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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bewertung von Fertigungsprogrammen und zur Reduzierung von Fehlern bei der Fertigung der im Rahmen eines Fertigungsprogramms gefertigten Produkte, insbesondere Fahrzeuge.
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An einem Produktionsstandort bzw. in einem Produktionswerk eines Fahrzeug-Herstellers werden typischerweise unterschiedliche Modelle von Fahrzeugen und unterschiedliche (ggf. kundenspezifische) Varianten der Modelle von Fahrzeugen gefertigt. Für die Herstellung von qualitativ hochwertigen Fahrzeugen und für die Reduzierung der Herstellungskosten von Fahrzeugen ist es wichtig, dass das Fertigungsprogramm für ein Produktionswerk derart festgelegt wird, dass Herstellungsfehler und/oder Prozessfehler in der Logistik weitestgehend vermieden werden, d. h. dass die Wahrscheinlichkeit von Herstellungsfehlern und/oder Prozessfehlern in der Logistik reduziert, insbesondere minimiert, wird. Dabei kann es sich insbesondere um Prozessfehler der Logistik handeln, die vor der eigentlichen Herstellung eines Fahrzeugs auftreten können, und daher einen nachfolgenden Herstellungsprozess beeinflussen können.
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Das vorliegende Dokument befasst sich mit der technischen Aufgabe, ein Verfahren bereitzustellen, das es ermöglicht, das Fertigungsprogramm eines Produktionswerks derart festzulegen, dass die Wahrscheinlichkeit von Herstellungsfehlern reduziert, insbesondere minimiert, wird.
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Die Aufgabe wird durch die unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen werden u. a. in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Gemäß einem Aspekt wird ein Verfahren zur Bewertung eines aktuellen Fertigungsprogramms anhand eines Bewertungs-Modells beschrieben. Das Verfahren kann durch eine Auswerteeinheit (insbesondere durch einen Computer bzw. Server) ausgeführt werden. Es handelt sich somit typischerweise um ein Maschinen-implementiertes Verfahren.
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Das Fertigungsprogramm umfasst die Fertigung von unterschiedlichen Produkten in einem Produktionswerk. Die unterschiedlichen Produkte, die im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigt werden, können unterschiedliche Modelle von Fahrzeugen (insbesondere Straßenkraftfahrzeugen) und/oder unterschiedliche Varianten von ein oder mehreren Modellen von Fahrzeugen umfassen. Das Fertigungsprogramm kann an einem Produktionsstandort bzw. in einem Produktionswerk ausgeführt werden, um in einem bestimmten Referenzzeitraum die in dem Fertigungsprogramm spezifizierten Mengen von unterschiedlichen Produkten zu fertigen.
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Das Bewertungs-Modell kann im Vorfeld anhand von Trainingsdaten angelernt worden sein. Das Bewertungs-Modell umfasst ein Strukturmodell und ein Messmodell. Insbesondere kann das Bewertungs-Modell ein Strukturgleichungsmodell umfassen, das mit Trainingsdaten von tatsächlichen Fertigungsprogrammen aus der Vergangenheit angelernt wurde.
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Das Strukturmodell beschreibt anhand von Effekt-Faktoren Auswirkungen von mehreren Produkt-bezogenen (latenten) Variablen auf zumindest eine Qualitäts-bezogene (latente) Variable. Mit anderen Worten, das Strukturmodell kann anhand von Effekt-Faktoren anzeigen, welche Auswirkungen unterschiedliche Produkt-bezogene Variablen auf zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable haben. Dabei kann für jede Produkt-bezogene Variable ein Effekt-Faktor bereitgestellt werden, der die Auswirkung dieser Produkt-bezogenen Variablen auf eine bestimmte Qualitäts-bezogene Variable anzeigt. Die Effekt-Faktoren des Strukturmodells können durch Trainingsdaten angelernt werden.
