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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Vorhersage von Versagenslasten von Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten, dessen Verwendung und eine Verwendung eines Datenträgers mit einem Schallemissionsprüfsystem in dem Verfahren.
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Bei der Schallemission handelt es sich um elastische Wellen, die durch ruckartige Mikroverformungen im Inneren eines Festkörpers freigesetzt werden. Diese entstehen zum Beispiel durch die Bildung eines Risses. Die elastischen Wellen breiten sich als Schallwelle im Festkörper aus und können auf der Oberfläche mittels piezoelektrischer Sensoren detektiert werden. Diese setzen die Schallwelle in ein elektrisches Spannungssignal um, welches für die weitere Interpretation herangezogen wird. Die Materialklasse der Faserverbundwerkstoffe zeichnet sich durch eine besonders hohe Schallemissionsaktivität aus. Bereits weit vor dem finalen Versagen des Werkstoffs werden bei Belastung zahlreiche mikroskopische Bruchvorgänge ausgelöst, welche als Schallemission aufgezeichnet werden können. Dadurch kann bereits frühzeitig eine Entstehung von Schädigung im Material detektiert werden.
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Üblicherweise wird eine Struktur oder ein Prüfkörper einer kontinuierlichen Lasterhöhung bzw. sich kontinuierlich erhöhenden Belastung unterzogen. Die Schallemissionssignale werden bei einer gleichförmigen (quasi-statischen) Belastung des Werkstoffs aufgezeichnet. Hierdurch wird die Schädigung im Werkstoff als Funktion der äußeren Belastung aufgezeichnet.
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Abwandlungen der Methodik bestehen darin, eine Struktur oder einen Prüfkörper nicht einmalig, sondern mehrfach einer zyklus- oder stufenweisen Lasterhöhung bzw. Belastung zu unterziehen. Der Werkstoff wird mit sogenannten Laststeigerungsversuchen belastet. In entsprechenden Normen (zum Beispiel ASTM E 1067) wird dabei insbesondere die Berechnung der „Felicity-Ratio“ bzw. des „Felicity-Verhältnisses“ als Maß für den Schädigungsgrad des Bauteils herangezogen. Für die Schallemissionsanalyse lassen sich die Felicity-Ratios wie folgt definieren:
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Dabei wird der Belastungszustand des aktuellen Zyklus Lons,2, bei dem die erste signifikante Schallemission einsetzt, ins Verhältnis zur vorherigen Maximalbelastung L1 gesetzt.
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Die Felicity-Ratio sinkt dabei während der zyklus- oder stufenweisen Belastung immer weiter ab, bis es bei einem kritischen Wert zum Versagen kommt, wie dies unter anderem in Abraham, A.R.A., Johnson, K.L., Nichols, C.T., Saulsberry, R.L., Waller, J.M.: „Use of Statistical Analysis of Acoustic Emission Data on Carbon-Epoxy COPV Materials-of-Construction for Enhanced Felicity Ratio Onset Determination“, JSC-CN-26080, 2011, und Waller, J.M., Nichols, C.T., Wentzel, D.J., Saulsberry, R.L., Thompson, D.O., Chimenti, D.E.: „Use of Modal Acoustic Emission to Monitor Damage Progression in Carbon Fiber/Epoxy Composites“, AIP Conference Proceedings, Seiten 919 bis 926, San Diego, California, USA, 2011, beschrieben ist. Eine sinkende Felicity-Ratio bedeutet dabei anschaulich, das der Ersteinsatz der Schallemission bezogen auf das vorhergehende Lastniveau immer früher stattfindet. Dies kommt durch die zunehmende Anzahl an Mikroschädigungen zustande, die sich immer früher ausbreiten und in Summe zum endgültigen Versagen führen.
