DE102015115726B4 - Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt - Google Patents

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Abstract

Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem Mangan-Stahl besteht, bei dem das Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts beim Einlegen in das Umformwerkzeug der Umgebungstemperatur entspricht, dass die Produkttemperatur im Umformwerkzeug auf eine 180 - 350 °C betragende Umformtemperatur erhöht wird, dass anschließend das so erwärmte Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug zu dem Bauteil umgeformt wird und dass schließlich das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen wird.

Description

  • Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem Mangan-Stahl besteht, bei dem das Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt wird.
  • Wenn hier von Stahlflachprodukten die Rede ist, sind damit Stahlbänder, -bleche oder daraus gewonnene Blechzuschnitte, wie Platinen, gemeint.
  • Sofern nicht ausdrücklich anders erwähnt, sind im vorliegenden Text und in den Ansprüchen die Gehalte an bestimmten Legierungselementen jeweils in Gew.-% und die Anteile an bestimmten Gefügebestandteilen in Flächen-% angegeben.
  • Stahlflachprodukte lassen sich besonders wirtschaftlich durch Tiefziehen zu Bauteilen formen. Zum Tiefziehen werden Umformwerkzeuge eingesetzt, die üblicherweise einen Stempel, auch Oberform oder Patrize genannt, und eine Gegenform, auch Matrize oder Ziehring genannt, sowie einen Niederhalter umfassen. Zum Öffnen des Umformwerkzeugs werden der Stempel und der Niederhalter in eine Ausgangsstellung gefahren, so dass der umzuformende Blechzuschnitt in den dann zugänglichen Raum zwischen dem Stempel und der Matrize eingelegt werden kann. Anschließend verspannt der Niederhalter den Blechzuschnitt an seinem Randbereich. Dann wird der Stempel abgesenkt, so dass der Blechzuschnitt in die Matrize gedrückt wird.
  • Dem Niederhalter kommt während des Tiefziehvorgangs die Aufgabe zu, den Randbereich so eingespannt zu halten, dass sich im Zuge des Einpressens des Blechzuschnitts in die Matrize in Folge des dabei einsetzenden Materialflusses keine Risse oder Falten bilden.
  • Während des Tiefziehvorgangs wird der Blechwerkstoff bezogen auf die Bewegungsachse des Stempels in radialer und axialer Richtung belastet. Die Ziehtiefe ist der Verfahrweg des Stempels vom ersten Kontakt mit der Blechronde in Höhe des Niederhalters bis zum Ende des Tiefziehvorgangs an der Kontaktfläche zwischen Ziehteilboden und Stempel (Doege, E., Behrens, B.-A.: Handbuch Umformtechnik, Hannover, Springer Verlag, 2010, S. 319 ff.). Das maximale Formänderungsvermögen des Blechwerkstoffs wird dabei als „maximales Grenzziehverhältnis (βmax)“ oder „maximales Tiefziehverhältnis“ bezeichnet. Dieses ist eingegrenzt durch die Bildung von Falten bei zu niedrigem Niederhalterdruck und die Bildung von Rissen bei zu hohem Niederhalterdruck. Dieses Grenzziehverhältnis (βmax) ist bei genau einer exakten Niederhalterkraft erreichbar. Technologisch ist dieses Verhältnis mit vertretbarem Aufwand nur in Näherung ermittelbar. Als Näherungswert wird dafür das maximale Ziehverhältnis β bestimmt.
  • Ferritische Werkstoffe höherer Festigkeit, insbesondere mikrolegierte Feinkornbaustähle mit Zugfestigkeiten Rm von mindestens 650 MPa eignen sich nur bedingt für hochkomplexe Tiefziehoperationen, da solche Werkstoffe das für die jeweilige Umformoperation erforderliche Ziehverhältnis in der Regel nicht leisten. Infolgedessen besteht beim Tiefziehen von Blechen aus hochfesten Stählen in der Regel die Gefahr von Rissbildung und sonstigen Fehlern, die zur Unbrauchbarkeit der jeweils erhaltenen Bauteile führen.
  • Stähle mit hohen Legierungsanteilen an Mangan, nachfolgend auch „Hoch-Mangan-Stähle“ genannt, bei denen die hohen Mn-Gehalte mit hohen Al- und C-Gehalten kombiniert sein können, weisen eine Stapelfehlerenergie von 20 - 60 mJ/m2 auf und besitzen ein stabiles austenitisches Gefüge. Dieses Gefüge erfährt bei einer Verformung des Werkstoffs auch dann keine oder nur eine vernachlässigbar geringfügige Umwandlung in eine andere Gefügephase, wenn die Umformung bei Temperaturen von maximal 400 °C durchgeführt wird. Stattdessen tritt bei Verformung des Werkstoffs der so genannte „TWIP-Effekt“ (TWIP = Twinning Induced Plasticity) ein, wodurch die Formbarkeit primär durch die Bildung transkristalliner Verformungszwillinge ermöglicht wird und nur sekundär durch die Bildung von Versetzungen oder die Umwandlung von Austenit in Martensit.
  • Durch das Zulegieren von Mn und C kann bei Stählen der in Rede stehenden Art gezielt die Stapelfehlerenergie eingestellt werden. Hierdurch lässt sich ein Bereich stabilen Austenits einstellen. Durch die Zugabe von Al lässt sich der Austenit weiter stabilisieren, weshalb auch bei Raumtemperatur und darunter die Bildung von Martensit durch eine Umformung unterbunden werden kann. Der dynamische Hall-Petch-Effekt führt zur Entstehung mechanischer Zwillinge in den Austenit-Körnern, welche wie Korngrenzen das Versetzungsgleiten verhindern. Hierdurch erfahren Werkstoffe mit TWIP-Eigenschaften ihre starke Verfestigung bei einer Kaltumformung. Infolgedessen zeigen konventionelle Hoch-Mangan-Stähle ein maximales Ziehverhältnis, das zu gering ist für die Erzeugung von komplex geformten Bauteilen durch Tiefziehen.
