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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zu Rückkopplungsunterdrückung sowie eine Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens. In dem erfindungsgemäßen Verfahren wird eine Rückkopplungsübertragungsfunktion geschätzt, Koeffizienten eines adaptiven Filters zur Unterdrückung einer Rückkopplung angepasst und das adaptive Filter auf ein Signal angewendet, das von einem akustischen Eingangssignal des akusto-elektrischen Wandlers abgeleitet wird.
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Hörhilfegeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörhilfegeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
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Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein akustoelektrischer Wandler, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinrichtung integriert. Die Energieversorgung erfolgt üblicherweise durch eine Batterie oder einen aufladbaren Akkumulator.
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Wegen der großen räumlichen Nähe zwischen dem Mikrofon und dem elektroakustischen Ausgangswandler besteht immer die Gefahr, dass ein akustisches Signal als Schall durch die Luft, sei es über eine Entlüftungsöffnung, einen Spalt zwischen der Wand des Gehörgangs und dem Hörhilfegerät bzw. einem Ohrstück des Hörhilfegeräts oder im Inneren des Hörhilfegeräts oder auch als Körperschall über das Hörhilfegerät selbst übertragen wird. Ist dabei die Gesamtverstärkung einer Rückkopplungsschleife, die sich aus der Signalverarbeitung in dem Hörhilfegerät und der Dämpfung auf dem Rückkopplungspfad zwischen Ausgangswandler und Mikrofon ergibt, grösser als 1, so kann sich bei geeigneter Phasenverschiebung eines Signals, insbesondere wenn die Phasenverschiebung 0 oder ganzzahlige Vielfache von 2·Pi beträgt, entlang dieser Rückkopplungsschleife eine Oszillation ergeben, die sich für den Träger als ein unangenehmes Pfeifen äußert.
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Zur Unterdrückung von Rückkopplungsgeräuschen in Hörhilfegeräten sind aus dem Stand der Technik unterschiedliche Maßnahmen bekannt. Eine Möglichkeit ist es, einen adaptiven Filter in dem Hörhilfegerät vorzusehen, dessen Koeffizienten aus einer auf unterschiedliche Weise ermittelten Antwortfunktion des Rückkopplungspfades abgeleitet werden. Dabei wird die jeweilige Änderung von Koeffizienten des adaptiven Filters mittels eines mathematischen Verfahrens nach einer normierten minimalen Abweichung des quadratischen Fehlers (normalized least mean square, NMLS) bestimmt. Dabei wird die Geschwindigkeit, mit der sich der adaptive Filter anpassen kann durch eine Schrittweite μ beeinflusst. Ist die Schrittweite groß, kann der adaptive Filter schnell folgen, ist die Schrittweite klein, so bildet der Filter die Eingangsfunktion gei geringen Änderungen besser ab.
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Aus der Veröffentlichung C. Antweiler, A. Schiffer und M. Dörbecker, „Accoustic Echo Control with Variable Individual Step Size", Proc. IWAENC, Seiten 15 bis 18, Norwegen, 1995 ist es beispielsweise bekannt, die Schrittweite μ jeweils für Koeffizienten, die einer größeren Zeitverzögerung zugeordnet sind, mit einem exponentiellen Abfall in Abhängigkeit von der Zeitverzögerung zu gewichten. Dies ist aus der allgemeinen Erkenntnis abgeleitet, dass eine Anregung einer gedämpften Schwingung mit der Zeit exponentiell abfällt. Da sich reale Impulsantworten aus einer Vielzahl unterschiedlicher gedämpfter Schwingungen mit unterschiedlichen Abklingzeiten zusammensetzen, ergeben sich Abweichungen.
