-
Die Erfindung betrifft ein Mikrosystem zur Manipulation von biologischem Material, insbesondere von lebenden Zellen, mit einem ersten Arm, einem mit dem ersten Arm mechanisch verbundenen zweiten Arm, und mit einem Antrieb, der ausgestaltet ist, um den ersten Arm und den zweiten Arm einander anzunähern sowie ein korrespondierendes Verfahren zur Manipulation von biologischem Material.
-
Solche Systeme, die auch als Mikrogreifer bekannt sind, und entsprechende Verfahren werden genutzt, um biologisches Material auf Zellebene zu manipulieren. Dies kann zu Forschungszwecken, zum Beispiel bei der Untersuchung pharmazeutischer Wirkstoffe oder in der Zellbiologie passieren, aber auch bei der gezielten Manipulation beispielsweise von Eizellen zur In-Vitro-Fertilisation oder in der Biotechnologie. Dabei werden üblicherweise Fremdkörper in die Zelle eingebracht. Dies können zum Beispiel ein Spermium, pharmazeutische Wirkstoffe oder sonstige Stoffe sein. Auch die Extraktion bestimmter Zellbestandteile ist für manche Anwendungen von Interesse.
-
Zum Einbringen in das biologische Material existieren verschiedene Methoden, wie zum Beispiel Elektroporation oder das Anlegen eines Konzentrationsgradienten. Weiterhin ist es bekannt, eine einzelne Zelle mittels einer Nadel zu punktieren und mittels dieser Nadel eine Zellinjektion vorzunehmen. Diese Methode gilt als relativ zuverlässig, dennoch werden beispielsweise bei der In-Vitro-Fertilisation niedrige Überlebensraten der behandelten Zellen von etwa 20 Prozent genannt. Dies ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass bisher bekannte Injektionsmethoden entweder manuell oder allenfalls semiautomatisch durchgeführt werden. Es ist daher menschliches Bedienpersonal erforderlich. Die Arbeit an einzelnen Zellen, die Größen im Mikrometerbereich aufweisen, erfordert eine hohe Konzentration und führt schnell zu Ermüdungserscheinungen bei der ausführenden Person. Somit erhöht sich im Regelfall bei den bekannten Injektionsverfahren die Fehlerquote mit der Arbeitszeit.
-
Eine Zellinjektion wird üblicherweise durchgeführt, indem zunächst eine Zelle, die sich in einem flüssigen Medium, beispielsweise in einem Nährmedium, befindet, fixiert wird. Die Fixierung kann dabei zum Beispiel mit einem Mikrogreifer erfolgen. Ebenso ist es möglich, die Zelle auf einem festen Substrat in einer Mulde zu fixieren, in der sie durch die Schwerkraft festgehalten wird. Im Folgenden wird dann eine Nadel unter optischer Kontrolle durch eine die Arbeit ausführende Person mittels eines frei beweglichen Mikromanipulators auf die Zelle zubewegt. Die Nadel kann dabei in allen drei kartesischen Freiheitsgraden bewegt werden. Die Zelle wird durch die Nadel punktiert und gegebenenfalls eine Injektion vorgenommen. Danach wird die Nadel aus der Zelle entfernt. Die Positionierung und Fixierung der Zellen und der Einstichvorgang sind daher in der Regel zwei separat und manuell oder halbautomatisch ausgeführte Vorgänge.
-
Ein weiterer Ansatz besteht darin, eine oder mehrere Hohlnadeln fixiert zu halten und die zu manipulierenden Zellen mit Hilfe eines Flüssigkeitsstroms auf die Nadeln zu treiben (s. Adamo et al., „Microfluidic based single cell microinjection”, Lab Chip, 2008, 8, 1258–1261). Prinzipiell ist es dabei aber nicht oder nur schwierig möglich, einzelne Zellen zur Manipulation auszuwählen und die Zellen nach erfolgter Behandlung kontrolliert wieder freizugeben.