  • Aus der DE 10 2008 020 757 A1 ist ein Verfahren zur Umformung von Blechwerkstücken aus Eisen-Mangan-Stahl mit bis zu 40 Gew.-% Mn, bis zu 15 Gew.-% Al, bis zu 2 Gew.-% C, bis zu 6 Gew.-% Si und optionalen Gehalten an Ti, W, Nb, Cr, Ni und V bekannt, bei dem das jeweilige Blechwerkstück mit einer Temperatur von 50 - 1000 °C in ein Formwerkzeug eingelegt wird und von diesem Formwerkzeug umgeformt wird, wobei die Verweildauer des Werkstücks im Formwerkzeug 1 bis 20 s beträgt. Als entscheidend wird hier angesehen, dass das Werkstück eine in dem genannten Temperaturbereich liegende Temperatur besitzt, wenn es mit dem formgebenden Werkzeug in Berührung kommt. Als für die Praxis relevant angesehen sollen dabei Blechwerkstücktemperaturen von 700 - 1000 °C sein, wobei sich Temperaturen von bis zu 950 °C als besonders praxisgerecht herausgestellt haben sollen. Durch den Kontakt mit dem kalten Umformwerkzeug wird dem Blechwerkstück dann so viel Wärme entzogen, dass es das Formwerkzeug mit einer Temperatur von 20 - 600 °C verlässt. Dies soll zu optimierten Festigkeitswerten führen.
  • Aus der DE 10 2011 121 679 B4 ist des Weiteren ein Verfahren zur Herstellung von Bauteilen aus einem im Ausgangszustand austenitischen Leichtbaustahl bekannt, bei dem ein Blechmaterial in einer oder in mehreren Stufen umgeformt wird, das einen temperaturabhängigen TRIP- und/oder TWIP-Effekt während der Umformung aufweist. Das bekannte Verfahren sieht dabei vor, das jeweilige Blechmaterial abhängig vom angestrebten Eigenschaftsprofil in zwei Varianten umzuformen. Und zwar soll zur Erzielung einer insbesondere hohen Zähigkeit des Bauteils die Umformung bei einer den TRIP-/TWIP-Effekt vermeidenden Temperatur oberhalb der Raumtemperatur durchgeführt werden, wogegen die Umformung bei einer unterhalb der Raumtemperatur liegenden Temperatur vorgenommen wird, um den TRIP-/TWIP-Effekt zu verstärken, wenn eine hohe Bauteilfestigkeit gewünscht wird. Als Beispiel für einen Leichtbaustahl, aus dem die derart zu verformenden Bleche bestehen können, ist dabei ein Stahl genannt, der neben Eisen und unvermeidbaren Verunreinigungen (in Gew.-%) 0,04 bis 1,0 % C, 0,05 bis weniger als 4,0 % Al, 0,05 bis 6,0 % Si und 9,0 bis weniger als 18,0 % Mn enthält und zusätzlich optional je nach Anforderung Gehalte an Cr, Cu, Ti, Zr, V und Nb aufweisen kann. Ein solcher Stahl ist in der DE 10 2004 061 284 A1 beschrieben.
  • Neben dem voranstehend erläuterten Stand der Technik ist auch aus der DE 10 2008 020 757 A1 ein Verfahren bekannt, bei dem ein Mn-Stahlflachprodukt zunächst außerhalb des Umformwerkzeugs auf 700 - 1000 °C erwärmt wird, um dann im Werkzeug bei der Umformung auf eine Temperatur von 600 - 20 °C abgekühlt zu werden.
  • Schließlich es aus der DE 10 2011 121 679 B4 bekannt, ein mit Raumtemperatur in ein Umformwerkzeug eingelegtes Mn-Stahlflachprodukt im Werkzeug auf eine Temperatur von 50 - 150 °C zu erwärmen, um auf diese Weise die dem Stahlflachprodukt innewohnenden TWIP/TRIP-Eigenschaften optimal nutzen zu können.
  • Vor dem Hintergrund des Standes der Technik hat sich die Aufgabe ergeben, ein Verfahren zu schaffen, welches mit geringem Aufwand hohe Ziehtiefen für die betriebssichere Herstellung von Bauteilen auch aus Blechen ermöglicht, die aus einem Hoch-Mangan-Stahl mit per se zu niedrigem maximalen Ziehverhältnis bestehen.
  • Die Erfindung hat diese Aufgabe dadurch gelöst, dass bei der Herstellung von Bauteilen aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem Stahl mit hohem Mn-Gehalt besteht, die in Anspruch 1 angegebenen Arbeitsschritte durchlaufen werden.
  • Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben und werden nachfolgend wie der allgemeine Erfindungsgedanke im Einzelnen erläutert.
  • Bei den nachfolgenden Erläuterungen wird zur Veranschaulichung auf Figuren Bezug genommen, die folgendes zeigen:
    • 1 Diagramm, in dem das für einen Hoch-Mangan-Stahl der erfindungsgemäß umgeformten Art ermittelte maximale Ziehverhältnis β über die Umformtemperatur Tu aufgetragen ist;
    • 2 das Schema eines Versuchsaufbaus zur Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses β.
  • Bei einem erfindungsgemäßen Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem Mangan-Stahl besteht, wird folglich in Übereinstimmung mit dem eingangs dargelegten Stand der Technik das umzuformende Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt.
  • Erfindungsgemäß entspricht nun die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts beim Einlegen in das Umformwerkzeug der Umgebungstemperatur, liegt also im Bereich von 15 - 35 °C. Nach dem Einlegen wird die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts erst im Umformwerkzeug auf eine 180 - 350 °C betragende Umformtemperatur erhöht. Anschließend wird das so erwärmte Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug zu dem Bauteil umgeformt und schließlich das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen.
