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Stand der Technik
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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Erzeugen einer Notverzögerung eines bewegten Fahrzeugs, auf ein Regel- und/oder Steuergerät sowie auf eine automatische Parkbremse.
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Die Einleitung einer Notverzögerung während des Fahrbetriebs mittels einer automatischen Parkbremse ist grundsätzlich bekannt. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sind Fahrzeughersteller verpflichtet, neben der herkömmlichen Bremsfunktion des Fußpedals eine weitere davon unabhängige Notbremsfunktion während des Fahrbetriebs eines Fahrzeugs bereitzustellen. Diese zusätzliche Bremsfunktion soll im Falle eines Ausfalls des Bremspedals zum Einsatz kommen und muss durch den Fahrer manuell betätigt werden. In Fahrzeugen ohne automatische Parkbremse bildet eine herkömmliche Handbremse diese Zusatzbremse. Sofern statt einer herkömmlichen Handbremse eine automatische Parkbremse vorgesehen ist, die eine elektromechanische Klemmkraft auf die Bremsscheiben der Hinterräder ausüben kann, wird sie durch Betätigung des Parkbremstasters durch den Fahrer auch während der Fahrt eingesetzt, um eine Notverzögerung zu bewirken. Durch die Betätigung des Parkbremstasters durch den Fahrer kann die automatische Parkbremse teilweise, d.h. auf einem reduzierten Klemmkraftniveau, aktiviert und verriegelt und das Fahrzeug dadurch verzögert werden. Da die elektromechanische Bremsfunktion ausschließlich an den Hinterrädern vorgesehen ist, wirkt sei bei einer Notverzögerung auch nur dort. Bei einer durch die automatische Parkbremse eingeleiteten Notverzögerung wird die Bremse elektromechanisch teilweise zugespannt, wodurch die Räder der Hinterachse abgebremst und damit das gesamte Fahrzeug verzögert wird. Dieses Konzept wird insbesondere bei Fahrzeugen mit Antiblockiersystem (ABS) umgesetzt, das keinen aktiven Druckaufbau im Bremssystem durchführen und folglich keine entsprechende Bremskraft für eine Notverzögerung bereitstellen kann.
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Problematisch bei der herkömmlichen durch eine automatische Parkbremse eingeleiteten Notbremsfunktion und die daraus resultierende Fahrzeugverzögerung ist, dass die hieraus resultierende Verzögerung verhältnismäßig gering ist und bei einem Fahrbahnbelag mit einem verminderten Reibwert zu einem instabilen Fahrzeugverhalten führen kann.
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Es ist daher die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zum Erzeugen einer Notverzögerung und eine automatische Parkbremse bereitzustellen, die eine effektivere Notverzögerung bei gleichzeitiger erhöhter Fahrzeugstabilität gewährleistet.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche gelöst. Weiterbildungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Ein Verfahren gemäß der Erfindung dient zum Erzeugen einer Notverzögerung eines bewegten Fahrzeugs durch manuelles Betätigen eines Parkbremstasters einer automatischen Parkbremse. Bei dem Verfahren wird aufgrund der manuellen Betätigung des Parkbremstasters (z.B. Druckknopf) ein hydraulischer Druck an den Bremsen der Vorderräder aufgebaut.
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Gemäß der Erfindung wird vorteilhafterweise eine Notbremsfunktion an den Rädern der Vorderachse durchgeführt und nicht an den Rädern der Hinterachse. Durch die Betätigung des Parkbremstasters während der Fahrt wird somit ein hydraulischer Druck an den Bremsen der Vorderräder aufgebaut und das Fahrzeug dadurch verzögert. Dadurch, dass nur die Räder der Vorderachse abgebremst werden, um die Notverzögerung zu erzeugen, wird eine höhere Fahrzeugstabilität gewährleistet, da die Hinterachse vollständig die Seitenführungskräfte während der Notverzögerung aufbauen bzw. aufrechterhalten kann. Eine Überbremsung des Fahrzeugs wird somit vermieden. Das Fahrzeug lässt sich damit insgesamt besser kontrollieren. Darüber hinaus wird durch die an der Vorderachse wirkenden Fahrzeugverzögerung die Vorderachse stärker belastet, woraus höhere Aufstandskräfte resultieren. Dadurch ist eine höhere Notverzögerung an der Vorderachse möglich, als eine Notverzögerung, die durch eine Bremsfunktion an der Hinterachse bewirkt wird. Insgesamt wird gemäß der vorliegenden Erfindung in vorteilhafter Weise aufgrund der Betätigung des Parkbremstasters anstelle der eigentlichen elektromechanischen Bremsfunktion ein hydraulischer Druck an den Bremsen der Vorderräder aufgebaut. Dadurch wird nicht nur eine höhere Notverzögerung erzielt, sondern die Fahrzeugstabilität wird darüber hinaus deutlich verbessert.
