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Die Erfindung betrifft ein digitales Stereo-Operationsmikroskop, wie es insbesondere in der Neuro- bzw. Mikrochirurgie zur Anwendung kommt.
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Es liegt in der Natur chirurgischer Eingriffe am Patienten, dass der Operateur in seiner Bewegungsfreiheit im Bereich der Operationsstelle möglichst wenig eingeschränkt werden soll. Weiterhin haben in den letzten Jahrzehnten vermehrt medizinische Geräte zur Bildgebung wie beispielsweise Operationsmikroskope Eingang in den klinischen Alltag gefunden. Allerdings wird die durch Operationsmikroskope ermöglichte verbesserte Wahrnehmung des Operationsfeldes durch den Operateur oftmals dadurch erkauft, dass die Bewegungsfreiheit des Operateurs aufgrund der Anwesenheit des vergleichsweise voluminösen Mikroskops reduziert ist, wodurch ein optimales Arbeiten erschwert wird. In der Vergangenheit wurden verschiedene Ansätze verfolgt, um diesem Zielkonflikt zu begegnen. So kann die Situation insgesamt beispielsweise durch eine Miniaturisierung der verwendeten Komponenten verbessert werden. Alternativ oder zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, die Geräte aus der unmittelbaren Umgebung des Operateurs zu entfernen, beispielsweise dadurch, dass ein größerer Arbeitsabstand des Operationsmikroskops gewählt wird. Unter dem Arbeitsabstand wird dabei der Abstand des Objektivs von einer Fokusebene des Operationsmikroskops verstanden. Im Falle klassischer Mikroskopsysteme bedingt die optische Kopplung zwischen dem Anwender und dem Mikroskop jedoch nur begrenzte Möglichkeiten zur Vergrößerung des Arbeitsabstandes, da der Operateur sowohl in der Lage sein muss, durch das Okular des Mikroskops zu blicken und parallel mit seinen Händen im Operationsfeld tätig zu sein. Digitale Systeme haben durch die nun nicht mehr notwendige räumliche Kopplung zwischen Okular und Objektiv hier bis zu einem gewissen Grad Abhilfe geschaffen. Die angesprochenen Lösungen nach dem Stand der Technik weisen jedoch dennoch erhebliche Nachteile auf:
So sind der Miniaturisierung aufgrund des Platzbedarfs im Gerätekörper für Kameras, Assistentenoptik, Hauptbeobachteroptik, Filter oder ähnliches deutliche Grenzen gesetzt. Insbesondere bei High-End-Mikroskopen bedingt die zunehmende Integration von technischen Komponenten wie beispielsweise Motoren, Filter, Mitbeobachtungskomponenten oder Sonderbeleuchtungen immer größer werdende Geräte. Ferner kann auch systembedingt eine Miniaturisierung einzelner Komponenten nachteilig sein. Beispielsweise geht eine Verkleinerung der Optik üblicherweise zu Lasten der Bildqualität, ebenso wie sich das Signal-Rausch-Verhältnis bei einer Verkleinerung eines Kamerachips zum Negativen hin verändert. Darüber hinaus verursacht die kompakte Integration verschiedenster Komponenten innerhalb eines einzigen Geräts sowohl einen erheblichen Mehraufwand bei der Konzeption des Geräts als auch produktionstechnische Nachteile und eine verschlechterte Wartbarkeit.
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Auch die Erhöhung des Arbeitsabstandes beispielsweise eines Operationsmikroskops ist mit Nachteilen verbunden. Im Falle von Stereo-Mikroskopen verschlechtert sich mit zunehmendem Arbeitsabstand der Stereoeindruck in denjenigen Fällen, in welchen der Abstand und die Ausrichtung der beiden durch die Bildaufnahmeeinheiten erfassten und für die Darstellung für einen Betrachter ausgewählten Bilder in der Bildebene (die sogenannte Stereobasis) mit zunehmendem Abstand von dem Operationsfeld konstant gehalten wird, insbesondere deswegen, weil sich in diesem Fall der Winkel zwischen den optischen Achsen der Bildaufnahmeeinheiten (der sogenannte Vergenzwinkel) bei einer Änderung des Arbeitsabstandes verkleinert. Ein sich mit dem Arbeitsabstand ändernder Stereoeindruck führt zwangsläufig zu einer Erschwernis der Arbeit des Operateurs und steht einem ermüdungsfreien, sicheren Arbeiten entgegen.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Stereo-Operationsmikroskop zu schaffen, bei welchem der Stereoeindruck für den Operateur bei sich änderndem Arbeitsabstand konstant bleibt.
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Diese Aufgabe wird gelöst durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des unabhängigen Anspruchs 1. Die Unteransprüche betreffen vorteilhafte Weiterbildungen und Varianten der Erfindung.
