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Die Erfindung betrifft ein Losradpaar für ein Schienenfahrzeug. Das Losradpaar kann in einem Fahrwerksrahmen integriert oder direkt an einen Wagenkasten gekoppelt werden und weist ein Lenksystem zum Beeinflussen der Anlaufwinkel der Räder auf. Die Erfindung betrifft außerdem ein Verfahren zum Lenken eines Losradpaares.
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Die am häufigsten bei Schienenfahrzeugen eingesetzten Spurführungselemente sind Radsätze. Ein Radsatz für Schienenfahrzeuge besteht aus der Radsatzwelle, den beiden Rädern, die als Vollrad oder als bereiftes Rad ausgeführt sein können, und den Radsatzlagern. Je nach Bauart sind auf der Radsatzwelle zusätzlich u.a. Bremsscheiben, Antriebszahnräder sowie Erdungsbürsten montiert. Die Radsätze eines Schienenfahrzeugs übertragen das Gewicht und die dynamischen Lasten des Fahrzeugs auf die Schienen, übertragen die Antriebs- und Bremskräfte des Fahrzeugs auf die Schienen und halten das Fahrzeug im Gleis. In der Regel haben die Räder von Radsätzen konische oder abschnittsweise auch konkave oder konvexe Laufflächen und sind mit der Radsatzwelle z.B. durch Presssitze starr verbunden. Die starre Verbindung in Kombination mit den sich zu den Stirnflächen der Räder hin verjüngenden Laufflächen bewirkt den sogenannten Wellenlauf, oft auch etwas unpräzise Sinuslauf genannt, der das Fahrzeug in der Spur hält, bei hohen Geschwindigkeiten aber zu unruhigem Lauf und im Extremfall zu Instabilitäten führen kann.
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Einige Schienenfahrzeuge verwenden allerdings sogenannte Losradsätze, auch als Los- oder Einzelradpaare bezeichnet, deren Räder auf einer starren Achse drehbar gelagert sind. Im Gegensatz zu starren Radsätzen können sich die beiden Radscheiben bei Losradsätzen unabhängig voneinander drehen. Damit entsteht kein Wellenlauf, was Losradsätze für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wegen der größeren Laufruhe in der Geraden interessant macht. Heutzutage werden Losradsätze allerdings insbesondere bei Straßenbahnen eingesetzt, da die Vermeidung einer Achswelle einen tieferliegenden Fußboden des Wagenkastens erlaubt. Gelenkt werden Losradpaare entweder, indem die gesamte Achse samt Rädern um die Hochachse geschwenkt wird (Drehschemellenkung) oder indem jedes Rad einzeln um je eine radnahe vertikale Achse geschwenkt wird (Achsschenkellenkung). Die Schwenkachsen können sowohl real als auch virtuell ausgeführt sein. Ihre Lage kann auch von der Vertikalen abweichen.
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In der Geraden haben Radsätze eine gewisse Zentriereigenschaft, während sie im Bogen (mit konstantem oder veränderlichem Radius) bei Gewährung eines begrenzten Schwenkfreiheitsgrads um die Hochachse, eine gewisse Selbstlenkungseigenschaft besitzen (Einstellung in Richtung einer Radialstellung). Dies gilt allerdings nicht für enge Gleisbögen, in denen die sogenannte Abrollbedingung nicht mehr erfüllt werden kann. Beide Eigenschaften fehlen bei Losradpaaren. In der Geraden laufen sie meist einseitig an eine Fahrkante an. In Bögen stellen sich die Räder nicht selbst radial ein, so dass sie mit größerem Anlaufwinkel an den Schienen laufen. Um einen zu großen Anlaufwinkel im Gleisbogen zu vermeiden, werden Losradsätze oft angelenkt. Dazu sind einerseits passive Systeme und andererseits aktive Systeme bekannt. Aktive Systeme benutzen in der Regel gesteuerte oder geregelte Aktoren, um Kräfte auf die Radbrücken auszuüben oder die Losradsätze in Kurven mit einer zuschaltbaren starren Welle zu einem Radsatz zu verbinden.
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Insbesondere ist es aus der Praxis bekannt, den Anlaufwinkel durch verschiedene Sensoren in unmittelbarer Nähe des Kontaktes von Rad und Schiene zu detektieren. Dies hat jedoch zur Folge, dass eine sichere Erkennung bei schwierigen Umgebungsbedingungen kaum störungsfrei und betriebssicher zu erreichen ist.
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Ausgehend hiervon ist es die Aufgabe der Erfindung, eine einfache und verlässliche Möglichkeit zum Lenken eines Losradpaars eines Schienenfahrzeugs anzugeben.
