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Die Erfindung betrifft eine messtechnische Anordnung und ein Verfahren zur Suche der geografischen Nordrichtung.
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Bei vielen, erdgebundenen Vermessungs- und Beobachtungsaufgaben wie beispielsweise in der Geodäsie, im Bauwesen und in militärischen Anwendungen ist eine möglichst genaue Kenntnis der Nordrichtung oftmals von zentraler Bedeutung. Meist wird hierfür das natürliche Erdmagnetfeld herangezogen. Zu diesem Zweck kommen magnetische Kompasse und hierauf aufbauende Systeme zur Anwendung, welche gemäß dem Stand der Technik einen hohen technischen Reifegrad besitzen und in Verbindung mit der modernen Digitaltechnik auch vergleichsweise kostengünstig bei guter Genauigkeit zur Verfügung stehen. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten kann es jedoch zu Störungen des Erdmagnetfeldes an der vorgesehenen Messstelle kommen, die nach Art und Größe oft schwer zu erfassen und sich in ihren Auswirkungen auf das Messergebnis bei der Nordsuche oftmals als nicht einschätzbar erweisen; man denke beispielsweise an einen Einsatz in der Nähe von magnetisch wirksamen Gegenständen oder auch elektrischen Anlagen, innerhalb von Gebäuden, in Tunneln oder an anderen Stellen, die sich unter Tage befinden können.
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Im Gegensatz zu den magnetischen Kompassen werden Kreiselkompasse oder Gyrokompass-Systeme nicht von den vorgenannten Faktoren beeinflusst. Mit diesen wird nicht die Richtung des Erdmagnetfeldes, sondern diejenige der Horizontalkomponente des Erddrehratenvektors bestimmt, welche definitionsgemäß zum geografischen Nordpol zeigt. Abhängig von der geografischen Breite beträgt diese Drehrate aber nur wenige Grad pro Stunde, was hohe Anforderungen an die Genauigkeit der verwendeten Gyroskope stellt. Neben den technisch bewährten mechanischen Kreiseln kommen zur Nordsuche nach heutigem Stand auch hochwertige faseroptische Sensoren oder Vibrationskreisel zum Einsatz, die eine Genauigkeit bis in den Bereich von wenigen Bogensekunden erlauben, verbunden mit Messzeiten von etwa zwanzig Minuten und darunter. So beschreibt beispielsweise die Patentschrift
DE 10 2006 026 561 B3 einen solchen Nordsucher für eine Tunnelvortriebsmaschine, welcher auf der Verwendung einer mehrachsigen inertialen Messeinheit zur Bestimmung des Nordwinkels sowie des Roll- und des Nickwinkels beruht.
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Naturgemäß können derartige Gyrokompass-Systeme aber auch nachteilige Eigenschaften für den Anwender aufweisen, beispielsweise hinsichtlich des Bedienkomforts, bei der Baugröße und dem Gewicht sowie insbesondere bei den Kosten. Neuere Technologien, insbesondere Gyroskope auf der Grundlage von miniaturisierten und preiswerten mikromechanischen Systemen (MEMS) lassen hier für die Zukunft Abhilfe erwarten, wenngleich zum heutigen Zeitpunkt ihre Messgenauigkeit (Stabilität) für die Nordsuche weitgehend noch unzureichend ist oder aber mit unverhältnismäßig langen Messzeiten von bis zu mehreren Stunden erkauft werden muss.
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Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Suche nach Messverfahren und Methoden, damit künftig auch preiswerte, kleine und robuste Gyroskope für die Nordsuche zumindest in bestimmten Anwendungen eingesetzt werden können. Nachfolgend werden nun einige aus der Literatur bekannte Ausführungsbeispiele vorgestellt, die jeweils ein Gyroskop auf einer in der Horizontalebene verstellbaren bzw. drehbaren Vorrichtung verwenden. Die drehratenempfindliche Messachse des Gyroskops (Eingangsachse) liegt dabei stets in der Horizontalebene und kann unterschiedliche Azimutwinkel bezüglich der gesuchten Nordrichtung einnehmen.
