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Die Erfindung betrifft eine Verwendung von kohlenstoffbasierten Kristallisationskeimen zur Intensivierung der Hydration hydraulischer Bindemittel in Form von Portlandzement und Portlandkompositzement.
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Das hydraulische Bindemittel Portlandzement, als Grundlage für die Herstellung weiterer Zementarten, sorgt aus bautechnischer Sicht bekanntermaßen für den Zusammenhalt von Beton, Mörtel, Estrich oder Putz. Mit Wasser gemischt, entsteht in der ersten Phase der sogenannte Zementleim, der sich durch Reaktion des Zements mit dem Wasser zunächst ansteift, nachfolgend erstarrt und sich zeitlich daran anschließend zu hartem Zementstein erhärtet. Dieser Vorgang, bei dem mehr oder weniger viel Wärme freigegeben wird, ist beim Fachkundigen auch unter dem Begriff Hydration gedanklich hinterlegt.
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Wie weiterhin vorbekannt ist, verläuft die Hydration des Portlandzements durch Lösungs- und Fällungsprozesse, indem die Nukleation festigkeitsbestimmender Reaktionsprodukte von Tricalicumsilikat (C3S) und Dicalciumsilikat (C2S) mit Wasser, und zwar Calciumsilikathydrate (weiter bezeichnet als CSH), ein heterogener Vorgang ist, d. h. deren Bildung findet unmittelbar auf der Oberfläche der teilweise aufgelösten Klinkermineralien statt. Die verzögerte Nukleation erster CSH-Keime hat eine Induktionsperiode zur Folge, während der innerhalb weniger Stunden die Hydrationsgeschwindigkeit des Zements geringfügig ist. Nachdem Ablauf der Induktionsperiode, wenn stabile CSH-Keime gebildet sind, beginnt die Beschleunigung der Hydration des Zements. Dies hängt mit dem autokatalytischen Wachstum von CSH-Phasen zusammen.
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Die sukzessive Bedeckung der Zementkörner mit den Hydrationsprodukten trennt die unreagierten C3S und C2S von der wässrigen Phase und verhindert somit deren weitere Auflösung. Ein neuer Ansatz der Beschleunigung der Zementhydration und der Erhöhung des Umsatzes des C3S im frühen Alter bzw. innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Anmachen mit Wasser ist die Impfung des Zements mit Kristallisationskeimen (englischer Begriff ,,seeding"). Aufgrund einer hohen spezifischen Oberfläche der Kristallisationskeime sowie deren chemischer Affinität gegenüber der CSH-Phase kann deren Oberfläche für die Nukleation und das weitere Wachstum von Calciumsilikathydraten bereitgestellt werden. Die gezielte Impfung des Zements mit Kristallisationskeimen ermöglicht zum einen, aufgrund einer schnelleren Nukleation der CSH-Phasen auf der Oberfläche der Impfkeime, die Dauer der Induktionsperiode zu verkürzen. Zum anderen wird der Umsatz des C3S im Zement während der frühen Hydration erhöht. Dies ist auf der Abnahme der Dicke der Zementkörner umgebende Schicht von Hydrationsprodukten und somit eine erleichterte Ionendiffusion zurückzuführen.
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Im Stand der Technik werden sowohl anorganische Zusatzstoffe, wie fein gemahlenes Kalksteinmehl, Nanocalciumcarbonat, Nanosilica, synthetische Calciumsilicathydrate, als auch organische, wie Kohlenstoff-Nanoröhren (englischer Begriff ,,Carbon nanotubes", weiter bezeichnet als CNTs) als Impfkeime für die Beschleunigung der Hydration des Zements eingesetzt.
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In dem Zusammenhang, Kohlenstoff-Nanoröhren betreffend, beschreibt die Druckschrift
DE 695 32 044 T2 eine funktionalisierte Nanoröhre und befasst sich mit einem ungeformten feuerfesten Gießmaterial, das unter den anderen feuerfesten Aggregaten den speziellen Kohlenstoff in einer spezifischen Menge enthält. Zur Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit gegenüber Schlacke wird dem ungeformten feuerfesten Gießmaterial der Kohlenstoff in einer spezifischen Menge zugesetzt. Die Oberfläche der zugesetzten Kohlenstoffpartikel wird vorher hydrophilisiert. Dies ermöglicht, die Kohlenstoffmenge im ungeformten feuerfesten Gießmaterial zu erhöhen, ohne dabei die Wassermenge, die beim Kneten zum Erhalt der geforderten Fluidität des Gießmaterials notwendig ist, zu steigern. Eine Intensivierung der Hydration eines hydraulischen Bindemittels wird jedoch nicht erreicht.
