztlichen Bereich, und die hierdurch bedingte Kostenlast auf die Herstellung der Aufbissschiene reduziert.
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Grundsätzlich kommt im Rahmen der Erfindung auch ein indirektes Scannen der Zahnoberflächen an einem Zahnabdruck in Betracht - allerdings unter Preisgabe der oben erwähnten Vorteile eines intraoralen Scannens.
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Gemäß einem weiteren Gedanken der Erfindung ist vorgesehen, dass verschiedene mögliche Lagebeziehungen bzw. Bewegungsabläufe zwischen Unterkiefer und Oberkiefer „automatisiert“ unter Einsatz eines Positionsbestimmungssystems registriert werden und die bei der Positionsbestimmung gewonnen Datensätze mit den intraoral gewonnenen Zahnoberflächenprofil-Datensätzen verknüpft werden. Auch die Bestimmung der Lagebeziehung zwischen Unterkiefer und Oberkiefer in festen Gebissstellungen oder während Bewegungsabläufen ist als solche bekannt; vgl. dazu etwa die
DE 10 2014 102 111 B4 der Anmelderin. Der Schritt bzw. Ablauf der Positions/Bewegungsbestimmung kann die gleichzeitige fortlaufende intraorale Abtastung der Oberkiefer- und Unterkieferzähne, wobei die Zähne aufeinander oder einem eingebrachten Stützstift bzw. Abstandshalter gleiten, umfassen. Das Einscannen der Zahnoberflächen kann aber auch separat erfolgen. Das zur Positions/Bewegungserfassung genutzte Messsystem arbeitet, in an sich bekannter Weise, mit Kameras und reflektierenden oder aktiven Markerelementen oder mit Ultraschallsensoren nach dem Prinzip der Laufzeitmessung oder mit Magnetsensoren oder Inertialsensoren, oder es umfasst eine Kombination der verschiedenen hier genannten Sensortypen.
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Die direkte „automatisierte“ Positionserfassung der Kiefer des Patienten während relevanter Bewegungsabläufe ist der bekannten Simulation an einem Artikulator in verschiedener Hinsicht deutlich überlegen. Insbesondere erfolgt sie in Bezug auf die spezifische Anatomie des konkreten Patienten und nicht an einem unspezifischen Gerät. Weiterhin lassen sich unmittelbar Datensätze gewinnen, die im Herstellungsverfahren (mit vorbestimmten Modifikationen) als Steuerdatensätze genutzt werden können. Weiterhin lässt sich die unmittelbare Gewinnung der Koordinaten-Datensätze mit Feedback des Patienten verknüpfen; siehe dazu weiter unten.
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In die vorliegende Erfindung fließt auch der therapeutische Ansatz ein, einem unter CMD leidenden Patienten nicht schlechthin eine einzige Aufbissschiene, deren Form dem Zustand optimaler Okklusion entspricht, sondern mindestens eine Aufbissschiene - bevorzugt ein ganzes Set von Aufbissschienen - bereitzustellen, deren Ausformungen (Vertiefungen) auf der Oberseite oder Unterseite mindestens zum Teil Erweiterungsabschnitte haben, die dem Patienten eine gewisse Freiheit für laterale und/oder frontal-dorsale Bewegungen des Unterkiefers relativ zum Oberkiefer, insbesondere im wesentlichen in der Okklusionsebene geben. Die Ausformungen auf einer Seite der Aufbissschiene sind also, mit anderen Worten, nicht ein exaktes „Negativ“ der entsprechenden Zahnoberflächen, sondern in vorbestimmter Weise etwas größer als jene angelegt.
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Es kann sich dabei um Erweiterungen handeln, die ausschließlich oder primär Bewegungen des Unterkiefers relativ zum Oberkiefer in eine oder auch zwei Richtungen erlauben und als „Führungsbahnen“ bezeichnet werden könnten, aber auch um Erweiterungen, die freiere Relativbewegungen im Sinne eines „Mahlens“ der Kiefer ermöglichen. In der therapeutischen Praxis hat sich herausgestellt, dass bestimmte Patienten derartige Bewegungsmöglichkeiten als Erleichterungen beim Tragen der Aufbissschiene empfinden oder hierdurch sogar Schmerzempfindungen entgegenwirken können.