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In der Publikation von
I. P. Prikhodko et al., "What is MEMS gyrocompassing? Comparative analysis of maytagging and carouseling"; Journal of Microelectromechanical Systems, Vol. 22, No. 6, pp. 1257–1266, 2013 wird eine erste Messmethode für einen Gyrokompass beschrieben, bei der zunächst Messwerte ῶ
h für die örtliche, horizontale Erddrehrate ω
h in zwei um 180 Grad gegeneinander versetzten Winkellagen θ und θ' erfasst werden (2-Punkt-Nordsuche, in der englischsprachigen Literatur auch Maytagging genannt):
ωh(λ, θ) = Ωecosλcosθ (1) ῶh(λ, θ) = SF·ωh(λ, θ) + b = SF·Ωecosλcosθ + b (2) ῶh(λ, θ') = ῶh(λ, θ + 180°) = –SF·Ωecosλcosθ + b (2a) wobei
- ῶh
- = Messwert, z. B. in Volt
- ωh
- = wahrer Wert, in °/h
- Ωe
- = Erddrehrate ≃ 15°/h
- λ
- = Geografischer Breitengrad am Messort
- θ
- = Azimutwinkel zwischen der Messachse und der Nordrichtung
- SF
- = Skalenfaktor, z. B. in Volt/(°/h)
- b
- = Nullpunktsfehler (Bias), z. B. in Volt
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Der wesentliche Grund für die Drehung der Messanordnung um 180° besteht in der hiermit verbundenen Möglichkeit, durch Kombination der beiden Gln. (2) und (2a) den (statischen) Bias b bis auf einen Restfehler δb zu kompensieren:
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Der Restfehler δb, auch Bias-Instabilität genannt, rührt von dem Umstand her, dass die beiden Messungen gemäß Gln. (2) und (2a) nicht zur selben Zeit stattfinden; sein kleinstmöglicher Zahlenwert, der nach einer gewissen Mittelungszeit erreicht werden kann, stellt ein Gütemerkmal des verwendeten Sensors dar und bestimmt maßgeblich die maximal erzielbare Messgenauigkeit.
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Gemäß einer ersten Auswertemöglichkeit lässt sich dann unter Verwendung der Gl. (3) ein Schätzwert θ ^ für den gesuchten Azimutwinkel ermittelt:
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Ein offenkundiger Nachteil besteht dabei in der Notwendigkeit, die in die Richtung der Messachse projizierte, horizontale Erddrehrate zahlenmäßig möglichst genau zu erfassen. Hierfür muss allerdings der Skalenfaktor des Gyroskops hinreichend genau bekannt sein, obwohl letztlich nur die Richtung des horizontalen Erddrehratenvektors gesucht wird.
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Eine anderes Verfahren zur geografischen Nordsuche findet man z. B. in der Publikation von
L. I. Iozan et al., "North Finding System Using a MEMS Gyroscope", Proceedings of The European Navigation Conference on Global Navigation Satellite Systems (ENC GNSS 2010), Braunschweig, Oktober 2010. Dabei wird, ausgehend von einer zunächst willkürlichen Winkellage θ, diese sukzessive derart verändert, dass am Ende die Verbindungslinie zwischen den beiden Winkellagen θ und θ' in Ost-West-Ausrichtung zu liegen kommt. In diesem Fall beträgt die resultierende Erddrehrate Null, was eine gewisse Vereinfachung hinsichtlich der Nachweisführung darstellt, und gleichzeitig eine Steigerung der Messempfindlichkeit mit sich bringt. Ist die Orientierung hinsichtlich der Ost-West-Ausrichtung einmal gegeben, so lässt sich abschließend die Nordrichtung in trivialer Weise bestimmen. Als unvorteilhaft ist in diesem Fall die relativ aufwendige Drehvorrichtung zu nennen, verbunden mit den zu erwartenden Nachteilen hinsichtlich Bauraum, Gewicht und Kosten, sowie die lange Mess- und Einschwingzeit, bis das Ergebnis der Nordsuche schließlich mit der gewünschten Genauigkeit zur Verfügung steht.
