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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betreiben eines Servo-Lenksystems, insbesondere eines elektromechanisch unterstützten Servo-Lenksystems. Die Erfindung betrifft ferner ein Servo-Lenksystem, insbesondere ein elektromechanisch unterstütztes Servo-Lenksystem.
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Bei teilweise autonom fahrenden Kraftfahrzeugen beaufschlagen Assistenzsysteme über einen Servomotor die Lenksäule mit einem Drehmoment, sodass das Fahrzeug unterstützend oder teilweise autonom gelenkt wird. Beim kooperativen Fahren, also bei Fahrzeugen der Autonomiestufen 2 und 3 gemäß BASt (assistiertes Fahren beziehungsweise teilautomatisiertes Fahren) muss das Servomotordrehmoment so begrenzt werden, dass das sich am Lenkrad anstehende Drehmoment für den Fahrer beherrschbar bleibt.
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Gemäß einem Verfahren aus dem Stand der Technik wird hierzu eine obere und eine untere Grenze des Servomotordrehmoments empirisch in einem Fahrversuch ermittelt und fahrsituationsübergreifend appliziert.
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Die Wirkung des Servomotordrehmoments variiert jedoch je nach Fahrsituation (z.B. Kurve oder Geradeausfahrt) und Ausprägung der Lenkunterstützung, wodurch nicht in allen Fahrsituationen eine optimale Unterstützung durch den Servomotor erreicht wird.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren zum Betreiben eines Servo-Lenksystems zu schaffen, bei dem fahrsituationsübergreifend eine optimale Unterstützung durch den Servomotor bereitgestellt wird.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren der eingangs genannten Art, wobei das Servo-Lenksystem ein Lenkrad, eine Lenksäule und einen Servomotor aufweist, der das Handdrehmoment beim Lenken durch ein zusätzliches Servodrehmoment und in vordefinierten Fahrzeugzuständen temporär durch ein zusätzliches Assistenzdrehmoment unterstützt, mit den folgenden Schritten:
- Bestimmen eines gesamten auf die Lenksäule wirkenden aktuellen Drehmoments,
- Bestimmen eines Assistenzdrehmoments, mit dem wenigstens ein Assistenzsystem die Lenksäule über den Servomotor beaufschlagt,
- Bestimmen eines Arbeitspunktes aus dem gesamten auf die Lenksäule wirkenden Drehmoment und dem Assistenzdrehmoment,
- Bestimmen eines maximal und eines minimal erlaubten Servomotordrehmoments, und
- Reduzieren des aktuellen Servomotordrehmoments auf höchstens das bestimmte maximal erlaubte Servomotordrehmoment über Ansteuern des Servomotors.
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Dadurch ist gewährleistet, dass das sich am Lenkrad äußernde Drehmoment, das vom Servomotor aufgebracht wird, stets in einem für den Fahrer beherrschbaren Bereich liegt. Insbesondere ist verhindert, dass der Servomotor ein zu großes Drehmoment aufbringt und das Lenkrad gegen den Willen des Fahrers verdreht wird.
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Vorzugsweise werden zum Bestimmen des maximal und des minimal erlaubten Servomotordrehmoments eine Verstärkungskurve des Lenksystems und der bestimmte Arbeitspunkt herangezogen. Dadurch kann fahrsituationsübergreifend verhindert werden, dass der Servomotor die Lenksäule und damit das Lenkrad mit einem zu großen Drehmoment beaufschlagt. Zudem werden das maximal und das minimal erlaubte Servomotordrehmoment fahrsituationsabhängig (zum Beispiel Kurvenfahrt oder Geradeausfahrt) bestimmt, wodurch die Lenkunterstützung durch den Servomotor an jede Fahrsituation optimal angepasst werden kann.
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Gemäß einem Aspekt ist vorgesehen, dass basierend auf dem bestimmten minimal erlaubten Servomotordrehmoment der Servomotor derart angesteuert wird, dass das aktuelle Servomotordrehmoment das minimal erlaubte Servomotordrehmoment nicht unterschreitet. Dadurch ist zusätzlich verhindert, dass der Servomotor ein zu geringes Drehmoment bereitstellt, um den Fahrer beim Lenken des Kraftfahrzeugs zu unterstützen.
