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Technisches Gebiet
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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Baukastensystem zur Ausbildung von mindestens einer ersten Elektromaschine und mindestens einer zweiten Elektromaschine unterschiedlicher Leistung sowie ein Verfahren zur Herstellung einer Elektromaschine unter Nutzung eines solchen Baukastensystems.
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Stand der Technik
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Batteriebetriebene, elektrisch angetriebene Zweiradfahrzeuge werden gesetzlich in verschiedene Typklassen eingeordnet, die sich hinsichtlich der Leistung des Elektroantriebs unterscheiden. Elektrisch angetriebene Zweiradfahrzeuge der Typklasse L1e beispielsweise dürfen maximal bis zu 4 kW leisten, während solche der Typklasse L3e eine Maximalleistung von bis zu 11 kW aufweisen dürfen.
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Zweiradfahrzeuge der Typklasse L1e werden häufig mit getriebelosen Radnabenmotoren im Hinterrad betrieben. Dabei handelt es sich regelmäßig um bürstenlose, elektrisch kommutierte Elektromotoren in einer Ausführung als PMSM-Elektromotoren (mit sinusförmiger BACK-EMF) oder BLDC-Elektromotoren (mit rechteckförmiger Back-EMF). Hinsichtlich Ihres Aufbaus weisen diese Elektromotoren regelmäßig einen achsfesten Stator mit hoher Nutzahl (regelmäßig > 51) auf, während der Rotor unmittelbarer Bestandteil der Felge ist. Dabei weist der Rotor typischerweise einen auf einen eisernen Rückschlussring montierten Kranz von Permanentmagneten aus Seltenen Erden in hoher Polzahl (regelmäßig < 46) auf. Die verwendete Menge an Seltenerdmagneten beträgt dabei regelmäßig ca. 450 g und trägt dadurch zu einem Großteil zu den Gesamtkosten des elektrischen Antriebs bei. Infolge der hohen Materialkosten für die Seltenerdmagnete sind derartige Bauformen für Elektromotoren, die als Antrieb für Zweiradfahrzeuge genutzt werden, auf regelmäßig 2 kW Maximalleistung begrenzt.
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Alternativ finden sich bei Batterie-elektrischen Zweiradantrieben auch solche, die die Antriebsleistung über ein Untersetzungsgetriebe auf das angetriebene Rad übertragen. Bei fahrzeugrahmenfester Anbindung des Elektromotors erfolgt die Untersetzung regelmäßig über mehrstufige Riemen- oder Kettenantriebe beziehungsweise Kombinationen aus diesen, gegebenenfalls noch in weiterer Kombination mit einem Zahnradgetriebe. Bei radnaher Anordnung der Elektromotoren kommen dagegen vielfach ausschließlich Zahnradgetriebe in Ausführungen als Stirnrad- oder Planetengetriebe zum Einsatz.
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Viele elektrisch angetriebene Zweiradfahrzeuge werden mit verschiedenen Antriebsleistungen angeboten, wobei entsprechend unterschiedlich leistungsfähige Elektromotoren in denselben Fahrzeugrahmen verbaut werden. Für solche Zweiradfahrzeuge wäre es vorteilhaft, entsprechend leistungsmäßig abgestufte Elektroantriebe bereit zu stellen, die bei gleichem Funktionskonzept auch einen im Wesentlichen gleichen Aufbau aufweisen, so dass für deren Integration keine oder nur minimale Anpassungen des Fahrzeugrahmens erforderlich sind. Weiterhin wäre es vorteilhaft, wenn es möglich wäre, die verschiedenen Elektroantriebe in einem großen Drehmomentbereich skalieren zu können, ohne dabei den Drehzahlbereich zu verändern. Eine Anpassung der Höchstgeschwindigkeit der mit den verschiedenen Elektroantrieben ausgestatteten Fahrzeuge könnte dann über Änderungen der Untersetzungsverhältnisse erfolgen.
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Es gibt Baukastensysteme für rotierende Elektromaschinen, bei denen die Leistungen der verschiedenen, anhand des Baukastensystems ausbildbaren Elektromaschinen bis zu einem Faktor von ca. 2 über deren axiale Länge skaliert, d.h. verändert werden können. Sollen Elektromaschinen einer Baureihe dagegen eine darüber hinaus gehende Leistungsskalierung aufweisen, sind neben der Anpassung der axialen Länge noch Anpassungen der Maschinentopologie und insbesondere der geometrischen Abmessungen erforderlich. Dies ist üblicherweise mit hohen Investitionen in Werkzeuge und Fertigungsanlagen verbunden.