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Aus der Druckschrift Benesti, Sondhi, Huang, Handbook of Speech Processing, Kapitel 6.6.4, Seite 114, Springer Verlag, 2008 ist es bekannt, einen Koeffizienten mit einem Faktor zu gewichten, der proportional zu einem vorhergehenden Wert desselben Koeffizienten ist. Ändert sich jedoch der Rückkopplungspfad und damit die Impulsantwort, so konvergiert das adaptive Filter für Koeffizienten mit vormals kleinen Werten langsam.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren und eine Vorrichtung bereitzustellen, bei der eine Rückkopplungsunterdrückung verbessert ist.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren nach Anspruch 1, sowie eine Vorrichtung nach Anspruch 8.
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Das erfindungsgemäße Verfahren betrifft ein Verfahren zur Reduktion von Rückkopplungen in einem Hörhilfegerät. Das Hörhilfegerät weist einen akusto-elektrischen Wandler, eine Signalverarbeitungseinrichtung, eine Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung und einen elektro-akustischen Wandler auf.
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In einem Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine erste Rückkopplungsübertragungsfunktion zu einem ersten Zeitpunkt ermittelt. Die Rückkopplungsübertragungsfunktion bildet Rückkopplungspfade von der Signalverarbeitungseinrichtung über den elektro-akustischen Wandler, einen akustischen Signalpfad von dem elektro-akustischen Wandler zu dem akustoelektrischen Wandler und über den akusto-elektrischen Wandler zurück zu der Signalverarbeitungseinrichtung ab. Der akustische Signalpfad, hängt von der Umgebung des Kopfes ab und ändert sich beispielsweise, wenn der Träger sich bewegt. Das Ermitteln kann beispielsweise ein Messen unterschiedlicher Rückkopplungsübertragungsfunktionen in einem Labor oder auch Schätzen mittels Näherungsverfahren wie NLMS im Betrieb der Hörgerätehilfe am Ohr des Trägers umfassen.
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In einem Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine gewichtete Mittelwertsfunktion in Abhängigkeit von Amplitudenbeträgen der ersten Rückkopplungsübertragungsfunktion bestimmt. Es kann dazu beispielsweise eine einhüllende Funktion für die Beträge der Amplituden gebildet werden oder eine mittels Tiefpass oder Bandpass geglättete Funktion der Amplitudenquadrate, die eine Energie der Impulsantwort über eine Zeitverzögerung in Bezug auf die Impulsanregung widerspiegelt.
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In einem anderen Schritt des Verfahrens wird eine zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion mittels eines adaptiven Filters geschätzt. Vorzugsweise erfolgt das Schätzen zu einem zweiten, unterschiedlichen Zeitpunkt. Dabei werden Koeffizienten des adaptiven Filters zur Unterdrückung eines Rückkopplungssignals in Abhängigkeit von der gewichteten Mittelwertsfunktion bestimmt. Beispielsweise wird in einem Schätzverfahren eine aktuelle Schätzfunktion aus Schätzwerten der Vergangenheit und einer Schätzung der Abweichung der Schätzwerte der Vergangenheit von den wirklichen Werten gebildet. Zum Schätzen einer Impulsantwort ist es beispielsweise möglich, jeweils Anteile mit unterschiedlicher Verzögerung in unterschiedlichen Koeffizienten zu berücksichtigen. Die Gewichtung der Änderung in den unterschiedlichen Koeffizienten kann wiederum abhängig durch Erfahrungswerte, die sich aus Mittelwertsfunktionen beispielhafter oder vergangener Impulsantworten ergeben, gewichtet werden.
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In einem anderen Schritt des erfindungsgemäßen Verfahrens wird das adaptive Filter auf ein Signal angewendet, das von einem akustischen Eingangssignal des akusto-elektrischen Wandlers abgeleitet wird. Beispielsweise ist es denkbar, mittels des adaptiven Filters einen Rückkopplungsanteil aus dem akustischen Signal herauszufiltern oder zu unterdrücken, indem das adaptive Filter dem Audiosignal ein zu dem Rückkopplungsanteil annähernd identisches Signal mit inversem Vorzeichen zumischt.
