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Die Erfindung betrifft Verfahren zur Vortriebssteuerung eines dreispurigen Fahrzeugs mit zwei vorzugsweise einzeln elektromotorisch angetriebenen Rädern und einer Lenkrolle in verschiedenen Betriebsmodi, den wahlweisen Betrieb eines derartigen Fahrzeugs in wenigstens zwei der Betriebsmodi sowie ein zur Durchführung der Verfahren ausgebildetes Fahrzeug.
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Mit zunehmender Verbreitung der Elektromobilität und der Verfügbarkeit leistungsfähiger und kompakter elektrischer Energiespeicher besteht der Wunsch, handliche und leicht zerlegbare oder zusammenklappbare und ggf. leicht im Kofferraum eines Pkw transportable Fahrzeuge zu schaffen, die einen einzelnen Benutzer auch auf schmalen Wegen, beispielsweise Gehwegen, transportieren können und/oder beim Lastentransport behilflich sein können.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Verfahren sowie ein zur Durchführung einer oder mehrerer Verfahren ausgebildetes Fahrzeug zu schaffen, mit denen bzw. mit dem vielfältige Transportfunktionen komfortabel ausgeführt werden können.
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Diese Aufgabe wird durch Verfahren mit den Merkmalen der unabhängigen Patentansprüche 1, 7, 9 und 11 sowie durch ein Fahrzeug gemäß Patentanspruch 12 gelöst.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Patentansprüchen angegeben.
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In einem ersten erfindungsgemäßen Modus - nachfolgend als Fahrmodus bezeichnet - ist das Fahrzeug derart orientiert, dass die Lenkrolle den angetriebenen Rädern bei Vorwärtsfahrt nachläuft.
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In diesem Fahrmodus sitzt der Fahrer auf einer (vorzugsweise ausklappbaren) Sitzfläche des Fahrzeugs und steuert das Fahrzeug vergleichbar mit einem Fahrrad oder Motorrad durch Krafteinleitung an Lenkergriffen.
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Die beiden Antriebsmotoren werden dabei grundsätzlich entsprechend einem Vortriebswunschsignal des Fahrers - abgesehen von einer wie nachfolgend beschrieben bestimmten Drehmomentdifferenz - gleichartig angesteuert.
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Vorzugsweise wird das Vortriebswunschsignal durch einen bidirektionalen Gasgriff aufgebracht, wodurch die Längsdynamik des Fahrzeugs durch den Fahrer gesteuert wird. Beispielswiese lässt sich das Fahrzeug sowohl beschleunigen (Drehung des Gasgriffs hin zum Fahrer) als auch verzögern (Drehung des Gasgriffs weg vom Fahrer). Der Gasgriff weist bevorzugt weiterhin eine definierte Ruhelage auf, welche weder eine Beschleunigung noch Verzögerung des Fahrzeugs bewirkt.
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Die Querdynamik lässt sich bevorzugt durch Ziehen bzw. Drücken an den Lenkergriffen steuern, wobei die entsprechenden Kräfte auf den - ansonsten starren - Lenker gemessen werden und in einen Drehzahlunterschied der beiden Vorderräder überführt werden. Alternativ kann auch ein konventionelles Lenkerkonzept implementiert werden, bei dem der Lenker verschwenkt werden kann und der Schwenkwinkel dann in ein Fahrtrichtungs- bzw. Gierratensignal überführt wird. Somit ist die Steuerung vergleichbar mit der eines motorisierten Einspurfahrzeugs (vgl. Motorrad oder Roller).
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Als „Gierrate“ bzw. „Gierwinkel“ wird nachfolgend die Abweichung von der aktuellen Bewegungsrichtung um eine aufrechte, vertikale Fahrzeugachse bezeichnet.