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In einer Ausführung der Erfindung ist mithin vorgesehen, dass mindestens ein Teil der Ausformungen auf der Oberseite oder Unterseite jeweils mehrere, in verschiedene Richtungen weisende Erweiterungsabschnitte („Führungsbahnen“) aufweist, derart, dass mit eingesetzter Aufbissschiene Bewegungen des Oberkiefers relativ zum Unterkiefer in mehrere Bewegungsrichtungen möglich sind. Bevorzugt sind Erweiterungsabschnitte bei allen Ausformungen vorgesehen, die zu Höckern der Zähne des Oberkiefers bzw. Unterkiefers korrespondieren.
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Die Erweiterungsabschnitte, insbesondere konfiguriert als „Führungsbahnen“, werden gemäß einer bevorzugten Ausführung der Erfindung aufgrund der Hüllkurven verschiedener Kieferbewegungen des Probanden festgelegt, wie sie mit dem Positionsbestimmungssystem ermittelt wurden. Der reine Positionsbestimmungs-/Berechnungsschritt der Bestimmung von Hüllkurven kann mit einem Bewertungsschritt verknüpft sein, in dem Informationen berücksichtigt werden, die der Patient bei den verschiedenen Kieferbewegungen geliefert hat.
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Das vorstehend beschriebene Konzept des Versehens der Ausformungen auf einer Oberfläche der Aufbissschiene mit die Bewegungsfreiheit erhöhenden Erweiterungen kann mit einem weiteren Konzept kombiniert sein, nämlich dem Vorsehen eines definierten räumlichen (also lateralen und/oder frontal-dorsalen und/oder vertikalen) Verschiebungsbetrages gegenüber der Positions-Relation optimaler Okklusion. Zur zusätzlichen Realisierung dieser Option wird bei der Vorbereitung der Steuerdaten für die Herstellung der Aufbissschiene wie folgt vorgegangen:
- a) Es wird in der Position optimaler Okklusion mittels eines Positionsbestimmungssystems eine Okklusions-Lagebeziehung zwischen Unterkiefer und Oberkiefer und somit eine Okklusions-Relation zwischen den Datensätzen der zugehörigen intraoralen Scans bestimmt.
- b) Es wird in einer von obiger Okklusion verschiedenen Position mittels des Positionsbestimmungssystems eine therapeutische Kieferrelation zwischen Unterkiefer und Oberkiefer und somit eine therapeutische Okklusions-Relation zwischen den Datensätzen der zugehörigen intraoralen Scans bestimmt.
- c) Es wird aus den Datensätzen der nicht kiefertherapeutisch wirksamen Okklusions-Relation und der therapeutischen Okklusions-Relation der vorbestimmte laterale und/oder dorsale und/oder vertikale Verschiebungsbetrag bestimmt.
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Es versteht sich, dass jegliche Aufbissschiene eine „herkömmliche“ Okklusion der Zahnoberflächen, wie sie ohne Schiene erreicht wird, verhindert, so dass hier unter einer „Okklusions-Lagebeziehung“ oder „Okklusions-Relation“ eine solche verstanden wird, wie sie mit eingesetzter Aufbissschiene dann erreicht wird, wenn keine kiefertherapeutische Wirkung erreicht werden soll. Wo nachfolgend und in den Ansprüchen aber von einer „Nichtokklusions-Relation“ gesprochen wird, ist hierunter, verkürzt formuliert, eine Relativposition zwischen Unterkiefer und Oberkiefer zu verstehen, die gegenüber einer Position eines reinen „Zusammenpassens“ der Zahnoberflächen von Unter- und Oberkiefer eine kiefertherapeutische Funktion bzw. Wirkung hat.
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Aufgrund der auf diese Weise gewonnenen Steuerdaten werden schließlich, in einer ersten Ausprägung des erfindungsgemäßen Verfahrens, die Ausformungskonfigurationen auf der Unterseite bzw. Oberseite der Aufbissschiene unter Berücksichtigung der Erweiterungsabschnitte und ggfs. des optionalen lateralen und/oder dorsalen und/oder vertikalen Verschiebungsbetrages, mittels eines koordinatengesteuerten, abtragenden Bearbeitungsverfahrens (insbesondere Fräsen) aus einem geeigneten Grundkörper (etwa aus PMMA) herausgearbeitet.