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Indem das erfindungsgemäße Verfahren zur Bestimmung der Koeffizienten Erfahrungen aus einer vergangenen Ruckkopplungsübertragungsfunktion in der Form der Gewichtung zur Bestimmung eines aktuellen Koeffizientensatzes verwendet, erlaubt es auf vorteilhafte Weise eine schnellere und genauere Schätzung der aktuellen Rückkopplungsübertragungsfunktion und damit eine effektivere und genauere Unterdrückung von Rückkopplungen unter Verringerung von Artefakten durch die Rückkopplungsunterdrückung. In vorteilhafter Weise werden die Koeffizienten des adaptiven Filters so angepasst, dass eine schnelle Adaption in solchen Bereichen der Rückkopplungsimpulsantwort gewährleistet ist, welche viel Energie beinhalten, wohingegen Bereiche mit niedriger Energie nur einer langsamen Adaption unterliegen. Bereiche mit niedriger Energie tragen nicht zur Gefahr von rückkopplungsbedingtem Pfeifen bei, somit ist es in diesen Bereichen wichtig, durch eine langsame Adaption für eine weitestgehende Artefaktfreiheit zu sorgen. Durch Verwendung einer Einhüllendenfunktion ist sichergestellt, dass Bereiche in der Nähe von Nulldurchgängen in der Rückkopplungsimpulsantwort nicht fälschlicherweise zu einer langsamen Adaption führen. Durch eine zeitliche Mittelung ist sichergestellt dass kurzfristige Fluktuationen nicht zu Fehladaptionen führen.
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Das erfindungsgemäße Hörhilfegerät zur Ausführung des Verfahrens teilt die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Weitere vorteilhafte Fortbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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In einer denkbaren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine Vielzahl von Rückkopplungsübertragungsfunktionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt und die gewichtete Mittelwertsfunktion wird in Abhängigkeit von der Vielzahl der Rückkopplungsübertragungsfunktionen bestimmt.
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So ist es vorteilhafter Weise denkbar, dass die Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung über einen längeren Zeitraum aus Rückkopplungsübertragungsfunktionen eine Mittelwertsfunktion bildet oder insbesondere Rückkopplungsübertragungsfunktionen mit stark unterschiedlichen Eigenschaften berücksichtigt.
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In einer möglichen Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt das Ermitteln der ersten und zweiten Rückkopplungsübertragungsfunktionen durch ein Schätzen der Rückkopplungsübertragungsfunktionen in dem Hörhilfegerät.
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Auf vorteilhafte Weise kann so das Hörhilfegerät sich im Betrieb an die Umgebung des Trägers anpassen und ihm eine bessere Funktionalität mit weniger Rückkopplung und Artefakten bieten.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens erfolgt das Ermitteln der ersten Rückkopplungsübertragungsfunktion durch ein Messen der Rückkopplungsübertragungsfunktionen.
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Auf vorteilhafte Weise ermöglicht es ein Messen, bestimmte Hörsituationen genauer zu erfassen und auch für das Hörhilfegerät schon vor der ersten Nutzung durch den Träger eine Mittelwertsfunktion bereitzustellen, sodass eine Nutzung für den Träger ohne Trainingsphase möglich wird.
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In einer denkbaren Ausführungsform des Verfahrens ist die Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung als Teil der Signalverarbeitungseinrichtung implementiert, sodass die Signalverarbeitungseinrichtung die Schritte des Verfahrens ausführt.
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Auf vorteilhafte Weise kann so die Anzahl der Bauelemente des Hörhilfegeräts reduziert werden und Synergien bei dem Bestimmen der Koeffizienten genutzt werden, beispielsweise durch Zugriff auf gemeinsame Daten.
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In einer denkbaren Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird dieses in einer Mehrzahl von disjunkten oder teilweise überlappenden Frequenzbereichen ausgeführt.
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Das ermöglicht es dem Hörhilfegerät, auf unterschiedliche Rückkopplungsbedingungen bei unterschiedlichen Frequenzen zu reagieren und das Verfahren daran anzupassen. Beispielsweise sind wegen höherer Dämpfung einer angeregten Schwingung bei hohen Frequenzen kürzere Filterlängen denkbar oder bei niedrigeren Frequenzen eine geringere Abtastrate.