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Von der NASA White Sand Test Facilities (WSTF) wurde ein Verfahren zur Vorhersage einer prognostizierten Versagenslast vorgeschlagen. Das Verfahren sieht vor, eine Struktur oder einen Prüfkörper soweit zu belasten, wie dies im regulären Betrieb üblicherweise erreicht wird. Bei Kenntnis der kritischen Felicity-Ratio kann eine Vorwärtsextrapolation der Messdaten eine prognostizierte Versagenslast vorhersagen. Aufgrund der Streuung der Messdaten unterliegt dieses Verfahren allerdings einer nicht unerheblichen Unsicherheit, wie der 8 zu entnehmen ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Felicity-Ratio und Belastungszustand nur selten derart linear ist, dass sich durch einfache Vorwärtsextrapolation eine ausreichende Prognosegenauigkeit erhalten lässt. Wenn die Felicity-Ratio auch dazu dient, den Zeitpunkt des Auftretens neuer, signifikanter Schallemission anzuzeigen und diesen in Bezug zur vorherigen Last zu setzen, scheint dieses Verfahren für eine hinreichend genaue Prognose der Versagenslast und damit Umsetzung in die Praxis wenig geeignet. Jedenfalls konnte bei den Untersuchungen eine Sicherheit größer als 50 % der prognostizierten Versagenslast nicht oder allenfalls selten erreicht werden.
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Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Vorhersage von Versagenslasten von Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten zur Verfügung zu stellen, mit welchem sich die obigen Nachteile verhindern lassen, welches mithin auf ausgesprochen einfache Weise eine hohe Stabilisierung aufweist und signifikante Erhöhung der Prognosegenauigkeit und Prognosezuverlässigkeit ermöglicht, dessen Verwendung und eine Verwendung eines Datenträgers mit einem Schallemissionsprüfsystem in dem Verfahren bereitzustellen.
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Diese Aufgabe wird in verfahrenstechnischer Hinsicht auf überraschend einfache Weise durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
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Durch die Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Vorhersage von Versagenslasten von Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten, umfassend folgende Schritte:
- a) Erfassen von an einer Struktur bei einer zyklus- oder stufenweisen Belastung auftretenden Schallemissionssignalen,
- b) Bestimmen und Berechnen von wenigstens zwei Kriterien (K), die einen bei der zyklus- oder stufenweisen Belastung aufgetretenen Schädigungsgrad der Struktur definieren, aus den erfassten Schallemissionssignalen nach Schritt a), und
- c) Durchführen einer multivarianten Datenanalyse mit den wenigstens zwei bestimmten und berechneten Kriterien (K) nach Schritt b) mittels einer Funktionsapproximation (f) pro Zyklus:
- mit n = Anzahl der Kriterien (K)
- i = Lastzyklus
- L = Belastung
- Lmax = Maximalbelastung
zur Vorwärtsextrapolation und Vorhersage der Versagenslast der Struktur,
ist erfindungsgemäß ein Verfahren vorgeschlagen, welches sich in der Praxis als besonders vorteilhaft erwiesen hat. So ermöglicht das erfindungsgemäße Verfahren auf ausgesprochen einfache Weise eine Vorhersage von Versagenslasten von Strukturen oder Prüfkörpern oder dergleichen Komponenten bzw. Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten. Dabei zeichnet sich das erfindungsgemäße Verfahren in besonderer Weise durch eine deutliche Stabilisierung der Verfahrensweise selbst aus. Darüber hinaus lassen sich Prognosegenauigkeit und Prognosezuverlässigkeit durch das erfindungsgemäße Verfahren wesentlich erhöhen. Das erfindungsgemäße Verfahren unterscheidet sich von sämtlichen der bis dato bekannten Verfahren dadurch, dass der Vorhersage nicht nur ein einziges Kriterium bzw. ein einziger Parameter, sondern gleichzeitig wenigstens zwei Kriterien bzw. Parameter oder mehrere zugrundegelegt ist/wird. Dadurch ist es erstmals überhaupt für komplexe Faserverbundstrukturen möglich, eine gesicherte Vorhersage aus Schallemissionsdaten abzuleiten und die nötige Stabilität für eine hohe Prognosegenauigkeit vorzusehen.