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In einer hierzu alternativen Ausprägung werden die entsprechenden Datensätze dazu benutzt, die Aufbissschiene mittels eines additiven Herstellungsverfahrens aufgrund der Scans mindestens von Abschnitten der Zahnoberflächen des Unterkiefers und Oberkiefers aufzubauen. Bei diese Ausführung wird insbesondere die Aufbissschiene mittels eines 3D-Kunststoffdruckverfahrens mit den vollständigen Datensätzen der Scans der Zahnoberflächen des Unterkiefers und Oberkiefers gebildet. Es versteht sich, dass erfindungsgemäß auch hier Erweiterungsabschnitte und optional der Verschiebungsbetrag gegenüber der Positions-Relation optimaler Okklusion berücksichtigt werden.
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Des Weiteren ist bevorzugt vorgesehen, dass zur Bestimmung der Okklusions-Relation und/oder der therapeutischen Okklusions-Relation ein Bewegungsablauf vorbestimmter Kieferbewegungen registriert wird und die intraoral aufgenommenen Scans der Zahnoberflächen mit den Positionsdaten zur Ableitung jeweiliger Hüllkurven der Zahnoberflächenpositionen des Unterkiefers und Oberkiefers verknüpft werden. Ein hierzu geeignetes Messsystem ist kommerziell verfügbar und wird beispielsweise von der Anmelderin unter dem Produktnamen „JMAnalyser+“ angeboten. Von einer genaueren Beschreibung der Datengewinnung und -verarbeitung kann daher hier Abstand genommen werden.
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In einer weiter bevorzugten Ausführung der Erfindung wird, zur Vermeidung der Herstellung von Aufbissschienen, die vom Patienten als unbequem empfunden oder letztlich gar nicht genutzt werden, in die Bestimmung des erwähnten Verschiebungsbetrages ein Bewertungsschritt integriert. Es werden nämlich eine Serie vorbestimmter Kieferbewegungen ausgeführt und jeweils die Unterkieferbewegungen und ein Patienten-Feedback registriert, und diese Patienten Informationen werden einer Auswertung gemäß einem vorbestimmten Bewertungsalgorithmus zur Bestimmung des Verschiebungsbetrages gegenüber der Positions-Relation optimaler Okklusion unterzogen. Parallel hierzu wird insbesondere die jeweilige Kondylenposition bei den einzelnen Bewegungen erfasst, und es werden die Erweiterungsabschnitte und/oder der optional vorgesehene Verschiebungsbetrag unter Berücksichtigung der Kondylen-Relativpositionen definiert. Dies kann grundsätzlich allein aufgrund einer ärztlichen Bewertung erfolgen, es können aber vom Patienten in einzelnen Bewegungen gegebene Informationen („schmerzt“/„schmerzt nicht“) einbezogen werden.
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Die erfindungsgemäße Aufbissschiene kann zum einen als Unterkiefer-Schiene zur Fixierung auf dem Patienten-Unterkiefer und zum anderen auch als Oberkiefer-Schiene zur Fixierung auf dem Patienten-Oberkiefer ausgeführt sein.
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Wenn sie mit einem koordinatengesteuerten abtragenden Bearbeitungsverfahren hergestellt wird, ist sie typischerweise im Wesentlichen ausgebildet aus einem Hartkunststoff (z.B. PMMA) oder Composite/Hybridkeramik (bestehend aus anorganischen Füllkörpern in einer Kunststoffmatrix) mit eingefrästen Ausformungs-Konfigurationen auf der Unterseite und Oberseite. Wird die Aufbissschiene hingegen mit einem 3D-Druckverfahren hergestellt, ist sie typischerweise weitgehend gefertigt aus einem verschmolzenen thermoplastischen Pulver oder Granulat oder lichthärtenden Flüssigpolymeren (insbesondere einem bioverträglichen Photopolymeren), wobei die Ausformungs-Konfigurationen auf der Unterseite und Oberseite durch additive Formgebung ausgebildet sind.
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Wie bereits weiter oben erwähnt, kann im Rahmen der Erfindung insbesondere auch ein Set von Aufbissschienen bereitgestellt werden, wobei die Aufbissschienen des Sets verschiedene Erweiterungsabschnitte und optional auch verschiedene laterale und/oder frontal-dorsale und/oder vertikale Verschiebungsbeträge gegenüber der Positions-Relation optimaler Okklusion haben. Hiermit wird dem Patienten ein universelles Therapiehilfsmittel bereitbestellt, aus dem er eine seinem aktuellen Befinden und seinen aktuellen Bedürfnissen entsprechende Auswahl treffen und zugleich „Gewöhnungseffekten“ oder sich steigernden Empfindungen der Unbequemlichkeit oder nachlassender therapeutischer Wirkung bei längerem Gebrauch ein und derselben Schiene entgegenwirken kann.
