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Die Erfindung betrifft ein chirurgisches Implantat für die Stabilisierung der Wirbelsäule und des Rumpfes zur Anwendung in der Humanmedizin.
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Unter einem Implantat ist im Sinne der Erfindung ein in den Körper eingebrachtes künstliches Hilfsmittel zu verstehen, das permanent oder zumindest für einen definierten Zeitraum dort verbleiben soll.
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Die im Laufe der Evolution erreichte aufrechte Haltung hat dem Menschen entscheidende Vorteile gebracht, die als Voraussetzung für die Sondernatur des Menschen gewertet werden muss. Diese aufrechte Haltung, welche in der Natur sonst nirgends anzutreffen ist, beherbergt auch ein nicht zu unterschätzendes Krankheitspotential.
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Ausgehend vom sagittalen Querschnitt durch den Rumpf liegt die Wirbelsäule nicht mittig im Körper, sondern posterior. Dies ist entwicklungsgeschichtlich auf die Abstammung vom 4-Beiner-Gang zurückzuführen. Für den aufrechten Gang erfolgt die Stabilisierung des Rumpfes durch die Muskeln, die an der Wirbelsäule ansetzten nach dem Prinzip einer Zuggurtung. Damit wird die anterior liegende Last des Rumpfes durch den Muskelzug im Gleichgewicht gehalten. Die Muskeln des sogenannten Wirbelsäulenstreckers, respektive M. erector spinae, setzen hierbei an den knöchernen Fortsätzen der Wirbelkörper an. Die zwischen Brustkorb und Becken ausgebildeten Bauchmuskeln stabilisieren zusätzlich den Körperschwerpunkt, indem diese durch Kompression der intraabdominellen Organe die Last des Oberkörpers über das Zwerchfell tragen können.
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Die zunehmende Kyphosierung der Wirbelsäule scheint in Zusammenhang mit Verlust der Knochendichte und Muskelmasse ein Teil des pathophysiologischen Alterungsprozesses zu sein. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich das Lot für den Körperschwerpunkt weiter nach anterior und führt zur einer sagittalen Imbalance. Der Oberkörper beugt sich nach vorn und die Hebelkräfte können von den verbliebenen Muskeln des Rückenstreckers oder durch Kompensationsmechanismen, wie das Aufrichten des Beckens nicht mehr ausgeglichen werden.
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Man kann diese zunehmende Kyphose im Alter auch als Preis der Menschheit für das erst in den letzten Jahrhunderten erreichte hohe Alter deuten, die es der Evolution aufgrund der Kürze der Zeit nicht ermöglicht hat, eine passende Antwort darauf zu finden.
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Die Kyphosierung der Wirbelsäule bedingt viele Nachteile für den alternden Menschen. Durch die Lastverteilung nach anterior nimmt die Belastung der ventralen Anteile der Wirbelkörper zu. Es drohen Sinterungsfrakturen als Einbrüche der Wirbelkörper ohne erinnerliches Trauma oder im Rahmen von Bagatellverletzungen. Das Vorliegen von Sinterungsfrakturen erhöht wiederum das Risiko neuer Wirbelbrüche. Ein Phänotyp dieser Entwicklung ist der sogenannte Witwenbuckel.
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Viele dieser Sinterungen sind hochgradig schmerzhaft und bewirken eine schmerzbedingte Unterbelüftung der Lunge mit dem Risiko der Entstehung einer Lungenentzündung. Eine zunehmende Kyphose des Rumpfes ist nachweislich mit einer erhöhten Sterberate vergesellschaftet, wobei die Morbitalitätsrate mit der Schwere der Fehlstellung einhergeht.
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Mehrfache Brüche führen über eine Verkürzung des Rumpfes anterior zur zunehmenden Insuffizienz der Bauchmuskeln durch Verkürzung der Muskellänge, die somit ihrer Funktion nicht mehr nachkommen können. Das stabilisierende System der Wirbelsäule gerät weiter aus dem Lot mit dem Resultat einer nicht zu bremsenden Kyphosierung des Rumpfes.
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Die zunehmend intrathorakal verlagerten Organe des Abdomens verringern die Lungenkapazität sowie den Gasaustausch und manifestieren sich in Kurzatmigkeit und Leistungsverlust. Die Folgen sind eine zusätzliche Schwächung des Herz-Lungen-Kreislaufsystems und damit des Gesamtorganismus.
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Eine Berührung des Brustkorbs, hierbei die unteren Rippen, mit dem Beckenkamm ist schmerzhaft und beeinträchtigt in gleicher Weise eine ausreichende Belüftung der Lungen.