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Weitere vorteilhafte Einzelheiten des erfindungsgemäßen Verfahrens sind in den Ansprüchen 2 bis 10 beschrieben.
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Von großer Bedeutung für eine besonders einfache, zugleich hochgenaue und ausgesprochen zuverlässige Prognose sind die Merkmale des Anspruchs 2. Danach werden die wenigstens zwei Kriterien auf Basis der Felicity-Ratio bzw. des Felicity-Verhältnisses und/oder der Shelby-Ratio bzw. des Shelby-Verhältnisses und/oder einer Energy-Ratio oder energiebasierten Ratio bzw. des Energy-Verhältnisses bestimmt und berechnet.
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Von gleichermaßen großem Interesse sind die konstruktiven Maßnahmen des Anspruchs 3. Demzufolge werden die wenigstens zwei Kriterien auf Basis einer oder mehrerer der Felicity-Ratio und/oder der Shelby-Ratio und/oder einer Energy-Ratio oder energiebasierten Ratio bestimmt und berechnet.
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Weiterhin ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die wenigstens zwei Kriterien auf Basis der Felicity-Ratio nach Anspruch 4 anhand des Ersteinsatzes der signifikanten Schallemission, insbesondere des absoluten Ersteinsatzes Labs, des mittleren Kraftbezugswertes der ersten N aufgezeichneten Signale L<N>, des/der Ergebnisse/s einer Trendanalyse der akkumulierten Größe Ltrend oder des Historic Index LHI, bestimmt und berechnet werden.
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Entsprechend Anspruch 5 werden die wenigstens zwei Kriterien in vorteilhafter Weise auf Basis der Shelby-Ratio anhand des kritischen Ersteinsatzes, insbesondere einer bestimmten Signalanzahl, eines bestimmten akkumulierten Energiewertes, einer bestimmten akkumulierten Amplitude, des Ergebnisses einer Trendanalyse der akkumulierten Größe oder des Historic Index LHI, bestimmt und berechnet.
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In bevorzugter Ausgestaltung der Erfindung werden die wenigstens zwei Kriterien gemäß Anspruch 6 auf Basis der Energy-Ratio oder energiebasierten Ratio, die direkt oder indirekt auf die Intensität der Schallemissionssignale bezogen sind, bestimmt und berechnet.
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In diesem Zusammenhang werden die wenigstens zwei Kriterien entsprechend Anspruch 7 vorzugsweise auf Basis der Signalamplitude, der Signalenergie, der Durchschnittsamplituden, deren abgeleiteten Signalgrößen oder dergleichen bestimmt und berechnet.
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In dazu alternativer oder kumulativer Weise können die wenigstens zwei Kriterien nach Anspruch 8 ebenso auf Basis der Anzahl der Schwellüberschreitungen, spektralen Intensität oder dergleichen bestimmt und berechnet werden.
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Weiterhin ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die wenigstens zwei Kriterien nach Anspruch 9 auf Basis von einer Aufstellung von in DIN-Normen DIN EN 15857 und/oder EN1330 angeführten Kriterien ausgewählt und sodann berechnet werden. Damit ist sichergestellt, dass sämtliche indirekten Signalparameter, wie etwa Anzahl der Schwellwertüberschreitungen, spektrale Intensität, usw., als die wenigstens zwei Kriterien in vorteilhafter Weise zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwendbar sind und herangezogen werden können. Insbesondere wird im Zusammenhang auf die DIN-Norm EN1330 auf „Non-destructive testing - Terminology - Part 9: Terms used in acoustic emission testing“, Triangular version EN 1330-9:2009) verwiesen.
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Darüber hinaus liegt es im Rahmen der Erfindung, dass die multivariante Datenanalyse mit den wenigstens zwei bestimmten und berechneten Kriterien nach Schritt b) mittels der Funktionsapproximation pro Zyklus nach Anspruch 10 in Form von, insbesondere ein- oder mehrschichtigen, künstlichen, neuronalen Netzwerken, Hidden Markov-Modellen, Gaussian Mixture-Modellen, Deep Learning-Modellen oder Markov Chain Monte Carlo-Methoden durchgeführt wird.