-
Die Aufgabe, die die Erfindung sich stellt, ist daher, ein System zur Manipulation von biologischem Material bereitzustellen, das eine einfache und zuverlässige Möglichkeit zur Manipulation lebender Zellen, insbesondere zur Zellinjektion, Zellextraktion und Zelldiagnose, bietet, und dass eine geringer Fehleranfälligkeit in Folge von Bedienungsungenauigkeiten oder -fehlern aufweist. Weiterhin soll die Effizienz und Reproduzierbarkeit bei Einstichvorgängen verbessert werden. Die Zellen sollen dabei präzise gegriffen, gehalten und wieder freigegeben werden.
-
Die Aufgabe wird gelöst durch ein Mikrosystem zur Manipulation von biologischem Material mit den eingangs genannten Merkmalen, wobei der erste Arm eine Ansaugöffnung aufweist, und an dem zweiten Arm eine Nadel befestigt ist, die sich in einem Winkel α von dem zweiten Arm aus erstreckt.
-
Die Aufgabe wird weiterhin gelöst durch ein Verfahren zur Manipulation biologischen Materials, mit den Schritten a. Positionieren eines Mikrosystems zur Manipulation biologischen Materials in der Nähe eines zu manipulierenden Objekts, b. Ansaugen des Objekts an einen ersten Arm des Mikrosystems, der eine Ansaugöffnung aufweist, c. Annähern eines zweiten Arms des Mikrosystems, an dem eine Nadel befestigt ist, an das Objekt, so dass sich eine Nadelspitze der Nadel dem Objekt nähert, d. Punktieren des Objekts mittels der Nadelspitze, so dass diese in das Objekt eindringt, e. Durchführen einer oder mehrerer Manipulationsvorgänge mit der Zelle.
-
Es ist möglich, als zusätzlichen Verfahrensschritt den Schritt f. Abstoßen des Objekts durch Umkehrung der Strömungsrichtung im Ansaugkanal durchzuführen. Dies ermöglicht einen besonders einfachen Wechsel zwischen zu behandelnden Objekten. Prinzipiell kann das Objekt nach der Manipulation aber auch auf andere Art und Weise von dem ersten Arm entfernt werden.
-
Ein solches System hat gegenüber bekannten System zur Zellinjektion den Vorteil, dass durch die mechanische Verbindung des ersten Arms mit dem zweiten Arm die Position der Nadel relativ zu der Ansaugöffnung und somit zu der fixierten Zelle jederzeit bekannt ist. Bedingt durch den Fertigungsablauf des Mikrosystems können sich beide Kanäle, also der Ansaugkanal und der Flüssigkeitskanal auf gleicher Höhe befinden. Zweckmäßigerweise ist die Nadel so an dem zweiten Arm positioniert, dass die Annäherungsbewegung der beiden einander gegenüber liegenden Arme aufeinander zu bewirkt, dass die Nadel sich der fixierten Zelle annähert und schließlich in diese eindringt. Eine aufwändige kontrollierte, manuelle Feinpositionierung der Nadel in drei Freiheitsgraden entfällt. Die separate Fixierung der Zellen auf entsprechend vorbereiteten Substraten entfällt ebenfalls.
-
Unter einem Mikrosystem wird im Rahmen der vorliegenden Anmeldung insbesondere eine Vorrichtung mit den beschriebenen Eigenschaften verstanden, deren Abmessungen sich im Millimeterbereich oder im Submillimeterbereich befinden. Ein Roboterarm von z. B. einem Meter Länge ist demnach kein Mikrosystem. Unter dem Merkmal, dass die beiden Arme mechanisch miteinander verbunden sind, wird insbesondere verstanden, dass eine funktionelle mechanische Verbindung vorliegt und nicht, dass lediglich eine mechanische Verbindung im physikalischen Sinne, z. B. dadurch, dass zwei Gegenstände auf einer gemeinsamen Unterlage wie einem Tisch angeordnet sind, hergestellt ist. So ist es gemäß einer bevorzugten Ausführungsform erwünscht, dass sich die beiden Arme nicht vollkommen unabhängig voneinander bewegen lassen. Ein System, in dem beispielsweise in zwei herkömmlichen Mikromanipulatoren eine Nadel und ein weiterer Gegenstand mit einer Ansaugöffnung eingespannt sind, wäre demnach kein System, bei dem eine mechanische Verbindung zwischen den beiden Armen besteht, da diese unabhängig voneinander bewegt werden können.