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Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Möglichkeit anzugeben, in kostengünstiger Weise eine Baureihe von Elektromaschinen, insbesondere Elektromotoren für den Antrieb von Zweiradfahrzeugen, zur Verfügung zu stellen, die in einem vergleichsweise großen Leistungsbereich, insbesondere zwischen 1,5 kW und 11 kW, skalierbar sind.
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Offenbarung der Erfindung
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Diese Aufgabe wird durch ein Baukastensystem gemäß Anspruch 1 sowie durch ein Verfahren gemäß dem nebengeordneten Anspruch gelöst.
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Weitere Ausgestaltungen sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Gemäß einem ersten Aspekt ist ein Baukastensystem zur Ausbildung von mindestens einer ersten Elektromaschine und mindestens einer zweiten Elektromaschine unterschiedlicher Leistung vorgesehen, wobei die Elektromaschinen als Innenläufer mit einem außenliegenden Stator und einem innenliegenden, Permanentmagnete aufweisenden Rotor ausgebildet sind. Die Statoren für die Elektromaschinen sind zumindest hinsichtlich ihrer Innendurchmesser identisch, während der Rotor der ersten Elektromaschine Ferritmagnete aufweist und der Rotor der zweiten Elektromaschine Seltenerdmagnete aufweist.
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Die Statoren des Baukastensystems können weiterhin auch noch hinsichtlich der Geometrie der Anbindungsstellen, über die die Statoren in tragende Strukturen, beispielsweise Rahmen oder Hinterradschwingen von Zweiradfahrzeugen, integrierbar sind, identisch sein. Besonders bevorzugt kann vorgesehen sein, dass die Statoren des Baukastensystems vollständig oder zumindest mit Ausnahme ihrer axialen Länge vollständig identisch sind.
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Das Baukastensystem ermöglicht die Ausgestaltung von Elektromaschinen unterschiedlicher Leistung ohne relevante Änderungen an der grundlegenden Topologie und Geometrie der dazu genutzten Statoren und Rotoren.
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Ein Verfahren zur Herstellung einer Elektromaschine unter Nutzung eines solchen Baukastensystems sieht demnach vor, dass zumindest der Rotor anhand der vorgesehenen Leistung der Elektromaschine ausgewählt wird.
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In einer konstruktiv einfachen und daher kostengünstigen Ausgestaltung des Baukastensystems können beispielsweise zwei Elektromaschinen vorgesehen sein, deren Statoren vollständig identisch sind und deren Rotoren sich lediglich in der Verwendung unterschiedlicher Permanentmagnete unterscheiden. Dadurch können auf einfache Weise zwei unterschiedlich leistungsfähige Elektromaschinen realisiert werden. Da dabei auf identische Statoren und mit Ausnahme der eingesetzten Permanentmagnete identische Rotoren zurückgegriffen wird, können die Investitionen in Fertigungsanlangen und gegebenenfalls auch Lagerhaltungskosten gegenüber den bereits existierenden Baukastensystemen, bei denen die unterschiedlichen Leistungen über eine axiale Längenskalierung von Stator und Rotor realisiert wird, reduziert werden. Diese Einsparungen können insbesondere auch so hoch sein, dass Mehrkosten, die durch die Verwendung von regelmäßig vergleichsweise teuren Seltenen Erden für die Permanentmagnete der einen Elektromaschine entstehen, überkompensiert werden.
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Eine besonders große und damit vorteilhafte Skalierung des von den Elektromaschinen des Baukastensystems abdeckbaren Leistungsbereichs kann dadurch erreicht werden, dass die auf der Verwendung unterschiedlicher Arten von Permanentmagneten basierende Leistungsänderung mit einer Leistungsänderung über eine axiale Skalierung kombiniert wird. Demnach können mehrere erste Elektromaschinen und/oder mehrere zweite Elektromaschinen vorgesehen sein, die sich in ihrer axialen Länge unterscheiden und dadurch ebenfalls unterschiedliche Leistungen aufweisen.
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Es können somit zwei sich durch die Art der verwendeten Permanentmagnete unterscheidende Gruppen von Elektromaschinen vorgesehen sein, wobei sich die Elektromaschinen einer oder vorzugsweise beider Gruppen wiederum infolge einer Längenskalierung hinsichtlich ihrer Leistung unterscheiden. Dabei weist die Leistungsanpassung über die Längenskalierung den Vorteil einer grundsätzlich stufenlosen und daher beliebigen Anpassungen innerhalb der durch die grundlegende Topologie und Geometrie von Stator und Rotor sowie durch die jeweilige Art der verwendeten Permanentmagnete beschränkten Leistungsbereiche auf.