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Die Fehlstellung der Wirbelsäule des Rumpfes kann durch eine vermehrte Lordosierung der Hals- oder Lendenwirbelsäule nicht kompensiert werden. Durch die vorn übergeneigte Haltung des Körpers resultiert ein Kontaktverlust zum Gegenüber. Das Umfeld kann visuell schlechter wahrgenommen werden. Die Sturzneigung steigt. Die verminderte Kommunikation kann zu einer sozialen Ausgrenzung des Betroffenen führen.
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Die Anzahl der operativen Interventionen aufgrund kyphotischer Fehlstellungen nimmt kontinuierlich zu. Eine weitere Zunahme ist Demographie bedingt anzunehmen.
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Zunächst ist festzustellen, dass ein grundlegender therapeutischer Ansatz zur Vermeidung der altersabhängigen Kyphosierung nicht existiert. Eine Korrektur der Kyphose kann durch eine gezielte Kräftigung der Rücken- und Rumpfmuskulatur nicht erfolgen, sondern bestenfalls das Fortschreiten verlangsamen. Außerdem sind mit zunehmender Kyphose die Erfolgsaussichten physiotherapeutischer Ansätze eingeschränkt. Auch Heil- und Hilfsmittel in Form von stabilisierenden Stützmiedern und Orthesen jedweder Ausprägung sind bisher ohne evidenten Nachweis einer Wirkung auf das Fortschreiten der Kyphosierung. Letztlich soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass die vorhandenen operativen Verfahren und Implantate auf einer biomechanisch ungünstigen Stabilisierung der Wirbelsäule vom Rücken her basieren. Langfristige Effekte über 2 Jahre hinaus sind bisher nicht nachgewiesen.
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Den Stand der Technik repräsentiert zum einen die
DE 20 2009 018 581 U1 welche eine einstellbare Stangenanordnung zum Korrigieren oder Begradigen einer menschlichen Wirbelsäule offenbart, wobei die einstellbare Stangenanordnung umfasst:
- • zumindest ein Knochenverbindungselement zum Anbringen an den Rippenkäfig, das Becken oder die Wirbelsäule,
- • ein erstes längliches Bauteil, welches einen ersten Stangenteil, der zum Koppeln eines der Knochenverbindungselemente eingerichtet ist, und einen Expansionsteil enthält, wobei der erste Expansionsteil des Weiteren eine Mehrzahl von Bohrlöchern in einer äußeren Oberfläche enthält,
- • ein zweites längliches Bauteil, welches einen zweiten Stangenteil, der zum Koppeln an eines der Knochenverbindungselemente eingerichtet ist, und einen zweiten Expansionsteil, der bezüglich des ersten Expansionsteil gleitbar beweglich ist, enthält, wobei der zweite Expansionsteil des Weiteren eine Mehrzahl von Durchgangslöchern in einer äußeren Oberfläche enthält
- • ein Verriegelungselement, welches einen Stift enthält, der eingerichtet ist, in jeweils zumindest eines der Bohrlöcher und Durchgangslöcher einführbar zu sein, um dadurch das erste und zweite längliche Bauteil zusammenzukoppeln und die Länge der einstellbaren Stangenanordnung zu fixieren,
- • wobei das Knochenverbindungselement um zumindest einen des ersten Stangenteils und des zweiten Stangenteils drehbar einstellbar ist und das erste längliche Bauteil zumindest teilweise gerade oder zumindest teilweise lordotisch gekrümmt ist.
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Bei diesem Gegenstand handelt es sich mithin um ein Implantat, welches bei Wirbelsäulenverkrümmung v. a. bei Kindern eingesetzt wird, um die Fehlstellung aufzuhalten oder korrigieren zu können, siehe auch Skoliose. Dieses Implantat wird nur posterior, das heißt am Rücken, eingebracht und verbindet den Brustkorb mit dem Becken auf der Rückseite des Rumpfes, was zu den bekannten Praxisproblemen führt
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Zum anderen ist aus der
DE 696 30 317 T2 eine Vorrichtung zum Fixieren der Wirbelsäule eines Patienten mit einem Paar Längsträgern in Gestalt einer Brücke vorbekannt, welche zumindest einen Verbinder quer zu den Längsträgern und Eingriffselemente umfasst. Auch dieser Gegenstand ist repräsentativ für ein Implantat aus dem Stand der Technik, wie dieses oft bei Wirbelsäulenoperation eingesetzt wird.