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Vorteilhafterweise wird der hydraulische Druck an den Bremsen der Vorderräder bei der Betätigung des Parkbremstasters während der Fahrt nur dann aufgebaut, wenn im Startzeitpunkt der Notverzögerung die Fahrzeuggeschwindigkeit unbekannt ist oder einen vorbestimmten Schwellwert überschreitet. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs kann im Startzeitpunkt der Notverzögerung beispielsweise dann unbekannt sein, wenn die Pumpenansteuerung defekt ist. Dies schließt alle Pumpenelemente und/oder die Ventile mit ein. In diesem Fall kann auch bei einem ESP-System kein aktiver Druck aufgebaut werden. Ganz allgemein kann ein Fehler in der Signalaufbereitung eines ABS-Systems oder eines ESP-Systems eines Fahrzeugs dazu führen, dass keine Geschwindigkeitsinformation vorliegt. Auch in diesem Fall bewirkt die Betätigung des Parkbremstasters durch den Fahrer im bewegten Zustand des Fahrzeugs die Bereitstellung eines hydraulischen Drucks an den Bremsen der Vorderräder, anstelle einer elektromechanischen Verriegelung der Hinterräder. Durch diese Ausprägung der Erfindung wird sichergestellt, dass oberhalb einer kritischen Geschwindigkeit, bei der die Fahrzeugstabilität gefährdet ist, das erfindungsgemäße Verfahren durchgeführt und die Fahrzeugsicherheit damit deutlich verbessert wird.
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Bei einer weiteren Ausführungsform der Erfindung kann darüber hinaus vorgesehen sein, dass bei einem Unterschreiten eines vorbestimmten Fahrzeug-geschwindigkeitschwellwerts eine elektromechanische Bremskraft an den Hinterrädern erzeugt wird, wenn der Fahrer den Parkbremstaster während der Fahrt betätigt. Der definierte Schwellwert einer Restgeschwindigkeit des Fahrzeugs kann beispielsweise 15 km/h betragen. Unterhalb dieser Geschwindigkeitsschwelle ist auch der Einsatz eines Antiblockiersystems (ABS) nicht zwingend notwendig. Die Startgeschwindigkeit wird zum Zeitpunkt des Funktionsaufrufs, d.h. zum Zeitpunkt der Betätigung des Parkbremstasters während der Fahrt durch den Fahrer, erfasst und dem weiteren Verfahren als Entscheidungskriterium zugrundegelegt. Das erfindungsgemäße Verfahren kommt also insbesondere nur dann zum Einsatz, wenn die Fahrzeugsicherheit gefährdet ist und ein Abbremsen der Vorderräder somit vorteilhaft ist.
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Vorteilhafterweise findet nach dem manuellen Betätigung des Parkbremstasters durch den Fahrer eine Volumenverschiebung einer Hydraulikflüssigkeit von den Hinterrädern zu den Vorderrädern statt, die den benötigten hydraulischen Druck an den Bremsen der Vorderräder zur Erzeugung der Notverzögerung erzeugt. Durch diese vorteilhafte Volumenverschiebung, die mittels der automatischen Parkbremse bewirkt wird, kann die vorliegende Erfindung auch in ABS-Systemen zum Einsatz kommen, die keinen aktiven Druckaufbau an den Rädern zur Bereitstellung einer benötigten Bremskraft durchführen können.
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Vorteilhafterweise wird nach dem manuellen Betätigen des Parkbremstasters mindestens ein Steuerventil in einem Bremskreis, insbesondere in einem ABS-Bremskreis oder in einem ESP-Bremskreis, derart aktiviert, dass ein Rückfluss von in dem Bremskreis befindlicher Hydraulikflüssigkeit in einen Hauptzylinder des Bremskreises verhindert wird. Durch diese Ausgestaltung der Erfindung kann eine Volumenverschiebung von Hydraulikflüssigkeit (Bremsflüssigkeit) von den Hinterrädern zu den Vorderrädern durchgeführt werden, ohne dass die Hydraulikflüssigkeit zurück in den Hauptzylinder geleitet wird. Die notwendigen Steuerventile sind folglich derart in dem Bremskreis des jeweiligen Fahrzeugs angeordnet, dass ein Rückfluss der Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder vermieden werden kann, und andererseits ein Fluss der Hydraulikflüssigkeit von den Hinterrädern zu den Vorderrädern weiterhin ermöglicht wird. Nach einem Betätigen des Parkbremstasters durch den Fahrer während der Fahrt, wird das Steuerventil bzw. die Steuerventile vorzugsweise geschlossen, so dass ein Rückfluss der Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder des Bremskreises ausgeschlossen ist. Bei dem mindestens einen Steuerventil kann es sich um ein zusätzliches Ventil handeln, welches in den jeweiligen Bremskreis, zum Beispiel in einen ABS-Bremskreis, eingebracht wird. Denkbar sind jedoch auch Ausführungsformen der Erfindung, bei denen vorhandene Steuerventile, beispielsweise eines ESP-Bremskreises, zur Verhinderung eines Rückflusses der Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder eingesetzt werden.
