-
Die Erfindung betrifft ein wirtschaftliches Verfahren zur Herstellung dünnwandiger Stahlgussformteile mit Dicken bzw. Wandstärken unter 6 mm aus hoch legiertem Stahl mit TRIP/TWIP-Eigenschaften.
-
Dünnwandige, hochfeste Stahlgussteile aus austenitischem bzw. austenitisch-martensitischem und Stahlguss können in allen lndustriezweigen als Konstruktions- bzw. Funktionselemente eingesetzt werden. Sie sind besonders für den durchgängigen Leichtbau und für die Miniaturisierung von Maschinen, Apparaten und Geräten zwingend erforderlich. Die höhere Belastungsfähigkeit ermöglicht eine nennenswerte Baugrößenverminderung und Gewichtsreduzierung.
-
Dünnwandiger Stahlguss ist bisher nicht genormt. Gießtechnisch versteht man darunter Bauteile mit Wandstärken von 1,5 bis 6 mm. In dünnwandigem Stahlguss sind aufgrund der dendritischen Erstarrung und der höheren Abkühlgeschwindigkeit die Seigerungen um ein Vielfaches weniger stark ausgeprägt als in konventionellem Stahlguss. Darüber hinaus zeigen sich ein kleineres Primärkorn und ein feineres austenitisches Gussgefüge. Darüber hinaus ist die Porosität gegenüber konventionellem austenitischem Stahlguss reduziert. Diese positiven Effekte werden wirksam, wenn für die Herstellung dünnwandiger Stahlgussteile kostenintensive spezielle Gussverfahren zur Anwendung kommen. Eine wirtschaftliche Serienproduktion von dünnwandigen Stahlgussteilen steht jedoch aus [1].
-
Mittels des konventionellen Schwerkraftgießens ist es aufgrund der Stahleigenschaften (Viskosität, Oberflächenspannung und Liquidus- und Solidustemperatur) schwierig, dünnwandige Stahlgussteile herzustellen. Um Stahl dünnwandig zu vergießen, ist der Einsatz von speziellen Gießverfahren erforderlich.
-
Heutzutage werden dünnwandige Stahlgussteile überwiegend im Feingießverfahren hergestellt. Beim Feinguss können das schlechte Fließ- und Formfüllungsvermögen des Stahls durch Vorheizen der Form auf eine hohe Temperatur teilweise kompensiert werden. Feingießverfahren sind jedoch sehr zeit- und kostenaufwendig, weswegen dieses Verfahren auf Kleinserienfertigung beschränkt bleibt. Die Herstellung größerer Stückzahlen von dünnwandigen Stahlgussteilen erfordert die Anwendung hochproduktiver Gieß- und Formtechniken, wie z. B. das Stahldruck- und Stahlniederdruckgussverfahren. Mittels dieser Verfahren sind bisher zahlreiche Prototypen hergestellt worden [1].
-
DE 10 2010 026 808 B4 beschreibt dünnwandige Gussteile, die durch Formgießen und anschließendes Lösungsglühen bei 1050 °C/1h/Wasser hergestellt werden. Dabei wird durch das Zulegieren von Phosphor die Fließfähigkeit von austenitischen Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften angehoben, so dass dünnwandige Gussteile hergestellt werden können. Nachteilig ist dabei, dass Phosphor stark seigert und die Versprödungsneigung des Gussteiles erhöht. Besonders wirksam sind dabei lokal niedrigschmelzende Eisenphosphide, die sich als Film an den Korngrenzen ablagern. Eine Kaltumformung der Gussteile erfolgt nach
DE 10 2010 026 808 B4 nicht.
-
WO 2013 064 698 A2 offenbart Verfahren zur Herstellung hochfester Bauteile aus austenitischem oder austenitisch-martensitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften und mit einem Äquivalentwert für die Stapelfehlerenergie des Austenits von W < 35mJ/m
2 entsprechend der Beziehung W [mJ/m
2] = 230·% C – 54·% N – 0,1·% Cr + 2·% Ni – 4·% Si + 0,1·% Mo – 1·% Mn – 0,6·% Co + 0,4·% Al + 4·%Cu + 3·% Nb und mit einer Ms-Temperatur für die α’-Martensitbildung von kleiner 40 °C. Dabei werden zunächst Halbzeuge oder Formteile aus dem Stahlguss mit herkömmlichen Schmelzverfahren erschmolzen und ohne enge Maßtoleranz abgegossen. Nachfolgend werden die Halbzeuge oder Formteile ohne vorherige Erwärmung kalt umgeformt, wobei während der Kaltumformung die kaltumgeformten Halbzeuge oder Formteile gekühlt werden, so dass deren Erwärmung über 80 °C unterbleibt.