  • Die Erfindung geht dabei von der Erkenntnis aus, dass durch Erwärmung des Stahlflachprodukts auf eine gegenüber der Umgebungstemperatur erhöhte, jedoch 350 °C, insbesondere 300 °C, nicht überschreitende Erwärmung sich das maximale Ziehverhältnis proportional zur Temperaturerhöhung verbessert. Auf diesem Wege lässt das maximale Ziehverhältnis auch bei Hoch-Mangan-Stählen, die bei Raumtemperatur nur unzureichend verformbar sind, auf Werte von 2,20 und mehr steigern, bei denen auch komplexe Bauteilformen durch Tiefziehen von Stahlflachprodukten zuverlässig fehlerfrei erzeugt werden können, die aus Stählen mit hohen Mn-Gehalten bestehen.
  • Entscheidend für den technologischen und wirtschaftlichen Erfolg der Erfindung ist dabei, dass die Erwärmung des umzuformenden Stahlflachprodukts erst im Umformwerkzeug erfolgt. Durch die erst im Werkzeug erfolgende Erwärmung erfährt das umzuformende Stahlflachprodukt im Werkzeug keine Abkühlung, wie es bei den bekannten Verfahren, bei denen die jeweils zu verformende Blechplatine vor dem Einlegen ins Werkzeug erwärmt wird, unvermeidbar der Fall ist, sondern ausschließlich eine Erwärmung. Dies fördert die adiabatische Erwärmung des Werkstücks während der Umformung. Die Verweildauer im Werkzeug kann dabei sehr kurz und die Umformung sehr schnell durchgeführt werden, was die Wirtschaftlichkeit des Prozesses erhöht.
  • Zu der Erwärmung auf die jeweilige Umformtemperatur kommt es erfindungsgemäß durch den Kontakt des Stahlflachprodukts mit den Bauteilen des Umformwerkzeugs, über die die eigentliche Formgebung erfolgt, also den Niederhalter, den Stempel oder die Matrize. Die Methode der konduktiven Erwärmung wird bevorzugt verwendet für Bauteile mit einem hohen Flächenanteil im Niederhalter von größer oder gleich 50 %. Alternativ dazu kann das Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug auch induktiv erwärmt werden. Die Methode der induktiven Erwärmung wird bevorzugt verwendet für Bauteile mit einem geringen Flächenanteil im Niederhalterbereich von kleiner 50 %.
  • Die betreffenden Bauteile werden gezielt auf die jeweilige Umformtemperatur gebracht, wobei der dazu erforderliche Energieaufwand gering ist, da auch beim Umformvorgang selbst Wärme entsteht, die zur erfindungsgemäßen Temperierung des Umformwerkzeugs beiträgt. Eine aufwändige Kühlung des Umformwerkzeugs, wie sie bei Prozessen erforderlich ist, bei denen die umzuformenden Platinen vor dem Umformwerkzeug auf Temperaturen von weit über 350 °C erwärmt und dann im Umformwerkzeug abgekühlt werden, können bei erfindungsgemäßer Vorgehensweise entfallen.
  • Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich insbesondere auch durch extrem kurze Prozesszeiten aus. So ist die Verweilzeit die Zeit, die zwischen dem mit dem Ende des Einlegens übereinstimmendem Beginn des Erwärmungsvorgangs und der Entnahme des erhaltenen Bauteils vergeht, wobei zwischen dem Erwärmungsvorgang und der Entnahme des erhaltenen Bauteils der Umformvorgang stattfindet. Dabei setzt sich die Verweilzeit aus einer Zeit, die für den Erwärmungsprozess benötigt wird, einer Zeit, die für den Umformprozess benötigt wird, und einer Haltezeit, in der das umgeformte Bauteil nach der Umformung im Umformwerkzeug ruht, zusammen. Haltezeiten, die bei der konventionellen Hochtemperaturumformung vergehen müssen, bevor das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen werden kann, werden so verkürzt. Tatsächlich erlaubt es die erfindungsgemäße Vorgehensweise, die Haltezeiten auf weniger als eine Sekunde zu reduzieren, wodurch Verweilzeiten von unter 6s realisiert werden können. Dies lässt sich dadurch erreichen, dass das Bauteil unmittelbar nach Abschluss des Umformvorgangs aus dem Umformwerkzeug entnommen werden kann.
  • Dass der Stahl des umzuformenden Stahlflachprodukts während des Umformvorgangs ein maximales Ziehverhältnis β von mindestens 2,20 aufweist, kann mit erhöhter Zuverlässigkeit dadurch gewährleistet werden, dass die Umformtemperatur, auf die das Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug gebracht wird, mindestens 180 °C beträgt.
  • Eine optimierte Tiefzieheignung, die eine prozesssichere Formgebung auch bei besonders aufwändig und komplex gestalteten Bauteilen durch Tiefziehen ermöglicht, stellt sich dabei nach den Erkenntnissen der Erfindung dadurch ein, wenn die Umformtemperatur mindestens 180 °C beträgt, insbesondere auf 260 °C begrenzt ist, wobei sich in der Praxis ein Umformtemperaturbereich von 180 - 250 °C als besonders günstig herausgestellt hat. Bei oberhalb von 180 °C liegenden Umformtemperaturen Tu werden, wie anhand der beigefügten 1 dargestellt, regelmäßig maximale Ziehverhältnisse β von mehr als 2,26 erreicht.
  • Wenn hier im Zusammenhang mit der Erfindung von Hoch-Mangan-haltigen Stählen die Rede ist, dann sind damit insbesondere Stähle mit einem Mn-Gehalt von mindestens 18 Gew.-% Mn gemeint.
  • Die Legierung eines als Werkstoff für die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte besonders geeigneten Stahlwerkstoffs kann demzufolge folgende Zusammensetzung aufweisen (in Gew.-%):
    • C: 0,37 - 0,43 %,
    • Mn: 18 - 20 %,
    • Si: 0,2 - 0,5 %,
    • Al: 1 - 1,35 %,
    • Cr: 1,4 - 2,4 %,
    • Ti: bis zu 0,05 %,
    • Nb: bis zu 0,05 %,
    • V: bis zu 0,15 %,
    • N: bis zu 0,015 %,
    • B: bis zu 0,005 %,
    • Ni: bis zu 0,7 %,
    • P: bis zu 0,03 %,
    • S: bis zu 0,005 %,
    • Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen.