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Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass:
- • weder konservative Maßnahmen noch die bisher vorhandenen operativen Interventionen zu langfristig befriedigenden Ergebnissen führten,
- • eine physiotherapeutische Beübung und Einbindung von Patienten in Ertüchtigungsprogramme sind sowohl personeller als auch sozioökonomischer Grenzen gesetzt,
- • stabilisierende Stützmieder und Korsetts neigen zu geringer Compliance, schränken die Anpassbarkeit an den Patienten ein und haben kein nachweisbaren Effekt auf die Entwicklung einer Kyphose,
- • bei operativen Maßnahmen gilt generell, dass bisher nur Verfahren zur Stabilisierungen der posterior – biomechanisch ungünstig gelegenen – Wirbelsäule selbst möglich sind, durch:
– Zementaugmentation von Wirbeln: Stabilisierung von einzelnen Wirbelkörpern mit dem Ziel der Vermeidung einer weiteren Kyphose der Wirbel und damit des Rumpfes. Nachteil: nur geringes Potential für Wiederherstellung der ursprünglichen Wirbelkörperform. Kein Effekt auf die Verringerung der degenerativ bedingten Verringerung Bandscheibenhöhe. Anschlussfrakturen,
– Wirbelkörperersatz: Ersatz eines kyphosierten Wirbels gegen einen Fremdkörper. Nachteil: Umfassender, belastender Eingriff über ventralen Zugang. Nur Adressierung des einzelnen Wirbels möglich. Anschlussfrakturen,
– Fixateur Intern/Schrauben-Stab-System: Stabilisierung der Wirbelsäule zur Vermeidung einer weiteren Kyphosierung durch das Zuggurtungsprinzip dorsal. Nachteil: Kein langfristiger Effekt auf die Vermeidung einer Kyphose. Implantatlockerung. Implantatausschneiden.
– Kombination operativer Verfahren: Selbst die Kombination von Fixateur (Zuggurtung) und ventraler Abstützung kann eine Kyphosierung nicht voll umfänglich aufhalten.
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Die Aufgabe der Erfindung besteht nunmehr darin, ein chirurgisches Implantat für die Stabilisierung der Wirbelsäule und des Rumpfes vorzuschlagen, welches die Entwicklung oder das Voranschreiten einer kyphotischen Fehlstellung der Wirbelsäule verhindert oder diese Fehlstellung korrigiert und dabei die Wirbelkörper der Wirbelsäule aus biomechanischer Sicht besser entlastet als bislang vorbekannte Implantate oder Hilfsmittel.
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Erfindungsgemäß besteht das chirurgische Implantat für die Stabilisierung der Wirbelsäule und des Rumpfes zur Anwendung in der Humanmedizin zumindest aus einer am anterioren Rumpf platzierten und in Richtung ihrer Längsachse ventral zwischen dem Thorax und dem Becken sich erstreckenden Brücke zur Aufnahme von im Wesentlichen axialen Drucklasten, wobei die Brücke an ihren beiden im Bereich des Thorax und des Beckens zum Erliegen kommenden Endbereichen jeweils Konnektoren aufweist, von denen die am unteren Rippenbogen des Thorax und des Sternums mit Xiphoid platzierten Konnektoren mit im Querschnitt U-förmigen Aufnahmeschalen zur partiellen Aufnahme des zentral gelegenen Xiphoids mit Sternum und des linken und rechten Rippenbogens gekoppelt sind, wodurch die flächige Kraftableitung oder Krafteinleitung über die Kontaktfläche zwischen dem entsprechenden Rippenbogen und der zugehörigen Aufnahmeschale erfolgt, und die im Symphysenbereich des Beckens platzierten Konnektoren mittels Arretierungsmitteln mit dem Becken verbunden sind, sodass durch die Ausbildung einer artifiziellen Wirbelsäule mittels der Brücke zumindest die Entwicklung oder das Voranschreiten einer kyphotischen Fehlstellung der Wirbelsäule verhindert oder diese Fehlstellung korrigiert wird.