-
In der Patentschrift
DE 10 2009 013 631 B3 ist für Bauteile aus austenitischem und austenitisch-martensitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften und einem Aquivalentwert W für die Stapelfehlerenergie von kleiner 35 mJ/m
2 entsprechend der Beziehung W [mJ/m
2] = 230·% C – 54·%N – 0,1·Cr + 2·%Ni – 4·%Si + 0,1·%Mo – 1·%Mn – 0,6·%Co + 0,4·%Al + 4·%Cu + 3·%Nb ein Technologiekonzept aufgezeigt, mittels dem hochfeste Formteile erzeugt werden.
-
Das Ziel der Erfindung nach
DE 10 2009 013 631 B3 ist aus endabmessungsnah abgegossenen Gussteilen durch Kaltumformung hochfeste Formteile zu erzeugen. Die Herstellung dünnwandiger Stahlgussbauteile wird nicht ausgeführt. Das Technologiekonzept beinhaltet das Gießen mit anschließender Kaltumformung. Die Kaltumformung kann dabei durch verschiedene Umformverfahren und mit mehreren Umformschritten und Zwischenglühungen durchgeführt werden. Während der Kaltumformung werden Plastizitätseffekte in Form einer verformungsinduzierten Martensit- und/oder verformungsinduzierten Zwillingsbildung in Form eines TRIP- bzw. TWIP-Effekts ausgelöst. Die Plastizitätseffekte bewirken eine gleichzeitige Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften und der Zugfestigkeit. Gleichzeitig verhindern sie ein Aufreißen der Gussteile während der Kaltumformung.
-
In der Patentschrift
DE 10 2009 013 631 B3 wird weiter ausgeführt, dass vor der ersten Kaltumformung gegebenenfalls ein Lösungsglühen von 1050 °C/1h/Wasser zweckmäßig ist. Es hat sich jedoch gezeigt, dass ein Lösungsglühen nicht ausreicht, um dünnwandige Gussbauteile durch Kaltumformung sicher herzustellen. Grund dafür ist die im Gussteil vorhandene dendritische Gusstruktur. Kennzeichnend sind dafür ein grobes Primärkorn und vor allem ein hohes Maß an Seigerungen. Das führt dazu, dass die Eigenschaften von gegossenem Stahl grundsätzlich wesentlich schlechter sind als von geschmiedetem Material gleicher chemischer Zusammensetzung. Das ist auch der Grund dafür, dass austenitische Gusstähle, insofern sie keinen TRIP/TWIP-Effekt aufweisen, nicht kalt umgeformt werden [2].
-
Die Seigerungen äußern sich durch Konzentrationsunterschiede von im Austenit gelösten Elementen in Form von Kristallseigerungen im Mikrobereich und als Blockseigerungen im Makrobereich. Während die Blockseigerungen durch keine Glühbehandlung beseitigt werden kann, werden die Kristallseigerungen durch das angegebene Lösungsglühen kaum abgebaut. Die Seigerungen bewirken eine nicht homogene Gefügeausbildung. So neigen z. B. in metastabilen austenitischen Stählen die legierungsärmeren austenitischen Dendriten in stärkerem Maße zur Bildung von Umformmartensit während der Kaltumformung als die interdendritischen austenitischen Phasenbereiche. Die Unterschiede nehmen mit steigendem Seigerungsgrad zu. Dadurch treten zum Beispiel Härteunterschiede über den Querschnitt auf auch ist die lokale Korrosionsbeständigkeit unterschiedlich. Seigerungen und hohe Anteile an ⊐’-Umformmartensit fördern die zeitverzögerte Rissbildung (delayed cracking) während als auch nach erfolgter Kaltumformung.
-
Das ist der Grund, weshalb Formteile aus austenitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften, die einer Kaltumformung von mehr als 20 % unterzogen werden, in der Regel brechen. Formteile aus austenitisch-martensitschem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften versagen oftmals bereits nach Kaltumformungen von mehr als 15 %. Die Neigung zum Bruch verstärkt sich, je dünner die Formteile sind.