-
Die Ansaugöffnung ermöglicht eine dosierbare Ansaugung der Zelle an den ersten Arm, wo die Zelle dann fixiert wird. Es erfolgt so eine selbstjustierende Fixierung der Zelle, idealerweise bereits auf Höhe der gegenüberliegenden Mikronadel.
-
Die Nadel kann an dem zweiten Arm „auf gleicher Höhe” wie die Ansaugöffnung am ersten Kanal angebracht sein. Das bedeutet, dass bei einem weitgehend symmetrischen Aufbau, bei dem der erste Arm und der zweite Arm die gleiche Länge haben, sich die Nadel und die Ansaugöffnung an der gleichen Position in Längsrichtung der beiden Arme befinden. Weiterhin ist es möglich, dass sowohl der Ansaugkanal als auch der Flüssigkeitskanal den gleichen Abstand von der Greiferoberseite, also von der Oberseite des jeweiligen Arms, aufweisen. Vorzugsweise weisen dazu beide Arme die gleiche Dicke auf. Wenn sich die beiden Arme innerhalb einer Ebene aufeinander zu bewegen, dann können der Ansaugkanal und der Flüssigkeitskanal bzw. die Nadel und die Ansaugöffnung in einer gemeinsamen Ebene liegen, die parallel zu der angesprochenen Bewegungsebene der beiden Arme liegt oder identisch mit dieser ist.
-
Durch geschicktes Anordnen der Nadel an dem zweiten Arm relativ zu der Ansaugöffnung am ersten Arm lässt sich eine automatische Positionierung und Ausrichtung der Nadel relativ zur angesaugten Zelle erreichen. Das aufwändige Annähern der Einstichnadel unter optischer Kontrolle durch einen menschlichen Nutzer entfällt dadurch. Es ergibt sich so eine Zeit- und damit auch eine Kostenersparnis. Die Kombination der Elemente für die Positionierung, Fixierung und Perforation ermöglicht dabei eine vereinfachten, reproduzierbaren und optimierbaren Einstich- und Injektionsvorgang.
-
Die Nadel kann beispielsweise aus Siliziumnitrid bestehen. Ein geeignetes Material für den ersten Arm und den zweiten Arm ist z. B. Silizium. Eine einstückige, also monolithische Herstellung ist dabei auch dann möglich, wenn sich die Materialien von Nadel und zweitem Arm voneinander unterscheiden.
-
Vorzugsweise ist das Mikrosystem derart ausgestaltet, dass die Bewegung, die der zweite Arm relativ zu dem ersten Arm ausführt, eine eindimensionale Bewegung ist. Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, wenn der erste Arm, der zweite Arm und die Nadel in einer gemeinsamen Ebene E angeordnet sind. Der Antrieb und die mechanische Verbindung des ersten Arms mit dem zweiten Arm kann dann derart ausgestaltet sein, dass die Bewegung der beiden Arme vollständig in der Ebene E passiert. Weiterhin kann das System dann derart ausgestaltet sein, dass bei einer Annäherungsbewegung der beiden Arme aufeinander zu die Nadel bzw. die Nadelspitze einem vorbestimmten Weg folgt, der zum Beispiel eine Gerade oder ein Kreisbogen sein kann.