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Ferner ist in der vorangehend bereits genannten Veröffentlichung von
I. P. Prikhodko et al. noch eine weitere Methode zur Nordsuche wiedergegeben, bei welcher die Messvorrichtung mit einer Winkelgeschwindigkeit Ω fortlaufend um eine zur Eingangsachse des Gyroskops lotrechte Drehachse rotiert. Die europäische Patentschrift
EP 2 026 036 B1 beschreibt eine Ausführungsform für ein Gyroskopisches Nordsuchsystem und -verfahren, welches sich vom Prinzip her ebenfalls dieser Funktionsweise bedient. Die Messachse des Gyroskops bleibt dabei in der Horizontalebene ausgerichtet, während ihre Orientierung sich kontinuierlich ändert, so dass der Winkelabstand relativ zum Nordpol nacheinander alle Werte zwischen Null und 360° annehmen kann („Karussellieren”, Carouseling in der englischsprachigen Literatur). Mit einem solchen Verfahren lässt sich die gesuchte Winkelablage θ weitgehend unabhängig vom Skalenfaktor und dem Offset-Fehler b des Drehratensensors bestimmen. Die Voraussetzungen hierfür sind eine hinreichend schnelle Durchführung von mindestens einer Messperiode, so dass niederfrequentes Rauschen (1/f-Rauschen) und thermisch bewirkte Offset-Änderungen des Sensor-Ausgangssignals nicht dominieren können, sowie eine ausreichend große Signalbandbreite des verwendeten Sensors. Für die gemessene Drehrate ῶ(t) in Abhängigkeit von der Zeit t und dem Azimutwinkel θ gilt in diesem Fall
ῶ(t) = SF·Ωecosλcos(Ωt + θ) + b (5) Das Sensorsignal ῶ(t) ist danach maximal, wenn das Gyroskop temporär nach Norden ausgerichtet ist, und minimal bei einer Ausrichtung nach Süden. Mittels einer sinusförmigen Ausgleichskurve kann dann der gesuchte Winkel θ zur Nordrichtung letztendlich als Phasenwinkel des Sensorsignals ermittelt werden. Nachteilig auch bei diesem Messverfahren ist wiederum die Notwendigkeit einer geeigneten Drehvorrichtung, hier zusätzlich in Verbindung mit einer Synchronisation zwischen dem Bewegungsablauf und der jeweiligen Winkellage des Gyroskops im körpereigenen Bezugssystem der Vorrichtung.
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In einer speziellen Ausführungsform kann sich das Karussellieren mit einem einzelnen Gyroskop auch auf das sukzessive Anfahren von relativ wenigen Winkellagen beschränken.
EP 2 578 992 A1 beschreibt eine Messanordnung zur Drehratenerfassung und -Auswertung unter drei verschiedenen Richtungen der Messachse, welche vorzugsweise in einem Winkelabstand von jeweils 120° aufeinander folgen. Auch hier ist die Messachse durchwegs horizontal ausgerichtet, wobei das Gyroskop manuell in die drei Winkellagen verbracht werden kann, so dass eine aufwendige Drehvorrichtung hier nicht zwingend erforderlich ist.