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Der Fachwelt wird mit der vorliegenden Erfindung eine innovative Lösung aufgezeigt, bei der erstmalig zur Entlastung der Wirbelsäule unter Verwendung eines Implantats unmittelbar der Rumpf abgestützt wird. Die anteriore Abstützung des Rumpfes kann einem Fortschreiten der Krümmung des Rumpfes besser Widerstand leisten, als ein Implantat in der posterior gelegenen Wirbelsäule. Das erfindungsgemäße Implantat widersetzt sich der Fehlstellung der Wirbelsäule durch eine axiale Druckaufnahme, wohingegen die bislang eingesetzten Implantate an der Wirbelsäule (Fixateur Intern) über eine Zuggurtung stabilisierend wirkten. Das neue Implantat stabilisiert den Rumpf mittels einer direkten Überbrückung von Brustkorb und Becken, entsprechend einer artifiziellen Wirbelsäule (Anterior Sagittal Alignment Device, ASAD) im vorderen Bereich des Rumpfes mit den Zielen:
- • Abstützung des Rumpfes bei beginnender altersbedingter Kyphose ohne/mit Frakturen, ohne/mit begleitender Muskelschwäche (z. B. Sarkopenie oder M. Parkinson/Kamptokormie),
- • Relordosierung bei durch Lagerung korrigierbarer (nicht-struktureller) Kyphose als Stand-Alone Implantat. Überprüfung der Korrekturfähigkeit durch Hypomochlion-Aufnahme in Rückenlage im seitlichen Strahlengang (unter Analgesie, ggf. Sedierung),
- • Umleitung der axialen Belastung (sog. „Stress Shielding”) der Wirbelsäule bei osteoporotischen Frakturen der Wirbelkörper mit der Verhinderung einer neu auftretenden kyphotischen Fehlstellung als einzelnes/Stand Alone Implantat oder in Kombination mit einer Zementaugmentation der Wirbelkörper,
- • Umleitung der axialen Belastung (Stress Shielding) der Wirbelsäule bei (Korrektur-)Spondylodesen zur Vermeidung eines Implantatversagens posterior bzw. einer sekundären Kyphosierung und
- • erweiterte Indikation: Umleitung der axialen Belastung (Stress Shielding) der Wirbelsäule bei traumatischen Wirbelfrakturen, z. B. kranialer Wirbelbruch mit Hinterkantenbeteiligung oder kranialer Berstungsbruch ohne/mit Bandscheibenverletzung als Stand-Alone Implantat zur Vermeidung einer sekundären Kyphosierung.
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Erfindungswesentlich ist, dass die Brücke mit den an ihren Endbereichen platzierten Konnektoren im Bereich des Brustkorbs mit sogenannten Aufnahmeschalen gekoppelt ist. Vorzugsweise sind zumindest zwei im Querschnitt U-förmige Aufnahmeschalen zur partiellen Aufnahme des linken und rechten Rippenbogens vorgesehen, wodurch die flächige Kraftableitung oder Krafteinleitung über die Kontaktfläche zwischen Rippenbogen und Aufnahmeschale erfolgt. Im Gegensatz zur Befestigung der Brücke am Becken muss das am Rippenbogen platzierte Ende der Brücke besser abgestützt werden, da der Rippenbogen entsprechend filigraner ausgebildet ist. Dem Hersteller bleibt es dabei überlassen, die Aufnahmeschale als ein separates, mit dem Konnektor verbundenes Bauteil oder als Teil des Konnektors auszubilden. Die Aufnahmeschalen können starr und zumindest partiell flexibel gefertigt sein, um eine optimale Anpassung an die Geometrie des abzustützenden Rippenbogens zu gewährleisten. Auch hierbei werden Materialen eingesetzt, die aus Kunststoffen, Metallen oder Kompositionen daraus bestehen.
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Denkbar sind ebenfalls mehrschichtig aufgebaute Aufnahmeschalen, bei denen beispielsweise die zum Rippenbogen weisende Schicht bzw. der den Rippenbogen partiell umschließende Bereich mit einem weicheren Material und der mit den Konnektoren oder unmittelbar mit der Brücke verbundene Bereich aus einem härteren Material besteht. Unabhängig von der strukturellen Ausbildung der Aufnahmeschalen steht dem Operateur jedoch auch ein Set mit gleichartigen Aufnahmeschalen jedoch unterschiedlicher Größe am OP-Tisch zur Verfügung
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Versuchsreihen haben ergeben, dass es in Abhängigkeit der Anatomie des Patienten bzw. Implantatträgers sowie des Kyphosebefunds praktikabel erscheint, die Brücke einteilig oder zweiteilig aus zwei parallel zueinander sich erstreckenden Längsträgern auszubilden. Bei einer zweiteiligen Ausbildung erstreckt der eine Längsträger sich ausgehend vom Bereich des unteren linken Rippenbogens bis zum linksseitigen Symphysenbereich und der andere Längsträger erstreckt sich ausgehend vom Bereich des unteren rechten Rippenbogens bis zum rechtsseitigen Symphysenbereich. Der Weg des Erfindungsgedankens wird jedoch auch dann nicht verlassen, wenn die Brücke zumindest partiell als ebene oder gekrümmte Platte ausgebildet ist oder plattenartige Elemente aufweist. Letztlich ist auch eine Konstruktion der Brücke möglich, die aus einer Kombination aus einer Platte mit vier daran angeordneten, sich distal von der Platte erstreckenden Längsträgern besteht.
