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Die Erfindung betrifft eine elektronische Steuereinheit für die Einstellung eines an Randbedingungen angepassten Innendrucks in Fahrzeugreifen, welche die Zufuhr oder Abfuhr von Luft in oder aus einzelnen Reifen eines Personenkraftwagens in Abhängigkeit von Randbedingungen steuert. Zum Stand der Technik wird neben der
EP 1 914 141 B1 beispielshalber auf die
EP 1 362 716 A2 sowie auf ein von der „Deutsche Bundesstiftung Umwelt“ gefördertes und bei der Fachhochschule Südwestfalen durchgeführtes Projekt „Entwicklung einer Reifendruckregelanlage für landwirtschaftliche Traktoren und Fahrzeuge“ (internet: „www.reifenregler.de“) verwiesen.
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Grundsätzlich bekannt sind Reifenfülldruck-Kontrollsysteme sowie Reifenfülldrucksysteme, welche den Fahrer eines Fahrzeugs vor und während der Fahrt über den aktuellen Reifendruck informieren sowie diesen gegebenenfalls verändert bzw. anpassen. Für die in Personenkraftwagen bislang üblichere einfache Messung des Reifenfülldrucks (= Reifeninnendrucks) sind in jedem Rad geeignete Sensoren integriert, welche die entsprechenden Informationen via Funk an ein Steuergerät übermitteln. Insbesondere für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge (s.o.) ist es bekannt, eine Regelungstechnik vorzusehen, welche den Reifendruck an den befahrenen Untergrund automatisch anzupassen vermag. Eine (relativ) schnelle Straßenfahrt verlangt für eine höhere Tragfähigkeit sowie eine sichere Fahrstabilität insbesondere auch hinsichtlich Lenken und Bremsen einen höheren Luftdruck im Reifen, während auf dem Acker für mehr Bodenschutz sowie bessere Zugleistung bei weniger Schlupf und geringere Spurtiefe der Reifenluftdruck abgesenkt wird.
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Weiterhin sind sog. Fahrmodus-Wähler bekannt, mit Hilfe derer bspw. an einem Personenkraftwagen vom Fahrer verschiedene Fahrmodi eingestellt werden können, in denen zumindest ein funktionaler Zusammenhang zwischen einer vom Fahrer mittels eines Bedienelements vorgegebenen Wunschgröße und einem diesen Fahrerwusch umsetzenden Aggregat des Fahrzeugs in verschiedenen Ausprägungen dargestellt ist, vgl. bspw. die eingangs genannte
EP 1 914 141 B1 . Beispielsweise kann die sog. Gaspedalkennlinie, welche den Zusammenhang zwischen einer gewissen Betätigung des Gaspedals durch den Fahrer und der Umsetzung dieses Fahrwunsches an einem Antriebsaggregat des PKW's beschreibt, für verschiedene Fahrmodi unterschiedlich sein. Entsprechendes kann für die Lenkübersetzung oder weitere auf die Fahrdynamik eines Fahrzeugs einen Einfluss aufweisende Zusammenhänge gelten.
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Weiterer Stand der Technik, welcher in der heutigen Zeit nicht druckschriftlich belegt werden muss, sind Navigationssysteme in Fahrzeugen, die bspw. über GPS nicht nur die aktuelle Position des Fahrzeugs im öffentlichen Straßennetz kennen, sondern auch verschiedene Informationen hinsichtlich des vorausliegenden Verkehrswegs für eine vom Fahrer gewünschte Fahrtroute haben und an den Fahrer weitergeben.
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Die
DE 10 2010 040 539 A1 offenbart ein System zur Regelung eines Reifendruck. Aus der
DE 603 11 438 T2 ist eine zentralisierte Vorrichtung zum Behandeln von Druckverlust- und Pannenlauf-Phänomenen an einem Fahrzeugreifen bekannt. Der
US 2014 0012466 A1 ist eine Reiseeinrichtung als bekannt zu entnehmen. Die
DE 40 14 379 A1 offenbart ein Verfahren zur Regelung des Reifenluftdruckes bei Fahrzeugreifen. Aus der
US 2012/0221196 A1 ist ein Reifendrucksteuersystem bekannt. Die
US 5 629 874 A offenbart ein System in einem Fahrzeug, um einen Reifendruck in einem Reifen einzustellen. Der
WO 2013/114388 A1 ist ein Reifendruckoptimierungssystem als bekannt zu entnehmen.
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Hiermit soll nun aufgezeigt werden, wie an einem Personenkraftwagen in vorteilhafter Weise selbsttätig ein jeweils geeigneter Reifenfülldruck eingestellt werden kann (= Aufgabe der vorliegenden Erfindung).