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Gleichzeitig sind die zusätzlichen Herstellungskosten, die mit der axialen Längenskalierung der Statoren und Rotoren verbunden sind, vergleichsweise gering. Zudem ist, da keine Änderungen bezüglich der Anbindungsstellen vorgesehen sind, die Integration auch der längenskalierten Elektromaschinen in die vorgesehen Umgebung, beispielsweise einen Rahmen oder eine Hinterradschwinge eines Zweiradfahrzeugs, möglich, ohne das damit ein Zusatzaufwand verbunden wäre.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung des Baukastensystems kann vorgesehen sein, dass der Faktor, mit dem die Längenskalierung in axialer Richtung für die ersten Elektromaschinen und/oder zweiten Elektromaschinen erfolgt, zwischen zwei und drei beträgt. Demnach beträgt die axiale Länge der längsten Elektromaschine einer Gruppe (erste oder zweite Elektromaschinen) das Zwei- bis Dreifache der axialen Länge der kürzesten Elektromaschine dieser Gruppe. In diesem Faktorbereich ist eine Längenskalierung von im Übrigen (weitgehend) unveränderten Elektromaschine mit akzeptablem Wirkungsgradunterschied realisierbar. Zudem kann mit diesem Längenskalierungsbereich ein sinnvoller Übergang hinsichtlich der von den beiden Gruppen abgedeckten Leistungsbereiche erreicht werden. Beispielsweise kann dadurch mittels der ersten, primär als Elektromotoren dienenden Elektromaschinen ein Leistungsbereich von ca. 1,5 kW bis ca. 4 kW sowie mittels der zweiten, ebenfalls primär als Elektromotoren dienenden Elektromaschinen ein Leistungsbereich von ca. 4 kW bis ca. 11 kW abgedeckt werden. Insgesamt ergibt sich somit bei mit Ausnahme der axialen Länge identischer Geometrie und Topologie (einschließlich des Wickelschemas der Statorspulen) eine Leistungsskalierbarkeit der Elektromaschinen des Baukastensystems mit einem Faktor größer sieben. Dabei kann es sinnvoll sein, den Feldschwächbereich von zumindest einigen der aus dem Baukastensystem herstellbaren Elektromaschinen zu nutzen, um diese (Gesamt-)Leistungsskalierbarkeit zu erzielen.
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Ein Verfahren zur Herstellung einer Elektromaschine unter Nutzung eines solchen längenskalierbaren Baukastensystems kann vorsehen, dass zunächst die sich aus der Art der verwendeten Permanentmagnete ergebende Art des Rotors und anschließend eine der vorgesehenen Leistung der Elektromaschine entsprechende Länge des Stators und/oder des Rotors ausgewählt wird.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung des Baukastensystems kann vorgesehen sein, das die Rotoren beider Elektromaschinen eine Speichenanordnung ihrer Permanentmagnete aufweisen, wobei die vorzugsweise stabförmigen Permanentmagnete mit einer (vorzugsweise der größten) Längserstreckung radial bezogen auf die jeweilige Rotationsachse des Rotors ausgerichtet sind und die Nordpol-Südpol-Verbindungen der Permanentmagnete senkrecht zu der jeweiligen radialen Ausrichtung verlaufen. Dabei kann besonders bevorzugt vorgesehen sein, dass die Polung benachbarter Permanentmagnete entgegengesetzt ist. Eine solche Speichenanordnung der Permanentmagnete kann insbesondere Vorteile bei einer vorgesehenen Längenskalierung der aus den beiden Gruppen des Baukastensystems herstellbaren Elektromaschinen aufweisen.
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Das Baukastensystem eignet sich insbesondere zur Ausbildung von Elektromaschinen mit einem Betriebsspannungsbereich von ≤ 60 V (Gleichspannung). Sofern die Elektromaschinen als Elektromotoren für einen Antrieb von Fahrzeugen, insbesondere Zweiradfahrzeugen, vorgesehen sind, können diese insbesondere als durch Fahrtwind gekühlt ausgebildet beziehungsweise eingesetzt werden.