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Allen vorstehend angeführten Beispielen für das Karussellieren ist gemeinsam, dass die Einzelmessungen sukzessive mit nur einem einzigen Gyroskop ausgeführt werden. Unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit sowie insbesondere der Kosten von geeigneten Gyroskopen erscheint dies nach heutigem Stand nachvollziehbar und gerechtfertigt. Dennoch bringt die Verwendung von nur einem einzelnen Gyroskop auch nennenswerte Nachteile mit sich:
- – Das sequentielle Aufsuchen der einzelnen Winkellagen bewirkt letztendlich eine Verlängerung der gesamten Mess- bzw. Mittelungszeit und erhöht auf diese Weise noch zusätzlich die ohnehin schon hohen Anforderungen an die Nullpunkts-Stabilität des verwendeten Gyroskops
- – Hinsichtlich einer Abfrage der Betriebsfähigkeit bzw. eines Sensorausfalls ist der Anwender auf den Selbsttest des Gyroskops angewiesen. Derartige Eigentests können aber technisch bedingt einen Abdeckungsgrad von deutlich kleiner als 100% aufweisen, was für die praktische Anwendung unter Umständen eine unzureichende Ausfallerkennung bedeuten kann.
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Aufgabe der Erfindung ist, die genannten Nachteile der vorstehend beschriebenen Verfahren zu vermeiden. Im Hinblick auf künftig verfügbare, leistungsfähige und dennoch kostengünstig zu fertigende mikromechanische Vibrationskreisel wird nachfolgend eine neue Methode zur Bestimmung der geografischen Nordrichtung beschrieben. Dabei werden mehrere Gyroskope gleichzeitig verwendet, d. h. es kommen mehrere, simultan zur Verfügung stehende, drehratenempfindliche Messachsen in einem neuen Messverfahren zum Einsatz.
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Die Aufgabe wird durch den Gegenstand des Anspruchs 1 gelöst. Die von diesem abhängigen Ansprüche geben vorteilhafte Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 wieder.
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Der vorgeschlagene Gyrokompass für die Suche des geografischen Nordpols verwendet mindestens drei Gyroskope in einer horizontal auszurichtenden Anordnung, welche zeitgleich oder zumindest mit einer zeitlichen Überdeckung für die Beobachtung der Erddrehrate herangezogen werden. Die Gyroskope sind dabei gemeinsam auf einer verstellbaren Vorrichtung montiert, welche von Hand in mindestens zwei unterschiedliche, vorgegebene Winkellagen gedreht werden kann. Mindestens zwei dieser Lagen liegen einander diametral gegenüber, d. h. sie weisen einen gegenseitigen Winkelabstand von 180° auf. In der praktischen Umsetzung können hierzu einfache mechanische Rastungen zum Einsatz gelangen, so dass sich mit einem vergleichsweise geringen Aufwand eine hohe Wiederholgenauigkeit bei der Einstellung der Winkellagen erzielen lässt.
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Der prinzipielle Aufbau und die vorgeschlagene Messmethode der Erfindung werden beispielhaft anhand der 1 bis 3 näher erläutert.
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Die 1 zeigt schematisch eine Anordnung 1 zur Suche der geografischen Nordrichtung mit drei Gyroskopen g1, g2 und g3, wobei die drehrateempfindlichen Messachsen 2, 3 und 4 der Gyroskope symmetrisch um die Bezugsachse 5 gruppiert sind.
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Für den praktischen Einsatz beinhaltet die gesamte Anordnung typischerweise einen feststellbaren Unterbau mit Stativ, sowie einen darauf montierten, um die Bezugsachse 5 (Z-Achse) verdrehbar ausgebildeten Messkopf mit den drei Gyroskopen. Die geometrische Anordnung der Gyroskope erfolgt dabei vorzugsweise dergestalt, dass die Eingangsachsen 2, 3 und 4 der Gyroskope auf der Mantelfläche eines Konus 6 um die vertikal auszurichtende Bezugsachse 5 zu liegen kommen. Eine äquidistante Winkelausrichtung der Gyroskope ist dabei von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. In einem allgemeineren Fall, der nicht in der 1 wiedergegeben ist, können die Gyroskope auch jeweils um einen bestimmten Abstand gegeneinander in Z-Richtung verschoben sein, ohne dass sich an der grundsätzlichen Betrachtungsweise etwas ändern würde. Der Konus um die Bezugsachse Z besitzt den (halben) Öffnungswinkel α. In dem speziellen Fall mit α = 90°, der hier aber nicht weiter betrachtet wird, würden die Messachsen in einer Ebene liegen, was im gezeigten Beispiel aber nicht der Fall sein soll. Ansonsten kann der Winkel α in weiten Grenzen frei gewählt werden, vorzugsweise jedoch in einem Bereich von 45° ≲ α < 90°.
