DE102016217666A1

DE102016217666A1 - Verfahren zum Spritzgießen eines thermoplastischen Kunststoffbauteils und thermoplastisches Kunststoffbauteil

Info

Publication number: DE102016217666A1
Application number: DE102016217666.8A
Authority: DE
Inventors: Thomas Grätzl
Original assignee: Bayerische Motoren Werke AG
Current assignee: Bayerische Motoren Werke AG
Priority date: 2016-09-15
Filing date: 2016-09-15
Publication date: 2018-03-15

Abstract

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Spritzgießen eines thermoplastischen Kunststoffbauteils mit den Schritten: – Befüllen eines vortemperierten Spritzgusswerkzeugs mit einem schmelzflüssigen, thermoplastischen Kunststoffmaterial, – Abkühlen des Kunststoffmaterials im Spritzgusswerkzeugs und – Entnehmen des Kunststoffbauteils aus dem Spritzgusswerkzeugs, wobei die Temperatur des vortemperierten Spritzgusswerkzeugs unter Berücksichtigung der Trocknungsparameter eines nachfolgenden Lackierprozesses (30) so gewählt wird, dass das Kunststoffbauteil erst nach Durchlaufen des Lackierprozesses (30) den zur Erzielung der erforderlichen mechanischen Eigenschaften notwendigen Kristallisationsgrad aufweist sowie ein mit dem Verfahren hergestelltes thermoplastisches Kunststoffbauteil.