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Bedingt durch den freien Nachlauf des Hinterrades ist für ein bevorzugtes Fahrzeug zur Implementierung der Erfindung nicht garantiert, dass das Hinterrad der Spur des Fahrzeuges folgt. Dieser Effekt tritt insbesondere dann auf, wenn das Fahrzeug auf unebenem Gelände, welches ein Gefälle quer zur Fahrtrichtung aufweist, bewegt wird. Durch Querbewegungen des Fahrzeughecks ändert sich die Richtung des Hinterrades in Richtung der Bewegung und leitet eine Trajektorienänderung des Fahrzeugs ein. Querbewegungen werden konstruktionsbedingt dadurch begünstigt, dass der Großteil des Gewichts, insbesondere des Fahrers, auf dem Heck des Fahrzeugs lastet. Die resultierende Trajektorie entspricht somit nicht der vom Fahrer gewünschten Fahrtrajektorie, da die Richtungsänderung durch den Störeinfluss des unebenen Geländes bewirkt wurde. Auf Basis der bestehenden Konstruktion ist ein Fahrspurassistenzsystem notwendig, welches unter Verwendung der verfügbaren Aktoren, der angetriebenen Vorderräder, eine Kompensation der durch Störeinflüsse bewirkten Trajektorienänderung erreicht.
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Hierzu wird im Rahmen eines Aspekts der Erfindung eine auf das gleichförmige Drehmomentsignal aufzuprägende Drehmomentdifferenz wie folgt bestimmt:
- - ein erster Regler (Gierratenregler) erzeugt ein erstes Ausgangssignal zur Minimierung einer der Differenz zwischen Soll- und Ist-Gierrate proportionalen Größe,
- - ein nachgeschalteter zweiter Regler (Drehmomentdifferenzregler) erzeugt ein zweites Ausgangssignal zur Minimierung der Differenz zwischen einer zu dem ersten Ausgangssignal proportionalen Größe und einer der Differenz der gemessenen Ist-Drehzahlen der beiden Räder proportionalen Größe, und
- - eine dem zweiten Ausgangssignal proportionale Größe wird den Antriebsmotoren als Drehmomentdifferenz aufgeprägt.
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Mit Bezeichnungen wie „zu ... proportionale Größe“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die entsprechenden Größen im Prinzip beliebig skaliert sein können, wie es für die internen Regelungsalgorithmen jeweils optimal geeignet ist.
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Bevorzugt sind der erste und/oder der zweite Regler als PID-Regler mit Proportional-, Integral- und Differentialanteilen ausgebildet.
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Besonders bevorzugt kann den Antriebsmotoren auch ein Bremsmoment aufgeprägt werden, wobei der Fahrbefehlsgeber abhängig von einem Benutzerwunsch außerdem noch ein Bremswunschsignal ausgeben kann, das in ein Bremsmoment für beide Antriebsmotoren umgesetzt wird.
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Ferner kann die aufgeprägte Drehmomentdifferenz zu einem Bremsmoment bei einem oder beiden Antriebsmotoren führen. Letzteres bedeutet, dass insbesondere bei schnellen Richtungsänderungen und niedrigen Geschwindigkeiten ein Rad beschleunigt und ein Rad abgebremst wird. Befindet sich das Fahrzeug generell im Bremsvorgang, so kann das Differenzdrehmoment auch zu einer Bremsung an beiden Rädern, aber mit unterschiedlichem Bremsmoment führen.
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Die Detektion der Ist-Drehzahlen der Antriebsräder erfolgt bevorzugt durch Drehmomentgeber, die eine Winkelauflösung von 0,1° oder eine höhere Winkelauflösung aufweisen. Eine derartige Winkelauflösung bezogen auf 360° entspricht in etwa einem 12-Bit-Wert. Damit werden auch kleine Abweichungen vom beabsichtigen Geradeauslauf erkannt, so dass das Fahrzeug - zumindest auf geraden Oberflächen ohne Schlupf - auch ohne Gierratenregelung sehr exakt geradeaus fahren kann.
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Die Detektion der Ist-Gierrate erfolgt bevorzugt durch eine Inertial-Messeinheit (engl. IMU), die eine Lage- und/oder Lageänderungsbestimmung mittels einer oder mehrerer der folgenden Methoden oder Sensoren durchführt: Magnetometer, Beschleunigungssensor, Gyroskop.
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In einem zweiten erfindungsgemäßen Modus - nachfolgend als Liefermodus bezeichnet - ist die Fahrtrichtung des Fahrzeugs im Vergleich zum Fahrmodus invertiert. In diesem Modus soll das Fahrzeug zur Unterstützung beim Transportieren von Gütern, die auf dem Sitz des Fahrzeugs Platz finden, dienen.