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Vorteile und Zweckmäßigkeiten der Erfindung ergeben sich im Übrigen aus der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels anhand der Figuren. Von diesen zeigen:
- 1A-1E schematische Darstellungen des Gebisses eines Patienten, einerseits im Zustand optimaler Okklusion, ohne Aufbissschiene (1A) und andererseits mit verschiedenen erfindungsgemäß gefertigten Aufbissschienen (1B-1E),
- 2 eine Prinzipskizze (Funktions-Blockschaltbild) eines Systems zur Gewinnung intraoraler Scans der Zahnoberflächen und von zugehörigen Positionsdaten und
- 3 eine perspektivische Darstellung eines in einem solchen System einzusetzenden paraokklusalen Bügels.
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Die 1A-1E stellen zur Erläuterung wesentlicher Aspekte einer erfindungsgemäß hergestellten Aufbissschiene schematische Darstellungen des Oberkiefers OK und Unterkiefers UK eines Patienten dar, bei dem zur Behandlung von Funktionsstörungen des Kiefergelenks eine Schienentherapie mit Aufbissschienen durchgeführt wird.
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Hierbei zeigt 1A den Zustand optimaler Okklusion, also des schließenden Ineinandergreifens der Zahnoberflächen SOK des Oberkiefers und der Zahnoberflächen SUK des Unterkiefers. Ist diese Position aus klinischer Sicht nicht vorteilhaft, z.B. schmerzhaft, wird mit Hilfe einer Aufbissschiene das Kiefergelenk in eine therapeutisch gewünschte Position re-positioniert.
Hierfür bestehen, je nach patientenspezifischer Funktionsstörung und insbesondere auch abhängig von Schmerzempfindungen des Patienten, regelmäßig mehrere Optionen, zwischen denen im Therapieverlauf bedarfsweise auch „umgeschaltet“ werden kann.
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So zeigt 1B die Kieferstellung mit einer eingesetzten Aufbissschiene 1, einer sog. Distraktionsschiene, die den Unterkiefer (parallel zur Okklusionsebene) leicht nach unten verlagert. Abgesehen davon, dass selbstverständlich auch die Aufbissschiene 1 eine gewisse Dicke hat, korrespondiert die Position einer Ausformungs-Konfiguration 2 auf der Oberseite, die weitgehend dem Zahnoberflächenprofil des Oberkiefers OK entspricht, bezüglich der Ausformungs-Konfiguration 3 auf der Unterseite der Positions-Relation optimaler Okklusion.
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1C zeigt eine andere Aufbissschiene 1a, die ebenfalls als Distraktionsschiene bezeichnet werden kann, den Unterkiefer aber im hinteren Bereich weiter nach unten verlagert als die Aufbissschiene 1 aus 1B. Es gibt hier also zwischen der Ausformungs-Konfiguration 2a auf der Oberseite und der Ausformungs-Konfiguration 3a auf der Unterseite einen vertikalen Verschiebungsbetrag im hinteren Bereich der Schiene 1a. Da die Schiene 1a im Grunde eine Verkippung der Ausformungs-Konfigurationen gegenüber der Position optimaler Okklusion bewirkt, gibt es auch einen (kleinen) frontal-dorsalen Verschiebungsbetrag.
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1D zeigt schematisch die Kieferstellung mit einer weiteren eingesetzten Aufbissschiene 1b, die als Retrusions-/Distraktions-Schiene bezeichnet werden kann und den Unterkiefer leicht nach unten/hinten verlagert. Zwischen der Ausformungs-Konfiguration 2b auf der Oberseite und der Ausformungs-Konfiguration 3b auf der Unterseite der Schiene 1b gibt es also sowohl einen vertikalen als auch frontal-dorsalen Verschiebungsbetrag, bezogen auf die Position optimaler Okklusion (1A).
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1E zeigt als weitere Variante eine Aufbissschiene 1c, die als Protrusions-Schiene bezeichnet werden kann und Unterkiefer leicht nach vorn verlagert.
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Zwischen der Ausformungs-Konfiguration 2c auf der Oberseite und der Ausformungs-Konfiguration 3c auf der Unterseite der Aufbissschiene 1c gibt es also einen signifikanten frontal-dorsalen, aber keinen wesentlichen vertikalen Verschiebungsbetrag.
