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Die Erfindung betrifft ein Fahrsystem zum automatisierten Fahren für ein Kraftfahrzeug, wobei das Fahrsystem neben einer bekannten Fahrfunktion zum automatisierten Fahren eine Funktion zum Konditionieren des Fahrers für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende Fahrsituation umfasst. Ferner betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Konditionieren eines Fahrers für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende Fahrsituation.
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Unter dem Begriff „automatisiertes Fahren“ wird im Rahmen des Dokuments ein Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung oder ein automatisierte Fahren lediglich mit automatisierter Querführung verstanden, bei dem das Kraftfahrzeug dem Verlauf einer Fahrspur folgt. Bei dem automatisierten Fahren kann es sich beispielsweise um ein zeitlich längeres Fahren auf der Autobahn handeln. Der Begriff „automatisiertes Fahren“ umfasst ein automatisiertes Fahren mit einem beliebigen Automatisierungsgrad. Beispielhafte Automatisierungsgrade sind ein assistiertes, teilautomatisiertes, hochautomatisiertes oder vollautomatisiertes Fahren. Diese Automatisierungsgrade wurden von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) definiert (siehe BASt-Publikation „Forschung kompakt“, Ausgabe 11/2012). Beim assistierten Fahren führt der Fahrer beispielsweise dauerhaft die Längsführung aus, während das System - beispielsweise als Spurhaltesystem - die Querführung übernimmt. Beim teilautomatisierten Fahren (TAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum und/oder in spezifischen Situationen, wobei der Fahrer das System wie beim assistierten Fahren dauerhaft überwachen muss. Beim hochautomatisierten Fahren (HAF) übernimmt das System die Längs- und Querführung für einen gewissen Zeitraum, ohne dass der Fahrer das System dauerhaft überwachen muss; der Fahrer muss aber in einer gewissen Zeit in der Lage sein, die Fahrzeugführung zu übernehmen. Beim vollautomatisierten Fahren (VAF) kann das System für einen spezifischen Anwendungsfall das Fahren in allen Situationen automatisch bewältigen; für diesen Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr erforderlich. Der Fahrer kann jedoch aufgefordert werden, die Führung zu übernehmen. Die vorstehend genannten vier Automatisierungsgrade entsprechen den SAE-Level 1 bis 4 der Norm SAE J3016 (SAE - Society of Automotive Engineering). Beispielsweise entspricht das hochautomatisierte Fahren (HAF) Level 3 der Norm SAE J3016. Ferner ist in der SAE J3016 noch der SAE-Level 5 als höchster Automatisierungsgrad vorgesehen, der in der Definition der BASt nicht enthalten ist. Der SAE-Level 5 entspricht einem fahrerlosen Fahren, bei dem das System während der ganzen Fahrt alle Situationen wie ein menschlicher Fahrer automatisch bewältigen kann; ein Fahrer ist generell nicht mehr erforderlich.
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Fahrsysteme zum teilautomatisierten Fahren gemäß SAE-Level 2 erlauben häufig lange Fahrtabschnitte, in denen das Fahrsystem das Fahrzeug mit automatisierter Längs und Querführung führt, ohne dass der Fahrer eingreifen oder die Fahraufgabe übernehmen muss. Bei einem Fahrsystem zum teilautomatisierten Fahren ist der Fahrer aber in der Verantwortung, das Fahrsystem permanent zu überwachen. Durch lange Fahrabschnitte, ohne die Notwendigkeit eines Fahrereingriffs oder einer Fahrübernahme, könnte sich beim Fahrer irrtümlicherweise ein derart großes Systemvertrauen in das Fahrsystem einstellen, dass der Fahrer glaubt, dass das Fahrsystem die Führung des Fahrzeugs derart gut beherrsche, dass eine permanente Überwachung des Fahrsystems nicht nötig sei. Der Fahrer muss aber stattdessen permanent aufmerksam sein, um ein möglicherweise unangekündigtes Überschreiten von Systemgrenzen zu erkennen, z. B. im Fall einer falsch detektierten Fahrspurlinie in einer Kurve und anschließender fehlerhafter Querführung anhand der falsch detektierten Fahrspurlinie.
