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Die Erfindung betrifft ein Betriebsverfahren für ein Fahrzeug-Servolenksystem mit elektromotorischer Momentenunterstützung, wobei die Größe und Richtung eines gleichsinnig zum vom Fahrer an seinem Lenkrad vorgegebenen Moment aufgebrachten Unterstützungsmoments oder eines eingestellten sog. Handmoments neben dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel von der Abweichung zwischen der gemessenen und einer modellbasierten Gierrate derart abhängig ist, dass mit zunehmenden Abweichungen ein höheres Unterstützungsmoment oder ein für den Fahrer leichteres Handmoment aufgebracht wird, wodurch der Fahrer über die spürbare Leichtigkeit der Lenkbewegung einen Hinweis auf die Annäherungan den fahrdynamischen Grenzbereich erhält. Zum Stand der Technik wird neben der
DE 199 51 548 A1 und der
DE 10 2007 007 442 A1 insbesondere auf die gattungsbildende
DE 10 2006 019 732 A1 verwiesen.
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Servolenksysteme für Kraftfahrzeuge sind in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen bekannt. Vermehrt werden dabei Fahrzeug-Lenksysteme mit elektromotorischer Servounterstützung entwickelt, ferner hydraulische Lenksysteme mit insbesondere elektromotorischen Lenkmoment-Zusatzaktuatoren im Lenkstrang, die ebenfalls eine elektromotorische Momentenunterstützung zumindest im Sinne der vorliegenden Erfindung bereitstellen, indem die Zusatzaktuatoren an der Lenkhandhabe des Fahrers (d.h. üblicherweise am Lenkrad) ein für den Fahrer spürbares sog. Handmoment anlegen. Dieses Handmoment ist zumeist gegensinnig zu dem vom Fahrer beim Lenken aufgebrachten Moment, kann aber durchaus, insbesondere in Verbindung mit sog. Fahrerassistenzsystemen auch gleichsinnig zum vom Fahrer aufgebrachten Moment sein.
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Unter anderem aufgrund der relativ hohen Reibung und mechanischen Trägheit solcher Lenksysteme mit elektromotorischer Momentenunterstützung kann es vorkommen, dass beim Fahren am oder im sog. fahrdynamischen Grenzbereich ein Erreichen der Grenze der übertragbaren Reifenkräfte für den Fahrer als sog. Handmoment an seinem Lenkrad nicht wie gewünscht (bzw. wie bei früheren rein hydraulischen Servolenksystemen) spürbar ist bzw. dass sich erforderliche Lenkkorrekturen für das Abfangen eines instabilen Fahrzeugs nicht mit der gewünschten Leichtgängigkeit der Lenkung durchführen lassen. Außerdem verfälschen automatische Lenkeingriffe, die für einen gewünschten aktiven Lenkungsrücklauf bspw. beim Abbiegen des Fahrzeugs an einer Straßenkreuzung durch die hohe Lenkungsreibung oder aufgrund von Ungenauigkeiten in der Achskinematik erforderlich sind, die für den Fahrer an seinem Lenkrad spürbare Lenkungsrückmeldung, wenn das Fahrzeug am oder im (dem Fachmann bekannten) fahrdynamischen Grenzbereich bewegt wird. So kann bei Einsatz elektromotorischer Servosysteme eine grundsätzlich gewünschte und bei üblichen hydraulischen Servolenksystemen vorhandene Selbststabilisierung des Fahrzeugs beim Abfangen aus einem übersteuernden Fahrzustand nur eingeschränkt vorhanden sein.
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Bei den weiterhin bekannten Lenksystemen, bei denen nicht explizit ein Unterstützungsmoment ermittelt und eingeleitet wird, sondern quasi direkt ein hinsichtlich der Größe und Richtung vom Fahrzustand abhängiges sog. Handmoment an das Lenkrad (der dgl.) des Fahrers angelegt wird, und somit als auch sog. Lenkmoment abhängig von bislang bekannten Zustandsgrößen als Soll-Lenkmoment vorgegeben und durch ein insbesondere elektromotorisches Servo-Lenksystem oder einen beliebig gearteten Zusatz-Aktuator eingeregelt wird, konnte ursprünglich beim Fahren am bzw. im fahrdynamischen Grenzbereich weder stationär noch dynamisch eine gewünschte Lenkradmoment-Sollvorgabe-Charakteristik bzw. Handmoment-Sollvorgabe-Charakteristik erzielt werden.