-
Aufgabe der Erfindung ist es, dünnwandige Stahlgussbauteile aus austenitischem und austenitisch-martensitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften und einem Aquivalentwert W für die Stapelfehlerenergie von kleiner 35 mJ/m2 entsprechend der Beziehung W [mJ/m2] = = 230·% C – 54·%N – 0,1·Cr + 2·%Ni – 4·%Si + 0,1·%Mo – 1·%Mn – 0,6·%Co + 0,4·%Al + 4·%Cu + 3·%Nb durch ein neues Technologiekonzept sicher herzustellen.
-
Erfindungsgemäß wird die Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zur Herstellung dünnwandiger Stahlgussformteile aus austenitischem oder austenitisch-martensitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften und einem Äquivalentwert für die Stapelfehlerenergie des Austenits von W < 35 mJ/m2 entsprechend der Beziehung W = 230·% C – 54·%N – 0,1·Cr + 2·%Ni – 4·%Si + 0,1·%Mo – 1·%Mn – 0,6·%Co + 0,4·%Al + 4·%Cu + 3·%Nb
-
mit den Schritten Gießen eines Gussteiles und Kaltumformen des Gussteiles auf sein Endmaß mittels unterschiedlicher Kaltumformverfahren, wobei nach dem Abgießen der Schmelze vor dem ersten Kaltumformschritt ein Diffusionsglühen bei 1080 bis 1300 °C, bevorzugt 1100 bis 1250 °C und einer Haltezeit von 0,5 bis 50 h, bevorzugt von 1 bis 5 h, durchgeführt wird.
-
Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren können dünnwandige Stahlgussteile mit einer Wandung kleiner 6 mm hergestellt werden.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren besteht aus Gießen-Diffusionsglühen-Kaltumformen. Anstelle der bei
DE 10 2009 013 631 B3 angegebenen Lösungsglühung von 1050 °C/1h Wasser wird nach dem erfindungsgemäßen Verfahren nach dem Gießen und vor der ersten Kaltumformung eine Diffusionsglühung durchgeführt.
-
Das Lösungsglühen von austenitischen Stählen findet im Temperaturbereich von 1020 bis 1080 °C statt, wobei Haltezeiten von 30 bis 60 Minuten für Guss- und Knetlegierungen üblich sind. In Folge des Diffusionsausgleichs der im Austenit gelösten Elemente werden die vorhandenen lokalen Konzentrationsunterschiede von im Austenit gelösten Elementen reduziert. Diese Konzentrationsunterschiede sind eine Folge der Mikroseigerungen. Durch deren Abbau wird der Austenit homogener. Das Lösungsglühen bewirkt, dass nach der Abkühlung auf Raumtemperatur ein homogeneres in der Regel fein körnigeres Gefüge mit verbesserten mechanischen Eigenschaften im Vergleich zum nicht lösungsgeglühten Zustand vorliegt. Besonders trifft das auf austenitische Knetlegierungen zu. In diesen Legierungen ist wegen der durchgeführten Warmumformung und der nachfolgenden Lösungsglühung der Seigerungsgrad bereits hinreichend abgeschwächt. Für austenitische Gusslegierungen, die keine Warmumformung erfahren, trifft das jedoch in weit geringerem Maße zu. Das Lösungsglühen reicht hier in der Regel nicht aus, um ein ausreichend homogenes Gussgefüge zu erreichen. In austenitischen Gusslegierungen sind nach dem Lösungsglühen noch merkliche Konzentrationsunterschiede zwischen dendritischen und interdendritischen Phasenbereichen vorhanden. Dadurch ist z. B. die Austenitstabilität gegenüber der Bildung von martensitischen Phasen während der Kaltumformung in metastabilem austenitischen Stahlguss lokal unterschiedlich ausgeprägt. Die dendritischen Phasenbereiche haben eine niedrigere Austenitstabilität als die interdendritischen Phasenbereiche. Die dendritischen Phasenbereiche neigen deshalb in stärkerem Maße zur Martensitbildung während einer Kaltumformung als das restliche austenitische Gefüge. Das TRIP/TWIP-Verhalten ist folglich unterschiedlich ausgeprägt, wodurch das Kaltumformvermögen des gegossenen Stahles eingeschränkt wird.
-
Eine Verbesserung der Kaltumformbarkeit, von austenitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften wird nach dem erfindungsgemäßen Verfahren nach dem Gießen und vor der ersten Kaltumformung durch ein Diffusionsglühen erreicht. Ausdruck dafür sind höhere Umformgrade.