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Aus praktischen Erwägungen sind die bereits erwähnten Konnektoren sowohl mittelbar oder unmittelbar mit den Arretierungsmitteln als auch mit den beiden im Bereich des Thorax und des Beckens zum Erliegen kommenden Endbereichen der Brücke fixiert. Diese Konnektoren übernehmen im Wesentlichen die Aufgaben der mittelbaren Kopplung der Brücke mit den Arretierungsmitteln und den an späterer Stelle beschriebenen Aufnahmeschalen sowie die operative und auch nachträgliche Anpassung der Brücke und die Einstellung der Vorspannung der Brücke. Zudem verkürzt der Einsatz der Konnektoren die Operationseingriffszeit, da die entsprechende Ausgestaltung der Konnektoren, beispielsweise eine Ausgestaltung mit Gelenk oder werkseitig vorgefertigten Koppel- oder Rastpositionen, eine exakte Positionierung der Brücke an ihren Fixpunkten ermöglicht.
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Die Brücke bzw. deren Längsträger und die Konnektoren stehen dazu form- und/oder kraftschlüssig, beispielsweise mittels Gewindeverbindung, Klemmverbindung oder Schraubklemmverbindung, miteinander in Eingriff. Eine kraftschlüssige Verbindung könnte beispielsweise dergestalt ausgebildet sein, in dem die im Querschnitt runde oder ovale Brücke bzw. die im Querschnitt runden oder ovalen Längsträger ringartig oder klammerartig von den Konnektoren eingefasst sind, wobei ein zugehöriges Feststellmittel an den Konnektoren die Lageposition der Brücke bzw. deren Längsträger gegenüber den Konnektoren sichert. Bei einer formschlüssigen Verbindung hingegen ist die Brücke bzw. sind ihre Längsträger beispielsweise zumindest partiell als Spindel, Schraube oder Gewindestange mit Außengewinde ausgebildet und die Konnektoren weisen jeweils ein komplementäres Innengewinde auf. Es versteht sich für den Fachmann, dass die formschlüssige und die kraftschlüssige Verbindung miteinander kombiniert werden können.
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Wie bereits eingangs kurz angerissen, ist zur Erzielung einer gewünschten Kyphose, respektive Vorspannung der Brücke zwischen Thorax und Becken, die effektive Brückenlänge mittels der form- und oder kraftschlüssigen Verbindung zwischen Brücke und den über die Arretierungsmittel mit Thorax und Becken verbundenen Konnektoren einstellbar. Die Brücke bzw. deren Längsträger und die Konnektoren sind durch ihre Verbindung in ihrer relativen Position zueinander verschiebbar oder verstellbar. Der Vorteil dieser Verstellbarkeit erschließt sich vor allem auch vor dem Hintergrund, wenn beispielsweise bei einer unfallbedingten Kyphose der Rumpf über einen unbestimmten Zeitraum wieder sukzessive aufgerichtet werden soll.
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Nach der Konzeption der Erfindung ist die Brücke aus einem starren Material oder zumindest partiell aus einem elastischen Material gefertigt, wobei eine zumindest partiell elastisch ausgebildete Brücke eine definierte Vorspannung aufweist, um auftretende Axialstöße besser absorbieren zu können. In der Praxis haben sich Brücken aus Metall, beispielsweise Titan oder Edelstahl, oder thermoplastische Kunststoffe, beispielsweise Polyetheretherketon (PEEK) als geeignet erwiesen.
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Bei einer besonders vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung sind die beiden Längsträger einer zweiteilig aufgebauten Brücke unter Verwendung von zumindest einem Querverbinder lösbar miteinander gekoppelt, wobei die Querverbinder und die Brücke form- und/oder kraftschlüssig, beispielsweise mittels Gewindeverbindung oder Klemmverbindung, miteinander in Eingriff stehen. Die zuvor erläuterte Koppelmöglichkeit von Brücke und Konnektoren lässt sich auch hier für die Kopplung der Querverbinder mit den beiden Längsträgern übertragen. Denn auch hier greifen die Querverbinder ringartig oder zumindest partiell ringartig um die Längsträger bzw. haben eine Aufnahme in Gestalt einer Durchführung, deren Querschnitt dem Querschnitt der Längsträger entspricht. Im einfachsten Fall ist der zumindest eine Querverbinder als Steg mit zwei an den axialen Enden des Stegs platzierten C-förmigen Krallen ausgebildet, in welchen die beiden Längsträger geführt und gehaltert sind. Durch Verwendung von Querverbindern kann verhindert werden, dass die beiden Längsträger bei Axialbelastung nicht auseinandertreiben. Die angestrebte Parallelführung der beiden Längsträger soll auch dazu führen, dass die axiale Gesamtlast grundsätzlich hälftig oder symmetrisch auf beide Längsträger aufgeteilt wird.
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Als Arretierungsmittel sind Schrauben, insbesondere Tulpenschrauben und Kopfgewindeschrauben, vorgesehen, die mono- oder bikortikal in den Rippenbögen und in der Symphyse bzw. im Symphysenbereich verankert werden.