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Ein weiterer Aspekt sieht vor, dass zum Bestimmen des Arbeitspunktes die Differenz aus dem bestimmten gesamten auf die Lenksäule wirkenden aktuellen Drehmoment und dem bestimmten Assistenzdrehmoment gebildet wird. Die Differenz der beiden Größen ergibt die Summe aus Handmoment, mit dem der Fahrer das Lenkrad beaufschlagt, und Servodrehmoment. Jeder Arbeitspunkt ist eindeutig, insbesondere eineindeutig, einer solchen Summe zugeordnet, sodass sich der Arbeitspunkt auf diese Weise besonders leicht ermitteln lässt.
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Gemäß einer Ausgestaltung wird zum Bestimmen des Arbeitspunktes die Verstärkungskurve des Lenksystems herangezogen. Der bestimmte Arbeitspunkt entspricht dem Punkt auf der Verstärkungskurve, der dem aktuell vom Fahrer aufgebrachten Handmoment zugeordnet ist. Andererseits entspricht der bestimmte Arbeitspunkt dem Punkt, der dem Servodrehmoment zugeordnet ist, also dem um das Assistenzdrehmoment bereinigten Servomotordrehmoment. Indem die Verstärkungskurve zum Bestimmen des Arbeitspunktes herangezogen wird, kann fahrsituationsabhängig die optimale Lenkunterstützung durch den Servomotor eingestellt werden.
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Vorzugsweise wird zum Bestimmen des maximal und des minimal erlaubten Servomotordrehmoments ein vordefiniertes maximal beherrschbares Drehmoment herangezogen. Dadurch ist sichergestellt, dass der Fahrer ein sich am Lenkrad äußerndes Drehmoment, mit dem der Servomotor die Lenksäule beaufschlagt, fahrsituationsübergreifend beherrschen kann.
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Weiter bevorzugt ist vorgesehen, dass ausgehend von dem dem Arbeitspunkt zugeordneten Handmoment das vordefinierte maximal beherrschbare Drehmoment addiert oder subtrahiert wird, um das maximal beziehungsweise das minimal erlaubte Servomotordrehmoment zu bestimmen, wobei das minimal erlaubte Servomotordrehmoment demjenigen Servomotordrehmoment entspricht, das in der Verstärkungskurve der Differenz aus Handdrehmoment am Arbeitspunkt und vordefiniertem maximal beherrschbarem Drehmoment zugeordnet ist, und wobei das maximal erlaubte Servomotordrehmoment demjenigen Servomotordrehmoment entspricht, das in der Verstärkungskurve der Summe aus Handdrehmoment am Arbeitspunkt und vordefiniertem maximal beherrschbarem Drehmoment zugeordnet ist. Dadurch werden fahrsituationsabhängig stets die optimalen Grenzen für das Servomotordrehmoment bestimmt, sodass sich das vom Servomotor gestellte Servomotordrehmoment stets in einem optimalen und vom Fahrer beherrschbaren Bereich befindet.
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In einem Aspekt der Erfindung wird das gesamte auf die Lenksäule wirkende Drehmoment mittels eines Drehmomentsensors des Lenksystems gemessen. Dadurch steht das gesamte auf die Lenksäule wirkende Drehmoment für die Schritte des Verfahrens als Messgröße zur Verfügung und muss nicht aus Daten sonstiger Sensoren des Lenksystems bestimmt werden.
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Ein weiterer Aspekt sieht vor, dass die Schritte des Verfahrens in gewissen Zeitabständen wiederholt werden, insbesondere wobei die Zeitabstände derart gewählt sind, dass die Schritte des Verfahrens kontinuierlich wiederholt werden. Anders ausgedrückt wird kontinuierlich überprüft, ob das aktuelle Servomotordrehmoment in einem vom maximal und minimal erlaubten Servomotordrehmoment definierten erlaubten Bereich liegt. Dadurch kann das Servomotordrehmoment bei Änderungen der Fahrsituation (bespielsweise Übergang von Kurvenfahrt zu Geradeausfahrt) schnell angepasst werden.
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Die Aufgabe wird ferner erfindungsgemäß gelöst durch ein Servo-Lenksystem der eingangs genannten Art, wobei das Lenksystem ein Lenkrad, eine Lenksäule und einen Servomotor aufweist, und wobei das Lenksystem dazu ausgebildet ist, das oben beschriebene Verfahren durchzuführen. Bezüglich der Vorteile wird auf die obigen Erläuterungen verwiesen.
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Weitere Vorteile und Eigenschaften der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und den Zeichnungen, auf die Bezug genommen wird. In diesen zeigen:
- - 1 ein schematisches Ablaufdiagramm der Schritte eines erfindungsgemäßen Verfahrens; und
- - 2 eine Verstärkungskurve eines erfindungsgemäßen Servo-Lenksystems, mit der auch das erfindungsgemäße Verfahren arbeitet.