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Ein erfindungsgemäßes digitales Stereo-Operationsmikroskop weist mindestens zwei Bildaufnahmeeinheiten, mindestens ein Mittel zur Anpassung der Stereobasis sowie eine Steuereinheit zur Ansteuerung der Mittel zur Anpassung der Stereobasis auf. Dabei sind Mittel zur Bestimmung eines Arbeitsabstandes vorhanden und die Steuerungseinheit ist dazu eingerichtet, die Stereobasis in Abhängigkeit des Arbeitsabstandes anzupassen.
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Durch diese Maßnahme kann dem Effekt der Verschlechterung des Stereoeindrucks bei sich erhöhendem Arbeitsabstand wirksam begegnet werden, so dass der Arbeitsabstand bei Bedarf deutlich vergrößert werden kann und somit eine erhöhte Bewegungsfreiheit im Bereich des Operationsfeldes geschaffen wird. Für die Anpassung der Stereobasis können dabei insbesondere die folgenden beiden Möglichkeiten gegebenenfalls auch in Kombination zur Anwendung kommen:
In einer ersten Variante kann die Steuereinheit dazu eingerichtet sein, den Abstand der beiden Bildaufnahmeeinheiten in Abhängigkeit des ermittelten Arbeitsabstandes einzustellen. In diesem Fall kann die Stereobasis in einem vergleichsweise weiten Bereich eingestellt werden, so dass das Objektiv bzw. die Objektive vergleichsweise weit von dem Operationsfeld entfernt und damit in einer weniger störenden Position angeordnet werden kann bzw. können.
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Zusätzlich oder alternativ kann die Steuereinheit dazu eingerichtet sein, die Lage von erfassten Bildausschnitten auf einem Sensorchip einer Bildaufnahmeeinheit in Abhängigkeit des ermittelten Arbeitsabstandes einzustellen.
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In diesem Fall lässt sich eine rein elektronische Änderung der Stereobasis durch selektives Auslesen der jeweils relevanten Bereiche bspw. eines CCD-Sensors erreichen. Das Erfordernis aufwändiger Mechanik entfällt bei dieser Variante; allerdings sind die Möglichkeiten der Anpassung in diesem Fall durch die Größe des Sensorchips und die Größe des verwertbaren Bildes auf dem Sensorchip limitiert. In einer Kombination beider Varianten kann die mechanische Einstellung des Abstandes der beiden Bildaufnahmeeinheiten für eine Grobeinstellung verwendet werden, wohingegen die Anpassung der Lage der erfassten Bildausschnitte auf dem Sensorchip für eine Feineinstellung der Stereobasis herangezogen werden kann.
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Dadurch, dass die Steuerungseinheit dazu eingerichtet ist, die Stereobasis derart einzustellen, dass der Vergenzwinkel bei einem sich um einen Faktor 3 änderndem Arbeitsabstand in einem Bereich von +/–1° konstant bleibt, kann ein mindestens annähernd konstanter Stereoeindruck für den Betrachter bzw. den Operateur erreicht werden.
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In einer vorteilhaften Variante der Erfindung sind darüber hinaus Mittel zur Anpassung der Zoomeinstellungen der Objektive der Bildaufnahmeeinheiten vorhanden, welche dazu eingerichtet sind, die Zoomeinstellung in Abhängigkeit des Arbeitsabstandes derart zu wählen, dass die Größe des einem Betrachter zur Verfügung gestellten Bildausschnittes in einem Bereich von +/–1% konstant bleibt.
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Auf diese Weise kann erreicht werden, dass sich im Falle einer Änderung des Arbeitsabstandes nicht nur der Stereoeindruck, sondern auch das gesamte Bild sich lediglich unwesentlich ändert. Damit kann ein Anwender das Mikroskop für ihn ergonomisch günstig positionieren, ohne dass die Einstellung des Bildausschnitts manuell neu vorgenommen werden muss.
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In einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung sind die beiden Bildaufnahmeeinheiten jeweils mit einer eigenen Optik versehen.
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Mit anderen Worten wird die stereoskopische Aufnahmeeinheit dadurch gebildet, dass zwei örtlich und optisch getrennte Aufnahmeeinheiten geschaffen werden, beispielsweise durch die Verwendung zweier Kameras mit jeweils eigenen Mikroskopobjektiven. Eventuell noch entstehende Fehler können gegebenenfalls elektronisch korrigiert bzw. kompensiert werden, so dass sich das System – da auf eine gemeinsame Stereooptik verzichtet werden kann – insgesamt vergleichsweise günstig darstellen lässt, da auf aufwändige Mechanik verzichtet werden kann.