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In einer möglichen Ausführungsform des Verfahrens wird nach Schritt Anwenden des adaptiven Filters mit Schritt Bestimmen einer gewichteten Mittelwertsfunktion fortgefahren, wobei die zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion gemeinsam mit der ersten Rückkopplungsübertragungsfunktion zur Bildung der gewichteten Mittelwertsfunktion verwendet wird und eine neue zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion geschätzt wird.
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So kann auf vorteilhafte Weise eine permanente Aktualisierung des adaptiven Filters und der Schrittweite erfolgen, sodass auch bei sich ändernden Rückkopplungsbedingungen eine schnelle Konvergenz mit geringen Artefakten erreicht werden kann.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung teilt die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Die oben beschriebenen Eigenschaften, Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sowie die Art und Weise, wie diese erreicht werden, werden klarer und deutlicher verständlich im Zusammenhang mit der folgenden Beschreibung der Ausführungsbeispiele, die im Zusammenhang mit den Zeichnungen näher erläutert werden.
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Es zeigen:
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1 eine beispielhafte schematische Darstellung eines erfindungsgemäßen Hörhilfegeräts in Funktionsblöcken;
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2 ein schematisches Ablaufdiagramm eines erfindungsgemäßen Verfahrens
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3 ein Diagramm mit beispielhaften Impulsantworten von Rückkopplungspfaden;
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4 ein Diagramm mit beispielhaften Mittelwertsfunktionen zu den Impulsantworten;
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5. Ein Diagramm mit beispielhaften Gewichtungskoeffizienten.
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1 zeigt ein erfindungsgemäßes Hörhilfegerät 100 als schematische Darstellung in Funktionsblöcken. Das erfindungsgemäße Hörhilfegerät weist einen akusto-elektrischen Wandler 2 auf, der eine mechanische Schwingung, üblicherweise als Luftschall d(k) aufgenommen, in ein elektrisches Signal m(k) umwandelt. Üblicherweise handelt es sich bei dem akustoelektrischen Wandler 2 um ein oder mehrere Mikrofone, meist kapazitiv und teilweise auch als MEMS-Mikrofon aus Silizium mikromechanisch ausgebildet. Es ist dabei denkbar, dass die Signale mehrerer Mikrofone als Mikrofon mit Richtcharakteristik zusammengeschaltet sind. In diesem Fall handelt es sich bei dem Signal m(k) bevorzugter Weise um ein Signal mit Richtcharakteristik.
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Das Hörhilfegerät 100 weist weiterhin eine Signalverarbeitungseinrichtung 3 auf, die ausgelegt ist, ein eingehendes Signal e(k) vorzugsweise frequenzabhängig zu verstärken, sodass eine Hörschwäche eines Trägers ausgeglichen werden kann und leise Töne unterhalb der Hörschwelle des Träger in einen Bereich oberhalb dessen Hörschwelle angehoben werden. Dazu kann die Signalverarbeitungseinrichtung 3 beispielsweise eine Filterbank aufweisen.
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Denkbare weitere Funktionen der Signalverarbeitungseinrichtung 3 sind Dynamikkompression, Klassifizierung von Hörsituationen, Rauschunterdrückung, Steuerung von Richtcharakteristiken des Mikrofons, binaurale Signalverarbeitung, wenn das Hörhilfegerät 100 über eine nicht dargestellte Kommunikationsschnittstelle mit einem zweiten Hörhilfegerät 100 in Signalverbindung steht.