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In vorteilhafter Weise findet das erfindungsgemäße Verfahren nach Anspruch 11 zur Vorhersage von Versagenslasten von sicherheitsrelevanten Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten, insbesondere von Strukturbauteilen im Automobilbau, Strukturbauteilen der Luft- und Raumfahrttechnik und Antrieben und Maschinenteilen mit hohen Drehzahlen, vorzugsweise in Fahrzeugen, Luftfahrzeugen oder Fluggeräten der Luft- und Raumfahrt, Flugzeugen und Raumflugkörpern, Wasserfahrzeugen, wie U-Booten oder Luftkissenfahrzeugen (Hovercrafts), Landfahrzeugen, Personenkraftwagen und Lastkraftwagen, Verwendung.
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Schließlich ist erfindungsgemäß noch vorgesehen, entsprechend den Maßnahmen des Anspruchs 12 einen Datenträger mit einem Schallemissionsprüfsystem in dem erfindungsgemäßen Verfahren einzusetzen, wobei auf dem Datenträger die wenigstens zwei Kriterien gespeichert sind, die nach den Schritten a) bis c) des Verfahrens gemäß Anspruch 1 bestimmt und berechnet wurden.
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Weitere Merkmale, Vorteile und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung von einigen bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung sowie anhand der Zeichnungen. Hierbei zeigen:
- 1A und 1B Darstellungen von Belastungsprofilen für Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen, mit kontinuierlicher Lasterhöhung und zyklus- bzw. stufenweiser Lasterhöhung bzw. Laststeigerungsversuchen,
- 2 eine Darstellung eines Belastungsprofils zur Definition der Felicity-Ratio,
- 3 eine Darstellung eines Belastungsprofils zur Bestimmung der kritischen Felicity-Ratio,
- 4 eine Darstellung eines Belastungsprofils zur Definition von Ersteinsatzkriterien der Felicity-Ratio,
- 5 eine Darstellung eines Belastungsprofils zur Definition der Shelby-Ratio,
- 6 eine Darstellung eines Belastungsprofils zur Definition der Energy-Ratio oder energiebasierten Ratio,
- 7 eine Darstellung zur Prognose der Versagenslast gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren, und
- 8 eine Darstellung zur Vorhersage der Versagenslast durch Vorwärtsextrapolation gemäß einem bekannten Verfahren.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird vorzugsweise zur Vorhersage von Versagenslasten von sicherheitsrelevanten Strukturen aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten, insbesondere von Strukturbauteilen im Automobilbau, Strukturbauteilen der Luft- und Raumfahrttechnik und Antrieben und Maschinenteilen mit hohen Drehzahlen, vorzugsweise in Fahrzeugen, Luftfahrzeugen oder Fluggeräten der Luft- und Raumfahrt, Flugzeugen und Raumflugkörpern, Wasserfahrzeugen, wie U-Booten oder Luftkissenfahrzeugen (Hovercrafts), Landfahrzeugen, Personenkraftwagen und Lastkraftwagen, verwendet.
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Wie in der 1A dargestellt ist, werden die Schallemissionssignale bei einer gleichförmigen (quasi-statischen) Belastung des Werkstoffs aufgezeichnet.
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Die 1B zeigt schematisch eine Struktur oder einen Prüfkörper, die/der nicht einmalig, sondern mehrfach mit einer zyklus- oder stufenweisen Lasterhöhung bzw. Belastung beaufschlagt wird.
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In der 2 ist die Felicity-Ratio zu Definitionszwecken schematisch dargestellt. Dabei wird der Belastungszustand des aktuellen Zyklus Lons,2, bei dem die erste signifikante Schallemission einsetzt, ins Verhältnis zur vorherigen Maximalbelastung L1 gesetzt.
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Während der zyklus- oder stufenweisen Belastung sinkt die Felicity-Ratio immer weiter ab, bis es entsprechend der 3 bei einem kritischen Wert der Felicity Ratio zum Versagen kommt.