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Die Druckschrift
DE 43 17 383 C2 offenbart ein ungeformtes feuerfestes Gießmaterial, das ein feuerfestes Aggregat enthält, bestehend aus einem Magnesiumoxid-Aluminiumoxid-Spinell als Hauptkomponente und als Rest Aluminiumoxid, Siliciumcarbid, Kohlenstoff und einem Bindemittel. Das Siliciumcarbid ist in einer Menge von 5 bis 20 Gew.-% des feuerfesten Materials enthalten besteht und aus Siliciumcarbidpartikeln mit Teilchendurchmessern von 30 µm oder mehr. Der Kohlenstoff ist in einer Menge von 5 bis 20 Gew.-% des feuerfesten Materials enthalten und besteht aus Kohlenstoffpartikeln mit Teilchendurchmessern von 2 mm oder weniger, die einer Hydrophilisierungsbehandlung unterzogen wurden. Eine Intensivierung der Hydration eines hydraulischen Bindemittels wird jedoch nicht erreicht.
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Der wesentliche Nachteil der vorgenannten Lösungen besteht darin, dass die Oberflächenreaktivität der anorganischen Impfkeime durch eine chemische Behandlung nur unwesentlich erhöht werden kann.
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Die Aufbereitung feinen und ultrafeinen Kalksteinmehls durch Mahlen erfordert einen hohen Energieaufwand pro neu entstandener Oberfläche. Unter anderem kann durch Einsatz von Mahlhilfsmitteln zur Vermeidung der Agglomeration des Mahlguts und zur Verbesserung der Energieeffizienz die Oberflächenreaktivität von Calciumcarbonat-Teilchen erheblich beeinträchtigt werden.
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Trotz hoher spezifischer Oberfläche von Nanocalciumcarbonat und Nanosilica wurde deren beschleunigte Wirkung auf den Verlauf der Hydration nur bei Zugabe in höheren Konzentrationen von 5 M.-% für Nanosilica und 10 M.-% für Nanocalciumcarbonat, bezogen auf die Menge des Zements und des C3S entsprechend, beobachtet. Unter Berücksichtigung höherer Kosten von Nanomaterialien ist deren Verwendung als Impfkeime für Zement begrenzt. Zudem kann die chemische Reaktivität synthetischer Caliumsilikathydrate infolge deren Karbonatisierung bei Lagerung unter Umweltbedingungen sinken.
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Wie dem Fachbeitrag ,,Growth of cement hydration products on single-walled carbon nanotubes" von Makar, J.M.; Chan G.W. in der Zeitschrift "Journal of the American Ceramic Society 92 (6) (2009) 1303–10" zu entnehmen ist, ist der Einfluss von Kohlenstoff-Nanorohren auf die Kinetik der Hydration des Zements geringfügig. Darüber hinaus bleibt deren Wirksamkeit als Impfkeime für Zement noch fraglich. Wie Versuche gezeigt haben, weist die Oberfläche von CNTs im Vergleich zu den anderen Kohlenstoffmaterialien nur eine geringere chemische Reaktivität auf. Die geringere Oberflächenreaktionsfähigkeit der CNTs ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass sich aufgrund starker kovalenter Bindungen innerhalb der aufgerollten Graphitebene beim Oxidieren aktive, funktionelle Gruppen relativ schwer an die äußere Kohlenstoffschicht von CNTs andocken lassen. Darüber hinaus liegen die CNTs in der Regel nach deren Synthese als makro- sowie mikroskopische Agglomerate vor. Die Anwendung als Kristallisationskeime setzt eine ausreichend gute Vereinzelung der CNTs sowie deren gleichmäßige Verteilung im Zement voraus. Somit ist ein zusätzlicher Schritt wie Dispergierung erforderlich, bevor die CNTs zum Zement zugemischt werden. Zur Dispergierung von CNTs wird derzeit meist eine Ultraschallbehandlung in einer Tensidlösung verwendet. Die Absorption von Tensidmolekülen auf den CNTs kann letztlich dazu führen, dass die Oberflächenreaktivität der letzteren stark verringert wird. Des Weiteren kann durch Zugabe der CNTs in hohen Konzentrationen aufgrund der Viskositätserhöhung die Verarbeitbarkeit des Zementleims verschlechtert werden.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht nunmehr darin, eine Möglichkeit zur Intensivierung der Hydration hydraulischer Bindemittel, nämlich Portlandzement und Portlandkompositzement, vorzuschlagen, bei dem die bindebaustofftechnischen und anwendungstechnischen Nachteile bei der Hydration überwunden werden. Dabei soll die Hydration des Bindemittels im frühen Stadium intensiviert werden.