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Weiterhin weist das Hörhilfegerät einen elektro-akustischen Wandler 4 auf, der als Lautsprecher oder Hörer ausgeführt ist. Der elektro-akustische Wandler 4 kann bei einem Hinterdem-Ohr-Hörhilfegerät 100 in einem Gehäuse hinter dem Ohr angeordnet sein und den Schall über einen Schallschlauch an ein Ohrstück im Gehörgang des Trägers übertragen werden. Denkbar ist bei einem HdO-Hörgerät auch, dass der elektro-akustische Wandler 4 in dem Gehörgang des Trägers angeordnet ist und über eine elektrische Signalverbindung ein auszugebendes Signal erhält. Schließlich kann es sich bei dem Hörhilfegerät 100 auch um ein In-dem-Ohr oder CiC-(complete in channel)Hörhilfegerät handeln, sodass alle Komponenten des Hörhilfegeräts an oder in dem Gehörgang des Trägers angeordnet sind.
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Zwischen dem elektro-akustischen Wandler 4 und dem akustoelektrischen Wandler 2 besteht immer ein Rückkopplungspfad g(k), über den akustische Energie zurück zu dem akustoelektrischen Wandler 2 übertragen werden kann. Der Rückkopplungspfad kann durch die Luft ausgebildet sein, zum Beispiel durch einen Spalt zwischen Gehörgang und einer Abdichtung des Gehörgangs (z.B. einer Ohrschale oder einem „Ear-Dome“) oder auch als Körperschallübertragung durch ein Gehäuse des Hörhilfegeräts 100. Denkbar ist auch eine Kombination beider Wege. Dabei sind die Eigenschaften des Rückkopplungspfades auch von der Umgebung eines Kopfes des Trägers abhängig, beispielsweise von einer Reflexion an einer Wand oder einem Autofenster oder auch einem Telefonhörer in Ohrnähe. Eine Dämpfung des Rückkopplungspfades ist dabei stark frequenzabhängig. Ist die Gesamtverstärkung über elektro-akustischen Wandler 4, den Rückkopplungspfad g(k), den akusto-elektrischen Wandler 2 und die Signalverarbeitung 3 größer als 1 unter der Berücksichtigung der Phase, so tritt ein Rückkopplungspfeifen auf.
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Um ein derartiges Rückkopplungspfeifen zu verhindern oder zumindest zu reduzieren, weist das Hörhilfegerät 100 eine Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung 6 auf, die in der dargestellten Ausführungsform einen adaptiven Filter 7 und einen Mischer 8 aufweist. Das adaptive Filter 7 erhält über eine erste Signalleitung 11 das der Signalverarbeitungseinrichtung 3 zugeführte Eingangssignal e(k) und über eine zweite Signalleitung 9 das von der Signalverarbeitungseinrichtung ausgegebene Signal x(k). Weiterhin steht das adaptive Filter 7 über eine dritte Signalleitung 10 mit der Signalverarbeitungseinrichtung 3 in Verbindung, um deren Wirkung zur Verarbeitung des Eingangssignals e(k) zu erfassen. Dies kann beispielsweise durch eine Übermittlung von Verarbeitungsparametern geschehen.
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Das adaptive Filter 7 verarbeitet die zugeführten Signale zu einem Kompensationssignal c(k), das über einen Mischer 8 dem elektrischen Signal m(k) zugemischt wird, um eine Rückkopplung zu reduzieren. Näheres zur Art des Erzeugung des Kompensationssignals c(k) ist im Folgenden zur 2 näher erläutert.
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Es ist anzumerken, dass insbesondere die Aufteilung von Funktionalitäten in der 1 nur beispielhaft ist. Es ist ebenso denkbar, dass die Rückkopplungsunterdrückungseinheit 6 nicht wie in 1 dargestellt, als eigene Funktionsblöcke 7 und 8 ausgeführt ist, sondern lediglich als programmgesteuerte Funktionen in der Signalverarbeitungseinrichtung 3, oder auch als hardware-implementierte Schaltungen darin. Auch ist es denkbar, dass das adaptive Filter 7 nicht filtert, indem es ein Kompensationssignal c(k) erzeugt und dem elektrischen Signal m(k) zumischt, um durch destruktive Interferenz ein Rückkopplungssignal zu reduzieren, sondern als subtraktives Filter selbst in dem Signalpfad m(k) vorgesehen ist. Auch können die Signale x(k) und e(k) an unterschiedlichen Stellen dem Signalfluss entnommen werden, ohne das Prinzip der Erfindung zu verlassen. Denkbar ist beispielsweise, dass das adaptive Filter 3 den Einfluss der Signalverarbeitungseinrichtung 3 durch Vergleich der Signale e(k) und x(k) selbst ermittelt. Ebenso ist es aber auch denkbar, dass das adaptive Filter 7 alle Informationen zur Funktion der Signalverarbeitung 3 über die Signalverbindung 10 erhält, dafür aber nur eines der Signale e(k) oder x(k).