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Kurzbeschreibung der Zeichnungen
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Bevorzugte Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung werden nachfolgend anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
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1 einen aus einem erfindungsgemäßen Baukastensystem ausgebildeten Elektromotor;
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2 eine schematische Querschnittdarstellung durch den Elektromotor der 1; und
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3 den Verlauf der Differenz der virtuellen Induktivitäten Ld – Lq (Vertikalachse) von zwei aus einem erfindungsgemäßen Baukasten ausgebildeten Elektromotoren über deren Drehzahlen (Horizontalachse).
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Beschreibung von Ausführungsformen
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Die 1 und 2 zeigen den Aufbau eines Elektromotors, der aus einem Stator 1 und einem Rotor 2 eines erfindungsgemäßen Baukastensystems ausgebildet ist.
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Der außenliegende, ringförmige Stator 1 weist zwölf Statornuten auf, die zwischen zwölf Statorzähnen 3 ausgebildet sind. In bekannter Weise sind in den Statornuten um die Statorzähne 3 in Einzelzahnwicklungen herumgewickelte Spulen (nicht dargestellt) angeordnet.
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Der Rotor 2 weist zehn stabförmige Permanentmagnete 4 in einer Speichenanordnung mit fünf Polpaaren auf. Die größte Längserstreckung der Permanentmagnet 4 ist somit jeweils in einer radialen Richtung bezüglich der Rotationsachse 5 des Rotors 2 ausgerichtet. Dabei ergibt sich eine zu der jeweiligen Radialrichtung senkrechte beziehungsweise eine zu einem um die Rotationsachse 5 gedachten Kreis tangentiale Ausrichtung der Nordpol-Südpol-Verbindungen der einzelnen Permanentmagnete 4. Diese Anordnung der Permanentmagnete 4 führt zu einer radial bezüglich der Rotationsachse 5 wirksamen Flusskonzentration sowie zu einer deutlich ausgeprägten Salienz.
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Die Permanentmagnete 4 liegen in einer sogenannten vergrabenen Anordnung vor, d.h. diese sind vollständig in Vertiefungen beziehungsweise Taschen eines aus einem Rückschlussmaterial bestehenden Rotorgrundkörpers 6 angeordnet. Dabei kann gegebenenfalls vorgesehen sein, dass in radialer Richtung auf zumindest einer Seite der Permanentmagnete 4 zwischen diesen und dem Rückschlussmaterial Lufttaschen ausgebildet sind (nicht dargestellt). Dadurch können magnetische Streuflüsse zwischen benachbarten Permanentmagneten 4 minimiert werden.
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Der Stator 1 weist gemäß der 1 noch ein Gehäuse 7 auf. Dieses Gehäuse 7 ist mit Anschlussflanschen 8 versehen, durch die der Elektromotor an eine tragende Struktur angebunden werden kann, um das von diesem erzeugte Drehmoment abzustützen. Hierzu können die Anschlussflansche Anschlussstellen in Form von Bohrungen 9 aufweisen, die für ein Verschrauben mit der tragenden Struktur genutzt werden können.
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Beispielsweise eignet sich der Elektromotor als radnah angeordneter Niedervolt-Antriebsmotor für ein Batterie-elektrisch betriebenes Zweiradfahrzeug, wobei dieser mit einem Getriebe, insbesondere Untersetzungsgetriebe kombiniert sein kann, das sich direkt an den Elektromotor anschließen kann. Der Elektromotor eignet sich auch als an einem Fahrzeugrahmen des Zweiradfahrzeugs befestigter Antriebmotor, wobei dieser insbesondere ohne oder mit integriertem Teilgetriebe ausgebildet sein kann.
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Besonders bevorzugt eignet sich der dargestellte Elektromotor zum Antrieb eines Zweiradfahrzeugs mit einer innerhalb der in der Europäischen Union gesetzlich festgelegten Homologationsgrenzen von 4 kW bis 11 kW befindlichen Nennleistung. Die Ausgestaltung des Elektromotors mit zwölf Statornuten und fünf Polpaaren weist mit 94% einen vergleichsweisen hohen Wickelfaktor auf. Dies führt zu für die vorgesehene Verwendung ausreichend geringen Rastmomenten.
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Um in vorteilhafter Weise Elektromotoren bereitzustellen, die mehrere Leistungsstufen innerhalb dieser Homologationsgrenzen abdecken, ist ein Baukastensystem vorgesehen, dass verschiedene Rotoren 1 und Statoren 2 bereitstellt, die miteinander kombiniert werden können, um einen Elektromotor mit der jeweils geforderten Nennleistung zu erhalten.