  • Kohlenstoff ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen kann, in Gehalten von mindestens 0,37 Gew.-% vorhanden, um den Austenit zu stabilisieren und die entsprechende Stapelfehlerenergie einzustellen. Die Anwesenheit von C trägt so zur Festigkeit des Werkstoffs bei. Bei zu geringen C-Gehalten ergibt sich vor und während der Umformung eine unzureichende Austenitstabilität und ein damit einhergehend unzureichendes maximales Ziehverhältnis. Die unzureichende Austenitstabilität würde zur Martensitbildung und einer damit einhergehend erhöhten Gefahr der verzögerten Rissbildung führen. Bei Anwesenheit von zu viel Kohlenstoff können sich feine und grobe Carbide bilden, die die Duktilität vermindern und damit auch das maximale Ziehverhältnis β reduzieren. Der Maximalgehalt an C ist deswegen auf 0,43 Gew.-% beschränkt.
  • Mangan wird dem Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen kann, zulegiert, um im Gefüge den Austenitgehalt im Ausgangszustand ausreichend zu stabilisieren. Mn erhöht dabei gemeinsam mit Kohlenstoff, Aluminium und Silicium die Stapelfehlerenergie. Diese muss auf einen Mindestwert von 15 mJ/m2 gebracht werden, um den Austenit bei Raumtemperatur und darüber während einer Verformung ausreichend zu stabilisieren. Durch die Stabilisierung des Austenits bleibt dieser auch nach einer Verformung bestehen und es bilden sich „Zwillinge“, wodurch der Stahl ein optimiertes Verfestigungs- und Dehnungsverhalten bei plastischer Verformung im kalten Zustand aufweist. Dieser Effekt ist als TWIP Effekt (Twinning induced plasticity) bekannt und macht Stahlflachprodukte der zu verformenden Art insbesondere zur Herstellung von Karosseriebauteilen, Fahrwerksbauteilen, Antriebskomponenten, Strukturbauteilen und desgleichen bekannt, die im Fall eines Crashs hohe kinetische Energien aufnehmen und in Verformungsenergie ableiten müssen. Da Austenit mehr Gleitliniensysteme besitzt als eine kubischraumzentrierte Phase, bietet dieser ein viel höheres Umformvermögen. Das maximale Ziehverhältnis β ist direkt vom Umformvermögen abhängig. Der Austenit muss daher auch bei erhöhten Temperaturen stabil sein, da sonst eine zweite Phase bei der Umformung gebildet werden kann und das maximale Ziehverhältnis β niedriger ausfallen würde. Indem der Mn-Gehalt von erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukten auf mindestens 18 Gew.-% gesetzt wird, ist eine ausreichende Austenitstabilität und damit ein ausreichendes Ziehverhältnis gesichert. Gleichzeitig kann der Mn-Gehalt auf höchstens 20 Gew.-% begrenzt werden, um eine betriebssichere Herstellung bei gleichzeitig optimierten Gebrauchseigenschaften zu gewährleisten. Dies lässt sich insbesondere dadurch erzielen, dass der Mn-Gehalt auf maximal 19,2 Gew.-% beschränkt wird, wobei sich Mn-Gehalte von mindestens 18,8 Gew.-% im Hinblick auf die positiven Einflüsse dieses Legierungselements als besonders vorteilhaft herausgestellt haben.
  • Silicium ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen kann, in Gehalten von 0,2 - 0,5 Gew.-% vorhanden, um die Stapelfehlerenergie zu erhöhen und stabilen Austenit auch nach der Umformung im Gefüge des Stahlflachprodukts zu erhalten, welches zu einem guten maximalen Ziehverhältnis des Stahlflachprodukts beiträgt. Hierzu sind mindestens 0,2 Gew.-% Si erforderlich. Liegt der Si-Gehalt oberhalb von 0,5 Gew.-%, können dagegen Unreinheiten im Gefüge entstehen, durch die das maximale Ziehverhältnis verschlechtert würde. Um diesen Effekt sicher zu vermeiden, kann der Si-Gehalt auf max. 0,45 Gew.-% begrenzt werden.
  • Aluminium ist im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen kann, in Gehalten von 1,1 - 1,35 Gew.-% vorhanden, wobei sich Gehalte von höchstens 1,3 Gew.-% als in der Praxis besonders zweckmäßig herausgestellt haben. Die Wirkung von Aluminium besteht dabei ebenfalls in der Stabilisierung des Austenits im Gefüge des Stahls vor und während der Umformung.
  • Gleichzeitig dient Al als Wasserstoffsenke, um die Neigung des Stahls zu einer wasserstoffinduzierten verzögerten Rissbildung zu vermindern. Bei zu geringen Al-Gehalten werden diese Effekte nicht erreicht. Beim Tiefziehen, also bei der Ausnutzung des maximalen Ziehverhältnisses β, ist die Gefahr der verzögerten Rissbildung durch Anlagerung von Wasserstoff am höchsten. Die Obergrenze des Al-Gehalts ist auf 1,35 Gew.-%, insbesondere 1,3 Gew.-% beschränkt, um eine betriebssichere Stahlerzeugung zu ermöglichen.
  • Chrom ist im Stahl eines erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukts in Gehalten von 1,4 - 2,4 Gew.-% vorhanden, um wiederum den Austenit im Gefüge des Stahls bei Raumtemperatur zu stabilisieren. Dieser Effekt wird bei Gehalten von mindestens 1,4 Gew.-%, insbesondere mindestens 1,5 Gew.-%, erreicht. Um einen negativen Einfluss von Cr auf die Stapelfehlerenergie zu vermeiden, ist gleichzeitig der Cr-Gehalt des Stahls auf höchstens 2,4 Gew.-% beschränkt, wobei sich negative Auswirkungen der im Hinblick auf die Austenitstabilisierung gewünschten Anwesenheit von Cr dadurch besonders sicher vermeiden lassen, dass der Cr-Gehalt auf höchstens 1,7 Gew.-% beschränkt wird.