-
Besonders bevorzugt ist die mechanische Verbindung zwischen dem ersten Arm und dem zweiten Arm derart ausgestaltet, dass der erste Arm und der zweite Arm während einer Annäherungsbewegung stets parallel zueinander ausgerichtet sind. Dies hat zur Folge, dass auch der Winkel β, der von der Längsachse der Nadel und einer Längsachse des ersten Arms gebildet wird, während der Annäherungsbewegung konstant bleibt. Der Winkel, unter dem die Nadel auf die Zelle trifft, ist somit ebenfalls bekannt. Wenn der Winkel α 90° beträgt, beträgt auch der Winkel β 90°. Wenn die Annäherungsbewegung des zweiten Arms auf den ersten Arm zu senkrecht zu den Längsachsen der beiden Arme erfolgt, trifft die Nadel senkrecht auf die zu manipulierende Zelle.
-
Eine Weiterbildung der Erfindung sieht vor, dass die Nadel einstückig mit dem zweiten Arm ausgebildet ist. Es ist dann keine aufwändige Befestigung der Nadel an dem zweiten Arm notwendig. Die monolithische Integration der Mikro-Nadel oder Mikro-Hohlnadel lässt die aufwändige und fehleranfällige Mikromontage einer orthogonal ausgerichteten Nadel an dem zweiten Arm entfallen.
-
Vorteilhaft ist es, wenn in dem ersten Arm ein Ansaugkanal und in dem zweiten Arm ein mit der Nadel verbundener Flüssigkeitskanal vorhanden ist. Die beiden Kanäle sind dabei unabhängig voneinander, so dass auch Ausführungsformen, in denen entweder nur der Ansaugkanal oder nur der Flüssigkeitskanal vorhanden ist, denkbar sind. Die integrierten Kanäle ermöglichen es, auf einfache Art und Weise, einen Unterdruck an die Ansaugöffnung anzulegen und die Zelle so zu fixieren bzw. das zu injizierende Material in die Zelle einzuleiten. Soll das Mikrosystem für die Zellinjektion genutzt werden, so ist es zweckmäßig, wenn die Nadel eine Hohlnadel ist, durch die Stoffe in die Zelle injiziert werden können.
-
Neben dem reinen Injektionserfolg sind zunehmend auch mechanische Eigenschaften der Zelle von Interesse. Zum einen lassen sich durch mechanische Untersuchungen während des Injektionsvorgangs gleichzeitig weitere Informationen über die Zelle sammeln, die später ausgewertet werden können, andererseits kann zum Beispiel durch eine Aufzeichnung des Verlaufs der Kraft, die von der Nadel auf die Zelle ausgeübt wird, auf bestimmte Eigenschaften der Zelle im Zustand schon vor dem Injektionsvorgang geschlossen werden. So können zum Beispiel Aussagen über die Festigkeit der Zellwand oder -membran getroffen werden. Aus diesem Grund ist es vorteilhaft, wenn in dem zweiten Arm und/oder dem ersten Arm eine Kraftmessvorrichtung integriert ist. Es kann dann der Kraftverlauf zur Charakterisierung und Bewertung des Einstichvorgangs aufgezeichnet werden, so dass die Greif- und Einstichkräfte während des Vorgangs durch die integrierte Kraftsensorik kontinuierlich gemessen werden können. Es lassen sich dann Injektionsparameter wie die Injektionsgeschwindigkeit und die Antastkraft optimieren.
-
Die Erfassung der Einstichkraft bietet weiterhin die Möglichkeit, diese Information zur Steuerung des Einstichvorgangs heranzuziehen. Durch eine solche Rückkopplung an die Aktorik wird ebenfalls die Erfolgsquote und reproduzierbare Injektionen werden möglich. Es lässt sich auch der Zustand der Zelle vor einer Injektion erfassen, so dass eine Vorauswahl vielversprechender Zellen vorgenommen werden kann. Weiterhin können Aussagen über die Viabilität der Zellen vor der Injektion sowie über Veränderungen ihrer mechanischen Eigenschaften im zeitlichen Verlauf getroffen werden.