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Durch eine zusätzliche Verkippbarkeit der Aufnahmeeinheiten, insbesondere in derjenigen Ebene, die durch die beiden Beobachtungsstrahlengänge aufgespannt wird, kann der Stereoeindruck unabhängig von dem Arbeitsabstand variiert und an die Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden. Außerdem kann die Sensorfläche unabhängig vom Arbeitsabstand in ihrer vollen Fläche ausgenutzt werden und somit eine größere Auflösung liefern.
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Zur Bestimmung des Arbeitsabstandes können insbesondere in das Mikroskopstativ integrierte Sensoren vorhanden sein. Hier kann beispielsweise unter Verwendung von Winkelsensoren in der Kinematik des Mikroskops und unter Berücksichtigung bekannter Längen der Kinematiksegmente eine Bestimmung des Arbeitsabstandes erfolgen; auch aus einer Autofokusfunktion des Mikroskops kann der Arbeitsabstand gewonnen werden. Ebenso kann ein externes Erfassungssystem, insbesondere ein ohnehin vorhandenes Navigationssystem, als Mittel zur Bestimmung des Arbeitsabstandes zur Anwendung kommen.
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Zur Anpassung des Abstandes der beiden Bildaufnahmeeinheiten kann ein Aktuator vorhanden sein, der insbesondere dazu eingerichtet sein kann, die Bildaufnahmeeinheiten symmetrisch zu einer gegenüber der festen Welt, also insbesondere gegenüber dem Operationsfeld ortsfesten Mittelachse zwischen den beiden Bildaufnahmeeinheiten zu verschieben.
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Dabei kann der Aktuator zwischen den beiden Bildaufnahmeeinrichtungen angeordnet sein.
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In einer Variante der Erfindung kann beiden Bildaufnahmeeinrichtungen jeweils ein Aktuator zugeordnet sein; es ist ferner auch denkbar, dass das Stativ des Operationsmikroskops aktuierbar ausgebildet ist und einer Bildaufnahmeeinrichtung ein Aktuator zugeordnet ist.
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Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele und Varianten der Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert. Es zeigen
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1 in ihren Teilfiguren A und B eine schematische Darstellung zum Stand der Technik;
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2 in ihren Teilfiguren A und B eine schematische Darstellung einer erfindungsgemäßen Anpassung einer Stereobasis;
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3 in ihren Teilfiguren A und B eine Variante der Erfindung ohne mechanische Anpassung der Stereobasis;
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4 ein Beispiel zur mechanischen Anpassung einer erfindungsgemäßen Stereobasis;
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5 ein weiteres Beispiel zur mechanischen Anpassung einer erfindungsgemäßen Stereobasis;
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6 eine Variante zur mechanischen Anpassung einer erfindungsgemäßen Stereobasis; und
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7 eine weitere Variante zur mechanischen Anpassung einer erfindungsgemäßen Stereobasis.
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1 zeigt die Situation nach dem Stand der Technik ohne variable Stereobasis (hier mit veränderbarer Kippung der Bildaufnahmeeinheiten). In der 1 gezeigt ist eine schematische Anordnung von zwei Bildaufnahmeeinheiten 2 eines Stereomikroskopes, nämlich in der Teilfigur 1A in vergleichsweise geringem Arbeitsabstand 3 von einer Fokusebene 4, in welcher das in der Figur nicht gesondert bezeichnete Operationsfeld liegt, und in Teilfigur 1B mit einem deutlich erhöhten Arbeitsabstand 3 zur Fokusebene 4. Gut erkennbar wird in der 1, dass sich der Vergenzwinkel ß in Teilfigur 1B deutlich von dem Vergenzwinkel α in Teilfigur 1A unterscheidet, was von der unveränderten Stereobasis 1 bei sich änderndem Arbeitsabstand 3 herrührt, da die Stereobasis 1 im Wesentlichen nichts anderes ist als die Basis eines gleichschenkligen Dreiecks, welches von den Hauptstrahlen der Abbildungsoptiken und der Verbindungslinie der Schwerpunkte der Bildaufnahmeeinheiten 2 aufgenommenen Bildern aufgespannt wird. Wie bereits oben dargestellt führt die Situation in 1 dazu, dass einem Operateur bei einer Änderung des Arbeitsabstandes 3 des Systems ohne weitere Maßnahmen ein gegenüber dem Ausgangszustand geänderter Stereoeindruck präsentiert wird, wodurch eine Umstellung des Operateurs erforderlich wird.