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Für den Einsatz als Nordsucher ist die beschriebene Anordnung zunächst horizontal auszurichten, so dass die Z-Achse 5 (auch als Stehachse zu bezeichnen) parallel zum Gravitationsvektors G verläuft. Aufgrund ihrer speziellen Orientierung werden die Gyroskope neben einem Horizontalanteil auch einen Teil ωv der vertikalen Erddrehratenkomponente erfassen, ωv(λ, α) = Ωesinλcosα (6) der aber für den weiteren Messablauf nicht schädlich sein wird und als zusätzlicher, konstanter Nullpunkts-Versatz betrachtet werden kann.
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Der Grund für die besondere Wahl des Öffnungswinkels mit 2α ≠ 180° besteht, wie noch gezeigt wird, zum einen in der sich ergebenden Möglichkeit, mittels Drehbewegungen um die Z-Achse die Skalenfaktoren der verwendeten Gyroskope in einfacher Weise abzugleichen. Zum anderen lässt sich hiermit auch die Betriebsfähigkeit abfragen, d. h. es kann ein individueller Sensorausfall über einen abweichenden Skalenfaktor erkannt werden. Die vorgeschlagene Messmethode zur Suche des geografischen Nordpols lässt sich anhand der 2 und 3 weiter veranschaulichen.
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Die
2 zeigt zunächst eine erste Anordnung der Gyroskope in einer Projektion auf die X/Y-Ebene
8, d. h. in Blickrichtung des in der
1 abgebildeten Gravitationsvektors G. Dargestellt sind die Projektionen der drei Messachsen g
1, g
2 und g
3 in den Winkellagen
9,
10 und
11, beispielhaft in einer äquidistanten Ausrichtung unter jeweils 120° zueinander. In diesen Winkellagen erfolgt nun eine erste Erfassung des Erddrehratenvektors Ω
e bezüglich der drei Komponenten ω
1, ω
2 und ω
3:
ῶi = SFi·ωi + bi = SFi·Ωe·[cosλcosθisinα + sinλcosα] + bi (8)
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In der Gl. (8) ist die vertikale Erddrehratenkomponente ωv nach Gl. (6) als ein konstanter Beitrag enthalten. Somit lässt sich ῶi vereinfacht auch schreiben als ῶi(θ) = SFi·ωi + bi = SFi·Ωe·cosλcosθisinα + Bi, (9) wobei für den Offset Bi gilt Bi = SFi·Ωe·cosαsinλ + bi (10)
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Die 3 zeigt ergänzend eine zweite Ausrichtung der Gyroskope, wieder in der Projektion auf die X/Y-Ebene 8 in Analogie zur 2. Dargestellt sind die um Z geschwenkten Messachsen g1, g2 und g3 der drei Gyroskope in den neuen Winkellagen 9', 10' und 11', mit θi' = θi + 180°. Mit diesen Ausrichtungen der Messachsen erfolgt nun eine zweite Erfassung des Erddrehratenvektors Ωe, diesmal bezüglich der Komponenten ω1', ω2' und ω3': ῶi'(θ) = SFi·ωi(θ + 180°) + bi = –SFi·Ωe·cosλcosθisinα + Bi (11)
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Die Datenaufzeichnung der jeweiligen Einzelmesswerte ῶi(θ) und ῶi'(θ) kann zeitgleich oder zeitlich überlappend über ein Intervall von der Dauer ΔT erfolgen, beispielsweise mittels Multiplexing. Unter der Annahme, dass während der Zeit ΔT jeweils eine Anzahl von n Einzelwerten pro Messachse aufgezeichnet werden, ergeben sich z. B. die drei Mittelwerte 〈ῶi〉 gemäß 〈ῶi〉 = 1 / n·Σ n / k=1(ῶi)k mit i = 1, 2, 3 (12)
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Die Messzeit bzw. Mittelungszeit ΔT ist dabei vorrangig in Abhängigkeit von der Güte der Gyroskope zu wählen. Es sei angemerkt, dass der Faktor 1/n vom Prinzip her auch entfallen kann, da die Methode letztendlich keine absoluten Zahlenwerte für die Drehratenkomponenten benötigt. Er wird an dieser Stelle lediglich der besseren Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit wegen eingeführt.