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Die Hydrationsgeschwindigkeit hängt neben der Kühlgeschwindigkeit bei der Klinkerherstellung, der Kristallitgrößen, dem Verwachsungsgrad der Phasen, der Abweichungen von der idealen Kristallstruktur, der Anwesenheit von Fremdoxiden, der Ausgangs- und Umgebungsbedingungen vor allem aber von den Reaktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Klinkerphasen und ihren Anteilen ab.
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Die erfindungsgemäße Verwendung von kohlenstoffbasierten Kristallisationskeimen zur Intensivierung der Hydration eines hydraulischen Bindemittels erfolgt gemäß Anspruch 1.
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Ausgehend von der Tatsache, dass Kohlenstoffmaterialien grundsätzlich hydrophob und chemisch inert vorliegen, wurde im ersten Schritt eine Lösung gesucht, um diesen Kohlenstoffmaterialien eine höhere Reaktivität zu verleihen. Es wurde gefunden, dass man durch Oxidation der Kohlenstoffmaterialien sauerstoffhaltige funktionelle Gruppen wie z. B. Carboxyl- und Hydroxylgruppen erzeugt, die den Kohlenstoffmaterialien eine ausreichende Hydrophilie sowie chemische Reaktivität an ihrer Oberfläche verleihen. Es wurde weiterhin beobachtet, dass im zweiten Schritt durch die Zugabe solcher oxidierten Kohlenstoffmaterialien die Hydration des Zements nach dem Anmachen intensiver verläuft und zum höheren Umsatz von C3S im frühen Stadium führt. Aufwändige Versuchsreihen ergaben, dass im hydratisierenden Zement infolge der Bindung von in wässriger Phase vorhandenen Calcium-Ionen an die funktionellen Gruppen Kohlenstoffpartikeln als bevorzugte Unterlage für die Nukleation und für das Wachstum von CSH-Phasen wirken. Durch die teilweise Übertragung der Bildung und des Wachstums der CSH-Phase auf die Oberfläche von Kohlenstoffpartikeln und die damit verursachte, geringere Belegung unhydratisierter Zementkörner läuft die Hydration des Zements aufgrund der schnellen Diffusion von Ionen in größerem Umfang ab. Der Einfluss der Kohlenstoffmaterialien auf die Hydration des Zements hängt von ihrem Funktionalisierungsgrad bzw. der Belegungsdichte der Kohlenstoffoberfläche mit den funktionellen Gruppen, ihrer spezifischen Oberfläche sowie von der zugegebenen Menge ab.
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In der Praxis erfolgt die Zugabe der Kohlenstoff basierten Kristallisationskeime zum hydraulischen Bindemittel in trockener Form in Gestalt von Pulver bzw. Mahlstoff und/oder in wässriger Form in Gestalt einer Suspension.
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Im Vergleich zu den aus dem Stand der Technik vorbekannten anorganischen Kristallisationskeimen sowie Kohlenstoff-Nanorohren haben oxidierte Kohlenstoffmaterialien eine deutlich reaktive Oberfläche. Erfindungsgemäß werden die kohlenstoffbasierten Kristallisationskeime aus Industrierußen, Aktivkohle oder Graphit gewonnen. Die erwähnte hohe Oberflächenreaktivität ist dadurch bedingt, dass aufgrund der Vielzahl an Defekten, die hauptsächlich außerhalb der aromatischen Systeme an Ecken und Kanten zu finden sind, die Chemiesorption der Heteroatome, wie z. B. Sauerstoff, auf die Oberfläche von Kohlenstoffpartikeln in größerem Umfang geschieht.
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Zur Anwendung gelangen hierbei unterschiedliche Chargen von Industrierußen, Aktivkohlen, massiven Graphits oder aufgeblätterten Graphitschichten (bezeichnet als Graphenoxid), die hinsichtlich Partikelgröße, Porosität und Oberflächenchemie als Kristallisationskeime eingesetzt werden. Beispielsweise werden Industrieruße in großen Mengen produziert, wodurch der Bedarf der Zementindustrie an Kristallationskeimen problemlos gedeckt werden kann.
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Es versteht sich für den Fachmann, dass als Industrieruße nicht die schädlichen Nebenprodukte von Verbrennungsprozessen, sondern vielmehr gezielt hergestellter modifizierter Kohlenstoff als lndustrie-Grundstoff eingesetzt werden. Diese Industrieruße werden bekanntlich durch unvollständige Verbrennung oder Pyrolyse von Kohlenwasserstoffen in großen Mengen hergestellt.