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Im Folgenden wird anhand der 1 und 2 ein Verfahren zum Betreiben eines Servo-Lenksystems, insbesondere eines elektromechanisch unterstützen Servo-Lenksystems beschrieben.
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Das Servo-Lenksystem weist ein Lenkrad, eine Lenksäule und einen Servomotor auf. Das Servo-Lenksystem ist zur Verwendung in einem Kraftfahrzeug vorgesehen, das zusätzliche Assistenzsysteme für wenigstens teilweise autonomes Fahren aufweist. Ein Beispiel für ein solches Assistenzsystem ist ein Spurhalteassistenzsystem, das den Fahrer beim Einhalten einer Spur unterstützt.
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Solche Assistenzsysteme beaufschlagen die Lenksäule in vordefinierten Fahrzeugzuständen über den Servomotor mit einem Assistenzdrehmoment, um den Fahrer beim Lenken des Kraftfahrzeugs zu assistieren.
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Das Assistenzdrehmoment wirkt zusätzlich zu dem vom Servomotor ebenfalls aufgebrachten Servodrehmoment auf die Lenksäule, das den Fahrer beim Lenken des Kraftfahrzeugs unterstützt. Ein gesamtes auf die Lenksäule wirkendes Drehmoment ist also gegeben durch die Summe aus dem Handdrehmoment, mit dem der Fahrer die Lenksäule beaufschlagt, dem Servodrehmoment und dem Assistenzdrehmoment.
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Damit ein gesamtes vom Servomotor auf die Lenksäule ausgeübtes Servomotordrehmoment MM (Summe aus Servodrehmoment und Assistenzdrehmoment) stets in einem Bereich liegt, der vom Fahrer beherrschbar und überwindbar ist, werden die im Folgenden beschriebenen Schritte ausgeführt:
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Zunächst wird das gesamte auf die Lenksäule wirkende Drehmoment bestimmt (Schritt S1, siehe 1). Dies kann mittels eines Drehmomentsensors des Servo-Lenksystems geschehen. Alternativ kann das gesamte auf die Lenksäule wirkende Drehmoment aus einem Relativdrehwinkel zwischen einem oberen und einem unteren Ende eines Torsionsstabs der Lenksäule ermittelt werden.
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Außerdem wird ein Assistenzdrehmoment bestimmt, mit dem wenigstens ein Assistenzsystem die Lenksäule über den Servomotor beaufschlagt (Schritt S2). Beaufschlagen mehrere Assistenzsysteme die Lenksäule über den Servomotor jeweils mit einem Assistenzdrehmoment, so wird das gesamte Assistenzdrehmoment ermittelt, also die Summe aus den einzelnen Assistenzdrehmomenten.
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Ist im Folgenden von Assistenzdrehmoment die Rede, so ist damit stets das gesamte Assistenzdrehmoment gemeint.
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In einer entsprechend arbeitenden Steuerung werden obige und nachfolgende Schritte durchgeführt.
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Das Assistenzdrehmoment wird beispielsweise aus Steuerdaten des wenigstens einen Assistenzsystems ermittelt. Dazu kann vorgesehen sein, dass Steuerkurven und/oder Steuertabellen in einer Steuereinheit des wenigstens einen Assistenzsystems hinterlegt sind, die fahrsituationsabhängig, als insbesondere abhängig von Betriebsparametern des Kraftfahrzeugs, das vom Assistenzsystem über den Servomotor aufgebrachte Assistenzdrehmoment enthalten.
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Die Betriebsparameter können eine Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, eine Längsbeschleunigung des Kraftfahrzeugs, eine Querbeschleunigung des Kraftfahrzeugs, einen Lenkwinkel, eine Lenkwinkelbeschleunigung und/oder Signale von optischen Systemen (beispielsweise einer Außenkamera) des Kraftfahrzeugs umfassen.
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Nun wird aus dem bestimmten gesamten auf die Lenksäule wirkenden Drehmoment und dem bestimmten Assistenzdrehmoment ein Arbeitspunkt P bestimmt (Schritt S3). Dazu wird die in 2 gezeigte Verstärkungskurve 10 herangezogen. Die Verstärkungskurve 10 beschreibt den Zusammenhang zwischen Handdrehmoment MH und dem zusätzlichen vom Servomotor aufgebrachten Servomotordrehmoment MM . Die Verstärkungskurve 10 kann in einer Steuerung des Servo-Lenksystems hinterlegt sein.