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Um zu gewährleisten, dass während des automatisierten Fahrbetriebs der Fahrer permanent aufmerksam ist und bei Überschreiten einer Systemgrenze ausreichend schnell eingreifen kann, ist es beispielsweise bekannt, mittels einer Hands-On-Sensorik im Lenkradkranz zu kontrollieren, dass der Fahrer permanent oder zumindest regelmäßig die Hände an das Lenkrad nimmt. Ferner kann mittels einer auf den Fahrer gerichteten Innenraum-Kamera kontrolliert werden, ob der Fahrer seinen Blick auf das vorausliegende Verkehrsgeschehen vor dem Fahrzeug gerichtet hat.
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Bei Nichtbeachtung der jeweiligen Anforderung, z. B. das Lenkrad zu berühren oder auf das vorausschauende Verkehrsgeschehen zu blicken, wird eine Mahnung an den Fahrer ausgegeben oder eine Sanktionsmaßnahme bewirkt, beispielsweise wird dem Fahrer die Nutzung des Fahrsystem vorübergehend entzogen.
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Die Überwachung des Fahrers mittels einer Hands-on-Sensorik garantiert nicht, dass der Fahrer auch das vorausliegende Verkehrsgeschehen beobachtet. Mittels einer Innenraum-Kamera kann zwar erkannt werden, ob der Fahrer in eine vorgeschriebene Richtung schaut. Jedoch ist denkbar, dass der Fahrer dann - statt auf das vorausliegende Verkehrsgeschehen - auf einen Bildschirm eines Smartphones schaut, der in dieser vorgeschriebenen Richtung platziert wird. Die Überwachung des Fahrers mittels Innenraum-Kamera kann auch bei einem Brillenträger oder einem Fahrer mit Schirmmütze eingeschränkt sein. Außerdem ist es möglich, dass der Fahrer zwar in eine vorgeschriebene Richtung blickt, jedoch sich der Fahrer gedankenverloren der aktuellen Verkehrssituation nicht bewusst ist. Ein derartiger Mind-Off-Zustand des Fahrers kann über die Innenraum-Kamera nicht erkannt werden. Außerdem sind Sensoriken zu Überwachung der Fahreraufmerksamkeit (z. B. Hands-Off-Sensorik oder Innenraum-Kamera) mit Kosten verbunden.
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Aus der Druckschrift
DE 10 2012 213 965 A1 ist ein Verfahren zum Gewährleisten einer ausreichenden Leistungsfähigkeit eines Fahrers beim automatisierten Fahren bekannt. Gemäß dem Verfahren wird der Fahrer beim automatisierten Fahren fortlaufend in zeitlichen Abständen aufgefordert, jeweils eine unterschiedliche Aufgabe im Fahrzeug durchzuführen. Die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe wird ausgewertet und in Abhängigkeit der Auswertung wird der Automatisierungsgrad für das automatisierte Fahren reduziert oder beibehalten. Bei Erfüllung einer Aufgabe bleibt der Automatisierungsgrad für das automatisierte Fahren beispielsweise erhalten. Bei einer alternativen Ausgestaltung des Verfahrens wird in Abhängigkeit der Auswertung das Fahrzeug angehalten.
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Es ist Aufgabe der Erfindung, eine technische Lehre anzugeben, welche gewährleistet, dass im Fall des situativen Überschreitens von Systemgrenzen eines automatisierten Fahrsystems der Fahrer angemessen reagieren wird.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben. Es wird darauf hingewiesen, dass zusätzliche Merkmale eines von einem unabhängigen Patentanspruch abhängigen Patentanspruchs ohne die Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs oder nur in Kombination mit einer Teilmenge der Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs eine eigene und von der Kombination sämtlicher Merkmale des unabhängigen Patentanspruchs unabhängige Erfindung bilden können, die zum Gegenstand eines unabhängigen Anspruchs, einer Teilungsanmeldung oder einer Nachanmeldung gemacht werden kann. Dies gilt in gleicher Weise für in der Beschreibung beschriebene technische Lehren, die eine von den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche unabhängige Erfindung bilden können.
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Ein erster Aspekt der Erfindung betrifft ein Fahrsystem zum automatisierten Fahren für ein Kraftfahrzeug, insbesondere für einen Personenkraftwagen. Bei dem Fahrsystem handelt es sich um ein Fahrsystem mit automatisierter Längs- und Querführung oder mit lediglich automatisierter Querführung.
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Neben der automatisierten Fahrfunktion weist das Fahrsystem einer Funktion zum Konditionieren des Fahrers für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende Fahrsituation auf.
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Das Fahrsystem ist eingerichtet, verschiedene nachfolgend beschriebene Tätigkeiten durchzuführen. Dies erfolgt typischerweise mittels einer elektronischen Steuereinheit, die auch über mehrere Steuergeräte verteilt sein kann. Die Steuereinheit kann einen oder mehrere Prozessoren umfassen, die über ein oder mehrere Software-Programme gesteuert in erfindungsgemäßer Weise arbeiten.