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Diese Aufgabe wird durch die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Bevorzugte Weiterbildungen sind in den Unteransprüchen beschrieben.
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Insbesondere ist somit ein Losradpaar für ein Schienenfahrzeug mit oder ohne Fahrwerkrahmen vorgesehen, mit einem Lenksystem zum Beeinflussen des Anlaufwinkels der Räder des Losradpaares, wobei das Lenksystem ein Abstützelement zur Abstützung des Losradpaares gegenüber dem Fahrwerksrahmen und/oder dem Wagenkasten, einen Sensor zur Erfassung der auf das Abstützelement wirkenden Kraft und zur Ausgabe diese Kraft repräsentierender Messdaten, ein Stellelement (Aktuator) zum Bewegen des Abstützelements längs eines in Richtung der auf das Abstützelement wirkenden Kraft und entgegengesetzt zum dazu verlaufenden Stellweg und eine Regellogik aufweist, der die Kraftmessdaten zuführbar sind und die eingerichtet ist, das Stellelement in Abhängigkeit der ihr zugeführten Kraftmessdaten derart anzusteuern, dass die von dem Sensor erfasste Kraft unter einem vorbestimmten Kraftsollwert liegt.
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Es ist also ein wesentlicher Aspekt der Erfindung, dass der Anlaufwinkel der Räder selbst nicht gemessen wird, sondern stattdessen die Kraft bestimmt wird, die auf ein Abstützelement zur Abstützung des Losradpaares gegenüber dem Fahrwerksrahmen und/oder dem Wagenkasten des Schienenfahrzeugs wirkt. Auf diese Weise wird ausgenutzt, dass aufgrund einer geringen auf das Abstützelement wirkenden Kraft auch auf einen kleinen Anlaufwinkel geschlossen werden kann. Da diese Kraft jedoch wesentlich einfacher und auch unter schwierigen Bedingungen verlässlicher bestimmt werden kann als der Anlaufwinkel selbst, kann auf diese Weise sicher ein gewünschter kleiner Anlaufwinkel eingestellt werden, bei dem der Verschleiß der Räder und die entstehenden Geräusche möglichst gering sind. Mit anderen Worten: Wird durch die Regellogik sichergestellt, dass die von dem Kraftaufnehmer erfasste Kraft unter dem vorbestimmten Kraftsollwert liegt, ist damit auch sichergestellt, dass der tatsächliche Anlaufwinkel geringer ist als ein vorbestimmter maximal erwünschter Anlaufwinkel.
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Das Abstützelement kann grundsätzlich steif und damit nicht elastisch verformbar sein. Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung ist jedoch vorgesehen, dass das Abstützelement elastisch verformbar ist bzw. eine Feder aufweist oder von einer Feder gebildet ist. Die Verwendung einer Feder hat den Vorteil, dass das Übertragungsverhalten des mechanischen Systems damit beeinflusst werden kann.
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Erfindungsgemäß sind verschiedene Anordnungen von Abstützelement, Kraftaufnehmer und Stellelement möglich. Vorzugsweise ist der Kraftaufnehmer jedoch zwischen dem Abstützelement und dem Stellelement angeordnet. Weiterhin ist gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung vorgesehen, dass das Abstützelement auf der dem Losradpaar zugewandten Seite des Kraftaufnehmers angeordnet ist. Dabei ist das Abstützelement vorzugsweise direkt an das Losradpaar angebunden.
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Wie eingangs schon im Zusammenhang mit dem Stand der Technik beschrieben, gibt es für das Losradpaar verschiedene Formen der Lenkung. Insofern ist gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung vorgesehen, dass das Losradpaar eine reale oder virtuelle Drehschemellenkung oder eine Achsschenkellenkung aufweist.
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Im Fall der Achsschenkellenkung ist eine trazepförmige Schwenkkopplung der Räder bevorzugt, wenn das o.g. Lenksystem mit einem Sensor/Aktuator realisiert werden soll. Denkbar ist auch eine individuelle Steuerung jedes Rades durch eine eigene Sensor/Aktuator-Einheit.
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Die weiter oben angegebene Aufgabe wird außerdem gelöst durch ein Verfahren zum Lenken eines Losradpaares, mit folgenden Schritten:
- Abstützen des Losradpaares gegenüber einem Fahrwerkrahmen und/oder einem Wagenkasten mittels eines Abstützelements,
- Erfassen der auf das Abstützelement wirkenden Kraft, und
- Bewegen des Abstützelements längs eines in Richtung der auf das Abstützelement wirkenden Kraft und entgegengesetzt dazu verlaufenden Stellwegs derart, dass die erfasste Kraft unter einem vorbestimmten Kraftsollwert liegt.