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2 zeigt ebenfalls schematisch die Situation, bei welcher erfindungsgemäß die Stereobasis 1.2 in Abhängigkeit des Arbeitsabstandes 3 variabel gewählt werden kann. Gut erkennbar ist in der Teilfigur 2B die gegenüber der Situation in Teilfigur 2A deutlich verbreiterte Stereobasis, so dass im Ergebnis der Vergenzwinkel α bei sich änderndem Arbeitsabstand 3 konstant bleibt und dem Operateur ein im Wesentlichen unveränderter Stereoeindruck präsentiert werden kann, wodurch der Tiefeneindruck des Bildes weitgehend erhalten bleibt und durch den Operateur die räumliche Lage von Gegenständen nach wie vor vergleichsweise zuverlässig eingeschätzt werden kann.
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3 zeigt in ihren Teilfiguren 3A und 3B eine Variante zu 2, bei welcher nicht die Bildaufnahmeeinheiten 2 als Ganzes bei sich änderndem Arbeitsabstand 3 verschoben werden bzw. deren Abstand angepasst wird, sondern in welchem vielmehr ein erfasster Bildausschnitt 5 auf einem Sensorchip 6 der Bildaufnahmeeinheit 2 in Abhängigkeit des Arbeitsabstandes 3 verschoben wird. Auf diese Weise kann rein elektronisch, ohne aufwändige mechanische Maßnahmen, eine Anpassung der Stereobasis vorgenommen werden. Wie bereits vorne erwähnt, können die in 2 und 3 gezeigten Maßnahmen, beispielsweise zur Realisation einer Grob- und Feineinstellung, auch kombiniert werden.
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4 zeigt exemplarisch eine mechanische Möglichkeit zur Anpassung der Stereobasis. Abgebildet in 4 sind die beiden Bildaufnahmeeinheiten 2, welche durch Federn 7 vorgespannt über in Führungen 8 angeordneten Stangen 9 horizontal bewegbar sind, wobei die einander zugewandten Enden der Stangen 9 mit Laufrollen 10 versehen sind, welche ihrerseits auf den beiden Schrägflächen eines Keiles 11 abrollen können. Wird nun der Keil 11 mittels eines Hubzylinders 12 in vertikale Richtung bewegt, kann auf diese Weise der Abstand der beiden Bildaufnahmeeinheiten 2 und damit die Stereobasis 1.2 angepasst werden. Die Ansteuerung des Hubzylinders 12 geschieht über die Steuereinheit 13, welche ihrerseits mit einem am Stativ 15 des Mikroskops angeordneten Ultraschallsensor 14 verbunden ist, der im vorliegenden Beispiel als Mittel zur Bestimmung des Arbeitsabstandes verwendet wird.
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5 zeigt eine Variante zu 4, in welcher der Keil 11 durch einen einzelnen Linearaktuator 12.5 bzw. einen Hubzylinder 12.5, welcher auf beide Bildaufnahmeeinheiten 2 wirkt, ersetzt ist.
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Ebenso können die beiden Bildaufnahmeeinheiten 2, wie in 6 gezeigt, zwar gesteuert, aber mechanisch unabhängig voneinander durch jeweils einen Aktuator 12.6, bewegt werden, wobei jeder Bildaufnahmeeinheit 2 ein eigener Aktuator 12.6 zugeordnet ist. Auf diese Weise lassen sich auch Horizontalbewegungen der Anordnung als Ganzes bzw. der beiden Bildaufnahmeeinheiten 2 in dieselbe Richtung, beispielsweise zur Änderung des aufgenommenen Teiles des Operationsfeldes, bewerkstelligen.
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7 zeigt eine Variante, bei welcher lediglich eine Bildaufnahmeeinheit 2 von einem Hubzylinder 12.7 in horizontaler Richtung aktuiert wird. In diesem Fall ist jedoch gegebenenfalls über ein bewegliches bzw. mechanisch ansteuerbares Stativ 15 der Gesamtanordnung dafür Sorge zu tragen, dass sich die Mittelachse der Anordnung und damit das aufgenommene Operationsfeld bei einer Bewegung der mit dem Aktuator 12.7 verbundenen Bildaufnahmeeinheit 2 nicht ändert.
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Bezugszeichenliste
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- 2
- Bildaufnahmeeinheit
- 3
- Arbeitsabstand
- 4
- Fokusebene
- 5
- Bildausschnitt
- 6
- Sensorchip
- 7
- Feder
- 8
- Führung
- 9
- Stange
- 10
- Laufrolle
- 11
- Keil
- 12
- Hubzylinder
- 12.5
- Linearaktuator/Hubzylinder
- 12.6
- Aktuator
- 12.7
- Hubzylinder
- 13
- Steuereinheit
- 14
- Mittel zur Bestimmung des Arbeitsabstands
- 15
- Stativ
- α, β
- Vergenzwinkel