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Im Rahmen der bekannten Fahrfunktion wird das Kraftfahrzeug in einem automatisierten Fahrbetrieb mit automatisierte Längs- und Querführung oder lediglich mit automatisierter Querführung (wobei dann die Längsführung vom Fahrer manuell durchgeführt wird) derart geführt, dass das Kraftfahrzeug dem Verlauf einer Fahrspur auf einer Fahrbahn folgt. Je nach Einsatzszenario der Fahrfunktion kann die Fahrbahn eine einzige Fahrspur oder mindestens eine Fahrspur pro Fahrtrichtung (z. B. zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung) aufweisen.
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Die Funktion zum Konditionieren des Fahrers sieht vor, dass das Fahrsystem in Kenntnis des Verlaufs der Fahrspur gezielt eine vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung des Kraftfahrzeugs als Konditionierungssituation bewirken kann, so dass der Fahrer zur manuellen Korrektur der vom Verlauf der Fahrspur abweichenden Fahrbewegung veranlasst wird, und zwar im Allgemeinen durch Betätigung des fahrzeugseitigen Lenkrads (ggf. unter Betätigung des Bremspedals).
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Hierdurch wird der Fahrer (bei entsprechender Wiederholung von Konditionierungssituationen) für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende (potentielle) Fahrsituation konditioniert.
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Der Fahrer kann also auf die kritische Überschreitung der Systemgrenzen konditioniert werden, indem er während des automatisierten Fahrbetriebs immer wieder - vorzugsweise zu für ihn nicht vorhersehbaren Zeitpunkten - mit Konditionierungssituationen konfrontiert wird, die einer Überschreitung der Systemgrenzen ähneln.
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Es sollte darauf geachtet werden, dass diese Konditionierungssituationen harmlos sind, um die Verkehrssicherheit während der Konditionierung zu gewährleisten. Hierzu kann beispielsweise vorgesehen sein, dass das Fahrsystem selbständig die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung korrigiert, wenn der Fahrer nicht selbst reagiert, so dass das Fahrzeug dann wieder dem Verlauf der Fahrspur folgt. Ferner sollte die Konditionierungssituation beispielweise erst dann ausgelöst werden, wenn ein oder mehrere notwendige Voraussetzungen zum Bewirken einer Konditionierungssituation in Bezug auf das Fahrzeugumfeld des Kraftfahrzeugs oder in Bezug auf den Fahrzustand des Kraftfahrzeugs erfüllt sind. Beispielweise kann geprüft werden, ob eine für die Kollisionsgefahr mit anderen Verkehrsteilnehmern charakteristische Größe eine bestimmte Bedingung erfüllt, beispielsweise ob die TTC (time to collision) zu sämtlichen detektierten anderen Verkehrsteilnehmers größer oder größer gleich als ein Schwellwert ist, und nur dann die Konditionierungssituation ausgelöst werden. Darüber hinaus könnte eine für die Kurvigkeit oder Geradlinigkeit der Fahrspur charakteristische Größe daraufhin geprüft werden, dass eine ausreichende Geradlinigkeit der Fahrspur gewährleistet ist (vorzugsweise zumindest für die Strecke des gesamten Konditionierungsmanövers).
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Eine derartige Konditionierungssituation fühlt sich im Ansatz für den Fahrer aber an wie eine Systemgrenze. Der Fahrer hat die Aufgabe, diese Situation zu erkennen und dann angemessen zu reagieren.
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Der Fahrer kann durch laufendes Üben anhand von Konditionierungssituationen auf eine kritische Fahrsituation vorbereitet werden, die die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitet. Der Fahrer kann also auf den Ernstfall konditioniert werden. Hierdurch können Unfälle durch ungerechtfertigt großes Systemvertrauen beim Überschreiten von Systemgrenzen vermieden werden. Die Konditionierungsfunktion kann ohne zusätzliche Hardware-Kosten implementiert werden. Möglicherweise könnte durch die Erfindung auf eine Überwachung des Fahrers durch eine Hands-On-Sensorik oder eine Innenraum-Kamera verzichtet werden. Wenn nicht auf die Verwendung einer derartigen Sensorik zur Überwachung verzichtet wird, wird bei Implementierung der erfindungsgemäßen Konditionierungsfunktion die Sicherheit der Fahrsystems gegenüber einem konventionellen Fahrsystem weiter erhöht.