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Das Messmodell umfasst Einfluss-Faktoren zur Ermittlung von Werten der Produkt-bezogenen Variablen anhand von messbaren Indikatoren. Mit anderen Worten, das Messmodell kann beschreiben, wie der Wert einer Produkt-bezogenen Variablen aus ein oder mehreren Indikatoren ermittelt werden kann. Werte für die ein oder mehreren Indikatoren können dabei auf Basis einer Beschreibung des Fertigungsprogramms ermittelt werden, wobei die ein oder mehreren Indikatoren unterschiedliche Aspekte des Fertigungsprogramms beschreiben. Für jeden Indikator kann ein Einfluss-Faktor bereitgestellt werden, der den Einfluss dieses Indikators auf eine bestimmte Produkt-bezogene Variable anzeigt.
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Das Verfahren umfasst das Ermitteln von aktuellen Werten der messbaren Indikatoren, die das aktuelle Fertigungsprogramm beschreiben. Die messbaren Indikatoren können z. B. umfassen: einen Indikator, der eine Anzahl von unterschiedlichen Produkten anzeigt, die im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigt werden (z. B. eine Anzahl von unterschiedlichen Fahrzeug-Modellen, die in einem Produktionswerk gefertigt werden); einen Indikator, der eine Gesamtzahl von Produkten anzeigt, die im Rahmen des Fertigungsprogramms in einem Referenzzeitraum gefertigt werden (z. B. die Gesamtzahl von Fahrzeugen, die in einem Referenzzeitraum von z. B. einem Monat oder einem Jahr in einem Produktionswerk gefertigt werden); einen Indikator, der einen Grad an Überlappung von Bauteilen anzeigt, die für die Fertigung der unterschiedlichen Produkte verwendet werden (z. B. einen Anteil bzw. Prozentsatz von gemeinsamen Bauteilen für die unterschiedlichen Fahrzeug-Modelle, die in einem Produktionswerk gefertigt werden); einen Indikator, der eine Gesamtmenge an erforderlichen unterschiedlichen Bauteilen für das Fertigungsprogramm anzeigt (z. B. die Anzahl von unterschiedlichen Bauteil-Nummern, die für die Fertigung der unterschiedlichen Fahrzeug-Modelle in einem Produktionswerk verwaltet werden müssen); einen Indikator, der eine Anzahl von Produkten anzeigt, die in dem Referenzzeitraum in das Fertigungsprogramm aufgenommen und/oder aus dem Fertigungsprogramm genommen werden (z. B. eine Anzahl von Fahrzeug-Modellen, deren Fertigung in dem Referenzzeitraum in einem Produktionswerk begonnen bzw. beendet wird); und/oder einen Indikator, der eine Häufigkeit von Anpassungen von Produkten anzeigt, die im Rahmen des Fertigungsprogramms in dem Referenzzeitraum gefertigt werden (z. B. die Anzahl von Product Life Cycle Anpassungen). Die aktuellen Werte für derartige Indikatoren können typischerweise in direkter Weise aus der Beschreibung bzw. Definition eines aktuellen Fertigungsprogramms entnommen werden.
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Das Verfahren umfasst weiter das Ermitteln von aktuellen Werten der Produkt-bezogenen Variablen, auf Basis der aktuellen Werte der messbaren Indikatoren und auf Basis der Einfluss-Faktoren des Bewertungs-Modells. Dabei kann das Ermitteln eines aktuellen Wertes einer Produkt-bezogenen Variablen umfassen, das Multiplizieren von ein oder mehreren Einfluss-Faktoren mit den aktuellen Werten von entsprechenden ein oder mehreren messbaren Indikatoren. Des Weiteren kann die Summe der mit den Einfluss-Faktoren multiplizierten Indikatoren gebildet werden. Mit anderen Worten, es kann das Skalarprodukt aus einem Vektor von Einfluss-Faktoren und einem Vektor von aktuellen Werten der Indikatoren gebildet werden, um einen aktuellen Wert einer Produkt-bezogenen Variablen zu ermitteln.