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Im Gegensatz zu bisher bekannten Verfahren sieht das erfindungsgemäße Verfahren eine wesentliche Ergänzung in der Art und Weise der Vorhersage bzw. Prognose von Versagenslasten von Strukturen oder Prüfkörpern aus Faserverbundwerkstoffen auf Basis von Schallemissionsdaten vor.
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Ein erfindungswesentliches Merkmal besteht dabei darin, wenigsten zwei Kriterien K, die einen bei der zyklus- oder stufenweisen Belastung aufgetretenen Schädigungsgrad der Struktur definieren, aus den erfassten Schallemissionssignalen zu bestimmen und zu berechnen, welche dann in ihrer Kombination zusammenwirken und auf diese Weise zu einer deutlichen Steigerung der Prognosegenauigkeit führen.
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Den verwendeten Kriterien K ist gemeinsam, dass diese einen charakteristischen Trend als Funktion der äußeren Belastung aufweisen.
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Um für eine erfindungsgemäße Vorwärtsprognose geeignet zu sein, ist es notwendig, dass:
- a) Die Kriterien K pro Zyklus bestimmt werden können, d.h. ohne Kenntnis der maximalen Belastungswerte die beim Versuch erreicht werden.
- b) Die Kriterien K normalisiert definiert werden, damit diese unabhängig von der Strukturgröße der/dem untersuchten Struktur oder Prüfkörper oder dergleichen Komponente sind.
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Im Sinne der Erfindung ist ein Kriterium K beispielsweise die Felicity-Ratio bzw. das Felicity-Verhältnis, wie in Gleichung (1) definiert und in der 2 dargestellt ist.
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Bei der Bestimmung und Berechnung der Felicity-Ratio ist es unerheblich, auf welche Weise der Ersteinsatz bestimmt wird. In technischen Dokumenten (zum Beispiel ASTM E 1067) wird darauf verwiesen, dass der Ersteinsatz „signifikanter“ Schallemission zu bestimmen ist.
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In der 4 sind weitere bekannte Varianten der Felicity-Ratio dargestellt. Beispielsweise kann/können dies der absolute Ersteinsatz Labs, der mittlere Kraftbezugswert der ersten N aufgezeichneten Signale L<N>, das/die Ergebnis/es einer Trendanalyse der akkumulierten Größe Ltrend (Knickpunkt der Kurve im Anfangsbereich) und die Bestimmung mittels des Historic Index LHI entsprechend Definition (vgl. zum Beispiel DIN EN 15857) sein.
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Im Sinne der Erfindung können durch die vorgeschlagenen vier Verfahren zur Bestimmung des Ersteinsatz bereits wenigstens vier Felicity-Ratios im Sinne von Gleichung (1) bestimmt werden, wobei entsprechend für die Evaluation in Zyklus 2 Lons,2 = Labs, Lons,2 = L<N>, Lons,2 = Ltrend, Lons,2 = LHI gesetzt werden.
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Alternativ oder kumulativ kann als ein weiteres Kriterium K im Sinne der Erfindung beispielsweise die Shelby-Ratio bzw. das Shelby-Verhältnis herangezogen werden.
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Anders als die Definition der Felicity-Ratio wird bei der Shelby-Ratio die Schallemission bei der Entlastung der Struktur oder des Prüfkörpers oder dergleichen Bauteils betrachtet.
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Wird startend im Plateau des Belastungszyklus eine bestimmte Signalanzahl Nkrit überschritten, wird dies als kritischer Ersteinsatz definiert. Der relative Lastabfall ΔL zu diesem Zeitpunkt lässt sich dann im Sinne von Gleichung (1) verwenden. Für den Zyklus 2 kann Lons,2 = ΔL gesetzt werden.