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2 zeigt einen beispielhaften Ablauf eines erfindungsgemäßen Verfahrens auf einem Hörhilfegerät der 1.
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In einem Schritt S10 wird eine erste Rückkopplungsübertragungsfunktion zu einem ersten Zeitpunkt auf einem Rückkopplungspfad von der Signalverarbeitungseinrichtung 3 über den elektro-akustischen Wandler 4, einen akustischen Signalpfad g(k) von dem elektro-akustischen Wandler 4 zu dem akustoelektrischen Wandler 2 und über den akusto-elektrischen Wandler 2 zurück zu der Signalverarbeitungseinrichtung 3 erfasst.
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Dabei ist es denkbar, dass die Rückkopplungsübertragungsfunktion bei einem Hörgeräteakustiker in einer Messbox gemessen werden oder in einem Labor durch Messung am Träger oder einem Kunstkopf. In diesen Ausführungsformen kann die Rückkopplungsübertragungsfunktion genauer gemessen werden, da jeweils Eingangs- und Ausgangssignal extern erfasst und miteinander verarbeitet werden können. Es ist dabei denkbar, typische Hörumgebungen darzustellen, wie Telefonieren mit einem Mobiltelefon oder Sitzen in einem Auto mit dem Ohr in der Nähe einer Scheibe.
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Vorzugsweise werden mehrere Rückkopplungsübertragungsfunktionen für typische Umgebungen gemessen.
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Ebenso ist es aber auch denkbar, dass die Rückkopplungsübertragungsfunktionen in dem Hörhilfegerät selbst beim Tragen geschätzt, d.h. durch zu Schritt S30 erläuterte Näherungsfunktionen erfasst werden. Die so erfassten Rückkopplungsübertragungsfunktionen weisen auf vorteilhafte Weise keinen Einfluss der Messumgebung auf und können alltäglichen Situationen des Trägers entsprechen.
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3 stellt zwei beispielhafte Impulsantworten als mögliche Darstellungsform einer Rückkopplungsübertragungsfunktion dar. Dabei sind Impulsantwort und Rückkopplungsübertragungsfunktion in dem Sinne äquivalent zueinander, dass jeweils die eine mittels mathematischer Verfahren aus der anderen eindeutig abgeleitet werden kann. In der x-Achse ist die Zeit in Vielfachen eines Abtastzyklus angegeben, in der y-Achse eine normierte Amplitude. Dabei gibt die x-Achse eine Zeitverzögerung gegenüber einem Anregungsimpulses an.
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In einem Schritt S20 wird aus der erfassten ersten Rückkopplungsübertragungsfunktionen eine gewichtete Mittelwertsfunktion in Abhängigkeit von Amplitudenbeträgen der ersten Rückkopplungsübertragungsfunktion bestimmt. 4 zeigt zunächst zu jeder Impulsantwort eine Funktion, die durch normieren einer Funktion in Abhängigkeit von den Amplitudenbeträgen generiert wird. Die Funktionen haben daher nur noch positives Vorzeichen. Für die großen Amplituden am Beginn wird der Funktionswert gleich 1 gesetzt im Sinne einer Begrenzung.
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Ein Mittelwert kann im Sinne eines zeitlichen Glättens der Rückkopplungsübertragungsfunktion beispielsweise dadurch erfolgen, dass eine Einhüllende der positiven Amplituden gebildet wird. Denkbar ist auch ein Tiefpass oder Bandpass über eine Funktion der Amplitudenquadrate.