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Neben den hier beispielhaft gezeigten Konfigurationen gibt es zahlreiche andere, und grundsätzlich können auch Aufbissschienen therapeutisch sinnvoll sein, bei denen zwischen den Ausformungs-Konfigurationen auf der Oberseite und Unterseite ausschließlich oder zusätzlich zu einem vertikalen oder frontal-dorsalen Verschiebungsbetrag ein lateraler (rechts-links) Verschiebungsbetrag vorhanden ist, so dass die Unterkieferzähne gegenüber den Oberkieferzähnen entsprechend seitlich verlagert werden.
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Es wird darauf hingewiesen, dass die erfindungsgemäß vorgesehenen Erweiterungsabschnitte der den vorstehenden Zahnoberflächen entsprechenden Ausformungen (Vertiefungen) in 1B bis 1E nicht dargestellt sind, sondern die Figuren lediglich eine ausgestaltende Variante der vorliegenden Erfindung skizzenhaft illustrieren.
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Die in 1B-1E schematisch gezeigten Aufbissschienen können jeweils einzeln als Therapiehilfsmittel bereitgestellt werden, oder es kann aus ihnen (und ggf. anderen und/oder weiteren) ein Set von Aufbissschienen gebildet sein.
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2 zeigt als Prinzipskizze wesentliche Teile eines Systems 100 zur Bewegtbild-Erfassung/-Darstellung des Gebisses eines Patienten unter Einsatz eines speziellen paraokklusalen Bügels 1, wie in 3 skizzenartig gezeigt.
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Das System umfasst eine Positionssignal-Erfassungseinheit 105 und eine Positionsberechnungseinheit 107, die die Positionssignale von einem Positionsmarker-Teil 15 des Bügels 10 in seinem in den Mund eines Patienten eingesetzten Zustand auswerten. Ergebnis ist ein Positionsdatensatz des Bügels, der genau diejenige Position des Bügels bezüglich eines raumfesten Koordinatensystems repräsentiert, in der Scans des Unter- und/oder Oberkiefers erzeugt wurden.
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Mittels eines intraoralen Scanners 109 werden in einem durch den Erfassungsbereich 109a des Scanners festgelegten Teilbereich der Gesamterstreckung des Bügels die Zahnoberflächen optisch erfasst, und der zugehörige Bilddatensatz wird gespeichert. Er umfasst Bilddaten der (in dieser Figur nicht vollständig dargestellten) Markierungen an den Rändern des Kopplungslöffels, die im Erfassungsbereich 109a liegen. Aus einer Datenbasis 111 wird ein vorab erzeugter und gespeicherter Bilddatensatz des gesamten Bügels in eine Vergleichs-Verarbeitungseinheit 113 geladen und dort einer Vergleichs-Verarbeitung mit dem Bilddatensatz des Erfassungsbereiches 109a unterzogen. Hierbei werden die im Erfassungsbereich liegenden Markierungen als Teilmenge aller an dem Kopplungslöffel vorgesehenen Markierungen identifiziert, und aufgrund dieser Identifizierung sind der Erfassungsbereich 109a und mithin die in diesem liegenden Impressionen 101a positionsmäßig präzise bezüglich des Bügels 101 zuzuordnen.
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Zusammen mit den zugehörigen (relativen) Positionskoordinaten gelangt das im Erfassungsbereich 109a gewonnene Abbild in eine Gesamtbild-Synthesestufe 115, in der es zusammen mit dem in anderen Teilbereichen durch den Scanner gewonnenen Abbildern (Teilbildern) unter Zugrundelegung der jeweiligen relativen Positionskoordinaten zu einem Zahnoberflächen-Gesamtbild verarbeitet wird.
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Sowohl das mit den relativen Positionskoordinaten versehene Teilbild als auch das Zahnoberflachen-Gesamtbild können anhand der in der Positionsberechnungseinheit 107 gewonnenen (absoluten) Positionskoordinaten der Bissgabel auf ein raumfestes Koordinatensystem bezogen werden. In der Figur ist dies für das Zahnoberflächen-Gesamtbild dargestellt, das am Ausgang der Gesamtbild-Synthesestufe 115 bereitgestellt wird. Es wird mit den am Ausgang der Positionsberechnungseinheit 107 bereitstehenden Positionskoordinaten einer zusammenfassenden Verarbeitung in einer Bild/Koordinaten-Zuordnungsstufe 117 unterzogen. Das Ergebnis ist ein absolut koordinatengetreues Zahnoberflächen-Gesamtbild, das in dem erfindungsgemäßen Verfahren (als Steuerdatensatz), aber auch für Visualisierungen zahnmedizinischer Befunde und sonstiger Maßnahmen genutzt werden kann.