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Vorteilhafterweise wird die Volumenverschiebung der Hydraulikflüssigkeit von der Hinterachse zur Vorderachse durch eine Verlagerung der den Hinterrädern zugeordneten Bremskolben in einer Löserichtung der automatischen Parkbremse bewirkt. Durch eine geeignete Verlagerung des Bremskolbens in einer Löserichtung der automatischen Parkbremse, wird die in dem Bremskolben bzw. in einem Fluidraumraum (der automatischen Parkbremse, die Teil der den Hinterrädern zugeordneten hinteren Betriebsbremsen ist – z.B. „motor on caliper“ System) befindliche Hydraulikflüssigkeit, mittels derer bei einer Betriebsbremsung eine hydraulische Kraft auf den Bremskolben ausgeübt wird, aus den den Hinterrädern zugeordneten hinteren Bremsen heraus befördert und über die entsprechenden Teilbremskreise den den Vorderrädern zugeordneten vorderen Bremsen zugeführt. Diese Funktion der automatischen Parkbremse kann durch eine geeignete Modifikation der Bremskolben bewirkt werden. Für den Fall, dass der Fahrer während der Fahrt den Parkbremstaster betätigt, wird die automatische Parkbremse folglich derart angesteuert, dass eine Verlagerung des Bremskolbens durch Einsatz eines Bremsmotors die Volumenverschiebung der Hydraulikflüssigkeit bewirkt. Gegenüber herkömmlichen automatischen Parkbremsen verfügt die automatische Parkbremse gemäß der vorliegenden Erfindung folglich über eine Zusatzfunktion, welche eine Volumenverschiebung durch eine Verlagerung des Bremskolbens in einer Löserichtung der automatischen Parkbremse bewirkt.
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Besonders vorteilhaft ist es, wenn bei Vorliegen eines in den Bremsen der Vorderräder wirkenden Bremsdrucks, der einen für eine vorgegebene Mindestverzögerung benötigten Bremsdruck übersteigt und/oder bei Vorliegen eines Radschlupfs, der einen vorbestimmten Grenzwert übersteigt, die Ansteuerung der automatischen Parkbremse beendet oder unterbrochen wird. Weiterhin kann eine Richtungsumkehr der Ansteuerung der automatischen Parkbremse, d.h. ein Zuspannvorgang eingeleitet werden, wenn ein Blockieren der Vorderräder detektiert wird. Auch in diesem Fall wird folglich eine weitere Volumenverschiebung von den Hinterrädern zu den Vorderrädern unterbunden. Auch im Falle des Erreichens einer gewünschten Notverzögerung an den Vorderrädern kann die Ansteuerung der automatischen Parkbremse gestoppt werden. Mit anderen Worten wird in diesem Fall der Lösevorgang der automatischen Parkbremse und damit die Volumenverschiebung der Hydraulikflüssigkeit von der Hinterachse zu der Vorderachse unterbrochen. Die Ansteuerung der automatischen Parkbremse kann im Übrigen radindividuell erfolgen. Dies bedeutet, dass die beiden an den Hinterrädern vorgesehenen Bremsmotoren der automatischen Parkbremse getrennt voneinander angesteuert werden und diese folglich unterschiedliche Volumenverschiebungen zu den Vorderrädern hin bewirken können. Insgesamt kann in vorteilhafterweise die an den Vorderrädern zu bewirkende Notverzögerung situationsabhängig gesteuert werden und die Ansteuerung der automatischen Parkbremse in Abhängigkeit vom Ist-Zustand der den Vorderrädern zugeordneten Bremsen, und insbesondere des Bremsdrucks, erfolgen. Alternativ kann auch, wenn eine Geschwindigkeitsinformation der Räder vorliegt, der Schlupf der Räder als Regelgröße für die Ansteuerung der Parkbremssteller verwendet werden.