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Zur Korrektur der vom Verlauf der Fahrspur abweichenden Fahrbewegung kann die vom Fahrsystem bewirkte Lenkbewegung des Fahrsystems seitens des Fahrers über das Lenkrad vorzugsweise übersteuert werden. Beispielsweise kann der Fahrer ein Lenkmoment gegen das vom Fahrsystem aufgebrachte Lenkmoment aufbringen, so dass die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung vom Fahrer korrigiert wird.
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Vorzugsweise führt der Fahrer im Fall einer gewünschten Reaktion das Fahrzeug durch eine manuelle Lenkbewegung wieder auf den Verlauf der Fahrspur zurück, nachdem das Fahrsystem eine vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung ausgelöst hat. Es wäre aber auch denkbar, dass das Fahrzeug die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung unmittelbar abbricht und sofort wieder das Fahrzeug in den Verlauf der Fahrspur zurückführt, wenn das Fahrsystem feststellt, dass der Fahrer das Lenkrad zum Zwecke der manuellen Korrektur bedient oder berührt.
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Vorzugsweise handelt es sich um ein Fahrsystem, welches ein teilautomatisierten Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung gemäß SAE-Level 2 unterstützt. Bei diesem Automatisierungsgrad ist die Erfindung besonders gut einsetzbar, da hier die Gefahr besteht, dass der Fahrer während des automatisierten Fahrbetriebs ein zu großes Systemvertrauen gewinnt. Im teilautomatisierten Fahrbetrieb führt das Fahrsystem zwar sowohl die Längs- als auch die Querführung automatisiert durch, der Fahrer muss das System aber beispielsweise im Unterschied zu einem hochautomatisierten Fahrbetrieb permanent überwachen.
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Sofern das Fahrsystem verschiedene Automatisierungsgrade unterstützt, kann die Nutzung der Konditionierungsfunktion von dem jeweils eingestellten Automatisierungsgrad abhängen. Beispielsweise kann vorgesehen werden, dass die Konditionierungsfunktion bei einem aktiven teilautomatisierten Fahrbetrieb gemäß SAE-Level 2 genutzt wird, wohingegen bei einem aktiven hochautomatisierten Fahrbetrieb gemäß SAE-Level 3 die Konditionierungsfunktion nicht genutzt wird.
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Es ist nicht zwingend notwendig, dass das Fahrsystem das Reaktionsverhalten des Fahrers in Reaktion auf die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung erfasst. Vorzugsweise wird jedoch Information über das Reaktionsverhalten des Fahrers erfasst, beispielsweise ob generell ein Lenkeingriff des Fahrers in Reaktion auf die abweichende Fahrbewegung stattgefunden hat und/oder ob die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung korrigiert wurde. In Abhängigkeit hiervon kann beispielsweise eine Rückmeldung an den Fahrer ausgegeben werden. Alternativ oder zusätzlich kann in Abhängigkeit von Information über das Reaktionsverhalten des Fahrers eine Belohnungsmaßnahme (im Fall einer vom System erwarteten Reaktion) oder eine Sanktionsmaßnahme (im Fall des Ausbleibens einer erwarteten Reaktion) bewirkt werden.
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Wenn beispielsweise anhand der Information betreffend das Reaktionsverhalten festgestellt wurde, dass der Fahrer die Situation nicht erkannt und nicht reagiert hat, wird dem Fahrer ein entsprechender Hinweis gegeben, beispielsweise wird ein Hinweis auf einem Bildschirm oder im Head-Up-Display des Fahrzeugs angezeigt (z. B. als Textinformation oder als Symbol), ein entsprechendes akustisches Signal ausgegeben oder ein haptisches Signal über das Lenkrad ausgegeben. Wenn beispielsweise die Anzahl von ausgebliebenen Reaktionen in verschiedenen Konditionierungssituationen größer oder größer gleich als ein Schwellwert ist (beispielsweise wenn der Fahrer mehrmals nicht reagiert), wird als Sanktionsmaßnahme beispielsweise die Assistenzfunktion abgeschaltet, beispielsweise für den aktuellen Fahrbetrieb bis zum Abschalten des Antriebsmotors.
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Ein zuverlässiges Reagieren kann nach einer gelungenen Korrektur durch einen entsprechenden Hinweis an den Fahrer bestätigt werden, beispielsweise wird ein Hinweis auf einem Bildschirm oder im Head-Up-Display des Fahrzeugs angezeigt (z. B. als Textinformation oder als Symbol), ein entsprechendes akustisches Signal ausgegeben oder ein haptisches Signal über das Lenkrad ausgegeben.