  • Titian und Niob können in dem Stahl, aus dem die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte bestehen können, in Gehalten von bis zu 0,05 Gew.-% vorhanden sein. Titan und Niob tragen zur Kornfeinung durch Nitrid-, Karbid- und Karbonitridbildung bei, was zur Festigkeitssteigerung beiträgt. Ein Niob-Gehalt oberhalb von 0,05 Gew.-% zeigt keine weiteren Vorteile hinsichtlich der Festigkeitssteigerung. Aus Kostengründen ist der Niob-Gehalt auf 0,05 Gew.-% eingeschränkt. Titan-Gehalte oberhalb von 0,05 Gew.-% führen zu groben Titankarbiden, was die Bruchdehnung negativ beeinflusst, weshalb der Titan-Gehalt auf 0,05 Gew.-% begrenzt ist. Der positive Einfluss von Ti auf die Festigkeit des Stahls lässt sich dabei insbesondere dann nutzen, wenn der Ti-Gehalt mindestens 0,018 Gew.-% beträgt, wobei sich hier optimale Wirkungen bei einem auf 0,022 Gew.-% beschränkten Ti-Gehalt ergeben.
  • Ebenso kann Vanadium im Stahl, aus dem die erfindungsgemäß umzuformenden Stahlflachprodukte bestehen können, in Gehalten von bis zu 0,15 Gew.-% vorhanden sein. Vanadium bildet nach dem Warmwalzen auf der Kühlstrecke und auch in einer Glühbehandlung feinste Karbide, die stark festigkeitssteigernd wirken, ohne die Dehnung des Stahls maßgeblich herabzusetzen, da sie vor allem kornfeinend wirken. Die Streckgrenze steigt durch diese Karbide ebenfalls stark an, was besonders nützlich für Fahrwerksanwendungen ist. Besonders geeignet für die Herstellung von Stahlflachprodukten, die im warmgewalzten Zustand in erfindungsgemäßer Weise umgeformt werden sollen, sind Stähle, bei denen der V-Gehalt auf 0,05 Gew.-% beschränkt ist. Soll dagegen aus einem erfindungsgemäß vorgeschlagenen Stahl ein kaltgewalztes Stahlflachprodukt hergestellt werden, das anschließend in erfindungsgemäßer Weise umgeformt wird, so haben sich V-Gehalte von 0,05 - 0,15 Gew.-% als vorteilhaft erwiesen. Hier wirkt sich der positive Einfluss der Anwesenheit von V dann besonders aus, wenn der V-Gehalt des Stahls mindestens 0,11 Gew.-% beträgt. Ein optimales Verhältnis aus Legierungskosten zur Wirkung ergibt sich dabei dann, wenn der V-Gehalt auf höchstens 0,13 Gew.-% beschränkt ist.
  • Stickstoff führt im Stahl, aus dem die erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukte erfindungsgemäß bestehen können, zu einer Reduzierung des freien V-Gehalts sowie zur Bildung von Aluminiumnitriden. Aluminiumnitride beeinflussen den Werkstoff dahingehend, dass der Werkstoff zu Sprödbruchverhalten neigt und das maximal erreichbare maximale Ziehverhältnis β herabgesetzt wird. Um dies zu vermeiden, ist der N-Gehalt des Stahls auf höchstens 0,03 Gew.-%, insbesondere höchstens 0,015 Gew.-% beschränkt.
  • Das optional im Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verarbeitendes Stahlflachprodukt bestehen kann, vorhandene Bor bewirkt eine Erhöhung der Duktilität bei erhöhten Temperaturen von z.B. 800 - 1100 °C, wie sie beim Warmwalzen gegeben sind. Dadurch ist die Gefahr der Kantenrissbildung im Warmband reduziert. Zudem wirkt Bor kornfeinend, was zur Festigkeitssteigerung beiträgt. Um diese positive Wirkung von B nutzen zu können, sollte der erfindungsgemäß vorgesehene Stahl mindestens 0,001 Gew.-% B enthalten. Bei Gehalten von mehr als 0,005 Gew.-% kann dagegen keine Steigerung der positiven Wirkung von B mehr festgestellt werden.
  • Gehalte an P, S und sonstigen Elementen, wie Mo, Cu, As und Sn, werden im gemäß der Erfindung für ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt vorgesehenen Stahl den unvermeidbaren Verunreinigungen zugerechnet, die im Zuge der Stahlerzeugung unvermeidbar in den Stahl gelangen oder aufgrund des gewählten Ausgangsmaterials (Schrott) unvermeidbar in ihm erhalten bleiben. Phosphor wirkt sich dabei ungünstig auf die Schweißbarkeit eines erfindungsgemäß zu verarbeitenden Stahlflachprodukts aus. Zudem begünstigt Phosphor die Bildung unerwünschter Seigerungen in der Stahlschmelze, was zu Materialinnenfehlern führen kann. Der P-Gehalt soll daher so gering wie möglich sein, jedenfalls 0,03 Gew.-% nicht überschreiten. Schwefel wirkt sich ebenfalls negativ auf die Gebrauchseigenschaften des Stahlflachprodukts aus. Sein Maximalgehalt ist daher auf 0,005 Gew.-% beschränkt. Die Gehalte an anderen unvermeidbaren Verunreinigungen, auch solchen, die hier nicht explizit genannt sind, sollten so gering wie möglich sein, jedenfalls unterhalb der Gehaltsgrenze liegen, ab der sie bezogen auf die hier betrachtete Stahlzusammensetzung legierungstechnisch wirksam werden könnten. Vorteilhafterweise wird in dieser Hinsicht bei der Legierung eines erfindungsgemäß vorgesehenen Stahls der Mo-, As- und Sn-Gehalt jeweils auf höchstens 0,05 Gew.-%, der Cu-Gehalt auf höchstens 0,2 Gew.-% und der Ni-Gehalt auf höchstens 0,7 Gew.-% beschränkt.