Description

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Spritzgießen eines thermoplastischen Kunststoffbauteils sowie ein thermoplastisches Kunststoffbauteil.
Im Rahmen des Leichtbaus werden Fahrzeugkarosserien zunehmend in Mischbauweise hergestellt, wobei nichtmetallische Bauteile mit metallischen Bauteilen gemeinsam zu einer Rohkarosserie verbaut werden. Hierbei können sowohl unverstärkte als auch in unterschiedlicher Art verstärkte Kunststoffbauteile mit thermoplastischer Matrix verwendet werden.
Zur Herstellung dieser Kunststoffbauteile im Spritzgussverfahren wird ein Kunststoffgranulat, dem ggf. Verstärkungsfasern oder andere Verstärkungs- bzw. Zuschlagstoffe zugefügt sind, aufgeschmolzen und unter Druck in den Hohlraum eines vortemperierten Spritzgusswerkzeugs gedrückt. Daran schließen sich die Schritte Abkühlen und Entformen an, wobei während des Abkühlens ein zeitweiliges Nachdrücken zur Verringerung einer Volumenschwindung erfolgt. Bauteile, die mittels Spritzgussprozess hergestellt werden, müssen für eine gewisse Zeit im Spritzgusswerkzeug bleiben, damit sie ihre endgültige Form und Eigenschaften erhalten. Hierbei sind die morphologische Struktur und insbesondere der Kristallisationsgrad des Kunststoffmaterials wichtige Faktoren für unterschiedlichste Eigenschaften des späteren Bauteils, wie z.B. die Festigkeit. Hieraus folgt, dass eine gewisse Zykluszeit zur Herstellung der Bauteile notwendig ist.
Aufgabe der Erfindung ist es, eine Möglichkeit anzugeben, wie die Zykluszeit reduziert werden kann und dennoch Bauteile mit für die Anforderungen im Automobilbau ausreichenden mechanischen Eigenschaften herstellbar sind.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren nach Patentanspruch 1 und ein Bauteil nach Patentanspruch 7. Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
Zum Spritzgießen eines thermoplastischen Kunststoffbauteils wird ein vortemperiertes Spritzgusswerkzeug mit einem schmelzflüssigen, thermoplastischen Kunststoffmaterial befüllt. Das Kunststoffmaterial kühlt im Spritzgusswerkzeug ab und wird diesem anschließend entnommen. Erfindungsgemäß wird die Temperatur des vortemperierten Spritzgusswerkzeugs unter Berücksichtigung der Trocknungsparameter eines nachfolgenden Lackierprozesses so gewählt, dass das Kunststoffbauteil erst nach Durchlaufen des Lackierprozesses den zur Erzielung der erforderlichen mechanischen Eigenschaften notwendigen Kristallisationsgrad aufweist.
Lackierprozesse gehen mit einer zum Lackprozess gehörenden Trocknung in einem oder mehreren Schritten einher, wozu die Bauteile üblicherweise erhitzt werden. Dies gilt insbesondere für die im Rahmen der Karosseriefertigung eingesetzten Lackierprozesse. Anders als zu erwarten, haben diese Prozesse trotz ihrer hohen chemischen und thermischen Anforderungen an das Kunststoffmaterial jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Festigkeit der thermoplastischen Kunststoffbauteile. Vielmehr hat sich überraschender Weise gezeigt, dass die thermoplastischen Kunststoffbauteile nach der Trocknung teilweise sogar gesteigerte mechanische Kennwerte aufweisen. Hierfür ist eine Erwärmung des Kunststoffmaterials über die Glasübergangstemperatur hinaus verantwortlich, wodurch Kristallwachstum während der Trocknung einsetzt und den Kristallisationsgrad im Kunststoffmaterial erhöht. Dies macht sich die Erfindung zunutze, um die Zykluszeit zur Bauteilherstellung zu reduzieren.
Genauer gesagt, wird die Temperatur, auf welche das Spritzgusswerkzeug vortemperiert wird, reduziert, wodurch das Kunststoffbauteil schneller abkühlt und entformt werden kann. Dies führt zunächst dazu, dass das Kunststoffmaterial bis zur Erstarrung im Spritzgusswerkzeug nicht mehr genügend Zeit hat, um einen für z.B. die Festigkeitsanforderungen ausreichenden Kristallisationsgrad zu erreichen. Die Erfindung kompensiert diesen Nachteil nun dadurch, dass bei der Festlegung der Temperatur des Spritzgusswerkzeugs berücksichtigt wird, inwieweit durch nachfolgende Lackierprozesse bzw. darin integrierte Trocknungsschritte, eine nachträgliche Kristallisation zu erwarten ist. Die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs wird – verglichen mit einem herkömmlichen Prozess – soweit reduziert, dass das im Spritzgussprozess fehlende Kristallwachstum in einem oder mehreren nachfolgenden Trocknungsschritten von Lackierprozessen ausgeglichen wird. Die zum Erzielen der Bauteilfestigkeit erforderliche Kristallwachstumszeit wird zumindest teilweise in einen nachfolgenden Trocknungsprozess verlagert. Das Maß des zu erwartenden Kristallwachstums kann dabei anhand der Trocknungsdauer und -temperatur abgeschätzt werden. Auf diese Art und Weise gelingt es der Erfindung, die Zykluszeit zur Herstellung der Kunststoffbauteile im Spritzgussverfahren zu reduzieren und dennoch die gewünschten Eigenschaften des fertigen Bauteils im verbauten Zustand sicherzustellen.
In einer bevorzugten Ausgestaltung wird die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs während des Abkühlens des Kunststoffmaterials auf einem konstanten Wert gehalten, der dem Wert entspricht, mit dem das Spritzgusswerkzeug vortemperiert wird.