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Der Fahrer selbst schiebt das Fahrzeug vor sich und kann durch Nutzung der Handgriffe die Stärke der Unterstützung bzw. bevorzugt auch der Bremsung beeinflussen. Die Lenkung erfolgt bevorzugt nicht wie im Fahrmodus aktiv durch unterschiedliche Drehzahlen der Antriebsräder, sondern (intuitiv) durch Krafteinwirkung des Fahrers und die Lenkwirkung der Lenkrolle. Dementsprechend ist die Inertial-Messeinheit für diesen Modus nicht zwingend erforderlich.
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Bei dem Verfahren zur Vortriebssteuerung eines dreispurigen Fahrzeugs im Liefermodus ist ein dritter Regler (bevorzugt ein PID-Regler) vorgesehen, der eine Vortriebsdrehmomentvorgabe anhand eines für den Motorantrieb repräsentativen Ist-Drehzahlwerts und einer vorgegebenen Soll-Drehzahl ausgibt, wobei die vom dritten Regler ausgegebene Vortriebsdrehmomentvorgabe abhängig von dem Vortriebswunschsignal zwischen 0% und 100% skaliert wird.
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Dabei wird der für den Motorantrieb repräsentative Ist-Drehzahlwert bevorzugt als Mittelwert aus den gemessenen Ist-Drehzahlen beider Antriebsmotoren berechnet, und die vorgegebene Soll-Drehzahl entspricht bevorzugt einer Schrittgeschwindigkeit des Fahrzeugs von weniger als 6 km/h, besonders bevorzugt von weniger als 4 km/h.
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Die Regelung für den Liefermodus besteht somit aus einer permanenten Geschwindigkeitsregelung (bevorzugt implementiert wiederum durch einen Regler mit PID-Anteilen) auf eine feste Maximalgeschwindigkeit (bzw. Maximaldrehzahl). Das durch diese Regelung vorgegebene Drehmoment wird durch den Nutzer begrenzt. Durch Steuereingriffe am Gasgriff wird im Falle einer gewünschten Beschleunigung die Begrenzung des Drehmoments verringert, sodass der Regler die Möglichkeit erhält, die gesetzte Geschwindigkeit einzuregeln. Befehle zur weiteren Beschleunigung des Fahrzeugs werden ab dieser Geschwindigkeit ignoriert. Falls ein verzögernder Eingriff (Bremssignal) vorgesehen ist, wird das Signal des Nutzers proportional in ein Bremssignal umgewandelt.
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Der Liefermodus arbeitet bevorzugt im reinen Schrittgeschwindigkeitsbereich, da eine nur unterstützende Wirkung erreicht werden soll. Insofern sind feinere Steuereingriffe als im Fahrmodus nötig. Hierzu wird das Steuersignal vor seiner Nutzung bevorzugt zusätzlich quadratisch transformiert, um eine progressive Steuerung umzusetzen.
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Starke Ruckbewegungen des Fahrzeugs im Falle eines starken Nutzereingriffs werden bevorzugt durch eine Begrenzung der Drehmomentänderung unterbunden, um einen unerwünschten Verlust der Ladung von der Ladefläche zu verhindern.
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Schließlich ist in einem dritten erfindungsgemäßen Modus - nachfolgend als Sackkarrenmodus bezeichnet - die Lenkrolle (d.h. deren Lenkfunktion) arretiert, was entweder durch einen Aktuator oder manuell durch ein Feststellglied erfolgen kann, und das Fahrzeug ist in der Art einer Sackkarre derart gekippt, dass die Lenkrolle keinen Bodenkontakt aufweist, so dass eine schwerere Last gegen das Fahrzeuggestell gekippt gehalten und transportiert werden kann.
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In diesem Modus ist ein vierter Regler vorgesehen - aufgrund der höheren Anforderungen an Reaktionsgeschwindigkeit bevorzugt ein PD-Regler ohne Integralanteile - , der über eine Regelung des Drehmoments der Antriebsradmotoren einen vorgegebenen Soll-Nickwinkel anhand des Ist-Nickwinkels einregelt.
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Mit „Nickwinkel“ ist in diesem Zusammenhang ein Winkel um eine horizontale Achse gemeint, die in diesem Falle der (gedachten) verbindenden Achse zwischen den beiden Antriebsrädern entspricht.