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Wie vorstehend ausgeführt, werden vorzugsweise wiederholt während des automatisierten Fahrbetriebs Konditionierungssituationen seitens des Fahrsystems bewirkt, wobei es von Vorteil ist, wenn die Abstände (insbesondere zeitlichen Abstände) zwischen zwei aufeinander folgenden Konditionierungssituationen für den Fahrer unvorhersehbar variieren. In Abhängigkeit von Information betreffend das Reaktionsverhalten des Fahrers kann beispielsweise als Belohnungsmaßnahme der Abstand zwischen wiederholten Konditionierungssituationen vergrößert werden bzw. als Sanktionsmaßnahme der Abstand zwischen wiederholten Konditionierungssituationen verringert werden. Zuverlässiges Reagieren wird also beispielsweise dadurch belohnt, dass die Konditionierungssituationen in größeren Abständen eintreten, unzuverlässiges Reagieren wird durch verringerte Abstände bestraft.
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Zur Bestimmung eines zeitlichen Abstands Δt von einer Konditionierungssituation zu der unmittelbar nächsten Konditionierungssituation kann beispielsweise der Abstand Δt als Summe aus einem Basisanteil Δtb und einem stochastisch veränderlichen Anteil Δts berechnet werden: Δt = Δtb + Δts . Als Belohnungsmaßnahme kann beispielsweise der Basisanteil Δtb erhöht werden, während als Sanktionsmaßnahme der Basisanteil Δtb verringert wird.
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Um die Akzeptanz der Konditionierungsfunktion beim Fahrer zu erhöhen, kann die Konditionierungsfunktion einen spielerischen Charakter haben. Beispielsweise erhält der Fahrer für eine gelungene Reaktion eine bestimmte Punktanzahl und/oder für eine gewisse Anzahl von gelungenen Reaktionen eine Trophäe, die beispielsweise bei Fahrtende oder bereits während der Fahrt angezeigt werden.
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Vorzugsweise wird Information betreffend das Reaktionsverhalten erfasst und festgestellt, ob als Reaktion der Fahrer die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung korrigiert. Die Korrektur der vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung gilt beispielsweise als erfolgt, wenn das Fahrzeug (aufgrund der Reaktion des Fahrers) wieder einen definierten Zielbereich in der Fahrspur erreicht, insbesondere einen definierten Zielkorridor um eine den Verlauf der Fahrspur folgende Soll-Trajektorie. Sofern das Fahrsystem ohnehin die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung korrigiert und das Fahrzeug wieder in den Zielbereich steuert, wenn der Fahrer nicht reagiert, darf diese Selbstkorrektur seitens des Fahrsystems nicht als Korrektur durch den Fahrer gewertet werden. Hierzu kann beispielsweise berücksichtigt werden, ob eine Lenkaktivität des Fahrers stattgefunden hat, und/oder ob der definierte Zielbereich entsprechend frühzeitig erreicht wurde (und nicht erst später, nachdem das Fahrsystem eine Selbstkorrektur vornimmt).
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Hinsichtlich der vom Verlauf der Fahrspur abweichenden Fahrbewegung kann vorgesehen sein, dass das Fahrzeug bei der Fahrbewegung lediglich einseitig links oder rechts neben einer Soll-Lage in der Fahrspur geführt wird, insbesondere neben einer dem Verlauf der Fahrspur folgenden Trajektorie. Sofern das Fahrzeug einseitig links oder rechts von der Soll-Lage abweicht, kann vorgesehen sein, dass die Richtung der Abweichung (d.h. links oder rechts) aus Sicht des Fahrers zufällig erfolgt.
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Alternativ kann eine derartige Fahrbewegung durchgeführt werden, bei der das Fahrzeug in einer Pendelbewegung um eine Soll-Lage in der Fahrspur geführt wird, insbesondere um eine dem Verlauf der Fahrspur folgende Trajektorie. Die Pendelbewegung eignet sich insbesondere für schmalere Fahrspuren, da hier die mögliche Querabweichung von der Soll-Lage geringer ist. Durch die Pendelbewegung wird der Fahrer jedoch trotz geringer Querabweichung auf die Konditionierungssituationen aufmerksam und zur manuellen Korrektur veranlasst.