  • Der erfindungsgemäß als Werkstoff für die erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukte vorgesehene und in der voranstehend erläuterten Weise zusammengesetzte Stahl weist bei einer Verformung im Temperaturbereich von 20 - 400 °C einen temperaturunabhängigen TWIP-Effekt auf, derart, dass mindestens 95 % des Verformungsgrades durch Zwillingsbildung geprägt ist. In dem für die erfindungsgemäß zu verformenden Stahlflachprodukte vorgesehenen Stahl, bestehend aus den erfindungsgemäßen Werkstoffen, tritt kein nachweisbarer TRIP-Effekt auf, d.h. es findet keine verformungsinduzierte Umwandlung des Austenits in den Martensit statt. Der Stahl erreicht im Zugversuch nach DIN EN ISO 6892 eine Streckgrenze Rp0,2 von typischerweise 370 - 600 MPa, eine Zugfestigkeit Rm von typischerweise 700 - 900 MPa und eine Bruchdehnung A5 von mehr als 50 %.
  • Die Stapelfehlerenergie liegt bei erfindungsgemäß zusammengesetzten Stahlflachprodukten im für Stähle mit TWIP-Eigenschaften typischen Bereich von 20 - 60 [mJ/m2]. Dabei weisen die Stahlflachprodukte bei Raumtemperatur ein stabiles austenitisches Gefüge auf.
  • Das maximale Ziehverhältnis β von in der voranstehend erläuterten Weise zusammengesetzten Hoch-Mangan-Stählen beträgt bei Raumtemperatur, d.h. bei 15 - 35 °C, typischerweise 2,12 und liegt damit deutlich unter dem Mindestwert von 2,20, der üblicherweise für das maximale Ziehverhältnis β von für das Tiefziehen geeigneten Stählen gefordert wird. Durch die erfindungsgemäß vorgesehene und im Umformwerkzeug vorgesehene Erwärmung des jeweils zu verformenden Stahlflachprodukts erreicht der Stahl jedoch maximale Ziehverhältnisse β, die im Bereich von 2,24 - 2,28 und damit sicher oberhalb der kritischen Grenze von 2,20 liegen.
  • Das durch derartige maximale Ziehverhältnisse β im erfindungsgemäß vorgegebenen Umformtemperaturbereich gekennzeichnete optimierte Umformverhalten von Hoch-Manganhaltigen Stählen der hier in Rede stehenden Art erlaubt es, entsprechend erwärmte, aus solchen Stählen bestehende Stahlflachprodukte im Napfziehversuch nach Swift (Chung, S.Y., Swift, H.W. (1951), Cup drawing from a Flat Blank: Part I: Experimental Investigations, Part II: Analytical Investigations. Proceedings of the Institution of mechanical engineers, 165, 1951) mit Ziehgeschwindigkeiten von bis zu 150 mm/s umzuformen. Darüber liegende Ziehgeschwindigkeiten sollten vermieden werden, da dies zu einer zu starken adiabaten Erwärmung des Werkstücks und damit einhergehend zu einer zu starken Veränderung der Umformeigenschaften führen könnte.
  • Zur Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses β kann der in 2 dargestellte Versuchsaufbau gemäß den nachfolgenden Erläuterungen verwendet werden, anhand derer auch der Ablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens in der Praxis nachvollzogen werden kann.
  • Als umzuformende Stahlflachprodukte werden aus dem jeweiligen Stahlflachprodukt herausgetrennte Ronden R mit Ausgangsdurchmessern D0 von 90, 100, 110 und 120 mm und einer Dicke von 2,0 mm bereitgestellt.
  • Die Ronden R werden entsprechend den unterschiedlichen Prüftemperaturen mit einem Schmierstoffsystem präpariert. Dabei kommt im Temperaturbereich zwischen Raumtemperatur bis einschließlich 150 °C Ziehfolie aus PVC in einer Dicke von 75 µm in Kombination mit Öl, beidseitig auf der Probe aufgebracht, zur Anwendung. Oberhalb von 150 °C, also bei den untersuchten Temperaturen 200 °C, 250 °C und 300 °C, wird die PVC-Folie durch eine 100 µm dicke PTFE-Folie in Kombination mit Pflanzenöl ersetzt.
  • Für die als Napfziehversuche durchgeführten Umformversuche kann als Umformmaschine eine Erichsen Universal-Blechprüfmaschine verwendet werden. Wie aus 2 ersichtlich, hat der zylindrische Stempel 1 einer solchen Maschine einen Durchmesser dp von 50 mm und einen Kantenradius von rp = 5 mm. Der Stempel 1 wird mit einer Geschwindigkeit von 1 mm/s in die jeweilige Ronde R gedrückt. Die Ronde R wird dazu zwischen einem beheizbaren Niederhalter 2 und einer beheizbaren Matrize 3 eingeklemmt, die einen Durchmesser dd = 55,60 mm und einen Kantenradius rd = 5 mm aufweist. Die Niederhalterkraft NK lässt sich mit einer Genauigkeit von 1 kN im Bereich zwischen 5 kN und 400 kN einstellen.
  • Für die Versuche werden die Umformwerkzeuge 1,2,3 in der Warmzugvorrichtung auf die jeweilige Umformtemperatur Tu aufgeheizt. Ein Temperatursensor an der Warmzugvorrichtung ermöglicht die Temperaturmessung bzw. -Steuerung der Temperatur der Warmzugvorrichtung. Nach Erreichen der Soll-Umformtemperatur TU wird die jeweils präparierte Ronden-Probe in die Warmzugvorrichtung eingelegt und zentriert. Die Ronden-Probe hat dabei Raumtemperatur (20 °C). Anschließend wird der Niederhalter auf den Rondenrand abgesenkt.
  • Durch den Kontakt mit der Matrize und dem Niederhalter wird die jeweilige Ronde nun in der Umformeinrichtung auf die Umformtemperatur Tu aufgeheizt. Um die Probentemperatur exakt messen zu können, kann zwischen der jeweiligen Ronden-Probe R und der Matrize 3 ein Thermoelement eingeklemmt werden.
