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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Hybridbauteils, das aus wenigstens einem Blechformteil und zumindest teilflächig darauf aufgebrachtem Kunststoff bzw. damit verbundenem Kunststoff gebildet ist.
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Die Erfindung betrifft ferner ein Verfahren zur Herstellung eines Sitzstrukturelements für einen Kraftfahrzeugsitz, das mehrere mit Kunststoff umspritzte Blechformteile aufweist.
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Hybridbauteile betreffender Art werden bspw. im Kraftfahrzeugbau verwendet. Damit Hybridbauteile aus Metall und Kunststoff ihre Funktion optimal erfüllen können, bedarf es einer ausreichend hohen Verbindungsfestigkeit zwischen der wenigstens einen Metallkomponente und der Kunststoffkomponente. Die Haftung zwischen Metall und Kunststoff kann durch sogenannte Haftvermittler verbessert werden.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung eines Hybridbauteils oben genannter Art anzugeben, das wenigstens einen mit dem Stand der Technik einhergehenden Nachteil nicht oder zumindest nur in einem verminderten Umfang aufweist.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1. Mit einem nebengeordneten Patentanspruch erstreckt sich die Erfindung auch auf ein analoges Verfahren zur Herstellung eines Sitzstrukturelements für einen Kraftfahrzeugsitz. Bevorzugte Weiterbildungen und Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich analog für beide Verfahren aus den abhängigen Patentansprüchen, der nachfolgenden Beschreibung und der Zeichnung.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung eines Hybridbauteils, das aus wenigstens einem Blechformteil (Metallkomponente) und darauf aufgebrachtem bzw. damit verbundenem Kunststoff (Kunststoffkomponente) gebildet ist, weist folgende Schritte auf:
- – Auftragen einer thermoreaktiven Haftvermittlerfolie auf ein unverformtes Blech und Umformen des Blechs zu dem Blechformteil;
- – Einlegen des mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichteten Blechformteils in die Kavität eines Formwerkzeugs und Aufbringen einer Kunststoffschmelze (bzw. in Kontakt bringen der Kunststoffschmelze mit dem Blechformteil), wobei die thermoreaktive Haftvermittlerfolie durch die in der Kunststoffschmelze enthaltene Schmelzewärme aktiviert wird dadurch und eine stoffschlüssige Verbindung zwischen dem Blechformteil und dem Kunststoff bzw. der daraus gebildeten Kunststoffkomponente entsteht;
- – gegebenenfalls Aushärten lassen des Kunststoffs und Entformen des Hybridbauteils.
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Bei der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie handelt es sich bevorzugt um eine thermoplastische Zusammensetzung, die durch Wärme aktiviert wird und dann quasi als Klebstoff fungiert. Dadurch werden die Verbundhaftung bzw. der Verbundzusammenhalt und die Verbundsteifigkeit deutlich erhöht. Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie wird zumindest bereichsweise, vorzugsweise jedoch vollflächig ein- oder beidseitig auf das Blech bzw. Blechmaterial, vorzugsweise in Gestalt eines Blechbands oder einer Blechplatine, aufgetragen, wie nachfolgend noch näher erläutert. Anschließend wird das Blech umgeformt, insbesondere durch Tiefziehen, wobei auch Schnitt- bzw. Stanzoperationen vorgesehen sein können. Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie bleibt dabei flächendeckend auch in engen Blechformteilradien am Blech haften. Außerdem sind auch schwierige Bereiche, bspw. Hinterschnitte, mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichtet.
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Dieses mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichtete Blechformteil wird alleine oder zusammen mit anderen Blechteilen, die auch aus anderen Blechwerkstoffen gebildet und/oder mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichtet sein können, in die Kavität eines Formwerkzeugs eingelegt. Das Formwerkzeug ist insbesondere ein Spritzgießwerkzeug. Nach dem Schließen des Spritzgießwerkzeugs kann Kunststoffschmelze in die Kavität eingespritzt werden, die sich dann unter Einschluss der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie stoffschlüssig mit dem wenigstens einen Blechformteil verbindet. Das Formwerkzeug kann auch ein Heißpresswerkzeug für die Verarbeitung von SMC- oder BMC-Faser-Matrix-Halbzeugen sein. Es ergibt sich eine dauerhaft haltbare Verbindung mit optimaler Verbindungsfestigkeit zwischen dem wenigstens einen Blechformteil und der aus Kunststoff gebildeten Kunststoffkomponente, insbesondere auch an engen Blechformteilradien oder in sonstigen kritischen Bereichen, bspw. Hinterschnitten.