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Es ist von Vorteil, wenn beide vorstehend genannten Fahrbewegungstypen (einseitige Abweichung und Pendelbewegung) vom Fahrsystem unterstützt werden und in Abhängigkeit von der vorherrschenden Fahrspur jeweils der geeignete Fahrbewegungstyp für die vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung vom Fahrsystem gewählt wird. Hierzu kann Information im Zusammenhang mit der Breite der befahrenen Fahrspur ermittelt werden, beispielsweise kann die Breite der Fahrspur mittels eine Umfeldsensorik tatsächlich gemessen werden oder Information über den vorliegenden Straßentyp aus einem Navigationssystem abgerufen werden. In diesem Fall ist die maximale Querabweichung bei dem ersten Fahrbewegungstyp (einseitige Abweichung) vorzugsweise größer als bei dem zweiten Fahrbewegungstyp (Pendelbewegung).
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Generell ist es von Vorteil, wenn die maximale Querabweichung gegenüber der Soll-Lage während der vom Verlauf der Fahrspur abweichenden Fahrbewegung von der Breite der Fahrspur abhängig ist.
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Ein zweiter Aspekt der Erfindung betrifft ein Verfahren zum Konditionieren eines Fahrers eines Kraftfahrzeugs für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende Fahrsituation, wobei das Fahrzeug ein Fahrsystem zum automatisierten Fahren mit automatisierter Längs- und Querführung oder mit lediglich automatisierter Querführung umfasst. Gemäß dem Verfahren wird ausgehend von einem automatisierten Fahrbetrieb, in dem das Fahrsystem das Kraftfahrzeug derart führt, dass das Kraftfahrzeug dem Verlauf einer Fahrspur folgt, eine vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung des Kraftfahrzeugs als Konditionierungssituation bewirkt, und zwar gezielt in Kenntnis des Verlaufs der Fahrspur (und nicht aufgrund eines Fehlers des Fahrsystems). Diese Fahrbewegung veranlasst den Fahrer zur manuellen Korrektur der vom Verlauf der Fahrspur abweichenden Fahrbewegung. Hierdurch wird der Fahrer für eine die Systemgrenzen des Fahrsystems überschreitende Fahrsituation konditioniert.
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Die vorstehenden Ausführungen zum erfindungsgemäßen Fahrsystem nach dem ersten Aspekt der Erfindung gelten in entsprechender Weise auch für das erfindungsgemäße Verfahren nach dem zweiten Aspekt der Erfindung. An dieser Stelle und in den Patentansprüchen nicht explizit beschriebene vorteilhafte Ausführungsbeispiele des erfindungsgemäßen Verfahrens entsprechen den vorstehend beschriebenen oder in den Patentansprüchen beschriebenen vorteilhaften Ausführungsbeispielen des erfindungsgemäßen Systems.
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Ein dritter Aspekt der Erfindung betrifft Software mit Programmcode zur Durchführung des Verfahrens nach dem zweiten Aspekt der Erfindung, wenn die Software auf einer softwaregesteuerten Einrichtung abläuft.
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispiels unter Zuhilfenahme der beigefügten Zeichnungen beschrieben. In diesen zeigen:
- 1 gezielte Abweichungen von einer der Fahrspur folgenden Trajektorie in unregelmäßigen Abständen;
- 2 ein vereinfachtes Ablaufdiagramm zur Funktionsweise eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Fahrsystems;
- 3 einen beispielhaften Verlauf einer gezielten Abweichung von einer der Fahrspur folgenden Trajektorie im Detail;
- 4 einen beispielhaften Verlauf einer alternativen Abweichung von einer der Fahrspur folgenden Trajektorie; und
- 5 eine Korrektur des Fahrers im Fall einer die Systemgrenzen überschreitenden Fahrsituation.
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In 1 ist eine beispielhafte der Fahrspur folgende Trajektorie 1 dargestellt (hier beispielhaft in Form einer Geraden), anhand derer sich ein Kraftfahrzeug 2 im automatisierten Fahrbetrieb bewegt. Die Trajektorie 1 beschreibt die Bewegung eines Bezugspunkts des Fahrzeugs 2, beispielsweise eines Bezugspunkts in der Mitte der Hinterachse.