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Eine Produkt-bezogene Variable kann auf einem aggregierten Level Information in Bezug auf die Komplexität der im Rahmen eines Fertigungsprogramms zu fertigenden Produkte anzeigen. Insbesondere können die Produkt-bezogenen Variablen umfassen: eine Produkt-bezogene Variable, die einen Umfang der im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigten Produkte anzeigt (mit anderen Worten, es kann eine Bewertung der Komplexität der Quantität der im Rahmen eines Fertigungsprogramms zu fertigenden Produkte erfolgen); eine Produkt-bezogene Variable, die eine Struktur der im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigten Produkte anzeigt (mit anderen Worten, es kann eine Bewertung der Komplexität der Struktur der im Rahmen eines Fertigungsprogramms zu fertigenden Produkte erfolgen); und/oder eine Produkt-bezogene Variable, die eine Variabilität der im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigten Produkte anzeigt (mit anderen Worten, es kann eine Bewertung der Komplexität der Dynamik bzw. Variabilität der im Rahmen eines Fertigungsprogramms zu fertigenden Produkte erfolgen). Durch die Ermittlung von aktuellen Werten für Produkt-bezogene (latente, d. h. nicht direkt messbare) Variablen können die (auf die unterschiedlichen Produkte eines Fertigungsprogramms zurückzuführenden) primären Verursacher für die Komplexität eines Fertigungsprogramms ermittelt werden.
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Das Verfahren umfasst weiter, das Ermitteln von einem aktuellen Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variable zur Bewertung des aktuellen Fertigungsprogramms, auf Basis der aktuellen Werte der Produkt-bezogenen Variablen und auf Basis der Effekt-Faktoren. Dabei kann das Ermitteln eines aktuellen Wertes einer Qualitäts-bezogenen Variable umfassen, das Multiplizieren der aktuellen Werte der Produkt-bezogenen Variablen mit Effekt-Faktoren für die unterschiedlichen Produkt-bezogenen Variablen. Des Weiteren kann die Summe der Produkte aus Effekt-Faktoren und Produkt-bezogenen Variablen ermittelt werden. Insbesondere kann das Skalarprodukt aus einem Vektor der Effekt-Faktoren und einem Vektor der aktuellen Werte der Produkt-bezogenen Variablen ermittelt werden, um den aktuellen Wert einer Qualitäts-bezogenen Variablen zu ermitteln.
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Der aktuelle Wert einer Qualitäts-bezogenen Variablen des Strukturmodells kann eine zu erwartende Qualität des aktuellen Fertigungsprogramms und/oder eine zu erwartende Qualität der Logistikprozesse zur Ausführung des aktuellen Fertigungsprogramms anzeigen. Insbesondere kann die zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable eine Qualität von Fertigungsprozessen und/oder Logistikprozessen des Fertigungsprogramms, insbesondere eine Häufigkeit von Fertigungs- und/oder Prozessfehlern (z. B. auch bei der vorbereitenden Logistik) bei der Ausführung des Fertigungsprogramms, anzeigen. Alternativ oder ergänzend kann die zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable einen Grad an Komplexität des Fertigungsprogramms anzeigen.
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Das Verfahren ermöglicht es somit ein geplantes Fertigungsprogramm im Vorfeld zu bewerten. Insbesondere kann bereits im Vorfeld anhand einer Beschreibung der im Rahmen eines Fertigungsprogramms zu fertigenden Produkte die Komplexität des Fertigungsprogramms und/oder eine Fehleranfälligkeit des Fertigungsprogramms ermittelt werden. So können bereits Vorfeld Fertigungsprogramme angepasst werden, um die Qualität der gefertigten Produkte zu erhöhen und/oder um die Fertigungskosten zu reduzieren.