  • Durch den Kontakt mit dem Niederhalter 2 und der Matrize 3 wird die Ronde R auf die jeweilige Umformtemperatur Tu aufgeheizt. Die Steuerung der Maschine und Aufzeichnung der Messwerte erfolgt computergestützt mittels einer geeigneten Software. Die Versuchsparameter Ziehkraft, Niederhalterkraft, Stempelweg und Prüfzeit werden kontinuierlich aufgezeichnet.
  • Im Anschluss an die Versuche werden die aus den Ronden R erzeugten Näpfchen-Proben in die drei möglichen Fälle „Bodenreißer“, „Gutteil“ und „Faltenbildung“ kategorisiert. Gutteile zeichnen sich dadurch aus, dass sie weder Faltenbildung noch Bodenreißer aufweisen. Dann wird für jedes der Gutteile das Ziehverhältnis β = D0/dp bestimmt. Das maximale Ziehverhältnis β entspricht dann dem Maximum der ermittelten Ziehverhältnisse.
  • Zum Nachweis der Wirksamkeit des erfindungsgemäßen Verfahrens sind in der voranstehend allgemein für die Ermittlung des maximalen Ziehverhältnisses β erläuterten Weise Näpfchen aus warmgewalzten Ronden R gezogen worden, die aus dem in Tabelle 1 angegebenen Stahl A bestehen, wobei hier zu den Verunreinigungen legierungstechnisch unwirksame Gehalte an P, S, N, Cu, Mo, Ti, Nb, Ni, B und As zählen. Anhand der Ergebnisse dieser Versuche ist das in 1 dargestellte Diagramm erstellt worden
  • Eine weitere für die Herstellung von Stahlflachprodukten, die als Warmband in erfindungsgemäßer Weise zu Bauteilen umgeformt werden, typische Stahllegierung ist der in Tabelle 1 ebenfalls angegebene Stahl B, wobei in diesem Fall zu den Verunreinigungen legierungstechnisch unwirksame Gehalte an P, S, N, Cu, Mo, V, Ti, Nb, Ni, B und As zählen.
  • Hoch-Mangan-Stähle der hier in Rede stehenden Art werden üblicherweise in einem Elektrostahlwerk erschmolzen, da hier der Reinheitsgrad der zugeführten Materialien am höchsten ist und Pfannenöfen für die Sekundärmetallurgie benötigt werden. Die im Elektrolichtbogenofen erzeugte Schmelze wird nach dem Abstechen und Abschlacken zwecks Zulegierung der hohen Mangangehalte in Pfannenöfen verteilt, die sinnvoller Weise über eine Frischeinrichtung verfügen. Optimaler Weise ist bei den Pfannenöfen auch eine Entgasungseinrichtung vorgesehen, um die benötigten Kohlenstoff- und Schwefelanteile einzustellen.
  • Für die Weiterverarbeitung der Schmelze stehen verschiedene Routen zur Verfügung.
  • Gemäß der einen Route wird die Schmelze im ein- oder mehrsträngigen Strangguss zu Brammen vergossen. Dabei wird die Schmelze durch eine Stranggusskokille geleitet. Von den gegossenen Strängen werden durch Querteilen Brammen mit der gewünschten Einsatzlänge abgeteilt.
  • Alternativ zu dieser Vorgehensweise können auch Warmbreitband-Brammen eingesetzt werden. Diese werden ebenfalls durch Strangguss, wie voranstehend beschrieben, hergestellt, und anschließend mittig oder vorzugsweise außermittig durch Brennschneiden längsgeteilt. Durch ein außermittiges Brennschneiden kann der Anschnitt der Kernseigerung vermieden werden. Anschließend müssen die durch das Brennschneiden entstandenen Brennbärte mittels Schleifen entfernt werden. Bei starker Rissbildung auf der Brennfläche können ebenfalls die gebrannten Flächen geschliffen werden.
  • Anstelle von Strangguss können auch Blockguss-Kokillen eingesetzt werden. Die gegossenen Blöcke können nun mittels Vorblocken auf einer Block-Brammen-Straße auf ein rechteckiges und an der Warmbandstraße einsetzbares Brammenmaß geblockt werden.
  • Die jeweils erhaltenen, aus dem jeweiligen Hoch-Mangan-Stahl bestehenden Brammen werden für 2 - 5 Stunden in einen Hubbalken- oder anderweitigen Erwärmungsofen eingesetzt und auf eine Temperatur von 1200 - 1300 °C erwärmt, wobei die typische Zielerwärmungstemperatur bei 1280 °C liegt.
  • Nach dem Ofenaustrag werden die Brammen entzundert und in eine mit typischerweise sieben Warmwalzgerüsten ausgestattete Warmwalzstraße eingefahren. Das Warmwalzen findet dann in einem Temperaturbereich von 1150 °C bis 850 °C statt und liefert Warmband mit einer Dicke von 1,5 - 16 mm. Die Breite des erhaltenen Warmbands liegt in der Praxis typischerweise bei 300 - 690 mm.
  • Das aus der Warmwalzstraße austretende Warmband wird auf einer Kühlstrecke mittels Wasserstrahlen auf Temperaturen von 350 °C bis 650 °C abgekühlt, um die Bildung gröberer Ausscheidungen zu unterbinden und die durch das Walzen eingestellten Korngrößen zu konservieren.
  • Nach der Abkühlung wird das warmgewalzte Band zu Coils aufgewickelt. Diese Coils werden nun zur Steuerung des Zunderschichtaufbaus und zur Vermeidung von Ausscheidungswachstum in ein Duschlager gestellt. Hier kühlen die Coils innerhalb von max. 2 Tagen auf Umgebungstemperatur ab. Alternativ können die Coils auch an der Luft ohne Duschvorrichtung abkühlen, um einen langsameren Abkühlverlauf darzustellen. Hierdurch kann die Entstehung von inneren Spannungen, zu denen es bei einer zu schnellen Abkühlung kommen könnte, vermieden werden.