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Analog zur Felicity-Ratio existieren verschiedene Verfahren zur Festlegung von Nkrit. Sinngemäß können diese in eine feste Signalanzahl (zum Beispiel 13 Signale), einen bestimmten damit verbundenen akkumulierten Energiewert (zum Beispiel > 10nJ), eine bestimmte akkumulierte Amplitude (zum Beispiel > 10mV) oder wiederum das Ergebnis einer Trend-analyse (Knickpunkt, siehe 4 zu Felicity-Ratio) oder die Bestimmung mittels des Historic Index unterteilt werden. Im Sinne der Erfindung können damit bereits wenigstens fünf Shelby-Ratios definiert werden.
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Alternativ oder kumulativ kann als ein noch weiteres Kriterium K bzw. können als noch weitere Kriterien K beispielsweise die Energy-Ratio/s bzw. das/die Energy-Verhältnis/se bzw. energiebasierte/n bzw. energetische/n Verhältnis/se im Sinne der Erfindung herangezogen werden.
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Hierzu werden akkumulierte Signalparameter betrachtet, die einen direkten oder indirekten Bezug zur Signalintensität haben.
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Die primären bzw. direkten Signalparameter dieser Art sind etwa die Signalamplitude (maximale elektrische Spannung am Sensor pro Wellenzug), die Signalenergie (integrierte quadrierte Signalspannung pro Wellenzug), die Durchschnittsamplituden (Wurzel aus der mittleren quadrierten Signalspannung, „Root Mean-Square“ pro Wellenzug) und/oder deren abgeleiteten Signalgrößen (in dB).
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Ebenso fallen alle indirekten Signalparameter (zum Beispiel Anzahl der Schwellwertüberschreitungen, spektrale Intensität, etc.) im Sinne der Definitionen der DIN EN 15857 und/oder der EN1330 (insbesondere: „Non-destructive testing - Terminology - Part 9: Terms used in acoustic emission testing“, Triangular version EN 1330-9:2009) unter diese Definition.
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Für das Beispiel der akkumulierten Signalamplitude wird die Definition der Energy-Ratios in der 6 gezeigt. Überschreitet der akkumulierte Wert des Parameters den Wert aus dem vorherigen Zyklus, so wird die zugehörige Last als Ersteinsatz im Sinne von Gleichung (1) herangezogen. Sinngemäß lassen sich damit, zum Beispiel durch Betrachtung der Standardparameter Amplitude, Energie und „Average-Signal-Level“ (ASL), drei weitere Kriterien K im Sinne der Erfindung definieren.
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Keine Kriterien im Sinne der Erfindung sind dagegen:
- a) Alle Kriterien K, die absolute Bezugsgrößen in Gleichung (1) verwenden (zum Beispiel Anzahl Signale bei einem bestimmten Lastwert).
- b) Alle Kriterien K, die zu ihrer Berechnung den maximalen Belastungswert beim Versagen des Bauteils bzw. der Struktur im Versuch benötigen.
- c) Alle Kriterien K, die zu ihrer Berechnung den maximal auftretenden Wert eines Schallemissionsparameters im Versuch benötigen.
- d) Alle Kriterien K, die zu ihrer Berechnung den maximalen akkumulierten Wert eines Schallemissionsparameters im Versuch benötigen.
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Da diese sämtlichen vorgenannten Kriterien K im Allgemeinen einen deutlich nicht-linearen Zusammenhang zur anliegenden Belastung aufweisen, ist eine direkte lineare Extrapolation ausgeschlossen.
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Ein weiteres erfindungswesentliches Merkmal der Erfindung besteht in der Verwendung bzw. Anwendung eines Ansatzes der multivarianten Datenanalyse und deren Durchführung mit den wenigstens zwei bestimmten und berechneten Kriterien K.
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Für n Kriterien K ist pro Zyklus bzw. Stufe eine symbolische Zuordnung der n Zahlenwerte zum zugehörigen Lastniveau entsprechend einer Funktionsapproximation f anhand Gleichung (2) vorgeschlagen, welche folgenden Zusammenhang für eine Laststufe i beschreibt:
- mit n = Anzahl der Kriterien (K)
- i = Lastzyklus
- L = Belastung
- Lmax = Maximalbelastung.