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Bei einer weiteren Ausführungsform der Erfindung wirkt der Bremsdruck solange in den Bremsen der Vorderräder, bis das Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist. Alternativ wirkt der hydraulische Bremsdruck auf die Vorderräder solange, wie die manuelle Betätigung des Parkbremstasters andauert. Weiterhin wird nach Beendigung des Notverzögerungsvorgangs bzw. zum Eintritt der beiden vorgenannten Situationen, eine elektromechanische Klemmkraft durch die automatische Parkbremse auf die Hinterräder erzeugt, insbesondere dann, wenn das Fahrzeug zum Stillstand gekommen ist. Nach einer erfolgten elektromechanischen Verriegelung oder alternativ nach Beendigung des Funktionsaufrufs durch Betätigung des Parkbremstasters, werden vorzugsweise sämtliche Ventile des Bremskreises stromlos geschaltet und damit geöffnet. Dadurch wird ein Durchfluss von Hydraulikflüssigkeit und ein resultierender Druckabbau, insbesondere in den Bremsen der Vorderräder, ermöglicht. Es kann somit eine Übergabe von der auf die Vorderräder wirkenden hydraulischen Bremskraft auf die mechanische Bremskraft der Hinterräder gewährleistet werden, ohne dass die Gefahr eines Wegrollens des Fahrzeugs während der Übergabe besteht.
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Das erfindungsgemäße Verfahren läuft in einem Regel- bzw. Steuergerät in einem Kraftfahrzeug ab, das Bestandteil des automatischen Parkbremssystems sein kann.
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist auch eine automatische Parkbremse, die bei einem Funktionsaufruf im bewegten Zustand des Fahrzeugs, insbesondere durch Betätigung des Parkbremstasters durch einen Fahrer, die Bereitstellung eines hydraulischen Bremsdrucks an den Vorderrädern eines Fahrzeugs ermöglicht. Die automatische Parkbremse gemäß der vorliegenden Erfindung dient vorzugsweise zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Eine automatische Parkbremse dieser Art ist den Hinterrädern eines Fahrzeugs zugeordnet und umfasst einen elektrischen Bremsmotor, der mit einer Spindel verbunden ist und zur Erzeugung einer Klemmkraft zwischen einem Bremskolben und einer Bremsscheibe durch eine axiale Verlagerung einer Spindelmutter in Richtung der Bremsscheibe ausgebildet ist. Der Bremskolben kann außerdem bei einer Betätigung des Bremsmotors derart mit der Spindelmutter zusammenwirken, dass der Bremskolben in Richtung des Bremsmotors verlagert wird. Durch diese Verlagerung des Bremskolbens fließt Hydraulikflüssigkeit von den hinteren Bremsen über die entsprechenden Teilbremskreise zu den vorderen Bremsen des Fahrzeugs.
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Die Verlagerung des Bremskolbens zusammen mit der Spindelmutter wird vorzugsweise dadurch bewirkt, dass der Bremskolben mindestens einen der Spindel zugewandten Vorsprung aufweist, der dazu ausgebildet ist, mit der Spindelmutter in Eingriff zu gelangen, sodass bei einer Verlagerung der Spindelmutter eine Verlagerung des Bremskolbens bewirkt wird.
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Grundsätzlich sind auch andere Wirkmechanismen denkbar, die ein Zusammenwirken des Bremskolbens mit der Spindelmutter ermöglichen. Beispielsweise kann eine magnetische Kopplung zwischen den beiden Teilen vorgesehen sein, die bei Bedarf aktiviert wird, um eine Volumenverschiebung von Hydraulikflüssigkeit zu bewirken. Die Verlagerung des Bremskolbens durch Eingriff mit der Spindelmutter erfolgt dabei vorzugsweise dann, wenn der Bremsmotor zur Durchführung eines Lösevorgangs angesteuert wird, d.h., dass die Spindelmutter in einer axialen Richtung von der Bremsscheibe wegbewegt wird.
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Weitere Merkmale und Zweckmäßigkeiten der Erfindung ergeben sich aus der Beschreibung von Ausführungsbeispielen anhand der beigefügten Figuren. Von den Figuren zeigt:
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1 einen Schnitt durch eine automatische Parkbremse gemäß der Erfindung, mit einem Bremskolben zur Erzeugung einer das Fahrzeug festsetzenden Klemmkraft;
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2 eine schematische Darstellung eines modifizierten ABS-Bremskreises gemäß der Erfindung; und
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3 eine schematische Darstellung eines ESP-Bremskreises.