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Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie wird bevorzugt als vorgefertigte Folie bereitgestellt und auf das unverformte bzw. ebene Blech aufkaschiert bzw. auflaminiert. Bevorzugt wird die Folie ohne Zusatz aufgebracht und haftet direkt auf dem Blechmaterial. Das Kaschieren bzw. Laminieren kann mithilfe eines geeigneten Werkzeugs, bspw. eines Stempels oder einer Walze, erfolgen, um einen hohen Anpressdruck zu erzielen. Die Haftung zwischen der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie und dem Blech kann gegebenenfalls durch Wärmeeinbringung, bspw. durch Vorerwärmung des Blechs, verbessert werden. Die Haftung kann gegebenenfalls auch durch Vorbehandeln der Blechoberfläche, bspw. Reinigen, Sandstrahlen, Bürsten, Ätzen, Lasern etc., verbessert werden. Dadurch kann auch in Bereichen, die nicht mit einer thermoreaktiven Haftvermittlerfolie beschichtet sind, die Verbindungsfestigkeit zwischen Blechformteil und Kunststoff verbessert werden. Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie kann im Übrigen auch durch andere Maßnahmen erzeugt werden, bspw. durch Aufsprühen auf die Blechoberfläche.
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Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie kann eine Dicke von 0,1 mm bis 0,5 mm aufweisen und kann außerdem auch mehrschichtig bzw. mehrlagig ausgebildet sein, wobei die einzelnen Schichten bzw. Lagen unterschiedliche Funktionen haben (bspw. Haftschicht, Verbindungsschicht und Schutzschicht).
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Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie kann beim Umformen des Blechs, insbesondere beim Tiefziehen, als Schmierstoff fungieren, so dass eine gesonderte Befettung oder dergleichen nicht erforderlich ist. Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie kann quasi als Ziehfolie fungieren. Hieraus ergeben sich viele Vorteile.
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Die thermoreaktive Haftvermittlerfolie kann eine Schutzschicht aufweisen, die vor dem Einlegen des Blechformteils in das Formwerkzeug (Spritzgießwerkzeug bzw. Heißpresswerkzeug) entfernt wird, bspw. abgezogen wird. Die Schutzschicht kann beim Kaschieren, Umformen, Transportieren und/oder Lagern eine Schutzfunktion erfüllen. Im Hinblick auf das vorausgehende Umformen kann die Schutzschicht außerdem spezielle Schmier- und Zieheigenschaften aufweisen (s. o.).
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Bevorzugt ist das Formwerkzeug beheizt und dadurch erwärmt, wobei nach dem Einlegen des mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichteten Blechformteils in die Kavität des Formwerkzeugs und vor dem Aufbringen der Kunststoffschmelze (insbesondere vor dem Einspritzen der Kunststoffschmelze) eine Wartezeit vorgesehen sein kann, bspw. wenige Sekunden, in der die thermoreaktive Haftvermittlerfolie, bspw. durch Gelierung, voraktiviert wird.
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Als Kunststoff kann sowohl ein duroplastischer als auch ein thermoplastischer Kunststoff verwendet werden, der vorzugsweise mit Verstärkungsfasern, bspw. Glasfasern oder Recyclingfasern, versetzt ist.
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Die Erfindung wird bevorzugt angewendet bei der Herstellung eines Sitzstrukturelements für einen Kraftfahrzeugsitz, insbesondere für dessen Rückenlehne, das mehrere von Kunststoff umspritzte Blechformteile umfasst. Die Herstellung weist dann bspw. folgende Schritte auf:
- – Vorfertigen der Blechformteile durch Umformen von Blech, insbesondere mit unterschiedlichen Blechmaterialien, Blechgüten und/oder Blechdicken, wobei vor dem Umformen eine thermoreaktive Haftvermittlerfolie auf das Blech bzw. die Bleche aufgetragen wird;
- – Einlegen der mit thermoreaktiver Haftvermittlerfolie beschichteten Blechformteile in die Kavität eines geöffneten Spritzgießwerkzeugs;
- – Schließen des Spritzgießwerkzeugs und Einspritzen eines geschmolzenen Kunststoffs bzw. einer Kunststoffschmelze in die Kavität, wobei die thermoreaktive Haftvermittlerfolie durch die Schmelzewärme aktiviert wird und eine stoffschlüssige Verbindung zwischen den Blechformteilen und dem Kunststoff ausbildet;
- – gegebenenfalls Anhärten oder Aushärten des Kunststoffs (durch Vernetzen und/oder Abkühlen), Öffnen des Spritzgießwerkzeugs und Entformen des Sitzstrukturelements.