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In einem gekippten Sackkarrenmodus ist das Fahrzeug strenggenommen übrigens nicht mehr dreispurig; zur Vereinheitlichung der Terminologie soll hier vorliegend nicht genauer unterschieden werden.
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Die Nickwinkelregelung ist bevorzugt aktiviert, solange vom Benutzer ein Taster in der Art eines Totmannschalters betätigt wird, wobei der Soll-Nickwinkel als der aktuelle Ist-Nickwinkel im Moment der Betätigung des Tasters festgelegt wird. Lässt der Benutzer den Taster los, so werden die Räder freigegeben und der gespeicherte Soll-Nickwinkel gelöscht und erst bei erneutem Betätigen des Tasters wieder neu festgelegt.
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Die vorgenannten Modi können entweder einzeln bei einem Fahrzeug vorgesehen sein, oder es kann eine Wahlmöglichkeit zur Auswahl aus wenigstens zwei der Betriebsmodi (Fahrmodus, Liefermodus und/oder Sackkarrenmodus) vorgesehen sein.
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Die entsprechenden Modi können entweder durch ein Bedienelement eingestellt werden, oder durch entsprechende Sensoren automatisch erkannt werden.
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Beispielweise kann je nach Art der Kräfte, die auf den Lenker ausgeübt werden (Griffrichtung), automatisch zwischen Fahr- und Liefermodi unterschieden werden, oder es sind Sensoren vorhanden, die die Konfiguration des Fahrzeugs (Stellung deiner zentralen Nabe) erfassen und daraufhin einen bestimmten Modus vorgeben. Die entsprechende Konfiguration kann auch ferngesteuert über ein mobiles Gerät erfolgen.
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Es folgt eine Beschreibung von Ausführungsbeispielen anhand der Zeichnungen. Darin zeigen:
- 1 ein Dreirad-Mehrzweckfahrzeug in einer Draufsicht von oben;
- 2 das Dreirad-Mehrzweckfahrzeug von 1 in einer verkleinerten Seitenansicht;
- 3 ein Datenflussdiagramm für eine Fahrregelung im Fahrmodus;
- 4 ein Datenflussdiagramm für eine Fahrregelung im Liefermodus;
- 5 ein Datenflussdiagramm für eine Fahrregelung im Sackkarrenmodus; und
- 6 eine schematische Ansicht eines für die Erfindung besonders geeigneten Inkrementalgebers für die Drehwinkelerfassung der Antriebsräder.
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Die Lenkvorrichtung wird nachfolgend anhand eines neuartigen Dreirad-Mehrzweckfahrzeugs beschrieben, wie es in 1 und 2 gezeigt ist.
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Dieses Fahrzeug enthält drei bereifte Räder, nämlich zwei mittels integrierter elektrischer Nabenmotoren, vorzugsweise BLDC-Radnabenmotoren, angetriebene Vorderräder 1, 2 sowie ein frei nachlaufendes Hinterrad 3. Diese drei Räder sind durch ein Chassis miteinander verbunden, das in der in den Figuren gezeigten Konfiguration einem Tripod ähnelt und drei einzelne Radaufhängungen 5, 6 und 7 aufweist, die eine zentrale Nabe 8 stützen, mit der die Radaufhängungen 5, 6 und 7 winkelverstellbar verbunden sind.
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An der zentralen Nabe 8 sind außerdem zwei relativ steife Arme 9, 10 winkelverstellbar angebracht, die in der gezeigten Konfiguration in Fahrtrichtung schräg nach vorne ragen und an ihnen Enden jeweils einen Lenkergriff 11, 12 tragen, die sich beide entlang einer gedachten Linie erstrecken, die quer zum Fahrzeug verläuft. Die Arme 9, 10 und die Lenkergriffe 11, 12 bilden zusammen einen Lenker.
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Einer der Lenkergriffe 11, 12 ist als eine Art Gasgriff gestaltet, nämlich als ein bidirektionaler Drehgriff zum Wählen der Drehgeschwindigkeit und Drehrichtung der Nabenmotoren oder zum Wählen der von den Nabenmotoren erzeugten Beschleunigungs- bzw. Bremskräfte. Weiterhin ist am Lenker ein Totmannschalter (nicht im Einzelnen dargestellt) zur Aktivierung des Sackkarrenmodus vorgesehen.