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Bevorzugte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Verfahrens ergeben sich in Analogie zu den zuvor beschriebenen bevorzugten Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Losradpaares mit dem zugehörigen Lenksystem.
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Nachfolgend wird die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels unter Bezugnahme auf die Zeichnungen weiter erläutert. In den Zeichnungen zeigen:
- 1 schematisch ein Losradpaar mit einem Lenksystem zum Beeinflussen des Anlaufwinkels des Losradpaares gemäß einem bevorzugten Ausführungsbeispiel der Erfindung; und
- 2 den schematischen Aufbau der Regelung gemäß dem bevorzugten Ausführungsbeispiel der Erfindung.
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Aus 1 ist schematisch ein Losradpaar 1 für ein nicht weiter dargestelltes Schienenfahrzeug ersichtlich, das sich in einer Bogenfahrt in einem Gleisbogen mit zwei Schienen 2 befindet. Das Losradpaar 1 weist zwei einzeln drehbare Räder 3 auf, die über eine Achse 4 miteinander verbunden sind. Das Losradpaar ist mittig um seine Hochachse 5 verschwenkbar.
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Bei der hier dargestellten Bogenfahrt entsteht ein Anlaufwinkel α, wenn das Losradpaar 1 nicht radial (also längs des Radius R des Gleisbogens) im Bogen steht. Die Geometrieseitenkräfte S' und S" zwischen Rad 3 und Schiene 2 erzeugen über einen Hebelarm a infolge des Anlaufwinkels α ein Moment MS , welches das Losradpaar 1 in Richtung eines noch größeren Anlaufwinkels α einstellen will. Anders formuliert: Ohne Gegenmaßnahme würde das Losradpaar 1 ins Gleis fallen.
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Um dies zu verhindern, muss das Losradpaar 1 abgestützt werden. Vorliegend ist eine Abstützung gegenüber dem schematisch dargestellten Fahrwerksrahmen 6 des Schienenfahrzeugs vorgesehen. Die Abstützung erfolgt mittels eines Abstützelements 7 in Form einer Feder. Zwischen dem Abstützelement 7 und dem Fahrwerksrahmen 6 sind außerdem ein Kraftaufnehmer 8 in Form eines Federkörper-Kraftsensors und ein Stellelement 9 in Form eines hydraulischen Aktuators vorgesehen.
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Die Abstützung des Losradpaares 1 gegenüber dem Fahrwerksrahmen 6 erfolgt mit einem Stützmoment MC . Dieses Abstützmoment MC wird über den Kraftaufnehmer 8, der die entsprechende Abstützkraft misst, und dem zugehörigen Hebelarm b gemessen. Wesentlich ist nun, dass der Anlaufwinkel α durch das Stellelement 9 so weit reduziert wird, bis das Stützmoment MC entsprechend dem Moment der Geometrieseitenkräfte S' und S" unter einem vorbestimmten Sollwert liegt. Ein kleines Stützmoment MC entspricht einem kleinen Anlaufwinkel α. Damit steht das Losradpaar 1 annähernd radial im Bogen, so dass Verschleiß und Geräusche verringert sind.
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Der eigentliche Regelmechanismus ist schematisch aus 2 ersichtlich. Auf das Losradpaar 1 wirkt als Störgröße das Moment MS infolge der Geometrieseitenkräfte S' und S". Dies führt zu der Ausbildung eines Anlaufwinkels α in Abhängigkeit der Geometrieseitenkräfte S' und S". Mittels des Kraftaufnehmers 8 wird die für die Abstützung des Losradpaares 1 erforderliche Kraft erfasst, und entsprechende Kraftmessdaten werden als Ist-Daten in einer Regellogik 10 mit Soll-Daten, nämlich einem vorbestimmten Kraftsollwert, verglichen. In Abhängigkeit der Abweichung des von dem Kraftaufnehmer 8 erfassten Kraft von dem vorbestimmten Kraftsollwert steuert die Regellogik 10 das Stellelement 9 derart an, dass das Stützmoment MC am Fahrwerksrahmen 6 unter einem vorbestimmten Wert gehalten wird.
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Bezugszeichenliste
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Losradpaar |
1 |
Schienen |
2 |
Räder |
3 |
Achse |
4 |
Hochachse |
5 |
Fahrwerksrahmen |
6 |
Abstützelement |
7 |
Kraftaufnehmer |
8 |
Stellelement |
9 |
Regellogik |
10 |