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Diesbezüglich ist eine deutliche Verbesserung mit einem in der eingangs letztgenannten
DE 10 2006 019 732 A1 beschriebenen Lenksystem, dessen wesentliche Merkmale im Oberbegriff des vorliegenden unabhängigen Patentanspruchs aufgelistet sind, erzielbar. Indem die Größe und Richtung eines gleichsinnig zum vom Fahrer an seinem Lenkrad vorgegebenen Moment aufgebrachten Unterstützungsmoments oder eines eingestellten sog. Handmoments neben dem vom Fahrer vorgegebenen Lenkwinkel von der Abweichung zwischen der gemessenen und einer modellbasierten Gierrate derart abhängig ist, dass mit zunehmenden Abweichungen ein höheres Unterstützungsmoment oder ein für den Fahrer leichteres, d.h. geringeres Handmoment aufgebracht wird, erhält der Fahrer über die spürbare Leichtigkeit der Lenkbewegung in einem entsprechenden Fahrzustand einen deutlichen Hinweis auf die Annäherung an den fahrdynamischen Grenzbereich.
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Als weiterer Stand der Technik sei noch ein in der
DE 10 2007 007 442 A1 beschriebenes Verfahren zur reibwertabhängigen Veränderung des Lenkmoments erwähnt. Dabei wird ein auf das Lenkrad einwirkendes Zusatzmoment reibwertabhängig variiert, derart, dass im querdynamischen Grenzbereich der Betrag des Lenkmoments sprungähnlich vergrößert wird oder der Betrag des Lenkmoments verringert wird.
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Mit vorliegender Erfindung soll nun ein Betriebsverfahren für ein Fahrzeug-Servolenksystem nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgezeigt werden, welches eine noch bessere Abstimmung auf die Bedürfnisse des Fahrers bzw. auf die Spürbarkeit des Annäherns an den oder Erreichens des fahrdynamischen Grenzbereich(s) ermöglicht (= Aufgabe der vorliegenden Erfindung).
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Die Lösung dieser Aufgabe ergibt sich durch ein Betriebsverfahren für ein Fahrzeug-Servolenksystem mit den Merkmalen des Anspruchs 1. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den Unteransprüchen.
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Der jeweils vorliegende Reibwert bzw. Reibungskoeffizient zwischen den Rädern des Fahrzeugs und der Fahrbahn, auf welcher das Fahrzeug bewegt wird, hat auf den fahrdynamischen Grenzbereich bzw. auf dessen Erreichen bei höheren Gierraten oder Querbeschleunigungen des Fahrzeuges einen erheblichen Einfluss. Während dieser Einfluss bei einem Servolenksystem gemäß nächstkommenden Stand der Technik nur quasi implizit berücksichtigt wird, nämlich indem bei geringerem Reibwert früher, d.h. bei einer betragsmäßig geringeren Gierrate oder Fahrzeug-Querbeschleunigung eine bestimmte Abweichung zwischen einer modellbasierten Gierrate und der gemessenen Gierrate des Fahrzeugs eintritt als bei einem höheren Reibwert, wird dieser Reibwert-Einfluss nun erfindungsgemäß explizit berücksichtigt. Dies ist möglich, wenn bzw. indem modernere elektronische Fahrdynamik-Systeme, welche den Fahrzustand eines Fahrzeugs überwachen und ggf. stabilisierend in die Fahrdynamik des Fahrzeugs eingreifen können, den aktuellen Reibwert zumindest in Form eines Schätzwertes kennen. Dieser kann bspw. aus einer aktuellen (positiven oder negativen) Längsbeschleunigung des Fahrzeugs gewonnen worden sein.
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Im übrigen kann ein erfindungsgemäß arbeitendes Servolenksystem im wesentlichen analog dem in der
DE 10 2006 019 732 A1 beschriebenen Stand der Technik arbeiten. So kann neben der Gierrate zusätzlich die Querbeschleunigung des Fahrzeugs im Rahmen eines Ist-Soll-Vergleiches berücksichtigt werden, wobei sich die Sollwerte aus einer Berechnung anhand eines grundsätzlich bekannten Fahrzeug-Modells, bspw. des sog. Einspurmodells, ergeben. Wenn sich dann höhere Abweichungen sowohl für die Gierrate als auch für die Querbescheunigung zwischen den gemessenen Ist-Werten und den anhand eines Modells ermittelten Sollwerten ergeben, kann mit entsprechender Ansteuerung des Servolenksystems bzw. eines das besagte Unterstützungsmoment bereit stellenden Aktors, insbesondere Elektromotors der Fahrer das Lenkrad leichter verdrehen bzw. es verspürt der Fahrer an seinem Lenkrad einen geringeren Widerstand, was für ihn ein Indiz für das Erreichen des fahrdynamischen Grenzbereichs ist. Analog diesem bekannten Stand der Technik ist auch im Rahmen der vorliegenden Erfindung ein mathematisches Fahrzeugmodell, vorzugsweise ein lineares Fahrzeugmodell, zugrunde gelegt, welches beim Fahren auf einer Oberfläche