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Das Verfahren kann somit darauf ausgerichtet sein, ein Fertigungsprogramm zu optimieren. Zu diesem Zweck kann das Verfahren umfassen, das Anpassen des aktuellen Fertigungsprogramms in Abhängigkeit von dem aktuellen Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variablen. Dabei erfolgt das Anpassen des Fertigungsprogramms derart, dass der aktuelle Wert zumindest eines messbaren Indikators verändert wird (z. B. durch Ändern der zu fertigenden Menge von unterschiedlichen Produkten). Das Fertigungsprogramm kann dann derart angepasst werden, dass der Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variablen verbessert (insbesondere optimiert) wird. So können Fertigungsprogramme festgelegt werden, die eine hohe Fertigungsqualität und/oder geringe Fertigungskosten ermöglichen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Verfahren zur Ermittlung eines Bewertungs-Modells für ein Fertigungsprogramm zur Fertigung von unterschiedlichen Produkten beschrieben. Das Bewertungs-Modell umfasst ein Strukturmodell und ein Messmodell, wobei das Strukturmodell anhand von Effekt-Faktoren Auswirkungen von mehreren Produkt-bezogenen Variablen auf zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable beschreibt, und wobei das Messmodell Einfluss-Faktoren zur Ermittlung von Werten der Produkt-bezogenen Variablen anhand von messbaren Indikatoren umfasst.
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Das Verfahren umfasst das Ermitteln von ersten Trainingsdaten die Datensätze mit tatsächlichen Werten der Produkt-bezogenen Variablen und der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variablen umfassen. Die Effekt-Faktoren können dann auf Basis der ersten Trainingsdaten ermittelt werden. Außerdem umfasst das Verfahren das Ermitteln von zweiten Trainingsdaten die Datensätze mit tatsächlichen Werten der Produkt-bezogenen Variablen und der messbaren Indikatoren umfassen. Die Einfluss-Faktoren können dann auf Basis der zweiten Trainingsdaten ermittelt werden. So kann ein präzises Bewertungs-Modell zur Bewertung und/oder Anpassung von Fertigungsprogrammen bereitgestellt werden.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Software (SW) Programm beschrieben. Das SW Programm kann eingerichtet werden, um auf einem Prozessor ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird ein Speichermedium beschrieben. Das Speichermedium kann ein SW Programm umfassen, welches eingerichtet ist, um auf einem Prozessor ausgeführt zu werden, und um dadurch das in diesem Dokument beschriebene Verfahren auszuführen.
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Gemäß einem weiteren Aspekt wird eine Auswerteeinheit beschrieben, die eingerichtet ist, eines der in diesem Dokument beschriebenen Verfahren auszuführen.
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Es ist zu beachten, dass die in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme sowohl alleine, als auch in Kombination mit anderen in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systemen verwendet werden können. Desweiteren können jegliche Aspekte der in diesem Dokument beschriebenen Verfahren, Vorrichtungen und Systemen in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden. Insbesondere können die Merkmale der Ansprüche in vielfältiger Weise miteinander kombiniert werden.
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Im Weiteren wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher beschrieben. Dabei zeigen
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1 ein beispielhaftes Bewertungs-Modell für die Komplexität eines Fertigungsprogramms eines Produktionswerks zur Herstellung von Fahrzeugen; und
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2 ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens zur Anpassung des Fertigungsprogramms eines Produktionswerks.
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Wie eingangs dargelegt, befasst sich das vorliegende Dokument mit der Reduzierung von Fehlern bei der Produktion von Produkten (insbesondere Fahrzeugen) in einem Produktionswerk. In diesem Zusammenhang kann ein Index ermittelt werden, der den Grad der Komplexität eines Produktionswerks und insbesondere den Grad der Komplexität der in einem Produktionswerk ablaufenden Prozesse bei der Fertigung von Fahrzeugen und/oder bei der vorbereitenden Logistik in Vorbereitung auf die Fertigung von Fahrzeugen anzeigt (in diesem Dokument auch als Komplexitätszahl bezeichnet). Auf Basis der Komplexitätszahl können dann Fertigungsprogramme angepasst werden, um die Fehlerwahrscheinlichkeit zu reduzieren (insbesondere zu minimieren). Beispielsweise kann die Zusammenstellung der zu fertigenden Fahrzeug-Modelle (bei Einhaltung von bestimmten Randbedingungen) derart angepasst werden, dass die Komplexitätszahl reduziert (insbesondere minimiert) wird.