-
Die Kraftmessvorrichtung kann aus einem Kraftsensor und einem vertikal dazu ausgerichteten Taststift bestehen. Ein wesentlicher Bestandteil eines solchen Sensors ist eine Membran aus Silizium, in die durch Diffusion z. B. 16 piezoresistive Bereiche eingebracht und durch metallische Leiterbahnen zu z. B. 4 Wheatstone'sche Messbrücken verbunden wurden. Die Auslenkung des Taststifts führt dann zu einer Längenänderung der piezoresistiven Strukturen und somit zu einer Widerstandsänderung, die ausgelesen und in eine Kraft umgerechnet werden kann. Eine Alternative zum beschriebenen System können auch Dehnungsmessstreifen sein. Prinzipiell muss die eingesetzte Kraftmessvorrichtung einfach in der Lage sein, Kräfte im Bereich von einigen nN bis zu einigen 100 nN zu messen.
-
Alternativ ist es möglich und gemäß bevorzugter Ausführungsformen vorgesehen, piezoresistive Bereiche in den Greifarmen oder im Greifergetriebe anzuordnen. Andere Methoden zur Erfassung der Kraft, so z. B. eine optische Erfassung, PVDF-Folien oder eine kapazitive Erfassung sind ebenfalls möglich und für bestimmte Anwendungen vorteilhaft. Der Kraftsensor lässt sich dann in das Gesamtsystem integrieren und muss nicht separat montiert werden.
-
Aus der mechanischen Charakterisierung biologischer Materialien können sich auch Hinweise auf den Lebenszyklus der Zelle, auf krankhafte Veränderungen oder auf Reaktionen auf Fremdeinflüsse ergeben. So ist beispielsweise bekannt, dass sich die mechanischen Eigenschaften von Zellen bei Verabreichung bestimmter Wirkstoffe verändern. Dieser Effekt könnte zum Test der Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe genutzt werden. Ebenso wie die Eigenschaften der Zellwand durch manche Wirkstoffe beeinflusst werden, geschieht dies je nach Wirkmechanismus auch mit anderen Zellbestandteilen, wie dem Zytoskelett oder dem Zellkern. Bei einer erfolgreichen Befruchtung von Eizellen verhärtet sich die Zellwand, um das Eindringen weiterer Spermien zu verhindern. Durch die Betrachtung der mechanischen Eigenschaften einer Eizelle während und nach der künstlichen Befruchtung kann also auf den Erfolg des Vorganges geschlossen werden. Somit wird das erfindungsgemäße Mikrosystem multifunktional und ist neben dem reinen Injektionsvorgang auch in der Lage, Diagnosen zu erstellen und Messdaten zu liefern, die für die weitere Beurteilung und Charakterisierung der Zelle sowie des Injektionsvorgangs hilfreich sein können.
-
Um eine einfache Koordination der Einstichbewegung in die Zelle durch die Annäherung der beiden Arme zu ermöglichen, ist es vorteilhaft, wenn der Winkel α 70–110°, vorzugsweise 80–100°, besonders bevorzugt 90° beträgt. Vorzugsweise trifft die Nadelspitze beim Einstichvorgang senkrecht auf die Zelle, so dass keine Querkräfte auf die Nadel oder auf die Zelle wirken. Dies kann einfach erreicht werden, wenn der Abstand der beiden Arme stetig verringert wird und die Nadel senkrecht zur Längsachse des zweiten Arms ausgerichtet ist. Alternativ kann auch ein von 90° und somit von der Senkrechten abweichender Winkel α verwendet werden. Um dann dennoch eine reine Punktionsbewegung ohne überlagerte Quer- bzw. Scherkraft zu erreichen, muss dann der Weg des zweiten Arms relativ zum ersten Arm angepasst werden, dass dieser schräg verläuft, idealerweise unter dem gleichen Winkel α zur Längsachse des ersten Arms.