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Zum Konditionieren des Fahrers wird wiederholt in unregelmäßigen zeitlichen Abständen eine Konditionierungssituation hervorgerufen, indem von dieser Trajektorie 1 abgewichen wird. In 1 sind die jeweiligen Abweichungstrajektorien 3.i (hier 3.j und 3.j+1) dargestellt, entlang derer sich das Fahrzeug 2 während einer Konditionierungssituation bewegt, solange der Fahrer nicht eingreift. Diese Abweichungstrajektorien 3.i erstrecken sich beispielsweise jeweils über einen zeitlichen Rahmen von 15 s. Der zeitliche Abstand Δti zwischen dem Beginn zweier aufeinander folgender Abweichungen variiert (z. B. Δtj = 10 min; Δtj+1 = 12 min).
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In 2 ist ein vereinfachtes Ablaufdiagramm zur Funktionsweise eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Fahrsystems dargestellt. Ausgehend von einem automatisierten Fahrbetrieb 100, beispielsweise ein teilautomatisierter Fahrbetrieb mit automatisierter Längs- und Querführung gemäß SAE-Level 2, wird in Abfrage 110 geprüft, ob die Zeitdauer Δti für die Auslösung der nächsten Konditionierungssituation (beispielsweise gemessen von Beginn der letzten Konditionierungssituation) erreicht wurde. Wenn dies der Fall ist, wird in Abfrage 120 geprüft, ob bestimmte Voraussetzungen zum Bewirken einer Konditionierungssituation in Bezug auf das Fahrzeugumfeld des Kraftfahrzeugs und ggf. in Bezug auf den Fahrzustand des Kraftfahrzeugs 2 erfüllt sind. Beispielsweise wird hierzu geprüft, dass der jeweils Wert der TTC (time to collision) für sämtliche detektierte Verkehrsobjekte größer als ein Schwellwert ist. Ferner wird beispielsweise geprüft, ob die vorausliegende Fahrspur für den Streckenbereich einer etwaigen Abweichung ausreichend gerade ist und keine Kurve aufweist. Hinsichtlich des Fahrzustands des Kraftfahrzeugs könnte geprüft werden, dass sich das Fahrzeug gerade nicht in einem Zustand mit erhöhter positiver Beschleunigung oder Verzögerung befindet. Wenn die Voraussetzungen gemäß Abfrage 120 erfüllt sind, wird in Schritt 130 eine gegenüber der Trajektorie 1 abweichende Trajektorie 3.i (Abweichungstrajektorie) geplant. Die Abweichungstrajektorie 3.i könnte beispielsweise davon abhängig sein, wie breit die Fahrspur ist. Je breiter die Fahrspur ist, desto größer kann auch die gezielte Abweichung maximal sein.
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3 zeigt einen beispielhaften Verlauf einer geplanten Abweichungstrajektorie 3.i (gestrichelte Linie) im Detail. Basierend auf der dem geplanten Verlauf der Fahrspur folgenden Trajektorie 1 wird die Abweichungstrajektorie 3.i bestimmt, die eine gezielte Abweichung gegenüber der dem Verlauf der Fahrspur folgenden Trajektorie 1 umfasst. Der Verlauf der Abweichung kann beispielsweise von der Breite der Fahrspur abhängig sein. Mit Beginn der Abweichungstrajektorie 3.i folgt das Fahrzeug der Abweichungstrajektorie 3.i statt der dem Verlauf der Fahrspur folgenden Trajektorie 1 und fährt die Abweichungstrajektorie 3.i sukzessive gemäß Schritt 140 aus 2 ab, solange der Fahrer nicht eingreift. Es ist von Vorteil, wenn der Fahrer nicht durch ein entsprechendes Warnsignal (z. B. akustisch oder optisch) auf den Beginn der Abweichung hingewiesen wird, da der Fahrer sonst möglicherweise auf das Warnsignal konditioniert wird und nicht unbedingt auf eine vom Verlauf der Fahrspur abweichende Fahrbewegung.
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In Abfrage 150 in 2 wird geprüft, ob bereits das Ende der Abweichungstrajektorie erreicht wurde. Wenn dies nicht der Fall ist, wird in Abfrage 160 geprüft, ob ein fahrerseitiger Lenkeingriff stattgefunden hat. In 3 bemerkt der Fahrer die Abweichung und beginnt zum Zeitpunkt t1 über einen Lenkeingriff die Abweichung zu korrigieren. Der Fahrer überlenkt nun die Lenkvorgabe des Fahrsystems, so dass sich das Fahrzeug 2 tatsächlich entlang der (hier gepunktet dargestellten) korrigierten Trajektorie 4 bewegt.