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1 zeigt eine Schnittansicht einer an den Hinterrädern eines Fahrzeugs angeordneten automatischen (automatisierten) Parkbremse 1 (Feststellbremse), die mittels eines nicht dargestellten, als Gleichstrommotor ausgebildeten Bremsmotors eine Klemmkraft zum Festsetzen des Fahrzeugs ausüben kann. Der Bremsmotor versetzt eine in einer axialen Richtung gelagerte Spindel 2, insbesondere eine Gewindespindel, in eine Drehbewegung. An ihrem dem Bremsmotor abgewandten Ende ist die Spindel 2 mit einer Spindelmutter 3 versehen, die an einer inneren Stirnseite bzw. einer Rückseite eines Bremskolbens 4 anliegt und in diesem beweglich gelagert ist. Die Spindelmutter 3 wird bei einer Drehbewegung des Bremsmotors und einer resultierenden Drehbewegung der Spindel 2, in der axialen Richtung auf der Spindel 2 verlagert. Die Spindelmutter 3 und der Bremskolben 4 sind in einem Bremssattel 5 gelagert, der eine Bremsscheibe (nicht gezeigt) zangenartig übergreift. Zu beiden Seiten der Bremsscheibe ist jeweils ein Bremsbelag angeordnet (nicht gezeigt).
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Im Falle eines Zuspannvorgangs der automatischen Parkbremse 1 dreht sich der Bremsmotor, woraufhin die Spindelmutter 3 den Bremskolben 4 über die Bremsbeläge in der axialen Richtung gegen die Bremsscheibe drückt, bis eine vorbestimmte maximale Klemmkraft erreicht ist. Im Falle eines Lösevorgangs der automatischen Parkbremse 1 dreht sich der Bremsmotor in die entgegengesetzte Richtung, so dass die Spindelmutter 3 auf der Spindel 2 in Richtung des Bremsmotors von der Bremsscheibe weg verlagert wird, wodurch die Klemmkraft reduziert und nach einem definierten Verfahrweg der Spindelmutter 3 schließlich vollständig abgebaut wird.
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Um im Falle einer angeforderten Notverzögerung einen hydraulischen Druck in den Bremsen der Vorderräder bereitstellen zu können, ist die automatische Parkbremse 1 gemäß der Erfindung so ausgebildet, dass sie eine Zusatzfunktion ausüben kann. Durch die Zusatzfunktion kann mittels der automatischen Parkbremse 1 eine Volumenverschiebung einer Hydraulikflüssigkeit von den Hinterrädern zu den Vorderrädern bewerkstelligt werden. Die Zusatzfunktion wird durch eine Fesselung des Bremskolbens 4 derart bewerkstelligt, dass bei einem Lösevorgang der Parkbremse 1 der Bremskolben 4 durch die Verlagerung der Spindelmutter 3 ab einem vorbestimmten Löseweg mitgenommen wird.
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Die Fesselung (Fixierung) des Bremskolbens 4 wird vorliegend mittels eines der Spindel 2 zugewandten radialen Vorsprungs 6 realisiert, der in den Verfahrweg der Spindelmutter 3 hineinragt. Die axiale Positionierung des Vorsprungs 6 an den Bremskolben 4 ist dabei derart, dass ein Normalbetrieb der automatischen Parkbremse 1 zum Festsetzen eines stillstehenden Fahrzeugs und ein herkömmlicher hydraulischer Bremsvorgang nicht behindert werden.
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Dies bedeutet, dass der Bremskolben 4 mittels eines hydraulischen Drucks bei Bedarf immer eine entsprechende Bremswirkung rückwirkungsfrei ausüben können muss. Damit die Rückwirkungsfreiheit auch bei Vorhandensein einer Bremskolbenfesselung gewährleistet ist, ist ein ausreichender Abstand a zwischen der Spindelmutter 3 und dem Vorsprung 6 zwingend notwendig. Der Abstand a bezieht sich dabei auf einen in 1 gezeigten Betriebszustand der automatischen Parkbremse 1, in dem die Stirnseite der Spindelmutter 3 an der Rückseite des Bremskolbens 4 anliegt. Dieser Abstand a muss größer sein als der maximal mögliche Abstand, der durch einen „normalen“ Bremsvorgang zwischen der Spindelmutter 3 und dem Vorsprung des Bremskolbens 4 beansprucht wird.
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Bei einem Lösevorgang der automatischen Parkbremse 1 wird die Spindelmutter 3 durch eine Drehbewegung der Spindel 2 von dem Bremskolben 4 wegbewegt. Der Löseweg der Spindelmutter 3 ist dabei so definiert, dass der Bremskolben 4 auch bei einem Scheibenschlag der Bremsscheibe ungehindert zurück gedrückt werden kann. Die Spindelmutter 3 muss sich also ausreichend weit von der Rückseite des Bremskolbens 4 wegbewegen können. Dementsprechend muss der Abstand a darüber hinaus eine Mindestgröße aufweisen, welche die vorgenannte Funktion beim Lösevorgang der automatischen Parkbremse 1 nicht beeinträchtigt. Der Abstand a ist demnach so zu wählen, dass die Funktionalitäten der automatischen Parkbremse 1 im „Normalbetrieb“ nicht beeinträchtigt werden.