-
Eine Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass der Antrieb sowohl den ersten als auch den zweiten Arm antreiben kann, so dass sich diese aufeinander zu bewegen. Die Bewegungen der beiden Arme können dann symmetrisch zueinander sein. Dies ermöglicht einen ebenfalls symmetrischen Aufbau des Mikrosystems. In einer bevorzugten Ausgestaltung des Mikrosystems sind der erste Arm und der zweite Arm mittels eines zentrierenden Getriebes, beispielsweise einer Vier-Gelenk-Doppel-Kurbel-Anordnung, mechanisch miteinander gekoppelt. Eine solche Anordnung stellt sicher, dass der erste Arm stets parallel zu dem zweiten Arm ausgerichtet ist und kann mit einem einzelnen linearen Antrieb angetrieben werden, so dass sich die beiden Arme symmetrisch einander zu bewegen und voneinander entfernen.
-
Eine Weiterbildung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, dass das Manipulieren der Zelle, also insbesondere die einzelnen Verfahrensschritte, nämlich das Ansaugen der Zelle, das Annähern der Nadel sowie das Punktieren und abschließende Freigeben der Zelle von einer Kamera aufgenommen wird. Der Vorgang, insbesondere die Bewegung des ersten Arms und des zweiten Arms, aber auch das manipulierte Objekt, werden also mikroskopisch beobachtet. Insbesondere wird dabei die Bewegung des ersten Arms und/oder des zweiten Arms von der Kamera aufgenommen. Die dabei gewonnenen Bilddaten können einem Bildverarbeitungssystem zugeführt und dort dokumentiert und ausgewertet werden oder auf einem Anzeigegerät dargestellt und von einem menschlichen Bediener betrachtet werden. Es kann dann die Verformung der Zellmembran beobachtet werden, woraus sich wiederum Rückschlüsse auf den Zellzustand ziehen lassen.
-
Im Folgenden soll die Erfindung anhand der beigefügten Figuren näher erläutert werden. Es zeigen
-
1 eine schematische Seitenansicht des Greiferbereichs eines erfindungsgemäßen Mikrosystems,
-
2 eine schematische Seitenansicht eines erfindungsgemäßen Mikrosystems während der Manipulation einer Zelle, und
-
3 eine schematische Seitenansicht eines Mikrosystems mit Vier-Gelenk-Doppel-Kurbel-Anordnung als Antrieb.
-
1 zeigt den Greiferbereich eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Mikrosystems 2. Zu erkennen ist auf der linken Seite ein Teil des ersten Arms 6, in dem ein Ansaugkanal 14 vorhanden ist, der mit einer Ansaugöffnung 8 endet. Die Flanken 22, 24 des ersten Arms sind geneigt zueinander angeordnet. Sie unterstützen dadurch die Fixierung der Zelle 4, die durch Anlegen eines Unterdrucks im Ansaugkanal 14 an der Ansaugöffnung 8 festgehalten wird. Nach einer erfolgten Manipulation kann die Strömungsrichtung im Ansaugkanal 14 umgekehrt werden. Die Zelle 4 wird dann freigegeben und abgestoßen.
-
Im rechten Bereich der Figur ist der obere Bereich des zweiten Arms 10 zu sehen. Der zweite Arm ist im Wesentlichen symmetrisch zu dem ersten Arm aufgebaut. Anstelle des Ansaugkanals 14 ist jedoch ein Flüssigkeitskanal 16 vorhanden, der in der Nadel 12, die als Hohlnadel ausgeführt ist, fortgeführt wird. Werden die beiden Arme 6, 10 durch eine in der Figur horizontale Bewegung aufeinander zu bewegt, trifft die Nadel 12 mit der Nadelspitze 20 auf die Zelle 4 und perforiert die Zellwand, so dass die Nadelspitze 20 in das Innere der Zelle 4 eindringt. Durch den Flüssigkeitskanal 16 und die Hohlnadel 12 können nun Stoffe, zum Beispiel ein Spermium oder pharmazeutische Wirkstoffe, in die Zelle injiziert werden.