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Die Zugabe der Kohlenstoff basierten Kristallisationskeime zum hydraulischen Bindemittel erfolgt vorzugsweise in trockener Form in Gestalt von Pulver bzw. Mahlstoff und/oder in wässriger Form in Gestalt einer Suspension. Die in trockener Form als Zumahlstoff vorliegenden kohlenstoffbasierten Kristallisationskeime werden dazu beim Zermahlen des Zementklinkers oder als Suspension direkt bei der Herstellung des Betons eingebracht.
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Die signifikanten Vorteile und Merkmale der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik sind im Wesentlichen:
- • durch die gezielte Oxidation von Kohlenstoffmaterialien als Zugabestoffe für die Herstellung eines höchstwertigen hydraulischen Bindemittels, insbesondere Portlandzement und Portlandkompositzement, werden zunächst sauerstoffhaltige funktionelle Gruppen wie z. B. Carboxyl- und Hydroxylgruppen an der Oberfläche der Kohlenstoffmaterialien erzeugt, die den Kohlenstoffmaterialien eine ausreichende Hydrophilie sowie chemische Reaktivität verleihen und diese damit erst chemisch und physikalisch für die Hydration des Zements in frühem Stadium geeignet ausgestalten,
- • oxidierte Kohlenstoffmaterialien weisen eine signifikant höhere Oberflächenreaktivität auf als im Stand der Technik bislang eingesetzte anorganische Kristallisationskeime oder Kohlenstoff-Nanoröhren,
- • durch die Zugabe dieser oxidierten Kohlenstoffmaterialien zum Bindemittel erfolgt die Hydration nach dem Anmachen intensiver und führt zur Erhöhung des Umsatzes von C3S in Calciumsilikatzementen wie Portlandzement und Portlandkompositzementen,
- • Beimengung der oxidierten Kohlenstoffpartikel in trockener Form als Zumahlstoff beim Zermahlen des Zementklinkers oder durch Impfung einer Suspension bei der Betonherstellung,
- • die Beschleunigung der Hydration des Zements und die Erhöhung des Umsatzes von C3S in Calciumsilikatzementen führen zum schnelleren Ansteifen und Erhärten zementgebundener Baustoffe wie Beton und Mörtel und
- • durch die Erhöhung des Hydrationsgrads kann der Klinkeranteil in Zementen bzw. der Zementgehalt in Betonen signifikant reduziert werden.
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Die zuvor erläuterten Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sind nach sorgfältigem Studium der nachfolgenden ausführlichen Beschreibung der hier bevorzugten, nicht einschränkenden Beispielausgestaltungen der Erfindung mit den zugehörigen Zeichnungen besser zu verstehen und zu bewerten, welche zeigen:
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1: eine Strukturformel von oxidierten Kohlenstoffpartikeln mit sauerstoffhaltigen Gruppen,
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2: eine Strukturformel der Kohlenstoffpartikel mit angelagerten Calcium-Ionen in einer ersten Hydrationsphase sowie
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3: eine Strukturformel der Kohlenstoffpartikel in einer zweiten Hydrationsphase, respektive die Anbindung von in wässriger Phase des hydratisierenden Zements vorliegenden SiO4-Tetraedern an die Kohlenstoffpartikel durch bereits chemisorbierte Calcium-Ionen.
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Die 1 illustriert eine Strukturformel von oxidierten Kohlenstoffpartikeln. Durch die Oxidation der Kohlenstoffmaterialien werden sauerstoffhaltige Oberflächengruppen, wie zum Beispiel Carboxyl- und Hydroxylgruppen, erzeugt, welche den Kohlenstoffmaterialien die gewünschte Hydrophilie und chemische Reaktivität an deren Oberfläche verleihen. Diese sauerstoffhaltigen Oberflächengruppen liefern die Grundlage für die Anlagerung von Calcium-Ionen gemäß 2.
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Aus den 2 und 3 sind eine Strukturformel der oxidierten Kohlenstoffpartikel mit angelagerten Calcium-Ionen in einer ersten Hydrationsphase, der sogenannten Chemiesorption, und eine Strukturformel der oxidierten Kohlenstoffpartikel in einer zweiten Hydrationsphase zu entnehmen. Im hydratisierenden Zement wirken infolge der Bindung von in wässriger Phase vorhandenen Calcium-Ionen und anschließend von SiO4-Tetraedern an die funktionellen Gruppen Kohlenstoffpartikel als bevorzugte Unterlage für die Nukleation von Calciumsilikathydraten auf der Oberfläche der Kohlenstoffpartikel und für das Wachstum von CSH-Phasen. Durch die teilweise Übertragung der Bildung und des Wachstums der CSH-Phase auf die Oberfläche der Kohlenstoffpartikel und die damit verursachte, geringere Belegung unhydratisierter Zementkörner läuft die Hydration des Zements aufgrund der schnellen Diffusion von Ionen in größerem Umfang ab.