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Um das Fahrzeug mittels der automatischen Parkbremse 1 an der Vorderachse zu verzögern, wird der Bremsmotor und damit die Spindel 2 zur Durchführung des Lösevorgangs angesteuert. Die Spindelmutter 3 wird dadurch auf der Spindel 2 von der Bremsscheibe weg und auf den Bremsmotor zubewegt. Nach einem bestimmten Löseweg kommt die Spindelmutter 3 in Kontakt mit dem Vorsprung 6 des Bremskolbens 4. Bei einer weiteren Bewegung der Spindelmutter 3 wird der Bremskolben 4 von der Spindelmutter 3 mitgenommen und in das Bremssattelgehäuse in Richtung des Bremsmotors gezogen. Dabei findet eine Volumenverschiebung der Bremsflüssigkeit statt. Diese Volumenverschiebung wird durch die entsprechende Einstellung der Ventile im Bremskreis des Fahrzeugs so gesteuert, dass damit an der Vorderachse ein Bremsdruck aufgebaut wird.
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Vorzugsweise erfolgt die vorgenannte Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 nur dann, wenn eine Restgeschwindigkeit des Fahrzeugs erfasst wird, die höher als ein definierter Schwellwert von beispielsweise 15 km/h ist. Unterhalb dieses Schwellwertes kann die automatische Parkbremse 1 in der herkömmlichen Art und Weise zur Erzeugung einer Notverzögerung an den Hinterrädern zugespannt werden, da die Fahrzeugsicherheit bei derartigen Geschwindigkeiten nicht gefährdet ist. Nach dem Betätigen des Parkbremstasters durch den Fahrer während der Fahrt, wird also die Fahrzeuggeschwindigkeit mit dem definierten Schwellwert verglichen und das erfindungsgemäße Verfahren nur dann ausgeführt, wenn der Schwellwert überschritten wird. Für den Fall, dass die Geschwindigkeit aufgrund eines Fehlers in der Signalaufbereitung nicht bekannt ist, wird ebenfalls das erfindungsgemäße Verfahren und damit eine „quasi-hydraulische“ Notverzögerung mittels der Zusatzfunktion der automatischen Parkbremse 1 durchgeführt. Erst im Anschluss an die hydraulische Notverzögerung erfolgt im Stillstand des Fahrzeugs die reguläre Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 zur Festsetzung des Fahrzeugs durch mechanisches Zuspannen und Verriegeln der automatischen Parkbremse 1.
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2 zeigt eine schematische Darstellung eines beispielhaften Bremskreises eines Fahrzeugs zur Durchführung der vorliegenden Erfindung. Bei dem gezeigten Bremskreis handelt es sich um einen zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens modifizierten ABS-Bremskreis 7, der über keine aktive Druckaufbaufunktion zur Erzeugung einer Bremskraft verfügt.
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In 2 ist ein Vier-Kanal-ABS-Bremskreis 7 mit einer X-Bremskraftaufteilung dargestellt, bei dem jedem Rad HL (hinten links), VR (vorne rechts), VL (vorne links), HR (hinten rechts) ein Eingangsventil IV und ein Ausgangsventil OV zugeordnet ist. Jedes Rad HL, VR, VL, HR ist ferner über die entsprechenden Ventile IV, OV und Hydraulikkanäle mit einem Hauptzylinder HZ verbunden. In 2 sind sämtliche Ventile des Bremskreises im inaktiven Zustand gezeigt. Es findet folglich keine ABS-Ansteuerung statt. Insgesamt sind also acht Ventile vorgesehen, mit denen die Bremskraft jedes Radzylinders RZ an jedem einzelnen Rad geregelt werden kann. Das System umfasst ferner zwei diagonale Teilbremskreise 8 und 9. Jeder Teilbremskreis 8, 9 ist damit einem Vorderrad bzw. der entsprechenden Betriebsbremse und dem gegenüberliegenden Hinterrad bzw. der entsprechenden Betriebsbremse zugeordnet. Jeder Teilbremskreis 8, 9 weist eine Rückförderpumpe PE auf, die über einen gemeinsamen Gleichstrommotor M angetrieben werden. Schließlich umfasst der ABS-Bremskreis 7 je Teilbremskreis 8, 9 noch einen Niederdruckspeicher AC zur Zwischenspeicherung von Hydraulikflüssigkeit.