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An der Radaufhängung 7 des Hinterrades 3 ist ein Fahrersitz 13 höhenverstellbar angebracht. Das Hinterrad 3 kann mit einer Bremse ausgestattet sein, die in bestimmten Drehstellungen des Drehgriffs zusätzliche Bremskraft bereitstellt.
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Durch die beschriebene Art des Aufbaus ist eine Gierbewegung des Fahrzeugs um die Fahrzeughochachse im Mittelpunkt der Verbindung zwischen den Fronträdern möglich, also eine Lenkbewegung, die durch eine stellbare Drehzahldifferenz der Vorderräder 1, 2 realisiert wird. Die Verbindungen der Radaufhängungen 5, 6 und 7 mit der zentralen Nabe 8 sind so ausgeführt, dass sie eine Veränderung der Fahrzeuggeometrie zulassen. Es ergeben sich drei verschiedene Verwendungsarten oder Modi, wobei die Fahrzeugkonfiguration für den Fahrmodus und den Liefermodus in 1 und 2 gezeigt ist:
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In einem Fahrmodus sitzt der Fahrer auf der Sitzfläche des Fahrersitzes 13, wobei seine Füße auf Fußrasten z. B. an der Achse des Hinterrades 3 ruhen können, und steuert das Fahrzeug vergleichbar mit einem Fahrrad oder Motorrad durch Krafteinleitung an den Lenkergriffen 11, 12.
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In einem Liefermodus ist die Fahrtrichtung des Fahrzeugs invertiert im Vergleich zum Fahrmodus. Im Liefermodus dient das Fahrzeug zur Unterstützung beim Transportieren von Gütern, die jetzt auf dem Fahrersitz 13 Platz finden. Der Fahrer selbst schiebt das Fahrzeug gehend vor sich her und kann durch Nutzung der Lenkergriffe 11, 12 die Stärke von unterstützendem Vortrieb bzw. Bremsung beeinflussen
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In einem Sackkarrenmodus ist das Hinterrad 3 zwischen den beiden Vorderrädern 1, 2 arretiert, ohne den Boden zu berühren, und der Fahrersitz 13 ist entlang der Radaufhängungen 5, 6 nach unten geschoben, so dass das Fahrzeug die Form einer Sackkarre annimmt. Hiermit lassen sich sperrige Güter mit elektrischer Unterstützung transportieren.
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Zusätzlich kann vorgesehen sein, dass sich das Fahrzeug platzsparend zusammenklappen lässt und dann wahlweise tragbar oder wie ein Rollenkoffer nachziehbar ist.
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Längsdynamisch wird das Fahrzeug vom Fahrer durch den bidirektionalen Gasgriff gesteuert. Dadurch lässt sich das Fahrzeug sowohl beschleunigen (Drehung des Gasgriffs hin zum Fahrer) als auch verzögern (Drehung des Gasgriffs weg vom Fahrer). Der Gasgriff weist eine definierte Ruhelage auf, welche weder eine Beschleunigung noch eine Verzögerung des Fahrzeugs bewirkt.
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Die Querdynamik, also die Gier- oder Lenkbewegung des Fahrzeugs, lässt sich durch Ziehen bzw. Drücken an den Lenkergriffen 11, 12 steuern. Die dabei ausgeübten Kräfte werden vom Fahrzeug gemessen und in einen Drehzahlunterschied der beiden Vorderräder 1, 2 überführt. Somit gleicht die Steuerungsergonomie jener eines motorisierten einspurigen Zweirades, allerdings mit freiem Nachlauf des Hinterrades 3, welches das Fahrzeug auch im Stand stabilisiert.
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Dazu enthält das Fahrzeug eine elektrische Lenkeinrichtung zum Lenken des Fahrzeugs im Fahrmodus. Die Gierachse des in 1 und 2 gezeigten Fahrzeugs befindet sich mittig zwischen den beiden angetriebenen Vorderrädern 1, 2.
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Die Detektion der Querbewegung wird durch mehrere Sensoren realisiert. Eine hochgenaue Drehzahl der angetriebenen Vorderräder wird durch Drehgeber ermittelt, welche in die Radnaben eingesetzt werden.