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Der bestimmte Arbeitspunkt P entspricht dem Punkt auf der Verstärkungskurve 10, der dem aktuell vom Fahrer aufgebrachten Handdrehmoment MH zugeordnet ist. Andererseits entspricht der bestimmte Arbeitspunkt P dem Punkt, der dem Servodrehmoment zugeordnet ist, also dem um das Assistenzdrehmoment bereinigten Servomotordrehmoment MM .
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Um den Arbeitspunkt P zu bestimmen, kann die Differenz aus dem bestimmten gesamten auf die Lenksäule wirkenden Drehmoment und dem Assistenzdrehmoment gebildet werden. Da jeder Punkt auf der Verstärkungskurve 10 eindeutig, insbesondere eineindeutig, eine Summe aus Handdrehmoment MH und Servodrehmoment repräsentiert, kann aus dieser Differenz eindeutig der Arbeitspunkt bestimmt werden.
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Nun werden ein maximal erlaubtes Servomotordrehmomentent MM,max und ein minimal erlaubtes Servomotordrehmoment MM,min ermittelt (Schritt S5). Dazu wird ein vordefiniertes maximal beherrschbares Drehmoment MH,max herangezogen. Das vordefinierte maximal beherrschbare Drehmoment MH,max bezeichnet das Drehmoment, das der Fahrer noch beherrschen kann, also das Drehmoment, um das das Handdrehmoment MH maximal vom dem Arbeitspunkt P zugeordneten Handdrehmoment MH abweichen darf. Das vordefinierte maximal beherrschbare Drehmoment MH,max beträgt beispielsweise 1 Nm bis 10 Nm, in einem anderen Beispiel 2 Nm bis 5 Nm. Das maximal und minimal erlaubte Servomotordrehmoment MM,max bzw. MM,min definieren einen erlaubten Drehmomentbereich.
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Um das maximal und das minimal erlaubte Servomotordrehmoment MM,max bzw. MM,min in der Steuerung zu bestimmen, wird dementsprechend das vordefinierte maximal beherrschbare Drehmoment MH,max zu dem dem Arbeitspunkt P zugeordneten Handdrehmoment MH addiert beziehungsweise von dem dem Arbeitspunkt P zugeordneten Handdrehmoment MH subtrahiert. Das maximal erlaubte Servomotordrehmoment MM,max ist dann dasjenige Servomotordrehmoment MM , das in der Verstärkungskurve 10 der Summe aus Handdrehmoment MH am bestimmten Arbeitspunkt P und dem vordefinierten maximal beherrschbaren Drehmoment MH,max zugeordnet ist. Analog ist das minimal erlaubte Servomotordrehmoment MM,min dasjenige Servomotordrehmoment MM , das in der Verstärkungskurve 10 der Differenz aus Handdrehmoment MH am bestimmten Arbeitspunkt P und dem vordefinierten maximal beherrschbaren Drehmoment MH,max zugeordnet ist.
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Das aktuelle Servomotordrehmoment MM wird nun mit den maximal und minimal erlaubten Servodrehmomenten MM,max bzw. MM,min verglichen.
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Übersteigt das aktuelle Servomotordrehmoment MM das maximal erlaubte Servomotordrehmoment MM,max , so wird der Servomotor derart angesteuert, dass das Servomotordrehmoment MM auf höchstens das maximal erlaubte Servomotordrehmoment MM,max reduziert wird (Schritt S5). Der Servomotor wird also derart angesteuert, dass das aktuelle Servomotordrehmoment MM in den erlaubten Drehmomentbereich gebracht wird.
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Unterschreitet das aktuelle Servomotordrehmoment MM das minimal erlaubte Servomotordrehmoment MM,min , so wird der Servomotor derart angesteuert, dass das Servomotordrehmoment MM auf mindestens das minimal erlaubte Servomotordrehmoment MM,min erhöht wird. Der Servomotor wird also derart angesteuert, dass das aktuelle Servomotordrehmoment in den erlaubten Drehmomentbereich gebracht wird.
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Die oben beschriebenen Schritte des Verfahrens können in gewissen festen Zeitabständen wiederholt werden. Insbesondere sind die Zeitabstände derart gewählt, dass die Schritte des Verfahrens kontinuierlich wiederholt werden, sodass kontinuierlich überprüft wird, ob das aktuelle Servomotordrehmoment MM im erlaubten Bereich liegt.
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Liegt das aktuelle Servomotordrehmoment MM außerhalb des erlaubten Drehmomentbereichs, so wird der Servomotor derart angesteuert, dass das aktuelle Servomotordrehmoment MM in den erlaubten Bereich gebracht wird.