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Eine substantielle Herausforderung bei der Fertigung von Fahrzeugen, insbesondere in Bezug auf die Logistik von Fertigungsprozessen, ist die stetig steigende Produktkomplexität. Durch eine verstärkte Personalisierung von gefertigten Produkten entsteht eine steigende Menge an unterschiedlichen Varianten von Produkten. Die steigende Produktkomplexität führt zu einem erhöhten Aufwand in der Fertigung und insbesondere zu einem erhöhten Risiko von Fehlern bei der Fertigung.
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In diesem Dokument wird ein Verfahren beschrieben, das es ermöglicht, eine Komplexitätszahl für ein Fertigungsprogramm eines Produktionswerks bzw. für die in einem Produktionswerk hergestellten Produkte zu ermitteln, wobei die Komplexitätszahl einen objektiven Vergleich zwischen unterschiedlichen Projektionswerken bzw. zwischen unterschiedlichen Fertigungsprogrammen ermöglicht. Die Komplexitätszahl wird dabei anhand messbarer Kennzahlen bzw. Indikatoren berechnet. Dabei wird ein statistisches Bewertungs-Modell für die Komplexität eines Produktionswerks verwendet.
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1 zeigt ein beispielhaftes Bewertungs-Modell 100 für die Komplexität des Fertigungsprogramms eines Produktionswerks. Dabei zeigt 1 insbesondere ein Strukturgleichungsmodell Das Bewertungs-Modell 100 umfasst Messgrößen bzw. Kenngrößen (allgemein als Indikatoren bezeichnet) 111, 112, 113, 114, 115, durch die das Fertigungsprogramm beschrieben wird. Mit anderen Worten, es können Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 ermittelt werden, die das Fertigungsprogramm eines Produktionswerkes, insbesondere einen Grad der Komplexität des Fertigungsprogramms, beschreiben.
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Auf Basis der Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 eines Fertigungsprogramms können (relativ wenige) latente und/oder aggregierte Variablen 101, 102, 103, 104, 105 ermittelt werden, die typischerweise nicht direkt beobachtet bzw. gemessen werden können, die aber indirekt über zumindest einen Teil der Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 berechnet werden können. Zumindest einige der latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 können unterschiedliche Einflussgrößen auf den Grad der Komplexität eines Fertigungsprogramms beschreiben. Des Weiteren können zumindest ein oder mehrere der latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 Auswirkungen der Komplexität auf die Qualität eines Fertigungsprogramms beschreiben. Beispielhafte latente Variablen 101, 102, 103, 104, 105 sind
- • der Umfang 101 des in einem Produktionswerk gefertigten Produktspektrums;
- • die Struktur 102 der gefertigten Produkte;
- • der Lebenszyklus 103 der gefertigten Produkte;
- • die Qualität 104 des Fertigungsprozesses; und
- • die Qualität 105 des Logistikprozesses.
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Das Bewertungs-Modell 100 umfasst ein Messmodell, das beschreibt, wie die unterschiedlichen latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 aus den Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 ermittelt werden können. Das Messmodell umfasst Einfluss-Faktoren (oder Gewichte) 121, 122, 123, 124, 125, die den Einfluss der einzelnen Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 auf die unterschiedlichen latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 anzeigen.
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Des Weiteren umfasst das Bewertungs-Modell 100 ein Strukturmodell, das die latente Variablen 101, 102, 103, 104, 105 und Verbindungen zwischen den latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 umfasst, wobei die Verbindungen anzeigen, ob und ggf. wie sich die latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 gegenseitig beeinflussen. Beispielsweise hat typischerweise ein steigender Umfang 102 des Produktspektrums einen negativen Einfluss auf die Qualität 105 des Logistikprozesses. Die Auswirkungen einer ersten latenten Variable 101, 102, 103, 104, 105 auf eine zweite latente Variable 101, 102, 103, 104, 105 können durch Effekt-Faktoren 130 zwischen den latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 angezeigt werden. Dabei zeigt ein negativer Effekt-Faktor 130 eine negative Korrelation und ein positiver Effekt-Faktor 130 eine positive Korrelation zwischen den latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105.