-
Nach erfolgreicher Injektion bewirkt der in 1 nicht dargestellte Antrieb eine zu der Annäherungsbewegung entgegengesetzte Bewegung, so dass die beiden Arme 6, 10 sich voneinander entfernen. Die Nadel 12 verlässt die Zelle 4. In der Folge kann die Zelle 4 durch eine Aufhebung des im Ansaugkanal 14 anliegenden Unterdrucks oder durch Anlegen eines leichten Überdrucks kontrolliert freigegeben werden. Das Mikrosystem kann nun als vollständige Einheit in die Nähe einer nächsten zu behandelnden Zelle gebracht werden. Alternativ kann durch einen weiteren Transportmechanismus eine weitere Zelle in den Wirkungsbereich des Mikrosystems 2 gebracht werden.
-
2 verdeutlicht das Anwendungsverfahren des erfindungsgemäßen Mikrosystems 2. Gezeigt ist ein Mikrosystem 2, dessen erster Arm 6 und zweiter Arm 10 teilweise in ein Medium 32 eintauchen, das sich in einem Behälter 30 befindet. In dem Medium 32 ist eine Zelle 4 vorhanden. Diese ist das zu manipulierende Objekt. Das Mikrosystem 2 ist bereits derart positioniert worden, dass sich die Zelle 4 zwischen dem ersten Arm 6 und dem zweiten Arm 10 befindet. Mittels des in 2 nicht dargestellten Ansaugkanals und der ebenfalls nicht dargestellten Ansaugöffnung ist die Zelle am ersten Arm 6 fixiert.
-
Dargestellt ist eine Momentaufnahme während der Annäherungsbewegung. Die Nadel 12, die am zweiten Arm 10 angebracht ist, hat bereits Kontakt mit der Zelle und verformt diese aufgrund der aufgebrachten Kraft. Die Nadelspitze 20 ist noch nicht in die Zelle 4 eingedrungen. Wenn die beiden Arme 6, 10 weiter aufeinander zubewegt werden, wird die Kraft, die die Nadelspitze 20 auf die Zelle 4 ausübt, schließlich so groß, dass die Zelle 4 punktiert wird und die Nadel 12 teilweise in die Zelle eindringt. Dann kann wiederum die Manipulation der Zelle vorgenommen werden, indem zum Beispiel ein Medium, ein Wirkstoff oder ein Spermium in die Zelle injiziert wird.
-
Der Antrieb 7 ist in der Lage, die beiden Arme 6, 10 senkrecht zu ihrer Längsrichtung aufeinander zu zu bewegen und voneinander zu entfernen. Das gesamte Mikrosystem 2 kann an einem Mikromanipulator oder an einer sonstigen Vorrichtung befestigt sein, die es ermöglicht, das Mikrosystem 2 innerhalb des Arbeitsbereichs zu positionieren, um beispielsweise eine bestimmte Zelle auszuwählen.
-
3 zeigt schematisch einen Schnitt durch eine Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Mikrosystems 2. Im oberen Teil sind der erste Arm 6 und der zweite Arm 10 zu sehen. Der erste Arm 6 weist eine Ansaugöffnung 8 und einen Ansaugkanal 14 auf, der sich bis in den in der Figur unteren Bereich des Mikrosystems erstreckt. Auf der rechten Seite der Figur ist der zweite Arm 10 zu sehen, in dem der Flüssigkeitskanal 16 verläuft, der sich ebenfalls bis in den in der Figur unteren Bereich des Mikrosystems erstreckt und im oberen Bereich der Figur in der Nadel 12 endet. Beide Arme 6, 10 liegen in einer gemeinsamen Ebene E, die im dargestellten Fall der Papierebene entspricht.