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Die Lösung dieser Aufgabe besteht in einer elektronischen Steuereinheit für die Einstellung eines an Randbedingungen angepassten Innendrucks in Fahrzeugreifen, welche die Zufuhr oder Abfuhr von Luft in oder aus einzelnen Reifen eines Personenkraftwagens in Abhängigkeit von Randbedingungen steuert, wobei als eine erste Randbedingung die mittels eines im Fahrzeug integrierten Navigationssystems erkannte Position des Fahrzeugs und als weitere Randbedingung ein vom Fahrer des Fahrzeugs aus einer vorgegebenen Anzahl verschiedener Fahrmodi ausgewählter oder bevorzugter Fahrmodus berücksichtigt wird, und wobei in den vorgegebenen Fahrmodi zumindest ein funktionaler Zusammenhang zwischen einer vom Fahrer vorzugsweise mittels eines Bedienelements vorgegebenen Wunschgröße und einem diesen Fahrerwusch umsetzenden Aggregat des Fahrzeugs in verschiedenen Ausprägungen dargestellt ist. Vorteilhafte Aus- und Weiterbildungen sind Inhalt der Unteransprüche.
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Zunächst ist also ein Abgleich eines im PKW installierten Reifenfülldrucksystems mit den im Fahrzeug vorhandenen Navigationsdaten (GPS-Daten) betreffend die aktuelle Fahrzeugposition im Straßennetz oder auch abseits des öffentlichen Straßennetzes sowie einer ggf. vorliegenden Information über die vorausliegende Fahrstrecke, allgemein unter den Begriff „Umfeldinformation“ subsumierbar, vorgesehen. Dabei kann im Hinblick auf die aktuelle oder vorausliegende Position oder Fahrstrecke aktuell auch im Voraus eine Auswertung der Untergrunddaten, Straßenverhältnisse, des Straßenverlaufs sowie weiterhin auch der Wetterdaten und Temperaturdaten erfolgen und der Reifendruck gezielt hierauf in einzelnen Streckenabschnitten unterschiedlich eingestellt werden. Berücksichtigt werden können ebenfalls unter dem Oberbegriff eines Navigationssystems weiterhin Informationen über die Verkehrslage, welche eine elektronische Steuereinheit aber auch durch sonstige Umfeldinformation, bspw. durch „Kommunikation“ mit vorausfahrenden Fahrzeugen erhalten kann, so dass bspw. bzw. insbesondere bei Erkennen eines Verkehrsstaus, welchem sich der PKW mit möglicherweise höherer Geschwindigkeit nähert, der Reifeninnendruck gezielt im Hinblick auf eine durch den Fahrer oder selbsttätig durch ein Fahrerassistenzsystem eingeleiteten Bremsvorgang eingestellt werden kann. Bekanntlich kann der Bremsweg eines Fahrzeugs durch ein Herabsetzen des Reifeninnendrucks verkürzt werden, wobei auch unabhängig von einer solchen Situation der Reifeninnendruck immer dann selbsttätig abgesenkt werden kann, wenn eine Abbremsung des Fahrzeugs mit maximaler bzw. sehr großer Verzögerung erfolgt..