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Bevorzugt werden die Blechformteile nur durch die Verbindung mit dem Kunststoff bzw. durch eine vom Kunststoff gebildete Umspritzung gefügt, d. h. ohne andere Fügeverfahren, wie bspw. Schweißen, Kleben, Schrauben, Nieten oder dergleichen. Gerade für dieses Kunststofffügen ist eine besonders feste bzw. belastbare Verbindung zwischen den Blechformteilen (Metallkomponenten) und dem Kunststoff bzw. der daraus gebildeten Kunststoffkomponente besonders wichtig. Die Verbindung kann mittels formschlussbildender Durchspritzstellen, wozu die Blechformteile mit Löchern oder dergleichen ausgebildet sind, verbessert werden.
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Die Erfindung wird nachfolgend beispielhaft und in nicht einschränkender Weise mit Bezug auf die Zeichnung näher erläutert. Die in der Zeichnung gezeigten und/oder nachfolgend erläuterten Merkmale können, auch unabhängig von konkreten Merkmalskombinationen, allgemeine Merkmale sein und die Erfindung weiterbilden.
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1 zeigt in einer perspektivischen Vorderansicht mehrere Blechformteile, die den Rahmen für ein Sitzstrukturelement bilden, vor dem Umspritzen mit Kunststoff.
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2 zeigt in einer perspektivischen Vorderansicht das durch Kunststoffumspritzen des Rahmens aus 1 hergestellte Sitzstrukturelement.
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3 veranschaulicht schematisch die Herstellung des Sitzstrukturelements aus 2 anhand eines dafür verwendeten Blechformteils.
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1 zeigt einen Rahmen 100 aus noch ungefügten Einzelteilen zur Herstellung eines Sitzstrukturelements 10 für die Rückenlehne eines Fahrzeugrücksitzes. Der Rahmen 100 umfasst zwei Seitenteile bzw. Holme 110 und 120, ein unteres Querteil 130, ein oberes Querteil 140 und eine Diagonalstrebe 150. Bei diesen Rahmenteilen 110 bis 150 handelt es sich um Blechbauteile, die aus unterschiedlichen Blechwerkstoffen, Blechgüten und/oder Blechdicken gebildet sein können. Die Seitenteile 110 und 120 sind in ihren mittleren Abschnitten als U-Profile ausgebildet. An ihren unteren Enden sind die Seitenteile 110 und 120 mit Lagerbuchsen 115 und 125 bestückt, die später der klappbaren Befestigung der Rückenlehne an der Fahrzeugkarosserie dienen. 1 zeigt ferner ein Schlossblech 160 zur Arretierung der Rückenlehne und einen aus Draht geformten Haltebügel 170 zur Arretierung einer schwenkbar an der Rückenlehne befestigten Armstütze.
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1 zeigt die vorgefertigten Bauteile 110 bis 170 in ihrer endgültigen Position, wobei die Bauteile noch nicht miteinander verbunden bzw. gefügt sind. Hierzu werden die Bauteile 110 bis 170 in der gezeigten Positionierung und Ausrichtung in die Kavität eines Spritzgießwerkzeugs eingelegt und in einem sogenannten One-Shot-Verfahren mit Kunststoff, insbesondere mit faserverstärktem Kunststoff, umspritzt, wie oben erläutert. Dabei wird das in 2 gezeigte Sitzstrukturelement 10 für das Mittelteil der mehrteiligen Rückenlehne einer Rücksitzbank hergestellt, das später noch bepolstert und bezogen wird.
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In dem hier gezeigten Ausführungsbeispiel sind die Bauteile 110 bis 170 nur durch die vom Kunststoff gebildete Kunststoffumspritzung 190 gefügt. Die Kunststoffumspritzung 190 umfasst auch verrippte Stützstrukturen 192 in den U-Profil-Abschnitten der Seitenteile 110 und 120, die der Versteifung dienen. Um die Haftung bzw. Verbindungsfestigkeit zwischen den Blechformteilen 110 bis 150 und dem Kunststoff der Kunststoffumspritzung 190 zu verbessern, sind die Blechformteile 110 bis 150 zumindest bereichsweise mit einer thermoreaktiven Haftvermittlerfolie beschichtetet, wobei diese thermoreaktive Haftvermittlerfolie bereits vor der umformenden Fertigung der Blechformteile auf das Blechmaterial aufgetragen wird. Dies wird nachfolgend anhand der 3 mit Bezug auf das linke Seitenteil 120 erläutert.