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In Analogie zur Gl. (3) lassen sich dann mit den Mittelwerten 〈ῶ
i〉 und 〈ῶ
i〉' Differenzen bilden, um den jeweiligen statischen Nullpunktfehler der drei Gyroskope zu kompensieren:
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Mit der Abkürzung ωe(λ, α) ≔ Ωe sinαcosλ gilt dann für die Δῶi nach Gl. (13): Δῶi(θ) = SFiωe(λ, α)cosθi + δB, (14) wobei für die Bias-Instabilität δBi der als baugleich angenommenen Gyroskope gesetzt wird δB1 ≅ δB2 ≅ δB3 ≅ δB
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Abschließend werden für die drei Messachsen noch ihre Lagewinkel βi in der X/Y-Ebene und der gesuchte Azimutwinkel ε zur Nordrichtung eingeführt (siehe hierzu als Beispiel β1 in der 2): θi = βi – ε (15) wobei
- βi
- = Lagewinkel der Projektion der Messachse i auf die X/Y-Ebene
- ε
- = Azimutwinkel zwischen der X-Achse des Bezugsystems und der gesuchten Nordrichtung
Δῶi = SFiωe(λ, α)cos(βi – ε) + δB ≅ SFiωe(λ, α)cos(βi – ε) (16)
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Damit steht für die Ermittlung des gesuchten Azimutwinkel ε zwischen der X-Achse und der Nordrichtung ein Satz von Bestimmungsgleichungen Δῶi zur Verfügung. Hierzu können aus der Fachliteratur bekannte algebraische Verfahren zur Anwendung kommen. Dabei kann sich noch eine Normierung der Skalenfaktoren SFi auf einen gemeinsamen Wert SF' als nützlich erweisen. Vorzugsweise werden zwar vom Prinzip her baugleiche Gyroskope zum Einsatz gelangen. Herstellungsbedingt können sich aber deren individuelle Skalenfaktoren um mehrere Prozent unterscheiden, insbesondere bei vergleichsweise kostengünstigen Baumustern. Mit der nachfolgend skizzierten Methode können unterschiedliche Skalenfaktoren aufeinander abgeglichen und so die Genauigkeit des Verfahrens zumindest in den Fällen gesteigert werden, in denen besonders rausch- und driftarme Gyroskope verwendet werden. Hierzu werden Faktoren Ki eingeführt, mit welchen die Δῶi vor der Auswertung bezüglich ε zu multiplizieren sind: Δῶi' ≔ KiΔῶi = Ki[SFiωe(λ, α)cos(βi – ε) + δB] ≌ SF'ωe(λ, α)cos(βi – ε) (17)
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Für die Bestimmung dieser Faktoren wird nun der bereits erwähnte Umstand ausgenutzt, dass die Gyroskope aufgrund ihrer besonderen Ausrichtungen auch auf Drehungen um die vertikale Z-Achse (Stehachse) reagieren. Geeignete Drehbewegungen fallen im Rahmen des vorgeschlagenen Verfahrens an bzw. stellen eine problemlose Erweiterung desselben dar, für die keine zusätzlichen Hilfsmittel benötigt werden.