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Das Bewertungs-Modell 100 kann z. B. auf Basis von Interviews mit Experten für die Herstellung von Fahrzeugen ermittelt werden. Insbesondere können in solchen Interviews mögliche latente Variablen 101, 102, 103, 104, 105 ermittelt werden, die den Grad der Komplexität und/oder die Qualität eines Fertigungsprogramms beschreiben. Des Weiteren können Hypothesen für mögliche Verbindungen zwischen diesen latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 ermittelt werden. Außerdem können mögliche Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 bestimmt werden, die dazu verwendet werden können, Werte für die latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 zu berechnen.
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Die Einfluss-Faktoren 121, 122, 123, 124, 125 und die Effekt-Faktoren 130 können auf Basis von Trainingsdaten von tatsächlichen Fertigungsprogrammen bestimmt werden. Die Trainingsdaten können z. B. eine Vielzahl von Datensätzen umfassen, wobei jeder Datensatz einerseits tatsächliche Werte von ein oder mehreren Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 und korrespondierende tatsächliche Werte von ein oder mehreren latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 anzeigt. Anhand der Vielzahl von Datensätzen können dann optimale Werte für die Einfluss-Faktoren 121, 122, 123, 124, 125 bestimmten werden (z. B. im Sinne einer Partial Least Squares, PLS, Norm). Ein solches Erlernen der Einfluss-Faktoren 121, 122, 123, 124, 125 für ein Fertigungsprogramm von unterschiedlichen Fahrzeug-Modellen hat z. B. gezeigt, dass
- • der Umfang 101 des in einem Produktionswerk gefertigten Produktspektrums substantiell von den folgenden Indikatoren abhängt: Anzahl von unterschiedlichen Fahrzeug-Modellen; Anzahl von unterschiedlichen Fahrzeug-Plattformen; und Gesamtzahl der in einem Zeitraum gefertigten Fahrzeuge;
- • die Struktur 102 der gefertigten Produkte substantiell von den folgenden Indikatoren abhängt: Anzahl bzw. Verhältnis von nicht gemeinsamen Bauteilen in den unterschiedlichen Produkten; und Anzahl von Teilenummern;
- • der Lebenszyklus 103 der gefertigten Produkte substantiell von den folgenden Indikatoren abhängt: Anzahl von Produkt-Aus- bzw. Einphasungen in einem bestimmten Zeitraum; und Anzahl von Produktüberholungen in einem bestimmten Zeitraum;
- • die Qualität 104 des Fertigungsprozesses substantiell von den folgenden Indikatoren abhängt: Anzahl von Fertigungsfehlern; und
- • die Qualität 105 des Logistikprozesses substantiell von den folgenden Indikatoren abhängt: Anzahl von Transportschäden; Anzahl von Abweichungen in der Lagerhaltung; und Anzahl von Lieferengpässen für Bauteile.
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Des Weiteren können Trainingsdaten Datensätze umfassen, die jeweils korrespondierende Werte von unterschiedlichen latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 aufweisen. So können auf Basis der Trainingsdaten Korrelationen zwischen den unterschiedlichen latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 (und damit Werte für die Effekt-Faktoren 130) bestimmt werden.
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Das Bewertungs-Modell 100 mit den statistisch angelernten Faktoren 121, 122, 123, 124, 125, 130 kann dazu verwendet werden, das aktuelle Fertigungsprogramm in einem Produktionswerk zu bewerten, und ggf. anzupassen, um die Komplexität des Fertigungsprogramms zu verändern (insbesondere zu reduzieren). So können Fertigungsprogramme optimiert werden, z. B. um die Wahrscheinlichkeit von Fehlern zu reduzieren.