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Im Rahmen des erfindungsgemäßen Operationsverfahrens bzw. der operativen Intervention erfolgt über eine bogenförmige Inzision die Freilegung der unteren beiden Rippenbögen bis zur Faszie. Am Rippenbogen wird durch die U-förmig ausgebildete und beispielsweise aus PEEK gefertigte Aufnahmeschale der Rippenbogen kaudal umschlossen gefasst, ohne den Thorax zu eröffnen bzw. die Pleura zu verletzen. Eine Sicherung des Implantats, also die Brücke mit oder ohne Konnektoren, erfolgt durch mehrere Arretierungsmittel in Gestalt von Sicherungsschrauben, die mono- oder bikortikal im Rippenbogen und im Implantat verankert werden.
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Im Fortgang des Operationseingriffs werden durch eine bogenförmige Inzision über der Symphyse die knöchernen Strukturen des oberen Schambeinastes freigelegt. Es erfolgt unter BV-Kontrolle eine Bohrung parallel zur Symphse in kaudal/posteriorer Richtung. Die Gegenkortikalis wird dabei perforiert. Gemäß Längenmessung wird eine Schraube, ähnlich einer Pedikelschraube (vgl. Fixateur Intern) bikortikal eingebracht.
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Als axialer Lastträger dient die erfindungsgemäße stabförmig ausgebildete zweiteilige Brücke im Sinne eines Stabes (Rod, vgl. Fixateur Intern). Dieser wird subkutan/epifaszial über eine Tunnelung entlang des M. rectus abdominis eingebracht. Mittels der zuvor beschriebenen Konnektoren erfolgt die Verbindung der beiden Längsträger der Brücke sowohl mit den an den Rippenbögen platzierten Aufnahmeschalen und Arretierungsmitteln als auch mit den an der Symphyse angeordneten Arretierungsmittel.
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Hierbei erfolgt eine Einstellung der Kyphose bzw. sagittalen Balance der Wirbelsäule durch zum einen die Lagerung (Extension) auf einem Hypomochlion auf dem Operationstisch und zum anderen durch die beschriebene Vorspannung, also einstellbare Verbindung zwischen den Konnektoren und den Längsträgern der Brücke, in der das Implantat bzw. die Brücke zwischen dem Thorax und dem Becken verspannt wird. Nach korrekter Einstellung des sagittalen Profils erfolgt die Kopplung beider Lastträger mittels des Querverbinders, um ein Auseinanderweichen der Lastträger bei axialer Belastung zu vermeiden. Der sich daran anschließende Wundverschluss erfolgt gemäß den bewährten Methoden.
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Die signifikanten Vorteile und Merkmale der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik sind im Wesentlichen:
- • axiale Lastaufnahme des Implantats am anterioren Rumpf,
- • das am anterioren Rumpf, sich zwischen dem zwischen dem Thorax und dem Becken sich erstreckende Implantat leistet einem Fortschreiten der Krümmung der Wirbelsäule grundsätzlich besser Widerstand als ein posterior platziertes Implantat gemäß dem Stand der Technik, da der Weg zur Kraftableitung kürzer und direkter ist,
- • Umleitung der axialen Belastung der Wirbelsäule und damit Entlastung bereits geschädigter Bandscheiben oder Wirbelkörper,
- • deutlich geringeres Operationsrisiko als bei konventionellen Implantationsverfahren, bei denen das Implantat bekanntlich im Bereich des Zentralnervensystems platziert wird,
- • die Einstellung, Nachführung oder Neujustierung der Brücke zur Erzielung einer gewünschten Kyphose bzw. Lordose kann zu jedem Zeitpunkt postoperativ erfolgen,
- • der technische Aufbau des Implantats und dessen Koppelbauteile sind einfach, was sich kostengünstig auf deren Fertigung und Marktdurchdringung auswirkt und
- • psychosoziale Aspekte führen zu einer breiteren Akzeptanz des neuen anterior platzierten Implantats, da sowohl im Kurzzeitverlauf als auch im Langzeitverlauf die Patienten zufriedener sind als bei posterior stabilisierten Wirbelsäulen, welche beispielsweise zu Anschlussfrakturen neigen oder einer degenerativ bedingten Kyphosierung nicht oder nicht vollständig entgegentreten können.