  • Die Coils können bereits vor Erreichen der Raumtemperatur, spätestens aber zu diesem Zeitpunkt in eine Salzsäurebeize überführt werden, um den auf der Bandoberfläche noch vorhandenen Restzunder zu entfernen. Die Beizbadtemperatur wird auf 50 bis 89 °C eingestellt. Der Einsatz von Inhibitoren ist zur Steuerung des Beizabtrags möglich.
  • Erforderlichenfalls kann aus dem so erhaltenen warmgewalzten Band in konventioneller Weise in einem oder mehreren Kaltwalzschritten ein kaltgewalztes Band erzeugt werden, wobei das erhaltene Band nach dem Kaltwalzen oder zwischen den einzelnen Kaltwalzstufen eine Glühung durchläuft, um während des Kaltwalzens entstandene Verfestigungen abzubauen und die Tiefzieheignung zu sichern.
  • In Tabelle 2 sind die Ergebnisse und Bedingungen von Versuchen aufgeführt, die an aus der Schmelze A bestehenden Proben 1 - 10 vorgenommenen worden sind. Die Proben 1 und 2 sind demnach nicht erfindungsgemäß, weil der erfindungsgemäß für das maximale Ziehverhältnis β geforderte Mindestwert von 2,20 nicht erreicht wurde. Probe 10 weist zwar ein sehr gutes maximales Ziehverhältnis β auf. Allerdings kam es hier zu Problemen bei der Versuchsdurchführung, weil sich bei der dort gewählten Umformtemperatur bereits das als Ziehöl eingesetzte Pflanzenöl zersetzte.
  • Auf Grundlage der in Tabelle 2 wiedergegebenen Versuchsergebnisse ist das in 1 dargestellte Diagramm erstellt worden, in dem für den Stahl A das maximale Ziehverhältnis β über die Umformtemperatur Tu aufgetragen ist. Tabelle 1
    Stahl C Si Mn P S Al Cr Cu V N Ni Ti
    A 0,417 0,38 18,8 0,029 0,001 1,3 2,4 0,16 0,12 0,0077 0,68 0,02
    B 0,40 0,35 18,9 0,022 0,002 1,29 2,37 0,05 0,01 0,008 0,08 0,012
    Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen
    Tabelle 2
    Probe Nr. Stahl Umformtemperatur Erreichtes maximales ZiehVerhältnis β Ziehtiefe Niederhalterkraft Haltezeit Verweilzeit Ziehöl Erfindungsgemäß ?
    [°C] [-] [mm] [kN] [s] [s] [-]
    1 A 20 2,12 30,15 5-15 0,5 3 PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl nein
    2 A 50 2,18 31,65 5-65 0,5 3 PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl nein
    3 A 100 2,24 33,15 5-400 0,5 3 PVC-Folie 75 µm + mineralisches Öl ja
    4 A 150 2,26 33,65 10 - 400 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl ja
    5 A 180 2,28 34,15 10-400 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl ja
    6 A 200 2,28 34,15 10 - 400 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl ja
    7 A 250 2,28 34,15 200 - 225 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl ja
    8 A 300 2,28 34,15 50 - 375 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl ja
    9 A 350 2,30 34,65 25 - 350 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl Ja
    10 A 370 2,34 35,65 10 - 400 0,5 3 PTFE-Folie 100 µm + Pflanzenöl nein

Claims (10)

  1. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils aus einem Stahlflachprodukt, das aus einem Mangan-Stahl besteht, bei dem das Stahlflachprodukt in ein Umformwerkzeug eingelegt und in dem Umformwerkzeug zu dem Bauteil verformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Produkttemperatur des Stahlflachprodukts beim Einlegen in das Umformwerkzeug der Umgebungstemperatur entspricht, dass die Produkttemperatur im Umformwerkzeug auf eine 180 - 350 °C betragende Umformtemperatur erhöht wird, dass anschließend das so erwärmte Stahlflachprodukt im Umformwerkzeug zu dem Bauteil umgeformt wird und dass schließlich das erhaltene Bauteil aus dem Umformwerkzeug entnommen wird.
  2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil unmittelbar nach Abschluss des Umformvorgangs aus dem Umformwerkzeug entnommen wird.
  3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Umformtemperatur höchstens 250 °C beträgt.
  4. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Haltezeit, die zwischen dem Ende der Umformung des Stahlflachprodukts und der Entnahme des Bauteils aus dem Umformwerkzeug vergeht, höchstens eine Sekunde beträgt.
  5. Verfahren nach einem der voranstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Stahl, aus dem die umzuformenden Stahlflachprodukte bestehen, mindestens 18 Gew.-% Mn enthält.
  6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Stahl, aus dem ein erfindungsgemäß zu verformendes Stahlflachprodukt bestehen kann, folgende Zusammensetzung aufweist (in Gew.-%): C: 0,37 - 0,43 %, Mn: 18 - 20 %, Si: 0,2 - 0,5 %, Al: 1 - 1,35 %, Cr: 1,4 - 2,4 %, Ti: bis zu 0,05 %, Nb: bis zu 0,05 %, V: bis zu 0,15 %, N: bis zu 0,015 %, B: bis zu 0,005 %, Ni: bis zu 0,7 %, P: bis zu 0,03 %, S: bis zu 0,005 %, Rest Eisen und unvermeidbare Verunreinigungen.
  7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass der Mn-Gehalt des Stahls mindestens 18,8 Gew.-% oder höchstens 19,2 Gew.-% beträgt.
  8. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Cr-Gehalt des Stahls mindestens 1,5 Gew.-% oder höchstens 1,7 Gew.-% beträgt.
  9. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der Ti-Gehalt mindestens 0,018 Gew.-% oder höchstens 0,022 Gew.-% beträgt.
  10. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der V-Gehalt mindestens 0,11 Gew.-% oder höchstens 0,13 Gew.-% beträgt.
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