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Auf Basis der aktuellen Werte ti für die Indikatoren 111, 112, 113, 114, 115 und auf Basis der statistisch erlernten Werte lj für die Einfluss-Faktoren 121, 122, 123, 124, 125 können aktuelle Werte cm für zumindest einige der latenten Variablen 101, 102, 103, 104, 105 ermittelt werden. Beispielsweise können so aktuelle Werte cm für die latenten Variablen 101, 102, 103 ermittelt werden, die das Produktspektrum des Fertigungsprogramms beschreiben.
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Auf Basis der aktuellen Werte cm der (Produkt-bezogenen) latenten Variablen 101, 102, 103 und auf Basis der statistisch ermittelten Werte gm für die Effekt-Faktoren 130 kann dann der Effekt ermittelt werden, die das aktuelle Fertigungsprogramm auf eine Qualitäts-bezogene latente Variabel 104, 105 des Bewertungs-Modells 100 hat, insbesondere auf die Qualität 104 des Fertigungsprozesses. Beispielsweise können die aktuellen Werte cm der (Produkt-bezogenen) latenten Variablen 101, 102, 103 mit den entsprechenden Werten gm der Effekt-Faktoren 130 multipliziert werden, um eine gewichtete Summe zu ermitteln, die den aktuellen Werte Z der Qualität 104 des Fertigungsprozesses anzeigt. Dieser Wert Z kann als Komplexitätszahl verwendet werden, um den Grad der Komplexität des aktuellen Fertigungsprogramms eines Produktionswerks anzuzeigen.
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Die Komplexitätszahl Z kann somit aus dem Skalarprodukt des Vektors
der aktuellen Werte c
m der (Produkt-bezogenen) latenten Variablen
101,
102,
103 mit dem Vektor
der Werte g
m der Effekt-Faktoren
130 ermittelt werden:
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Der Vektor c ⇀ berechnet sich dabei aus dem Vektor
der aktuellen Werte t
i der Indikatoren
111,
112,
113,
114,
115 (multipliziert mit den jeweiligen erlernten Werten l
j für die Einfluss-Faktoren
121,
122,
123,
124,
125):
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Der Vektor
resultiert somit aus den Komplexitätstreibern bzw. Indikatoren, welche pro Zeitraum (z. B. pro Jahr) und Produktionswerk messbar sind. Die Komplexitätstreiber können im Vorfeld anhand von Literaturrecherche und Experteninterviews ausgewählt werden. Der Vektor
wird mittels des Strukturgleichungsmodells
100 ermittelt und ergibt sich aus den jeweiligen Pfadkoeffizienten bzw. Effekt-Faktoren
130.
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Es kann somit durch Datenanalyse und durch Nutzung eines Strukturgleichungsmodells 100 eine Komplexitätszahl berechnet werden. Diese macht die Komplexität des Fertigungsprogramms in einem Produktionswerk messbar und ermöglicht somit die Vergleichbarkeit verschiedener Produktionswerke. Außerdem lassen sich anhand der Komplexitätszahl und/oder des erlernten Strukturgleichungsmodells 100 kausale Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kennzahlen bzw. Indikatoren in einem Produktionswerk und der resultierenden Komplexität identifizieren.
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2 zeigt ein Ablaufdiagramm eines beispielhaften Verfahrens 200 zur Bewertung eines aktuellen Fertigungsprogramms anhand eines Bewertungs-Modells 100, wobei das Fertigungsprogramm die Fertigung von unterschiedlichen Produkten umfasst. Die unterschiedlichen Produkte können dabei insbesondere unterschiedliche Modelle von Straßenkraftfahrzeugen sowie unterschiedliche Varianten eines Modells eines Straßenkraftfahrzeugs umfassen. Das Fertigungsprogramm zeigt an, welche unterschiedlichen Produkte in welcher Menge in einem Referenzzeitraum (z. B. in einem Monat oder in einem Jahr) gefertigt werden. Das Fertigungsprogramm kann z. B. in einem bestimmten Produktionswerk umgesetzt werden. Mit anderen Worten, die in einem Fertigungsprogramm spezifizierten Produkte und Mengen an Produkten können in einem bestimmten Produktionswerk innerhalb eines Referenzzeitraums gefertigt werden.