Bei dem thermoplastischen Kunststoffmaterial kann es sich um ein unverstärktes Kunststoffmaterial, ein faserverstärktes Kunststoffmaterial (Faserverbundkunststoff), wie z.B. einen kohlenstofffaser-, glasfaser- oder aramidfaserverstärkten Kunststoff oder um einen mit weiteren Zuschlagstoffen, wie z.B. Füllstoffen oder Additiven, versetzten Kunststoff handeln. Dementsprechend sollen unter den Begriff „thermoplastisches Kunststoffbauteil“ auch Bauteile mit Verstärkung in der thermoplastischen Matrix fallen.
Besondere Vorteile erzielt das Verfahren, wenn es sich in einer Ausgestaltung bei dem thermoplastischen Kunststoffbauteil um ein Strukturbauteil einer Fahrzeugkarosserie handelt, das vor Durchlaufen des Lackierprozesses in dieselbe eingebaut wird.
Die in der konventionellen Prozesskette zur Karosserieherstellung stattfindenden Lackierprozesse umfassen beispielsweise eine kathodische oder anodische Tauchlackierung, einen Unterbodenschutzauftrag sowie weitere Lackierprozesse zum Auftragen der Karosserielackierung. Die kathodische Tauchlackierung (KTL) bzw. anodische Tauchlackierung ist ein elektrochemisches Verfahren und wird in der Automobilindustrie zur Sicherstellung des Korrosionsschutzes der Fahrzeugkarosserie verwendet. Allen Lackierprozessen sind jeweils Trocknungsschritte zugeordnet, in denen die lackierten Bauteile erhitzt werden, um die aufgetragenen Schichten zu trocknen bzw. deren Aushärtung durch chemische Reaktion zu ermöglichen. In einer bevorzugten Ausgestaltung wird die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs so gewählt, dass der notwendige Kristallisationsgrad des Kunststoffbauteils nach Durchlaufen der KTL-Trocknung erreicht wird. In einer alternativen Ausgestaltung kann die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs auch so gewählt werden, dass der notwendige Kristallisationsgrad erst nach Durchlaufen eines weiteren Trocknungsschrittes erreicht wird, der z.B. zum Unterbodenschutzauftrag oder zum Auftrag einer Karosserielackschicht gehört.
Bezüglich des Bauteils wird die Aufgabe der Erfindung durch ein thermoplastisches Kunststoffbauteil gelöst, das mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt ist, wobei dieselben technischen Wirkungen und Vorteile erreicht werden, wie sie zum Verfahren beschrieben sind.
In einem Nebenaspekt betrifft die Erfindung auch die Verwendung des voranstehend beschriebenen Verfahrens zur Herstellung eines Strukturbauteils einer Fahrzeugkarosserie.
Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich anhand der Zeichnung und im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung. Sofern in dieser Anmeldung der Begriff "kann" verwendet wird, handelt es sich sowohl um die technische Möglichkeit als auch um die tatsächliche technische Umsetzung.
Im Folgenden wird ein Ausführungsbeispiel an Hand der beiliegenden Zeichnung erläutert. Darin zeigt:
1 eine schematische Darstellung einer Prozesskette in der Automobilfertigung
Das erfindungsgemäße Verfahren wird beispielhaft anhand eines thermoplastischen Kunststoffbauteils erläutert, das Teil einer Fahrzeugkarosserie ist. 1 zeigt schematisch eine Prozesskette 1 in der Automobilfertigung, welche das thermoplastische Kunststoffbauteil durchläuft. In einem ersten Prozessschritt 10 erfolgt die Fertigung des thermoplastischen Kunststoffbauteils im Spritzgussverfahren. Hierzu wird ein gefülltes oder ungefülltes (ggf. faserverstärktes) thermoplastisches Material in schmelzflüssigem Zustand in ein vortemperiertes Spritzgusswerkzeug gedrückt. Die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs wird konstant gehalten, bis das eingespritzte Material abgekühlt ist. Das Kunststoffbauteil wird dem Spritzgusswerkzeug entnommen. Anschließend wird das Kunststoffbauteil in einem zweiten Schritt 20 verbaut und in die Karosserie integriert. Dies kann in bekannter Art und Weise erfolgen, z.B. durch form- und/oder stoffschlüssiges Fügen. Die fertige Rohkarosserie wird in einem dritten Schritt 30 einem mehrstufigen Lackierprozess zugeführt. Der Lackierprozess umfasst eine kathodische Tauchlackierung 32, einen Unterbodenschutzauftrag 34 sowie weitere Lackierverfahren 36 zum Auftrag des Karosserielacks. Nach erfolgter Lackierung wird die Fahrzeugkarosserie zur Endmontage 40 weitertransportiert.
Jeder der Lackierprozesse in Schritt 30, d.h. die Lackierprozesse 32, 34 und 36 beinhaltet einen Trocknungsvorgang, bei dem die Fahrzeugkarosserie für eine bestimmte Dauer einer vorgegebenen Temperatur ausgesetzt wird. Sofern die Parameter der Trocknungsvorgänge eine Erwärmung des Kunststoffbauteils auf mindestens die Glasübergangstemperatur des verwendeten Thermoplasten ermöglichen, können die Trocknungsparameter bei der Auslegung des Spritzgussprozesses 10 berücksichtigt werden. Es kann nur ein Trocknungsprozess oder es können zwei oder mehr Trocknungsprozesse berücksichtigt werden, dargestellt durch den Pfeil 50.
Die Berücksichtigung der Trocknungsparameter erfolgt in der Art, dass das im Trocknungsprozess zu erwartende Kristallwachstum kalkuliert wird und die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs soweit reduziert wird, dass das Kunststoffbauteil nicht bereits bei Entformen aus dem Spritzgusswerkzeug, sondern erst nach Durchlaufen des oder der berücksichtigten Trocknungsverfahren den erforderlichen Kristallisationsgrad aufweist.
Die Zykluszeit zur Spritzgussherstellung des Kunststoffbauteils kann reduziert werden, wobei das in der Karosserie verbaute Kunststoffbauteil dennoch den erforderlichen Kristallisationsgrad aufweist und die erforderlichen Eigenschaften erreicht.
Bezugszeichenliste