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Im Sinne dieser Erfindung können dazu verschiedene technische Ansätze verwendet werden. Hierzu zählen beispielsweise ganz besonders: Künstliche neuronale Netzwerke, Hidden Markov Modelle, Gaussian Mixture-Modelle, Deep Learning-Modelle und/oder Markov Chain Monte Carlo-Methoden.
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Für die genannten technischen Ansätze wird dabei üblicherweise auf einem Teil der zur Verfügung stehenden Messwerte eine Funktionsapproximation (Training) durchgeführt. Mit dieser so gewonnenen Funktion f kann derselbe Zusammenhang sodann auf weitere Messwerte angewendet werden.
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Dies bietet zusätzlich die Möglichkeit, den aktuellen Belastungszustand (L / Lmax), also zum Beispiel 60 % der maximalen Belastbarkeit, für eine Struktur mit unbekanntem Belastungszustand auf Basis der Werte Kn direkt zu berechnen.
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Dies erlaubt bei Messung einer Struktur mit dem in der 1 gezeigten Belastungsprofil eine Berechnung von Stützpunkten für eine Vorwärtsextrapolation, wie die 7 beispielhaft zeigt. Die berechneten Belastungen weisen aufgrund der vorgeschlagenen (multivarianten) Datenbetrachtung eine deutlich verringerte Streuung auf und erlauben damit eine erhebliche Reduktion der Unsicherheit.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wurde zwischenzeitlich mittels Laborprüfkörper intensiv getestet.
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Unter Verwendung eines neuronalen Netzwerkes konnte so bei Zuhilfenahme einer ausreichenden Datenmenge zum Training der Knotenpunkte eine Prognosegenauigkeit von kleiner 5 % mit einer Unsicherheit von lediglich 8 % erreicht werden. Diese Herangehensweise konnte zudem vom Werkstofflevel (d.h. Laborprüfkörper) auf Strukturebene (d.h. Komponente mit 4 m Länge) übertragen werden.
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Die Kreuzvorhersage (50 % Trainingsdaten, 50 % Validierungsdaten) zeigte sehr hohe Genauigkeit. Darüber hinaus konnte dasselbe neuronale Netzwerk auch für Schallemissionsdaten einer Großkomponente (Strukturebene) angewendet werden. Der Prognosewert wich lediglich 5 % von der erzielten Versagenslast ab. Die Herangehensweise kann jederzeit auf vergleichbare Fragestellungen angewendet werden.
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Die Erfindung ist nicht auf die dargestellten Ausführungsformen beschränkt. Ohne im Einzelnen dargestellt zu sein, kann das erfindungsgemäße Verfahren ohne weiteres in Bereichen, in welchen sicherheitsrelevante Faserverbundstrukturen eingesetzt werden (zum Beispiel Strukturbauteile im Automobilbau, alle Komponenten im Luftfahrtsektor, Maschinenteile mit hohen Drehzahlen, etc.) angewendet werden. Diese werden zur Abnahme üblicherweise umfangreichen (zerstörungsfreien) Tests unterzogen. Eine Alternative besteht darin, diese gezielt mit ihren Betriebslasten zu beaufschlagen und dabei ein Monitoringverfahren, wie eine Schallemissionsanalyse, anzuwenden. Dadurch kann ohne Zerstörung der Struktur bzw. des Prüfkörpers oder dergleichen Komponente eine Schadensfreiheit diagnostiziert werden und mit dem erfindungsgemäßen Verfahren eine Prognose für die Maximallast abgegeben werden. Gleichsam eignet sich das erfindungsgemäße Verfahren damit für produktspezifische Entwicklungszyklen, zum Beispiel zur Optimierung von Komponenten, ohne diese beim Test in den zerstörenden Bereich zu belasten. In beiden Fällen führt das erfindungsgemäße Verfahren zu erheblichen Kostenersparnissen bzw. zu einer signifikanten Erhöhung der Produktsicherheit in einem zum Stand der Technik nicht annähernd vergleichbaren Umfang.