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Die zuvor erläuterten Merkmale und Vorteile dieser Erfindung sind nach sorgfältigem Studium der nachfolgenden ausführlichen Beschreibung der hier bevorzugten, nicht einschränkenden Beispielausgestaltungen der Erfindung mit den zugehörigen Zeichnungen besser zu verstehen und zu bewerten, welche zeigen:
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1: eine schematische Seitenansicht einer Wirbelsäule mit Wirbelfrakturen ohne Implantat,
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2: eine perspektivische Frontdarstellung des erfindungsgemäßen chirurgischen Implantats im postoperativen Zustand,
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3: eine schematische Seitenansicht einer aufgerichteten Wirbelsäule im Zusammenwirken mit dem Implantat,
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4: eine konstruktive Darstellung des sich zwischen Thorax und Becken erstreckenden Implantats,
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5: eine Detaildarstellung einer am Rippenbogen platzierten Aufnahmeschale im Zusammenwirken mit Konnektor und Brücke und
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6: eine Detaildarstellung der Arretierung der Brücke im Bereich des Beckens.
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Die 1 zeigt eine Darstellung einer Wirbelsäule 1 einer Patientin mit multiplen älteren und frischen Wirbelfrakturen des thorakolumbalen Überganges mit globaler Kyphose. Die im Bereich der Wirbelsäule 1 angedeuteten Pfeile illustrieren hierbei die Schmerzhaftigkeit der überdehnten Rückenmuskulatur. Wie ersichtlich, berühren die unteren Rippen 3.1 das Becken 4, was ebenso schmerzhaft ist. Dieser Zustand führt zu einer sagittalen Imbalance mit Verlagerung des Körperschwerpunktes vor die Hüftköpfe. Durch die krankhafte Kyphose verlagern sich die intraabdominellen Organe nach intrathorakal, was einher geht mit der Verringerung einer kardiopulmonalen Belastbarkeit.
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Aus der 2 ist eine perspektivische Frontdarstellung des erfindungsgemäßen chirurgischen Implantats im postoperativen Zustand zu entnehmen. Das chirurgische Implantat für die Stabilisierung der Wirbelsäule 1 zur Anwendung in der Humanmedizin besteht aus einer am anterioren Rumpf 2, siehe 3, platzierten und in Richtung ihrer Längsachse ventral zwischen dem Thorax 3 und dem Becken 4 sich erstreckenden Brücke 5 zur Aufnahme von im Wesentlichen axialen Lasten, wobei die Brücke 5 mittelbar mit jeweils am Thorax 3 und am Becken 4 angreifenden Arretierungsmittel 6, siehe 6, verbunden ist, sodass durch die Ausbildung einer artifiziellen Wirbelsäule mittels der Brücke 5 die Entwicklung oder das Voranschreiten einer kyphotischen Fehlstellung der Wirbelsäule 1 verhindert bzw. die vorliegende Kyphose gemäß 1 korrigiert wird. Die Arretierungsmittel 6 sind erfindungsgemäß am unteren Rippenbogen 3.1 des Thorax 3 im Bereich des Xiphoids 3.2 und im Symphysenbereich 4.1 des Beckens 4 befestigt, siehe dazu auch die 5 und 6.
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Aus der 3 ist eine schematische Darstellung einer aufgerichteten Wirbelsäule 1 im Zusammenwirken mit dem erfindungsgemäßen chirurgischen Implantat zu entnehmen. Durch das Implantat wird die Rückenmuskulatur signifikant entlastet. Dadurch, dass nunmehr keine Berührung von Thorax 3 mit Becken 4 und der Körper aufgerichtet worden ist, wird die sagittale Balance wiederhergestellt. Das führt zur Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit durch Vergrößerung des intrathorakalen Volumens durch Senkung der intraabdominalen Organe in die ursprüngliche Position. Die 4 illustriert eine konstruktive Darstellung des zwischen Thorax 3 und Becken 4 sich erstreckenden Implantats, wobei zum besseren Verständnis des Sachverhalts ergänzend auf die 2 verwiesen wird. Die Brücke 5 des chirurgischen Implantats ist im dargestellten Beispiel zweiteilig mit zwei parallel zueinander sich erstreckenden Längsträgern 5.1 ausgebildet, wobei der eine Längsträger 5.1 sich ausgehend vom Bereich des unteren linken Rippenbogens 3.1 bis zum linksseitigen Symphysenbereich 4.1 und der andere Längsträger 5.1 sich ausgehend vom Bereich des unteren rechten Rippenbogens 3.1 bis zum