-
Im Unterschied zum Lösungsglühen wird das Diffusionsglühen bei höheren Temperaturen, meist oberhalb 1050 bis 1300 °C und längeren Haltezeiten von 0,5 bis zu 50 Stunden, bevorzugt von 1 bis 5 h durchgeführt. Dadurch erfolgt ein weiterer Abbau der Mikroseigerungen. Es wird dadurch ein höherer Homogenisierungsgrad erreicht.
-
Gegenüber beim Diffusionsglühen von Knetlegierungen auftretenden Kornvergröberungen kommt überraschend eine Kornvergröberung in austenitischen Gusslegierungen hingegen nicht zum Tragen. Das nach der Erstarrung bereits vorhandene große Primärkorn bleibt im dendritischen Gussgefüge von austenitischen TRIP/TWIP-Stählen erhalten und verändert sich nicht maßgeblich. Das ist ein Grund dafür, weshalb durch ein Diffusionsglühen die mechanischen Eigenschaften von austenitischem Stahlguss sich nicht verschlechtern. Im Gegenteil die mechanischen Eigenschaften und das Kaltumformvermögen verbessern sich, weil durch den weiteren Abbau der Konzentrationsunterschiede der Elemente die Homogenisierung des Gussgefüges weiter fortschreitet. Die chemische Zusammensetzung von dendritischen und interdendritischen Phasenbereichen nähern sich an. Das hat zur Folge, dass die Unterschiede in den Austenitstabilitäten reduziert werden. Dadurch wird die Neigung zur Bildung von Umformmartensit lokal ausgeglichen und das Kaltumformvermögen des gegossenen Stahles verbessert. Damit lassen sich nach dem erfindungsgemäßen Verfahren höhere Kaltumformgrade ohne eine Zwischenglühung erreichen.
-
Die Gussteile werden nach einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Diffusionsglühen unter Schutzgas oder Vakuum geglüht und anschließend abgekühlt.
-
Durch die Diffusionsglühung werden die Kristallseigerungen in einem so starkem Maße abgebaut, dass dünnwandige Stahlgussteile eine höhere Kaltumformung ertragen und sicher hergestellt werden können. Werden Gussgefügezustände nach der Diffusionsglühung kalt umgeformt, so lassen sich für Formteile aus austenitisch-martensitischem Stahlguss mit überwiegend austenitischem Phasenanteil Kaltumformgrade bis 25 % und für Formteile aus austenitischem Stahlguss Kaltumformgrade bis 40 % ohne jegliche Zwischenglühung erzielen. Als positiver Nebeneffekt der Diffusionsglühung wird darüber hinaus eine homogenere Gefügeausbildung registriert. Sie zeigt sich u. a. in einer Abnahme der lokalen Härteunterschiede. Gleichzeitig wird die selektive Korrosionsbeständigkeit angehoben und die Neigung zur zeitverzögerten Rissbildung wird vermindert.
-
Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Gussteile nach der Diffusionsglühung in Wasser oder an Luft abgekühlt. Zur Vermeidung der Bildung von Ausscheidungen während der Abkühlung wird eine schnelle Abkühlung, z. B. durch Wasser, gegenüber einer langsameren Abkühlung bevorzugt. Durch die Bildung von Ausscheidungen wird das Kaltumformvermögen von austenitischem Stahlguss eingeschränkt.
-
Nach einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Gussteile während der Kaltumformung so gekühlt, dass sie während der Kaltumformung eine Temperatur von 20 °C bis 80 °C, bevorzugt von 20 °C bis 60 °C nicht überschreiten. Mit steigender Umformtemperatur werden der TRIP/TWIP-Effekt und damit das Kaltumformvermögen abgeschwächt. Die Auslösung eines entsprechenden TRIP/TWIP-Effektes ist jedoch die Voraussetzung für die Herstellung dünnwandiger Gussteile.
-
Auf eine Zwischenglühung nach erfolgter Kaltumformung kann verzichtet werden, wenn z. B. durch niedrige Kaltumformgrade nur eine relativ geringe Verfestigung des Gussteiles erfolgt. Kaltumformungen sind möglich, solange das Verfestigungsvermögen nicht erschöpft ist und das Gusteil reißt. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, dass das Gusteil hohe Kaltumformgrade ohne Zwischenglühung erträgt, wenn mehrere geringe Stichabnahmen erfolgen und dabei der Temperaturbereich von 20 °C bis 80 °C nicht überschritten wird.
-
Zur Herstellung dünnwandiger Gussteile werden ein oder mehrere Kaltumformstufen mit ein oder mehreren Kaltumformstichen im Anschluss an das Diffusionsglühen und Abkühlen des Rohgussteiles durchgeführt.