bzw. Fahrbahn mit relativ hohen Reibungskoeffizienten und insbesondere unterhalb des fahrdynamischen Grenzbereichs (d.h. im linearen Bereich) vorzugsweise stationär sowie dynamisch möglichst geringe Abweichungen zur im jeweiligen Fahrzustand gemessenen Gierrate und vorzugsweise zusätzlich Querbeschleunigung des Fahrzeugs aufweist. Wenn dann im realen Fahrbetrieb unter Zugrundelegung dieses Fahrzeugmodells nennenswerte Abweichungen zwischen den modellbasierten Werten für die Gierrate und vorzugsweise zusätzlich für die Querbeschleunigung des Fahrzeugs und den tatsächlich am Fahrzeug gemessenen Werten für diese Größen festgestellt werden, so ist dies ein Hinweis auf die Annäherung an das Fahren im oder am fahrdynamischen Grenzbereich, nämlich an den Bereich der maximal übertragbaren Reifenkräfte. In Abhängigkeit von der Größe der Differenz zwischen den modellbasierten Werten und den gemessenen Werten für die Gierrate und vorzugsweise zusätzlich für die Querbeschleunigung wird dann erfindungsgemäß die Lenkunterstützung erhöht, d.h. ein entsprechend höheres Unterstützungsmoment aufgebracht bzw. ein für den Fahrer leichteres Handmoment angelegt, was bedeutet, dass dem von ihm selbst mit seinem Lenkwunsch aufgebrachten Lenkmoment ein geringeres Handmoment entgegengesetzt wird. Die damit für den Fahrer spürbare Leichtigkeit der Lenkbetätigung gibt ihm dann den gewünschten Hinweis, nämlich dass sich das Fahrzeug nahe des fahrdynamischen Grenzbereichs bewegt. Dabei sei darauf hingewiesen, dass anstelle der Gierrate und vorzugsweise zusätzlich der Querbeschleunigung auch vergleichbare andere fahrdynamische Größen mit vergleichbarer Aussagekraft gewählt werden können; in der heutigen Praxis ist jedoch diesen beiden Größen aufgrund von deren einfacher und genauer Messbarkeit der Vorzug zu geben.
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Zusätzlich zu diesem bekannten Stand der Technik wird nun - wie bereits erläutert wurde - im Rahmen der Ansteuerung desjenigen Aktors bzw. Elektromotors, welcher dem Fahrer des Fahrzeugs das besagte Unterstützungsmoment bereit stellt oder das besagte Handmoment an das Lenkrad anlegt, der im wesentlichen aktuelle Reibwert zwischen den FahrzeugRädern und der Fahrbahn bzw. zumindest ein Schätzwert desselben berücksichtigt. Insbesondere erfolgt dessen Berücksichtigung in solcher Weise, dass bei geringerem Reibwert dem Fahrer die Annäherung an das Fahren im fahrdynamischen Grenzbereich eher oder verstärkter angezeigt wird als bei Vorliegen eines höheren Reibwertes. Bei geringerem Reibwert wird somit bereits bei geringeren Abweichungen des Istwerts von Gierrate (und ggf. Querbeschleunigung) vom rechnerisch ermittelten Sollwert von Gierrate (und ggf. Querbeschleunigung) ein höheres Unterstützungsmoment erzeugt oder ein leichteres Handmoment an das Lenkrad angelegt als bei Vorliegen eines höheren Reibwertes bzw. Reibungskoeffizienten-Schätzwertes, wo dies erst bei höheren Abweichungen des Istwerts vom Sollwert erfolgt.
Zusätzlich kann bei einer bestimmten Abweichung zwischen Istwert und Sollwert bei geringeren Reibwerten ein betragsmäßig höheres Unterstützungsmoment erzeugt oder ein betragsmäßig leichteres Handmoment an das Lenkrad angelegt werden, als dies bei höherem aktuellen Reibwerte bzw. Reibungskoeffizienten-Schätzwert erfolgt.
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In einer elektronischen Steuereinheit, welche einen das Lenk-Unterstützungsmoment bereit stellenden Elektromotor oder sonstigen Aktor geeignet ansteuert oder auf sonstige Weise das hier genannte Handmoment an das Lenkrad des Fahrers anlegt, können für die erfindungsgemäß zusätzliche Berücksichtigung des Reibwertes bzw. Schätzwertes für den aktuellen Reibwert in dieser tabellarisch oder in Form einer Kennlinie oder multiplikativer Faktoren geeignete Werte für die besagte Erhöhung des Unterstützungsmomentes oder für das angelegte Handmoment in Abhängigkeit vom Reibwert hinterlegt sein.
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Das genannte höhere oder größere Unterstützungsmoment bzw. das für den Fahrer leichtere oder geringere Handmoment kann dabei (analog der eingangs genannten
DE 10 2006 019 732 A1 ) entweder direkt aufgebracht bzw. in das Fahrzeug-Lenksystem eingebracht werden oder auch quasi indirekt aufgebracht werden, indem der dem Fachmann bekannte aktive Lenkungsrücklauf gesamthaft oder in Teilfunktionen herabgesetzt bzw. derart verändert wird, dass sich die gewünschte Lenkmoment-Charakteristik beim Fahren am bzw. im Grenzbereich sowohl stationär als auch dynamisch einstellt.