rechtsseitigen Symphysenbereich 4.1 erstreckt, siehe auch 1. Ferner umfasst das chirurgische Implantat vier Konnektoren 7, welche mit den Arretierungsmittel 6, den an späterer Stelle näher beschriebenen Aufnahmeschalen 10 und auch mit den beiden im Bereich des Thorax 3 und des Beckens 4 zum Erliegen kommenden Endbereichen 5.2 der Brücke 5 fixiert sind. Die beiden Längsträger 5.1 der Brücke 5 und die vier Konnektoren 7 stehen im Wesentlichen formschlüssig miteinander in Eingriff, wobei die im Querschnitt runden oder ovalen Längsträger 5.1 der Brücke 5 ringartig oder klammerartig von den Konnektoren 7 eingefasst sind und ein zugehöriges Feststellmittel 9 an den Konnektoren 7 die Lageposition der Brücke 5 bzw. deren Längsträger 5.1 gegenüber den Konnektoren 7 sichert. Mittels der formschlüssigen Verbindung zwischen Brücke 5 bzw. Längsträger 5.1 und den vier Konnektoren 7 kann die zwischen Thorax 3 und Becken 4 sich erstreckende Brücke 5 vorgespannt und damit eine gewünschte Kyphose eingestellt werden. Die vorliegende Brücke 5 besteht aus einem starren Material in Gestalt eines Fixateurs aus den Materialien Titan und/oder PEEK (ggf. auch andere Materialien, ggf. in Materialkombination). Zur Vermeidung eines Auseinandertreibens der beiden parallel sich erstreckenden Längsträger 5.1 wird ein zentral platzierter Querverbinder 8 eingesetzt, der lösbar mit den beiden Längsträgern 5.1 gekoppelt ist. Die Kopplung erfolgt hierbei mittels einer Klemmverbindung unter Verwendung eines T-Stücks mit distal platzierten im Querschnitt kreisförmigen Durchbrüchen, durch welche die beiden Längsträger 5.1 durchgeführt und mittels Feststellmitteln 9 arretiert sind.
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Die 5 zeigt eine Detaildarstellung einer jeweils an den beiden unteren Rippenbögen 3.1 platzierten Aufnahmeschale 10 im Zusammenwirken mit dem Konnektor 7 und der Brücke 5. Die im Wesentlichen U-förmig ausgebildete und aus PEEK und/oder Titan (ggf. auch andere Materialien, ggf. in Materialkombination) gefertigte Aufnahmeschale 10 greift an der Unterseite des unteren Rippenbogens 3.1 an, wodurch die Kraftableitung über den Konnektor 7 und den mit diesem verbundenen, jedoch nur ansatzweise gezeigten Längsträger 5.1 flächig erfolgt. Der Konnektor 7 umfasst im gezeigten Beispiel fünf Bohrungen zur Aufnahme von Arretierungsmitteln 6. Die als Schrauben vorliegenden Arretierungsmittel 6 werden im knöchernen Rippenbogen 3.1 fest verschraubt. Ferner weist die Aufnahmeschale 10 einen Materialvorsprung auf, in welchem eine Bohrung angeordnet ist. In diese Bohrung greift wiederum ein Feststellmittel 9 ein und verbindet somit den Konnektor 7 mit der Aufnahmeschale 10. Die Aufnahmeschale 10 und der zugehörige Konnektor 7 können in einem beliebigen Winkel in Abhängigkeit der Anatomie des Patienten zueinander ausgerichtet werden. Fakultativ können an der Materialausnehmung nichtdargestellte Anschläge platziert sein, welche zur einfacheren Positionierung von Konnektor 7 gegenüber der Aufnahmeschale 10 vorgesehen sind. Der Konnektor 7 weist eine kreisrunde Durchführung zur Aufnahme des Längsträgers 5.1 auf, die Sicherung dieser Verbindung erfolgt wiederum unter Verwendung von Feststellmitteln 9 in Gestalt von Schrauben, deren Kraftwirkungsrichtung orthogonal zur Längsachse des Längsträgers 5.1 ist.
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Die 6 zeigt eine Detaildarstellung der Arretierung der Brücke 5 im Bereich des Beckens 4. Zur Anwendung gelangt hierbei eine polyaxiale Tulpenschraube ähnlich einer Pedikelschraube. Der Schraubenkopf bzw. die sogenannte Tulpe ist dabei frei im Raum um etwa 30° beweglich ausgebildet, um eine optimale Arretierung des Längsträgers 5.1 in Abhängigkeit anatomischer Gegebenheiten mittels des Konnektors 7 realisieren zu können. Die Tulpenschraube wird in das Becken 4 im Bereich der Symphyse 4.1 eingetrieben und ist dort ausreichend fest verankert.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Wirbelsäule
- 2
- anteriorer Rumpf
- 3
- Thorax
- 3.1
- unterer Rippenbogen
- 3.2
- Xiphoid
- 4
- Becken
- 4.1
- Symphyse/Symphysenbereich
- 5
- Brücke
- 5.1
- Längsträger
- 5.2
- Endbereiche der Brücke
- 6
- Arretierungsmittel
- 7
- Konnektoren
- 8
- Querverbinder
- 9
- Feststellmittel
- 10
- Aufnahmeschale