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Ein Mittelwert kann zusätzlich im Sinne einer arithmetischen Mittelung oder anderen Mittelung zum Beispiel durch Addieren von mehreren Funktionswerten unterschiedlicher Rückkopplungsübertragungsfunktionen und Teilen durch die Anzahl der erfassten Funktionen gebildet werden, sofern mehrere Rückkopplungsübertragungsfunktionen erfasst wurden. Dies kann beispielsweise durch Messung oder durch eine Iteration des Verfahrens über eine Mehrzahl der Rückkopplungsübertragungsfunktionen erfolgen. Es sind aber auch andere Formen denkbar, wie das Gewichten einer Funktion bei der Mittelwertbildung in Abhängigkeit von dem Alter der korrespondierenden Rückkopplungsübertragungsfunktion.
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Handelt es sich bei der erfassten Rückkopplungsübertragungsfunktion des Schritts S10 um eine gemessene Funktion, so kann die Mittelwertsfunktion bereits außerhalb des Hörhilfegerätes 100 in einer Messvorrichtung errechnet und auf das Hörhilfegerät 100 übertragen werden. Handelt es sich hingegen um eine in dem Hörhilfegerät 100 geschätzte Rückkopplungsübertragungsfunktion, so wird die gewichtete Mittelwertsfunktion vorzugsweise in dem Hörhilfegerät 100, z.B. von der Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung 6 bestimmt.
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In einem Schritt S30 des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion geschätzt. Vorzugsweise modelliert das adaptive Filter 7 die zeitabhängige Rückkopplungsübertragungsfunktion als zeitabhängige Impulsantwort g(k) des Rückkopplungspfades.
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Ein Beispiel für ein Schätzungsverfahren ist die Aktualisierung von Koeffizienten eines adaptiven Filters mittels des NLMS-Algorithmus. Aus einem Wert zu einem Zeitpunkt k wird nach der folgenden Formel der Wert zu einem Zeitpunkt k + 1 geschätzt: h(k + 1) = h(k) + µ[(e·(k)x(k))/(x·(k)x(k))]
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Dabei gibt k eine diskrete Zeitskala an, x ist der Eingangswert der Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung, e = m – c ist das Fehlersignal, das als eine Differenz des Mikrofonsignals m und des Kompensationssignals c angeben ist, µ ist eine Schrittweite, die eine Anpassungsgeschwindigkeit des Filters steuert und · bezeichnet die komplex Konjugierte eines Wertes. Dabei sind h, x und µ Vektoren in einem Raum, dessen Dimensionaliät durch die Länge des Filters bzw. die Anzahl der Koeffizienten gegeben ist: h(k) = [h0(k), h1(k), h2(k), ..., hN(k)], wobei N die Anzahl der Koeffizienten in dem Modell der geschätzten Funktion ist.
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Siehe dazu auch:
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Andere denkbare Verfahren zum Schätzen einer Rückkopplungsübertragungsfunktion sind:
- – LMS – Least mean squares
- – RLS – Recursive least squares
- – Affine Projection
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Dabei werden die Koeffizienten des adaptiven Filters zur Unterdrückung eines Rückkopplungssignals an die zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion angepasst oder mit anderen Worten die Ruckkopplungsübertragungsfunktion durch die Koeffizienten modelliert, wobei eine Änderung der Koeffizienten in Abhängigkeit von der Mittelwertsfunktion gewichtet wird. Zur Anpassung der Koeffizienten wird ein Korrekturwert mit einem Gewichtungsfaktor bzw. einer Schrittweite gewichtet. In der dargestellten Ausführungsform erfolgt diese Gewichtung über die Schrittweite µ, die wie oben dargestellt bei der Schätzung der durch die Koeffizienten modellierten Rückkopplungsübertragungsfunktion eingehen. Der Gewichtungsfaktor wird aus der Mittelwertsfunktion abgeleitet. Im einfachsten Fall könnte es der Wert einer in 4 dargestellten Mittelwertsfunktion selbst sein. Der Wert eines Gewichtungsfaktors μ(k) ist dann beispielsweise ein Funktionswert einer in 4 dargestellten Funktion für den Wert k in der x-Achse.