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Ein besonders geeigneter Drehgeber ist in 6 schematisch dargestellt. Das entworfene Bauteil hat eine Baugröße von 2,5 mm Bauhöhe und einem Durchmesser von 10 mm. Begünstigt durch die kleine Bauform ist es möglich, den Sensor nachträglich in die Achsen der Radnabenmotoren einzusetzen. Der Drehgeber besitzt eine Auflösung von 12 Bit, was einer Winkelauflösung von 360°/212 ≈ 0,08789° entspricht.
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Weiterhin wird eine Inertial-Messeinheit (engl. inertial measurement unit, IMU) eingesetzt, welche mit einem Magnetometer, Beschleunigungssensor sowie Gyroskop ausgestattet ist. Montiert in die Fahrzeugmitte im Bereich der Hauptlagerung kann durch Auslesen der Sensordaten die Beschleunigung und Richtungsänderung des Fahrzeugs zur Laufzeit ermittelt werden. Die Notwendigkeit dieser Sensordaten, unterstützend zu den Drehgebern, besteht darin, dass die Antriebsräder Schlupf unterliegen können. Die lineare Abhängigkeit zwischen Drehzahl und zurückgelegter Wegstrecke geht hierbei verloren, sodass eine Regelung ausschließlich auf Basis der Drehgeber nicht möglich ist.
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Diese Messwerte werden gemäß dem Diagramm in 3 zur Fahrspurassistenz des Fahrzeugs eingesetzt. Bei diesem Diagramm sowie den Diagrammen der 4 und 5 handelt es sich um ein sog. Simulink®-Diagramm, das vorliegend die Regelkreise und Abhängigkeiten auf einer mittleren Abstraktionsebene anzeigt.
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Berechnet werden Stromstärken zur Beschleunigung sowie Bremskräfte zur Verzögerung beider Antriebsräder. Der Regelkreis ist ausgelegt für die hier verwendeten bürstenlosen Gleichstrommotoren (BLDC). Diese besitzen drei Phasenleiter, welche durch jeweils eine Halbbrücke mit Masse oder positiven Potential verbunden werden. Durch eine sich wiederholende, abwechselnde Verschaltung zwischen den beiden Potentialen in Abhängigkeit der magnetischen Ausrichtung des Rotors im Bezug zum Stator wird ein kontinuierlicher Vortrieb gewährleistet.
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Um eine aktive Bremsung umzusetzen, werden alle Phasen zeitgleich mit Masse verbunden, sodass eine Selbstinduktion innerhalb der Motorwindungen entsteht, welche gegen die Rotation des Rades wirkt. Der Betrag des Drehmoments, das vom Motor erzeugt wird, ist direkt abhängig von der Größe des in ihm fließenden Stroms.
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Zur Einstellung einer gewünschten Bestromung des Motors wird in Motorsteuerungen der fließende Strom gemessen und die Schaltung der Halbbrücken durch ein pulsweitenmoduliertes (PWM) Signal überlagert, dessen Parameter durch einen Stromregler bestimmt werden. Die Bremswirkung des Motors ist durch eine Überlagerung mit einem weiteren PWM Signal dynamisch einstellbar. Die Ansteuerung des Motors trennt das Signal des Gasgriffs in seinen positiven und negativen Anteil auf, da antreibendes und bremsendes Drehmoment getrennt angesteuert werden müssen. Das Signal des Gasgriffs wird durch einen Ruhebereich um den Nullpunkt gefiltert, um Rauscheinflüsse und sehr geringe Benutzereingaben zu eliminieren.
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Das effektive Drehmoment ergibt sich linear aus einem Faktor zum Umrechnen zwischen dem jeweiligen Griffsignal und dem aufzulegenden Motorstrom oder eines entsprechenden Parameters für die Stärke der aktiven Bremsung. Dieser Wert ist motorabhängig und je nach gewünschter Fahrdynamik frei parametrierbar. Die hieraus berechneten Steuerbefehle für die nachgeschalteten Motorsteuerungen werden durch symmetrische Bias angepasst, um eine Lenkwirkung durch Drehzahldifferenz zu erreichen. Ein proportionaler, integrativer und differenzieller PID Regler wird genutzt um die gegebene Drehzahldifferenz zwischen den angetriebenen Rädern durch entsprechende Anpassungen im Drehmoment zu erzwingen. Um die Grundgeschwindigkeit nicht zu beeinflussen, wird die Differenz gleichmäßig auf beide Räder verteilt.