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Bei einer Betätigung des Parkbremstasters durch den Fahrer während der Fahrt, wird durch die oben beschriebene Verlagerung des Bremskolbens 4 an den Hinterrädern HL und HR eine Hydraulikflüssigkeit (Bremsflüssigkeit) von den Hinterrädern weg und zu den Vorderrädern VL und VR hin verlagert, wie durch die Pfeile 10 und 11 in 2 angedeutet ist. Damit die verlagerte Hydraulikflüssigkeit nicht in den Hauptzylinder HZ des ABS-Bremskreises 7 zurückfließt, weist jeder Teilbremskreis 8 und 9 ein zusätzliches Schaltventil SV auf, welches jeweiligen zwischen den Teilbremskreis 8, 9 und den Hauptzylinder HZ geschaltet ist und im geschlossenen Zustand einen Rückfluss der Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder HZ verhindert.
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Nach Betätigen des Parkbremstasters werden die Bremskolben 4 an den Hinterrädern HR, HL erst mittels der Fesselung in das Bremssattelgehäuse gezogen, nachdem die Schaltventile SV geschlossen wurden. Durch die Volumenverschiebung legen sich die Bremskolben 4 der Vorderräder VL, VR über die Bremsbeläge an die zugehörigen Bremsscheiben an. Anschließend findet bei einer weiteren Volumenverschiebung im ABS-Bremskreis 7 ein Druckaufbau an den Vorderrädern statt, der dann zu einer Bremswirkung führt. Zur Verringerung der Bremswirkung an den Vorderrädern, muss die automatische Parkbremse 1, d.h. die Bremskolben 4 der Hinterräder HL und HR, wieder in umgekehrter Richtung, also in Zuspannrichtung, ansteuern. Dies führt dann unmittelbar zu einer Druckreduzierung und damit zu einer Reduzierung der hydraulischen Bremswirkung.
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3 zeigt eine schematische Darstellung eines weiteren beispielhaften Bremskreises eines Fahrzeugs gemäß der vorliegenden Erfindung, bzw. zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Bei dem in 3 gezeigten Bremskreis handelt es sich beispielhaft um einen ESP-Bremskreis 12 mit einer X-Bremskraftaufteilung, bei dem ebenfalls sämtliche Ventile im inaktiven Zustand dargestellt sind und folglich keine Ansteuerung der Ventile stattfindet. Der ESP-Bremskreis 12 umfasst die mit Blick auf 2 beschriebenen Ventile IV und OV ebenso wie zwei Rückförderpumpen PE, von denen jeweils eine einem Teilbremskreis 13 und 14 zugeordnet ist, wobei die Rückförderpumpen PE über einen gemeinsamen Gleichstrommotor M angetrieben werden. Zusätzlich zu dem in 2 gezeigten ABS-Bremskreis 7 umfasst der ESP-Bremskreis 12 ein zusätzliches Hochdruckschaltventil HSV und ein Schaltventil SV je Teilbremskreis 13, 14.
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Die Schaltventile SV dienen wie in der Ausführungsform nach 2 zur Verhinderung eines Rückflusses der verlagerten Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder HZ. Die 3 macht deutlich, dass die Hydraulikflüssigkeit durch eine Verlagerung der Bremskolben 4 an den Hinterrädern HL und HR entlang der Pfeile 15 bzw. 18 zu den Vorderrädern VL und VR verlagert wird, wenn die Schaltventile SV geschlossen sind. Im Übrigen wird auf die zu 2 beschriebene Funktion und Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwiesen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren kann in vorteilhafterweise auch dann zum Einsatz kommen, wenn die Fluidförderpumpe des ESP-Bremskreises defekt ist. Eine hydraulische Verzögerung kann dann mittels des Parkbremstasters quasi als Ersatzbremsfunktion bewirkt werden.