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Neben den im Fahrzeug vorhandenen Navigationsdaten (einschließlich Umfeldinformation) wird nun zusätzlich der Reifenfülldruck an einen vom Fahrer gewählten bzw. dessen Wunsch folgendem (und somit vom Fahrer bevorzugten)I Fahrmodus (bzw. Betriebsmodus) angepasst. Eingangs wurde bereits auf die
EP 1 914 141 B1 verwiesen, in welcher Fahrmodi mit höherem Komfort sowie maximaler fahrdynamischer Stabilität einerseits und einer gewissen Sportlichkeit und eingeschränkter fahrdynamischer Stabilität andererseits vom Fahrer eines Personenkraftwagens auswählbar sind. Für solche und weitere unterschiedliche Fahrmodi sind nun verschiedene Reifenfülldrücke oder von weiteren Randbedingungen abhängige Funktionen für verschiedene Reifenfülldrücke vorgesehen, welche eine erfindungsgemäße elektronische Steuereinheit nach fahrerseitiger Auswahl (letzteres im weitesten Sinne, d.h. entweder in direkter Umsetzung eines vom Fahrer explizit vorgegebenen Wunsches oder nach Ableitung eines Fahrerwunsches unter elektronsicher Auswertung geeigneter Randbedingungen) eines bestimmten Fahrmodus einstelllt bzw. im Falle von Funktionen auswählt, d.h. dass anhand unterschiedlicher Funktionen unter Berücksichtigung zumindest einer weiteren Randbedingung ein günstiger Reifenfülldruck von der elektronischen Steuereinheit ermittelt wird. Somit kann der Fahrer bspw. mittels eines Schalters oder dgl. seinen gewünschten Fahrmodus einstellen und es wird daraufhin der Reifenfülldruck entweder auf einen vom Fahrzeughersteller als günstigen Wert festgelegten Wert selbsttätig eingestellt oder es ermittelt die elektronische Steuereinheit unter Berücksichtigung zumindest eines weiteren Zusammenhangs mit zumindest einer weiteren Randbedingung den jeweils günstigen Reifenfülldruck anhand einer in der Steuereinheit hinterlegten Funktion und stellt diesen daraufhin ein. Alternativ zu einer „manuellen“ Einstellung verschiedener Fahrmodi durch den Fahrer selbst können solche unterschiedlichen Fahrmodi aber auch anderweitig als Fahrerwunsch interpretiert bzw. aus dessen Verhalten abgeleitet werden. Bspw. mittels geeigneter Sensoren oder eine Innenraumkamera kann durch eine elektronische Steuereinheit ein („bevorzugter“) Fahrerwunsch abgeleitet und daraufhin ein geeigneter Fahrmodus aus den vorgegebenen verschiedenen Fahrmodi ausgewählt werden. Beispielshaft seien im weiteren sechs derartige Fahrmodi oder Betriebsmodi sowie deren günstiger Reifenfülldruck kurz beschrieben:
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In einem ökonomischen Modus wird grundsätzlich ein effizienter, verbrauchsreduzierter Betrieb dargestellt, was bspw. durch eine intelligente Anpassung der Kennlinie für Gaspedal und Getriebe (zwischen dem Antriebsaggregat und den von diesem angetriebenen Rädern) sowie Heiz- und Klimastrategie für den Fzg.-Innenraum realisiert ist. Erfindungsgemäß kann in diesem verbrauchsarmen Fahrmodus der Reifendruck auf den maximal möglichen Reifenfülldruck erhöht werden, um den Rollwiderstand während der Fahrt zu senken und damit eine zusätzliche Kraftstoffeinsparung zu erreichen.
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In einem sportlichen Modus ist durch eine direktere Reaktion des Fahrzeugs auf fahrdynamische Sollvorgaben des Fahrers sowie bestmögliche Haftung zwischen Reifen und Fahrbahn eine möglichst dynamische Fahrweise dargestellt. Dabei ist vorgesehen, dass sich der Reifenfülldruck in Abhängigkeit der Traktionswerte selbststätig dahingehend einstellt, dass hinsichtlich des aktuellen Reifenfülldrucks zumindest zwischen den Vorderrädern und den Hinterrädern des Fahrzeugs, sowie falls die Regelgeschwindigkeit des Systems zur Einstellung unterschiedlicher Reifenfülldrücke dies zulässt, auch zwischen einem kurvenäußeren und einem kurveninneren Rad unterschieden wird. So ist es möglich, den Reifenfülldruck je nach Achslastverteilung bei gleicher Bereifungsdimension an der Vorderachse und der Hinterachse gezielt zu verändern. Bei Erkennen einer Untersteuerneigung des Fahrzeuges kann vorgesehen sein, den Reifenfülldruck an den Vorderrädern zu reduzieren, um ein neutrales Fahrverhalten darzustellen. Bei Erkennen einer Übersteuerneigung des Fahrzeuges kann vorgesehen sein, den Reifenfülldruck an den Hinterrädern zu reduzieren, abermals um ein neutrales Fahrverhalten darzustellen. Ein Erkennen von Übersteuern bzw. Untersteuern ist bekanntlich in den heutigen Fahrdynamikreglern bereits umgesetzt. Ebenfalls möglich ist es, dass der Reifenfülldruck als Einfluss auf das Eigenlenkverhaltendes Fahrzeugs, beispielsweise beim „Driften“, geeignet angepasst wird. Dabei kann bei übersteuerndem Fahrzeugverhalten der Reifendruck an den Vorderrädern reduziert werden.