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Das Bewertungs-Modell 100 umfasst ein Strukturmodell und ein Messmodell, wobei das Strukturmodell anhand von Effekt-Faktoren 130 Auswirkungen von mehreren Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 auf zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable 104, 105 beschreibt. Dabei können die Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 die Produkte beschreiben, die im Rahmen des Fertigungsprogramms gefertigt werden. Insbesondere können die Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 den Umfang, die Struktur und/oder die Variabilität der Produkte beschreiben, die im Rahmen des Fertigungsprogramms in einem Referenzzeitraum gefertigt werden. Andererseits kann die zumindest eine Qualitäts-bezogene Variable 104, 105 die Qualität und/oder einen Grad an Komplexität der Fertigungsprozesse des Fertigungsprogramms anzeigen. Ein Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variable 104, 105 kann zur Bewertung eines Fertigungsprogramms herangezogen werden.
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Das Messmodell umfasst Einfluss-Faktoren 121, 122, 123 zur Ermittlung von Werten der Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 anhand von messbaren Indikatoren 101, 102, 103. Mit anderen Worten die Einfluss-Faktoren 121, 122, 123 des Messmodells zeigen an, welchen Einfluss ein oder mehrere messbare Indikatoren 101, 102, 103 auf die unterschiedlichen Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 haben. Die Einfluss-Faktoren 121, 122, 123 des Messmodells und die Effekt-Faktoren 130 des Strukturmodells können im Vorfeld anhand von Trainingsdaten aus tatsächlich umgesetzten Fertigungsprogrammen ermittelt werden.
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Das Verfahren 200 umfasst das Ermitteln 201 von aktuellen Werten der messbaren Indikatoren 111, 112, 113, die das aktuelle Fertigungsprogramm beschreiben. Außerdem umfasst das Verfahren 200 das Ermitteln 202 von aktuellen Werten der Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103, auf Basis der aktuellen Werte der messbaren Indikatoren 111, 112, 113 und auf Basis der Einfluss-Faktoren 121, 122, 123 des Bewertungs-Modells 100. Des Weiteren umfasst das Verfahren 200 das Ermitteln 203 von einem aktuellen Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variable 104, 105 zur Bewertung des aktuellen Fertigungsprogramms, auf Basis der aktuellen Werte der Produkt-bezogenen Variablen 101, 102, 103 und auf Basis der Effekt-Faktoren 130.
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Das Verfahren 200 kann darauf ausgelegt sein, ein Fertigungsprogramm anzupassen, insbesondere zu optimieren. Das Verfahren 200 kann zu diesem Zweck umfassen, das Anpassen 204 des aktuellen Fertigungsprogramms in Abhängigkeit von dem aktuellen Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variablen 104, 105. Dabei kann das Fertigungsprogramm insbesondere derart angepasst werden, dass der Wert der zumindest einen Qualitäts-bezogenen Variablen 104, 105 verbessert wird. Zu diesem Zweck erfolgt das Anpassen 204 des Fertigungsprogramms typischerweise derart, dass der aktuelle Wert zumindest eines messbaren Indikators 101, 102, 103 verändert wird.
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Somit können Fertigungsprogramme in zuverlässiger Weise bewertet, verglichen und ggf. angepasst werden. Beispielsweise können der Umfang der unterschiedlichen Produkte und/oder die Struktur der unterschiedlichen Produkte, die im Rahmen eines Fertigungsprogramms (z. B. an einem bestimmten Fertigungsstrandort) in einem Referenzzeitraum gefertigt werden, angepasst werden, um ein Fertigungsprogramm zu ermitteln, das eine reduzierte Komplexität aufweist und/oder das mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit von Fertigungsfehlern umgesetzt werden kann.
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Die vorliegende Erfindung ist nicht auf die gezeigten Ausführungsbeispiele beschränkt. Insbesondere ist zu beachten, dass die Beschreibung und die Figuren nur das Prinzip der vorgeschlagenen Verfahren, Vorrichtungen und Systeme veranschaulichen sollen.