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Insgesamt schafft die vorliegende Erfindung ein vorteilhaftes Verfahren, welches mittels der Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 einen hydraulischen Druck an den Vorderrädern VL und VR zum Abbremsen des Fahrzeugs bereitstellen kann. Das Verfahren wird insbesondere durch eine Fesselung des Bremskolbens 4 ermöglicht, durch die der Bremskolben 4 in das Bremssattelgehäuse gezogen werden kann, wenn die automatische Parkbremse 1 in einen Lösevorgang versetzt wird. Auf diese Weise erfolgt eine Volumenverschiebung von Hydraulikflüssigkeit in einem Fahrzeug-Bremskreis von den Hinterrädern zu den Vorderrädern. Ein Bremskreis 7, 12 weist zur Durchführung des Verfahrens vorzugsweise ein bzw. mindestens zwei Schaltventile SV auf, welche entweder zusätzlich in den Bremskreis eingebracht oder bereits in einem herkömmlichen Bremskreis vorhanden sind, und die einen Rückfluss der verlagerten Hydraulikflüssigkeit in den Hauptzylinder HZ des Bremskreises verhindern. Bei der Initiierung der Verzögerungsfunktion durch Betätigung des Parkbremstasters während der Fahrt durch den Fahrer, werden die Schaltventile SV geschlossen. Erst nach dem Schließen der Schaltventile SV wird die automatische Parkbremse 1 in Richtung Lösen angesteuert, so dass die jeweiligen Bremskolben 4 der Hinterräder HL, HR die Volumenverschiebung bewirken können.
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Bei Erreichen einer gewünschten Fahrzeugverzögerung kann die Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 in der Löserichtung gestoppt werden. Ferner kann eine Richtungsumkehr der automatischen Parkbremse 1, d.h. in der Zuspannrichtung erfolgen, wenn ein Blockieren einzelner Räder detektiert wird. Die Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 kann im Übrigen radindividuell erfolgen. Die den Hinterrädern HL und HR zugeordneten Bremsmotoren können folglich unabhängig voneinander angesteuert und eine Betätigung und Verlagerung der jeweiligen Bremskolben 4 somit unabhängig voneinander erfolgen.
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Weiterhin kann eine Detektion eines Bremsdrucks an den Vorderrädern VL, VR erfolgen. Dadurch ist es möglich, dass bei der Detektion eines Bremsdrucks, der höher ist als der notwendige Druck für eine vorgegebene Mindestverzögerung, die Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 zurückgenommen wird. Die gewählte Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 kann bis in den Stillstand des Fahrzeugs aufrechterhalten werden. Alternativ wird die gewählte Ansteuerung solange aufrechterhalten, wie der Parkbremstaster durch den Fahrer betätigt wird. Weiterhin kann eine Detektion eines Radschlupfs an den Vorderrädern VL, VR erfolgen. Dadurch ist es möglich, dass bei der Detektion eines Radschlupfs, der zu hoch ist und damit die Fahrstabilität reduziert ist, die Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 zurückgenommen wird. Die gewählte Ansteuerung der automatischen Parkbremse 1 kann bis in den Stillstand des Fahrzeugs aufrechterhalten werden. Alternativ wird die gewählte Ansteuerung solange aufrechterhalten, wie der Parkbremstaster durch den Fahrer betätigt wird. Selbstverständlich können auch Druck und Radschlupf zusammen in geeigneter Weise als Kriterium für die Fahrstabilität und Mindestverzögerung herangezogen werden.
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Vor dem finalen Schließvorgang der automatischen Parkbremse 1 zum Festsetzen des Fahrzeugs, können im Übrigen die Einlassventile IV an den Hinterrädern HL und HR bestromt, d.h. geschlossen werden, um einen Durchfluss durch die Ventile zu vermeiden. Dies hat zur Folge, dass zunächst der Bremsdruck in den Bremszangen der Vorderräder VL und VR verbleibt. Die automatische Parkbremse 1 wird anschließend elektromechanisch zur Festsetzung der Hinterräder HL und HR geschlossen. Anschließend werden sämtliche Ventile des Bremskreises 7, 12 stromlos geschaltet, d.h. geöffnet, wodurch ein Druckabbau erfolgt. Mit anderen Worten wird die hydraulische Bremskraft der Vorderräder VL und VR abgebaut, bis die auf das Fahrzeug wirkende Haltekraft nur noch von der auf die Hinterräder HL, HR wirkenden elektromechanischen Bremskraft erzeugt wird.
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Dadurch, dass vor der Übergabe von der hydraulischen Haltefunktion auf die mechanische Haltefunktion der Druck in den Bremsen der Vorderräder mittels Ansteuerung der Einlassventile IV der Hinterachse eingesperrt wird, kann eine Übergabe der Bremskraft von der Vorderachse auf die Hinterachse erfolgen, ohne dass die Gefahr besteht, dass das Fahrzeug bei der Übergabe wegrollt. Erst nach Beendigung der Festsetzung des Fahrzeugs durch die automatische Parkbremse 1 werden vorzugsweise sämtliche Ventile des Bremssystems 7, 12 stromlos geschaltet und somit geöffnet.
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Die in den 2 und 3 gezeigten ABS- und ESP-Bremskreise 7, 12 wurden vorliegend rein beispielhaft zur Veranschaulichung der Erfindung gewählt.