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3 zeigt den frontal auf die gesamte Zahnreihe des Unterkiefers UK eines Patienten aufgesetzten paraokklusalen Bügel 10, der an den Zähnen mittels eines vorzugsweise elastischen oder hartelastischen hinreichend haftfähigen Registriermaterials oder Klebstoffs 13 fixiert ist. In zentraler Position des Bügels 10 ist an diesem eine rechtwinklig nach vorn abstehende Montagehülse 11a angeordnet, die passfähig für einen Montagestift 15a des am Bügel 11 zu befestigenden Sensorik-Teils 15 ist. Die Befestigung erfolgt bei dieser vereinfacht dargestellten Ausführung durch Einschieben des Stiftes 15a in die Hülse 11a und reibschlüssige (bzw. formschlüssige) Fixierung des Stiftes in der Hülse. Zweckmäßigerweise ist in der Praxis die Stift-Hülse-Anordnung mit Ausformungen zur Vorgabe einer definierten Winkellage des Sensorik-Teils 15 bezüglich des Bügels 1 (etwa einer Nut-Feder-Anordnung) versehen, die aber in der Figur nicht gezeigt ist.
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An der Oberseite und Vorderseite des Bügels 10 sind unterschiedliche Markierungen 11b vorgesehen, die für einen intraoralen Scanner leicht lesbar und bei der Auswertung eines Scans leicht unterscheidbar sind. Die Markierungen, die hier als unterschiedliche Symbole dargestellt sind, aber auch farbig oder als Erhöhungen/Vertiefungen o.ä. ausgebildet sein können, erlauben es, bei einem Scan aufgenommene Abschnitte des Bügels 10 und somit auf die jeweils abgebildeten Zähne eindeutig einer Position bezüglich des Unterkiefers zuzuordnen.
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Der Bügel 10 ist als Formteil, etwa als Kunststoff-Spritzgussteil (etwa aus einem Polyamid oder ABS oder einem sonstigen physiologisch unbedenklichen Polymer) oder auch als Metall-Gussteil (etwa aus einer Aluminiumlegierung), hergestellt. Es kann sich auch um ein Kunststoff-Formteil mit eingelegter Metallarmierung oder um eine andere Art Formteil handeln. Das Formteil kann teilweise oder Insgesamt aus einem transparenten Material bestehen, welches es erlaubt, zugleich mit den Markierungen auf Zahnoberflächen aufzunehmen.
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Das Messsensorik-Teil 3 ist in 3 lediglich symbolisch dargestellt; es kann eine (als solche bekannte) Anordnung von Sendern oder Sensoren oder Reflektoren eines Ultraschall-Positionsbestimmungssystems aufweisen.
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Wie weiter oben bereits angemerkt, kann das vorstehend erläuterte System auch dazu genutzt werden, sequenziell Bewegtbild-Aufnahmen (bzw. entsprechende koordinatentreue Datensätze der Zahnoberflächen von Unter- und Oberkiefer) bei verschiedenen Gebissbewegungen des Patienten aufzuzeichnen und hieraus Einhüllende der Bewegungskurven zu gewinnen, die letztlich für die Herstellung der Ausformungs-Konfigurationen auf der Oberseite und Unterseite der Aufbissschiene herangezogen werden.
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Die Berücksichtigung vorbestimmter Verschiebungsbeträge kann, wie ebenfalls bereits angemerkt, einen Schritt eines vom Patienten gelieferten Feedback hinsichtlich schmerzbehafteter oder schmerzfreier Relativpositionen umfassen, wobei dem Patienten-Feedback hier jeweils genaue Positionsdaten bzw. koordinatengenaue Bilddatensätze zugeordnet werden können.
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Die Ausführung der Erfindung ist nicht auf die oben hervorgehobenen Aspekte und erläuterten Beispiele beschränkt, sondern ebenso in einer Vielzahl von Abwandlungen möglich, die im Rahmen fachgemäßen Handelns liegen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102014111643 A1 [0007]
- DE 102014102111 B4 [0010]