-
Die Kaltumformung kann mit einem oder mehreren Umformgraden und mittels unterschiedlicher Umformverfahren durchgeführt werden. Herkömmliche Kaltumformverfahren, wie z. B. Walzen, Prägen, Ziehen, Drücken Stauchen, Pressen u. ä. sind angebracht. Um Risse während der Kaltumformung zu vermeiden, werden dünnwandige Gussteile mit Dicken unter 3 mm bevorzugt mit mehreren Kaltumformstichen innerhalb einer Kaltumformstufe hergestellt.
-
Ist das Kaltumformvermögen des Gussteiles nahezu erschöpft, so ist eine Zwischenglühung bzw. Rekristallisationsglühung erforderlich. Dadurch wird die Kaltverfestigung behoben und das Gefüge verfeinert. Vorteilhaft sind dabei Temperaturen von über 700 bis 800 °C. Da die Rekristallisation sehr schnell abläuft, genügen Haltezeiten, wie sie für das Durchwärmen des Gussteils erforderlich sind.
-
Nach einer vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens können die dünnwandigen Gussteile nach der letzten Kaltumformung einer Anlassbehandlung unterzogen werden. Die gewünschte Kombination von Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften legen die Anlassbedingungen fest. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass dadurch keine Verschlechterung der Korrosionsbeständigkeit zu verzeichnen ist.
-
Die dünnwandigen Gussteile mit austenitisch-martensitischem Gefüge enthalten Abkühlmartensit und im kaltverfestigten Zustand zusätzlich Umformmartensit. Die dünnwandigen Gussteile mit austenitischem Gefüge enthalten nur Umformmartensit. Das Vorhandensein von Martensit ist die Voraussetzung dafür, dass durch eine Anlassbehandlung die mechanischen Eigenschaften in weiten Grenzen beeinflussbar sind. Mit steigender Anlasstemperatur und -zeit nehmen die Festigkeitseigenschaften ab und die Zähigkeitseigenschaften zu. Der Einfluss ist umso größer, je höher der Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt und der Martensitanteil sind. Beim Anlassen sind Temperaturbereiche, in denen es zur verstärkten Chromkarbidausscheidungen oder Versprödungen kommen, zu vermeiden.
-
Vorteilhaft werden die erfindungsgemäßen dünnwandigen Gussteile für Bauteile verwendet, die Verschleiß- oder Crashbeanspruchungen ausgesetzt sind.
-
Dünnwandige Gussteile, die durch eine Kaltumformung hergestellt wurden, weisen martensitische Phasenbestandteile oder/und Verformungszwillinge auf. Je höher der Anteil dieser Strukturfehler ist, desto höher ist die Festigkeit. Damit erhöht sich der Widerstand gegenüber einer Verschleiß- bzw. Crashbeanspruchung. Für die Crashbeanspruchung ist darüber hinaus das Energieabsorptionsvermögen maßgebend. Es sollte möglichst hoch sein. Unter anderem kennzeichnet die Maßzahl aus Zugfestigkeit und Bruchdehnung das Energieabsorptionsvermögen.
-
Vorteilhaft können die erfindungsgemäßen dünnwandigen Gussteile auch für Rohre und Fittings verwendet werden. Rohre und Fittings, die korrosiven Beanspruchungen ausgesetzt sind, werden oftmals aus herkömmlichem austenitischen Stahlguss hergestellt. Erfindungsgemäß lassen sich mittels unterschiedlicher Kaltumformverfahren sich dünnwandige Rohre aus austenitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Effekt und mit einer Wandstärke von 1,5 bis 6 mm erzeugen. Diese Rohre können je nach Anforderungsprofil im kalt verfestigten oder geglühten Einsatz verwendet werden. Selbiges gilt für dünnwandige Fittings, die als Rohrverbinder dienen. Darüber hinaus weisen sie Winkel, Bögen, T-Stücke, Gewinde, Reduzierungen oder Ähnliches auf, die sich durch eine entsprechende Kaltumformung zu Stande kommen. Das heißt, das dünnwandige Fitting kann eine weitere ganz unterschiedliche Kaltumformung Umformung, wie z. B. durch Biegen, Pressen, Verschrauben, Gewinderollen, erfahren.