1: Prozesskette
10: Spritzgussverfahren
20: Integration Bauteil in Fahrzeugkarosserie
30: Lackierprozess
32: kathodische Tauchlackierung
34: Auftrag Unterbodenschutz
36: weitere Lackierprozesse
40: Endmontage
50: berücksichtigte Trocknungsparameter

Claims

Verfahren zum Spritzgießen eines thermoplastischen Kunststoffbauteils mit den Schritten: – Befüllen eines vortemperierten Spritzgusswerkzeugs mit einem schmelzflüssigen, thermoplastischen Kunststoffmaterial, – Abkühlen des Kunststoffmaterials im Spritzgusswerkzeugs und – Entnehmen des Kunststoffbauteils aus dem Spritzgusswerkzeugs, wobei die Temperatur des vortemperierten Spritzgusswerkzeugs unter Berücksichtigung der Trocknungsparameter eines nachfolgenden Lackierprozesses (30) so gewählt wird, dass das Kunststoffbauteil erst nach Durchlaufen des Lackierprozesses (30) den zur Erzielung der erforderlichen mechanischen Eigenschaften notwendigen Kristallisationsgrad aufweist.
Verfahren nach Patentanspruch 1, bei dem die Temperatur des Spritzgusswerkzeugs während des Abkühlens des Kunststoffmaterials auf einem konstanten Wert gehalten wird.
Verfahren nach einem der vorangehenden Patentansprüche, bei dem das thermoplastische Kunststoffbauteil aus einem faserverstärkten Kunststoffmaterial ausgebildet wird.
Verfahren nach einem der vorangehenden Patentansprüche, bei dem das thermoplastische Kunststoffbauteil ein Strukturbauteil ist und vor Durchlaufen des Lackierprozesses als Strukturbauteil einer Fahrzeugrohkarosserie in dieselbe eingebaut wird.
Verfahren nach einem der vorangehenden Patentansprüche, bei dem der nachfolgende Lackierprozess (30) zumindest eine kathodische Tauchlackierung (32) umfasst und der notwendige Kristallisationsgrad erreicht wird nach Durchlaufen einer KTL-Trocknung.
Verfahren nach einem der Patentansprüche 1 bis 4, bei dem der Lackierprozess (30) eine kathodische Tauchlackierung (32) sowie mindestens einen weiteren Lackierprozess (34, 36) umfasst und der notwendige Kristallisationsgrad erreicht wird nach Durchlaufen eines Trocknungsschrittes des mindestens einen weiteren Lackierprozesses (34, 36).
Thermoplastisches Kunststoffbauteil, das mit dem Verfahren nach einem der Patentansprüche 1 bis 6 hergestellt ist.
Verwendung des Verfahrens nach einem der Patentansprüche 1 bis 6 zur Herstellung eines Strukturbauteils einer Fahrzeugkarosserie.