-
Die Innenfläche 32 des ersten Arms ist anders als in dem in 1 dargestellten Ausführungsbeispiel eben ausgestaltet. Weiterhin dargestellt ist der Antrieb 7, der in Form einer Vier-Gelenk-Doppel-Kurbel-Anordnung als zentrierendes Getriebe ausgeführt ist. Die vier Gelenke 36, 38, 40 und 42 sind dabei so ausgestaltet, das mit einem einzigen Linearantrieb, der an Punkt 7 angreift, die beiden Arme 6 und 10 aufeinander zu bewegt bzw. voneinander entfernt werden können, wobei stets die Parallelität der Arme 6 und 10 gewährleistet ist. Der Antrieb kann z. B. auf einer Formgedächtnislegierung mit Metallfolienaktoren basieren. Denkbar ist auch ein pneumatischer Antrieb, z. B. mit Mikrozylindern, die aus faltenbalgähnlichen Kolbenstrukturen bestehen und durch Anlegen von Über- oder Unterdruck die Greifergetriebe antreiben. Ein weiteres mögliches Antriebsprinzip ist die thermische Ausdehnung elektrisch beheizbarer Siliziumstrukturen.
-
Als Basismaterialien für die kinematischen Strukturen kommen z. B. das fotoempfindliche Polymer SU-8, Silizium oder fotostrukturierbares Glas zum Einsatz. Auch Metalle wie Kupfer können geeignete Materialien sein. Die Greifer, die aus dem ersten Arm (6) und dem zweiten Arm (10) bestehen, können z. B. Öffnungsweiten von bis zu 520 μm und Greifkräfte von bis zu 140 mN aufweisen. Kleinere maximale Greifkräfte von z. B. maximal 40 mN sind ebenfalls möglich und sinnvoll.
-
Zweckmäßiger Weise sind die äußeren Abmessungen des Mikrogreifers 2 sehr klein, beispielsweise im Millimeterbereich, insbesondere im Bereich weniger Millimeter, also beispielsweise unter 5 Millimetern in jede Ausdehnungsrichtung. Insbesondere sind der erste und der zweite Arm 6, 10 nicht länger als 5 Millimeter, bevorzugt nicht länger als 2 Millimeter. Der maximale Abstand des ersten Arms von dem zweiten Arm, also der Abstand der Arme im maximal geöffneten Zustand des Mikrosystems, beträgt z. B. weniger als 2 Millimeter, bevorzugt weniger als 1 Millimeter und besonders bevorzugt weniger als 200 μm. Auch Greifer mit einem Abstand der Arme 6, 10 von nur 50 μm sind denkbar und zweckmäßig.
-
Die Dicke der Greifer, also insbesondere des ersten Arms 6 und des zweiten Arms 10 variiert mit dem verwendeten Material. Für Silizium hat sich eine Dicke von 360 μm als zweckmäßig herausgestellt. Dickere oder dünnere Greiferbacken bzw. Arme sind aber ebenfalls möglich. So kann die Dicke des Greifers 2 beispielsweise unter 1 Millimeter oder aber auch unter 100 μm oder sogar unterhalb von 20 μm liegen.
-
Bezugszeichenliste
-
- 2
- Mikrosystem
- 4
- Zelle
- 6
- erster Arm
- 7
- Antrieb
- 8
- Ansaugöffnung
- 10
- zweiter Arm
- 12
- Nadel
- 14
- Ansaugkanal
- 16
- Flüssigkeitskanal
- 18
- Vier-Gelenk-Doppel-Kurbel-Anordnung
- 20
- Nadelspitze
- 22
- Flanke des ersten Arms
- 24
- Flanke des ersten Arms
- 26
- Flanke des zweiten Arms
- 28
- Flanke des zweiten Arms
- 30
- Behälter
- 32
- Medium
- 34
- Innenfläche des ersten Arms
- 36
- Gelenk
- 38
- Gelenk
- 40
- Gelenk
- 42
- Gelenk
- α
- Winkel