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Bevorzugter Weise wird jedoch wie in 5 eine Schrittweite aus der Mittelwertsfunktion der 4 abgeleitet. In 5 ist dazu anstelle einer linearen, normierten Skala bis 1 eine Skala gemäß dem 10er-Logarithmus log10 aufgetragen. Auf diese Weise ist der Dynamikbereich der Schrittweite wesentlich größer, sodass bei großen Werten der Impulsantwort in 3 eine schnelle Konvergenz erreicht wird, während bei kleinen werten eine hohe Genauigkeit bei der Anpassung und damit geringe Artefakte auftreten.
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Denkbar ist es aber auch, dass in einem erfindungsgemäßen Verfahren das Schätzen der zweiten Rückkopplungsübertragungsfunktion getrennt von einer Gewichtung der Koeffizienten nacheinander erfolgt.
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Schließlich wird in einem Schritt S40 das adaptive Filter auf ein Signal angewandt, das von einem akustischen Eingangssignal des akusto-elektrischen Wandlers abgeleitet wird. Unter abgeleitet ist dabei jegliche, in einem Hörhilfegerät denkbare Signalverarbeitung zu verstehen, wie zum Beispiel A/D-Wandlung, Verstärkung, auch frequenzabhängig, Ausbilden einer Richtwirkung oder auch andere Funktionen, die in der Signalverarbeitung 3 möglich sind. In der 1 ist das Anwenden des Filters durch das Kompensationssignal c(k) dargestellt, das ein geschätztes Rückkopplungssignal darstellt und mit umgekehrten Vorzeichen zu dem Signal m(k) des Mikrofons addiert wird, sodass sich idealerweise das Signal des adaptierten Filters und der Rückkopplungsanteil des Mikrofonsignals m(k) aufheben.
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In einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens wird dieses nach Schritt S40 mit Schritt S20 fortgeführt, wobei die zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion gemeinsam mit der ersten Rückkopplungsübertragungsfunktion zur Bildung der Mittelwertsfunktion verwendet wird und eine neue zweite Rückkopplungsübertragungsfunktion in Schritt S30 geschätzt wird.
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In einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die Schritte S10 bis S40 jeweils in getrennten oder nur teilweise überlappenden Frequenzbändern ausgeführt, sodass unterschiedliche Rückkopplungsbedingungen in unterschiedlichen Frequenzen jeweils optimal unterdrückt werden können. Dazu kann beispielsweise eine Filterbank in der Rückkopplungsunterdrückungseinrichtung 6 vorgesehen sein oder auch eine Filterbank in der Signalverarbeitungseinrichtung 3 genutzt werden.
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Obwohl die Erfindung im Detail durch das bevorzugte Ausführungsbeispiel näher illustriert und beschrieben wurde, so ist die Erfindung nicht durch die offenbarten Beispiele eingeschränkt und andere Variationen können vom Fachmann hieraus abgeleitet werden, ohne den Schutzumfang der Erfindung zu verlassen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- C. Antweiler, A. Schiffer und M. Dörbecker, „Accoustic Echo Control with Variable Individual Step Size“, Proc. IWAENC, Seiten 15 bis 18, Norwegen, 1995 [0006]
- Benesti, Sondhi, Huang, Handbook of Speech Processing, Kapitel 6.6.4, Seite 114, Springer Verlag, 2008 [0007]
- S. Haykin, Adaptive Filter Theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall, 1996 [0059]
- Toon van Waterschoot and Marc Moonen, "Fifty years of acoustic feedback control: state of the art and future challenges", Proc. IEEE, vol. 99, no. 2, Feb. 2011, pp. 288–327 [0059]