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Für den Fall, dass ein fahrerseitiger Lenkeingriff detektiert wurde, wird in Abfrage 170 in 2 geprüft, ob bereits ein definierter Zielkorridor 5 um die dem Verlauf der Fahrspur folgende Trajektorie 1 erreicht wurde. In 3 erreicht der Referenzpunkt des Fahrzeugs zum Zeitpunkt t2 den Zielkorridor 5.
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Wenn der Zielkorridor 5 erreicht wurde, wird als Ergebnis der aktuellen Konditionierungssituation festgestellt, dass die abweichende Fahrbewegung fahrerseitig korrigiert wurde (s. Schritt 180). Ferner wird die gelungene Korrektur dem Fahrer in Schritt 190 bestätigt, beispielsweise durch Darstellung eines entsprechenden Texts oder Symbols auf einem Bildschirm im Fahrzeugcockpit, durch ein akustisches Signal oder durch ein haptisches Signal über das Lenkrad. Es wäre auch möglich, die gelungene Korrektur beispielsweise durch ein zugeordnetes Leuchtsignal auf einem leuchtfähigen Lenkradkranz des Lenkrads zu signalisieren. Wenn hingegen das Ende der abweichenden Trajektorie zum Zeitpunkt t3 erreicht wird, ohne dass der Fahrer die Bewegung des Fahrzeugs korrigiert hat, wird als Ergebnis festgestellt, dass die abweichende Fahrbewegung fahrerseitig nicht korrigiert wurde (s. Schritt 200). Es erfolgt gemäß Schritt 210 eine entsprechende Rückmeldung an den Fahrer, beispielsweise durch Darstellung eines entsprechenden Texts (z. B. „Aufmerksamkeit wurde nicht durch Lenkkorrektur bestätigt“) oder eines Symbols auf einem Bildschirm im Fahrzeugcockpit, durch ein akustisches Signal oder durch ein haptisches Signal über das Lenkrad. Es wäre auch möglich, die nicht durchgeführte Korrektur beispielsweise durch ein zugeordnetes Leuchtsignal auf einem leuchtfähigen Lenkradkranz des Lenkrads zu signalisieren.
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In 4 ist eine alternative Variante 3.i' einer Abweichungstrajektorie dargestellt, bei der das Fahrzeug 2 in einer Pendelbewegung um eine dem Verlauf der Fahrspur folgenden Trajektorie 1 pendelt. Die Variante eignet sich für schmale Straßen, da hier die mögliche Querabweichung quer zur Fahrspur gering ist. Die maximale Querabweichung der Abweichungstrajektorie 3.i' gegenüber der Trajektorie 1 ist daher deutlich geringer als in 3.
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Zum Zeitpunkt t4 bemerkt der Fahrer die Abweichung (hier: Pendelbewegung) und korrigiert die Pendelbewegung, beispielsweise indem dieser das Lenkrad festhält und damit das Pendeln unterbindet. Das Fahrzeug 2 bewegt sich beispielsweise entlang der (hier gepunktet dargestellten) korrigierten Trajektorie 4' Es kann vorgesehen sein, dass das Fahrsystem die Korrektur bereits bestätigt, sobald der Lenkeingriff bemerkt wird (der Ablauf in 2 wäre für diese Variante entsprechend anzupassen). Alternativ wäre es denkbar, dass - wie vorstehend im Zusammenhang mit 2 und 3 beschrieben - für die Bestätigung der Korrektur das Fahrzeug 2 auch einen Zielkorridor erreichen muss, der im Fall einer Pendelbewegung (mit im Vergleich zu 3 geringerer Querabweichung) deutlich kleiner ist.
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Wenn der Fahrer keine Korrektur durchgeführt hat, wird zum Zeitpunkt t5 eine Rückmeldung an den Fahrer ausgegeben, beispielsweise eine Textausgabe mit dem Text „Aufmerksamkeit wurde nicht durch Lenkkorrektur bestätigt.“
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In 5 ist eine Situation dargestellt, bei der die Systemgrenzen des Fahrsystems tatsächlich überschritten werden (beispielsweise wird eine falsche Spur erkannt) und sich das Fahrzeug 2 daher fehlerhaft nicht auf einer der Fahrspur folgenden Trajektorie 10 bewegt, sondern sich entlang einer davon abweichenden Trajektorie 6 bewegt. Zum Zeitpunkt t6 bemerkt jedoch der Fahrer (wie bei der Konditionierung) die Abweichung und korrigiert diese, so dass sich das Fahrzeug 2 entlang der korrigierten Trajektorie 7 bewegt.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012213965 A1 [0007]