-
Die dünnwandigen Gussteile werden je nach Anforderungsprofil im harten Zustand, das heißt im kalt verfestigten oder im weichen Zustand, das heißt im geglühten Zustand verwendet. Maßgebend ist hierfür ist die Härte der Gussteile. Die Härte wird durch den Verfestigungsgrad des Stahles festgelegt. Hohe Härten sind für Endprodukte, die erhöhten Beanspruchungen ausgesetzt sind, gefordert, wie z. B. für Verschleißteile, Fittings. Für Energieabsorber ist hingegen eine gute Kombination von Härte und Zähigkeit gefragt.
-
Ausführungsbeispiel
-
Das Ausführungsbeispiel beinhaltet die Herstellung eines dünnwandigen Rohres aus austenitischem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften bei Raumtemperatur durch Gießen, Diffusionsglühen und Kaltumformen.
-
Das endgefertigte Rohr soll eine Wandstärke von 1,5mm, einen Außendurchmesser von 33mm, einen Innendurchmesser von 30mm und eine Länge von 155mm aufweisen. Zu diesem Zweck wird zunächst ein austenitischer CrMnNi-Stahl mit 0,1% C, 0,15% N, 16,5% Cr, 9,5% Mn und 3,1% Ni in einem Induktionsofen erschmolzen. Danach wird im Sandgussverfahren ein Rohr mit einem Außendurchmesser von 36mm, einem Innendurchmesser von 30mm und einer Länge von 80mm hergestellt.
-
Das Rohr wird nachfolgend einem 2-stündigen Diffusionsglühung bei 1150 °C unter Argon unterzogen und nachfolgend in Wasser abgeschreckt.
-
Danach erfolgt ein mehrmaliges Kaltziehen des Rohres bei Raumtemperatur mittels Hohlzug. Dabei ändert sich der Außendurchmessers des Rohres um 0,5mm pro Kaltziehstufe, während der Innendurchmesser nicht beeinflusst wird. Während des Kaltziehens erfolgt die Schmierung und Kühlung des Rohres. Wird eine Erwärmung des Rohres innerhalb einer Kaltziehstufe auf eine Temperatur von mehr als 60 °C vermieden, so kann auf jegliche Zwischenglühung zwischen den Kaltumformschritten verzichtet werden.
-
Nach 6 Kaltumformschritten ist das Gussrohr bezüglich des geforderten Außendurchmessers endgefertigt. Das kalt verfestigte, dünnwandige Rohr weist eine saubere Oberfläche auf und muss nicht nachbehandelt werden. Das Gefüge des Rohres besteht aus verzwillingten Austenit und ⊐‘-Umformmartensit. Aufgrund des induzierten TRIP-Effekts und der Bildung von ⊐‘-Umformmartensit während der Kaltumformung ist das Rohr leicht ferromagnetisch. Der Außendurchmesser des Gussrohres beträgt 33 mm, der Innendurchmesser 30 mm und das Rohr hat eine Länge von 168 mm. Das Rohr wird auf das Längenendmaß von 150 mm zu geschnitten. Soll das verfestigte Rohr mit einem Gewinde versehen oder gebogen werden, so ist eine einstündige Anlassbehandlung von 370 °C vorteilhaft. Die Festigkeitseigenschaften der kalt verfestigten, der angelassenen als auch der kalt verfestigten und geglühten Gussformteile sind höher als die Festigkeits-eigenschaften des ursprünglichen austenitschen Stahlgusses.
-
Nach bisher bekannten Verfahren hergestellte Formteile aus austenitischem Stahlguss ertragen Kaltumformungen von in der Regel 15 bis zu 90 % rissfrei. Dieser Umformgrad hängt in entscheidendem Maße von der Abstimmung der Kaltumformbedingungen auf die chemische Zusammensetzung ab. Darüber hinaus verkleinert sich der Umformgrad mit steigendem Kohlenstoff- und Stickstoffgehalt des Stahles. Austenitisch-martensitschem Stahlguss mit TRIP/TWIP-Eigenschaften versagen oftmals bereits nach Kaltumformungen von mehr als 15 %. Die Neigung zum Bruch verstärkt sich mit dem Anteil an Abkühlmartensit und je dünner die Formteile sind.
-
Literatur
-
- [1] Miklin, A.: Entwicklung einer Fertigungstechnologie für dünnwandigen Stahlguss, Dissertation, TU Bergakademie Freiberg, 2010
- [2] Krupp-Edelstahlprofile, Guss- und Schmiedeteile Bericht 2002-2, Oktober 2002
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- DE 102010026808 B4 [0006, 0006]
- WO 2013064698 A2 [0007]
- DE 102009013631 B3 [0008, 0009, 0010, 0017]