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3a zeigt ein unverformtes Blechmaterial M, auf das durch Kaschieren mithilfe eines aufpressenden Werkzeugs 20 einseitig (gegebenenfalls auch beidseitig) flächendeckend eine thermoreaktive Haftvermittlerfolie F aufgebracht wird. Der Anpressdruck kann dabei lokal variiert werden, um unterschiedliche Haftungsgrade einzustellen, was bspw. im Hinblick auf crashrelevante Sollbruchstellen sinnvoll sein kann. Das mit der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie F beschichtete Blechmaterial M wird in einem Umformwerkzeug 30 mittels Matrize 31 und Stempel 32 zu dem Seitenteil 120 mit U-Profil umgeformt, wie in 3b gezeigt.
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Das mit der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie F beschichtete Seitenteil 120 wird nun zusammen mit den anderen Bauteilen der 1 in die Kavität 43 eines Spritzgießwerkzeugs 40 eingelegt. Nach dem Schließen der Werkzeughälften 41 und 42 wird faserhaltige Kunststoffschmelze K in die Kavität 43 eingespritzt, wie in 3c gezeigt. Die Kunststoffschmelze K verteilt sich in der Kavität 43 und bildet u. a. im Inneren des U-Profil-Abschnitts des Blechformteils bzw. Seitenteils 120 die verrippte Stützstruktur 192. Die Kavität 43 ist entsprechend ausgebildet. Das Seitenteil 120 wird also in situ mit der Kunststoffschmelze K verbunden. Dabei wird die thermoreaktive Haftvermittlerfolie F durch die in der Kunststoffschmelze K enthaltene Wärme angeschmolzen (die Kunststoffschmelze weist beim Einspritzen bspw. eine Temperatur von bis zu 300° C auf) und dadurch aktiviert und bewirkt dann die Ausbildung einer sehr belastbaren stoffschlüssigen Verbindung zwischen dem Blechformteil 120 und dem Kunststoff, die hier eine optimale Kraftübertragung zwischen den Rippen der Stützstruktur 192 und dem schalenartigen U-Profil des Seitenteils 120 ermöglicht. Nach dem Aushärten bzw. Abkühlen der Kunststoffschmelze K kann das Spritzgießwerkzeug 40 geöffnet und das im Wesentlichen verbaufertige Sitzstrukturelement 10 entnommen werden.
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Die stoffschlüssige Anbindung des die Umspritzung 190 bildenden Kunststoffs an das Metall der Blechformteile 110 bis 150 erfolgt mittels der thermoreaktiven Haftvermittlerfolie F, indem diese thermoreaktive Haftvermittlerfolie F bspw. einen thermoplastischen Schmelzkleberfilm bildet. Im Übrigen können auch das Schlossblech 160 und der Haltbügel 170 mit einem Haftvermittler, insbesondere einer thermoreaktiven Haftvermittlerfolie, beschichtet sein, der insbesondere schon vor der Formgebung aufgebracht wurde.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Sitzstrukturelement
- 20
- Kaschierwerkzeug
- 30
- Umformwerkzeug
- 31
- Matrize (unteres Werkzeugteil)
- 32
- Stempel (oberes Werkzeugteil)
- 40
- Spritzgießwerkzeug
- 41
- untere Werkzeughälfte
- 42
- obere Werkzeughälfte
- 43
- Kavität
- 100
- Rahmen
- 110
- rechtes Seitenteil
- 115
- Lagerbuchse
- 120
- linkes Seitenteil
- 125
- Lagerbuchse
- 130
- unteres Querteil
- 140
- oberes Querteil
- 150
- Diagonalstrebe
- 160
- Schlossblech
- 170
- Haltebügel
- 190
- Kunststoffumspritzung
- 192
- Stützstruktur
- M
- Blech, Blechmaterial
- F
- thermoreaktive Haftvermittlerfolie
- K
- Kunststoffschmelze (Kunststoff)