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Mit einer ersten Drehung Ω+ werden die Gyroskope innerhalb einer Zeitspanne Δt+ aus den Positionen gi gemäß der 2 in die Positionen gi' nach 3 verbracht. Nach einer zweiten, innerhalb der Zeitdauer Δt– gegenläufig ausgeführten Drehung Ω– befinden sich die Messachsen dann wieder in ihren ursprünglichen Winkellagen gi. Während der beiden Drehbewegungen sind die Messwerte der Gyroskope geeignet zu erfassen und für die nachfolgende Auswertung zu speichern. Wichtig dabei ist, dass die auftretenden Drehraten Ω+(t) und Ω–(t) zu keiner Zeit die Messbereiche und die Signalbandbreiten der Gyroskope überschreiten, was bei geeigneter Wahl des Skalenfaktors der Gyroskope und des Winkels α kein Problem darstellt. Die Bestimmung der Faktoren Ki beruht nun darauf, dass in beiden Fällen die Winkellagen um einen genau bekannten Wert verändert werden, der im vorliegenden Beispiel 180° beträgt.
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Für den zeitlichen Verlauf der gemessenen Drehraten gilt dabei jeweils Ω ~i +(t) = ῶi(t) + SFiΩ+(t)·cosα mit t0 ≤ t < t0 + Δt+ und Ω ~i –(t) = ῶi(t) – SFiΩ–(t)·cosα mit t1 ≤ t < t1 + Δt–
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Hieraus kann die folgende Beziehung abgeleitet werden, mit deren Hilfe sich die gesuchten Faktoren K
i bestimmen lassen:
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Anordnung zur Suche der geografischen Nordrichtung
- 2
- Messachse des Gyroskops g1
- 3
- Messachse des Gyroskops g2
- 4
- Messachse des Gyroskops g3
- 5
- Z-Achse des Bezugssystems (= Stehachse)
- 6
- (bildhafter) Konus um die Z-Achse mit den Messachsen der Gyroskope
- 7
- (halber) Öffnungswinkel α des Konus um die Z-Achse
- 8
- X/Y-Ebene (Projektionsebene, Horizontalebene)
- 9
- erste Ausrichtung der Messachse g1 in der Projektionsebene
- 10
- erste Ausrichtung der Messachse g2 in der Projektionsebene
- 11
- erste Ausrichtung der Messachse g3 in der Projektionsebene
- 9'
- zweite Ausrichtung der Messachse g1 in der Projektionsebene
- 10'
- zweite Ausrichtung der Messachse g2 in der Projektionsebene
- 11'
- zweite Ausrichtung der Messachse g3 in der Projektionsebene
- G →
- Gravitationsvektor, lokale Richtung des Erdschwerefeldes
- X, Y, Z
- orthogonale Achsen des Bezugssystems
- β1
- Winkel zwischen der X-Achse und der Projektion der Messachse g1
- β2
- Winkel zwischen der X-Achse und der Projektion der Messachse g2
- β3
- Winkel zwischen der X-Achse und der Projektion der Messachse g3
- ε
- Winkel zwischen der X-Achse und der (gesuchten) Nordrichtung
- θ1
- Winkel zwischen der Nordrichtung und der Projektion der Messachse g1
- θ2
- Winkel zwischen der Nordrichtung und der Projektion der Messachse g2
- θ3
- Winkel zwischen der Nordrichtung und der Projektion der Messachse g3
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102006026561 B3 [0003]
- EP 2026036 B1 [0012]
- EP 2578992 A1 [0013]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- I. P. Prikhodko et al., ”What is MEMS gyrocompassing? Comparative analysis of maytagging and carouseling”; Journal of Microelectromechanical Systems, Vol. 22, No. 6, pp. 1257–1266, 2013 [0006]
- L. I. Iozan et al., ”North Finding System Using a MEMS Gyroscope”, Proceedings of The European Navigation Conference on Global Navigation Satellite Systems (ENC GNSS 2010), Braunschweig, Oktober 2010 [0011]
- I. P. Prikhodko et al. [0012]