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BLDC Motoren sind durch ihr hohes erreichbares Drehmoment schnell in der Lage zu beschleunigen. Im Gegenzug führt jedoch das Verringern des Drehmoments zu einer vergleichsweise geringen Bremsleistung. Ein gleichförmiges Beschleunigen und Verzögern wird dadurch erreicht, dass im Falle eines hohen negativen Drehmomentbias auf einem Rad eine aktive Bremsung auf diesem Rad veranlasst wird. Die Stärke dieser Bremsung wird durch einen Faktor zur Umrechnung zwischen Motorstrombias und Bremskraftparameterbias ermittelt. Die Drehzahldifferenz, welche durch den Regler erreicht werden soll, wird durch einen weiteren PID Regler festgelegt. Dieser hat die Aufgabe, eine gegebene Gierrate (Rotationsgeschwindigkeit um die Hochachse des Fahrzeugs) und damit eine gegeben Fahrspur einzuhalten. Hierzu wird aus der aktuellen Abweichung zur gemessenen Gierrate die notwendige Drehzahldifferenz ermittelt. Zuletzt werden alle berechneten Werte auf für die Steuerung zulässige Werte gesättigt, da es durch die Additivität der Reglerstruktur zu Überläufen des technisch zulässigen Wertebereichs kommen kann.
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Die Regelung für den Liefermodus gemäß 4 besteht aus einer permanenten Geschwindigkeitsregelung (PID) auf eine feste Maximalgeschwindigkeit. Das durch diese Regelung vorgegebene Drehmoment wird durch den Nutzer begrenzt. Durch Steuereingriffe am Gasgriff wird im Falle einer gewünschten Beschleunigung die Begrenzung des Drehmoments verringert, sodass der Regler die Möglichkeit erhält, die gesetzte Geschwindigkeit einzuregeln. Befehle zur weiteren Beschleunigung des Fahrzeugs werden ab dieser Geschwindigkeit ignoriert. Im Falle eines verzögernden Eingriffs wird das Signal des Nutzers proportional in ein Bremssignal umgewandelt.
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Der Liefermodus (vgl. 4) arbeitet im reinen Schrittgeschwindigkeitsbereich, da eine nur unterstützende Wirkung erreicht werden soll. Insofern sind feinere Steuereingriffe als im Fahrmodus nötig. Hierzu wird das Steuersignal vor seiner Nutzung zusätzlich quadratisch transformiert, um eine progressive Steuerung umzusetzen. Starke Ruckbewegungen des Fahrzeugs im Falle eines starken Nutzereingriffs werden durch eine Begrenzung der Drehmomentänderung unterbunden. Eine aktive Lenkung wird hierbei nicht durchgeführt.
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Dem Sackkarrenmodus liegt eine unterstützende Regelung zu Grunde, ähnlich der des Liefermodus, vgl. 5.
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Durch einen in den Lenkergriffen verbauten Totmannschalter wird die gegenwärtige Fahrzeugneigung als Referenz für den Regelungsalgorithmus abgespeichert. Solange dieser Totmannschalter aktiv bleibt, wird die Fahrzeugneigung durch den Regler unter aktiver Regelung der Antriebsraddrehmomente beibehalten. Die sogenannte Nickrate wird mit Hilfe der Inertial-Messeinheit bestimmt und fließt als Störgröße integriert in einen PD Regler ein. Daraus resultierend ergeben sich Nenndrehmomente für die Radnabenmotoren der Antriebsräder, welche den Winkeländerungen entgegenwirken. Sobald der Totmannschalter losgelassen wird, tritt die Regelung außer Kraft und die Antriebsräder werden in Freilauf geschaltet.
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Die entsprechenden Regelungsschritte werden innerhalb einer mikroprozessorgesteuerten Regelungseinheit realisiert, der Eingangssignale von den Sensoren zugeführt und von der Ausgangssignale zu den Aktoren ausgehen.