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Weiterhin kann das vom Fahrer im sportlichen Modus wahrnehmbare Lenkgefühl bzw. die subjektive Wahrnehmung des Fahrers bezüglich der Sportlichkeit durch ein besseres Gespür hinsichtlich Fahrbahnrückmeldung mittels unterschiedlichem Reifenfülldruck beeinflusst wird/werden. Beispielsweise wird durch einen erhöhten Reifenfülldruck das Fahrgefühl subjektiv als „härter“ bzw. direkter wahrgenommen. Hingegen wird für einen Komfort-Modus vorgeschlagen, dass sich der Reifenfülldruck vor dem Hintergrund der maximalen Fahrsicherheit und minimalem Beschleunigungseinträgen in die Karosserie, verursacht durch Fahrbahn-Unebenheiten, selbsttätig bestmöglich einstellt.
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Vorgesehen sein kann weiterhin ein Parkier-Modus, in welchem das Fahrzeug entweder selbsttätig oder vom Fahrer gesteuert in eine Parklücke manövriert wird. Mit einer Erhöhung des Reifenfülldrucks beim Parkieren stellt sich ein geringeres Bohrmoment (zwischen den gelenkten Reifen und der Fahrbahn) ein, so dass durch einen erhöhten Reifenfülldruck an den Vorderrädern ein einfacheres Einlenken dargestellt werden kann. Beim Erkennen des Einschaltens des Einparkassistenten oder Einlegen des Rückwärtsganges kann somit der Reifeninnendruck zumindest an den gelenkten Rädern (Vorderrädern) angehoben werden, so dass der Leistungsbedarf eines Lenkunterstützungssystems des Fahrzeugs verringert wird oder der Fahrer selbst ein nochmals reduziertes Lenkmoment aufbringen muss.
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Beim Einstellen eines (weiteren) Off-Road-Modus kann der Reifenfülldruck selbsttätig soweit abgesenkt werden, bis eine maximale Traktion (Zugkraft) gewährleistet ist. Ein unerwünschtes Eingraben der Fahrzeugräder bei Geländefahrten kann damit verhindert oder zumindest reduziert werden. Selbstverständlich kann nicht nur bei einem solchen Gelände-Modus (off-road), sondern bei jedem wählbaren Modus die aktuelle Reifentemperatur geeignet mit berücksichtigt werden, derart, dass in der jeweiligen Betriebsstrategie sowohl die Reifen-Innentemperatur als auch die Temperatur der Lauffläche, welche anhand meßbarer Randbedingungen, insbesondere Reifen-Innentemperatur und Umgebungstemperatur, ggf auch Oberflächentemperatur der Fahrbahn (bspw. über die Messung von deren Strahlungswärme) geschätzt werden kann, im Hinblick auf den damit veränderlichen Reibungskoeffizienten mitberücksichtigt wird.
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Weiterhin - d.h. neben der Berücksichtigung von Informationen eines Navigationssystems einschließlich ggf. vorliegender Umfeldinformationen und der Berücksichtigung eines vom Fahrer gewählten Fahrmodus ist es erfindungsgemäß vorgesehen, dass die erfindungsgemäße Steuereinheit noch eine Aufrechterhaltung bzw. Unterstützung des Reifenfülldrucks im Falle eines undichten Reifens oder eines diffusionsbedingten Reifeninnendruckverlustes beinhaltet. Dabei erkennt die Steuereinheit bzw. das Reifendruckfüllsystem anhand einer aktuellen Laufzeit eines Kompressors zum Befüllen der Reifen, ob ein kontinuierlicher Reifeninnendruckverlust vorliegt. Bejahendenfalls wird selbsttätig zusätzlich zu Luft ein geeignetes Dichtmittel in den Innenraum des Reifens gefördert. Bei frühzeitigem Erkennen über das Reifendruckfüllsystem kann somit eine Reifenpanne verhindert werden oder zumindest eine Weiterfahrt zur nächsten Werkstatt gewährleistet werden. Der Fahrer wird dann durch einen Warnhinweis auf diesen Fehler hingewiesen. Dabei sollte das aktive Reifendruckfüllsystem in der Lage sein, eine Eigendiagnose durchzuführen, bei welcher es zwischen einem Leck in den Leitungen des Kompressors und einer Undichtigkeit der Reifen unterscheiden kann.
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Grundsätzlich kann durch eine Kopplung zwischen einem aktiven Reifenfülldrucksystem, welches Navigationsdaten bzw. Umfeldinformationen berücksichtigt, und einem Fahr- oder Betriebsmoduswähler im Fahrzeug der Reifeninnendruck je nach Fahrerwunsch optimal an die jeweilige Fahrsituation angepasst werden. Ein sicherer oder verbrauchsoptimierter oder fahrdynamischer oder komfortabler Fahrzustand ist jeweils individuell und sogar vorausschauend darstellbar.