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Dabei ist vorgesehen, dass die Geometrie und die Topologie (einschließlich des Wicklungsschemas) für alle Statoren 1 (einschließlich des Gehäuses 7 und insbesondere der Anschlussstellen) des Baukastensystems mit der (für zumindest einige der Statoren 1 geltenden) Ausnahme der axialen (d.h. in Richtung der Rotationsachse 5 gerichteten) Länge (von insbesondere den Statorzähnen 3 sowie der um diese gewickelten Spulen) identisch ist.
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Gleiches gilt für die Rotoren 2 des Baukastensystems, die ebenfalls hinsichtlich ihrer Geometrie und Topologie mit der (für zumindest einige der Rotoren 2 geltenden) Ausnahme der axialen Länge identisch sind. Zudem sind die Rotoren 2 in zwei Gruppen unterteilt, die sich hinsichtlich der Art der verwendeten Permanentmagnete 4 unterscheiden. Während in der ersten Gruppe Permanentmagnete 4 aus einem Ferritmaterial (nachfolgend „Ferritmagnete“) zum Einsatz kommen, sind für die Rotoren der zweiten Gruppe Permanentmagnete 4 aus einem Seltene Erden umfassenden Material (nachfolgend „Seltenerdmagnete“), konkret Nd2Fe14B, vorgesehen.
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Infolge des stärkeren Magnetfelds von Seltenerdmagnete im Vergleich zu demjenigen von Ferritmagneten kann durch die Verwendung eines Rotors 2 mit Seltenerdmagneten eine im Vergleich zu einem im Übrigen identischen Rotor mit Ferritmagneten erhebliche Leistungssteigerung für den Elektromotor erzielt werden.
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Beispielsweise kann mit der in den 1 und 2 dargestellten Topologie ein Elektromotor mit Ferritmagneten ausgebildet werden, der bei einer Betriebsspannung von 50,5 V, einem Außendurchmesser des Stators von 120 mm, einem Außendurchmesser des Rotors von 65 mm sowie einer axialen Paketlänge (d.h. der axialen Länge, in der der Rotor 2 von den Spulen des Stators 1 überdeckt wird) eine Nennleistung von ca. 4 kW bei einem maximalen Drehmoment von ca. 15,1 Nm abgibt. Für einen mit Ausnahme der Verwendung von Seltenerdmagneten identischen Elektromotor kann dagegen eine Leistung von ca. 11 kW bei einem maximalen Drehmoment von ca. 41,2 Nm erzielt werden. Dies entspricht einer Leistungssteigerung um den Faktor 2,75 und einer Drehmomentsteigerung um einen Faktor von ca. 2,73. Beide Elektromotoren würden dabei auch in etwa die gleiche Motormasse (ca. 7410 g), aktive Masse (ca. 5630 g) und Masse an verwendetem Kupfer (ca. 1490 g) aufweisen. Lediglich die Massen an verwendetem Magnetmaterial wären unterschiedlich, wobei 450 g Ferritmaterial und 350 g Seltenerdmaterial eingesetzt würden. Die sich auch infolge der geringeren Masse an verwendetem Seltenerdmaterial ergebenden kleineren Abmessungen der Seltenerdmagnete im Vergleich zu den Ferritmagneten kann durch den Einsatz eines Füllmaterials ausgeglichen werden, so dass sich das für beide Elektromotoren gleiche Gesamtgewicht ergibt. Wesentlicher Vorteil bei der Verwendung des Füllmaterials ist, dass die Abmessungen der Taschen des Rotorgrundkörpers 6 für alle im Baukastensystem vorhandenen Rotoren 2 gleich ausgebildet sein können. Dementsprechend muss für das Baukastensystem auch nur eine Ausführungsform des Rotorgrundkörpers 6 bereitgestellt werden.
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Sofern in dem Baukastensystem zudem eine Längenskalierung über einen Faktor von ca. zwei für den Stator und beide Ausführungen des Rotors (Ferrit- und Seltenerdmagnete) vorgesehen ist, kann für die zuvor beschriebene Ausgestaltung der Elektromotoren mit den aufgezeigten Abmessungen ein Leistungsbereich für auf Ferritmagneten basierenden Elektromotoren von 1,5 kW bei einer (minimalen) Paketlänge von ca. 37 mm bis zu den bereits beschriebenen 4 kW und für auf Seltenerdmagneten basierenden Elektromotoren ein Leistungsbereich von 4 kW bis zu den bereits beschriebenen 11 kW abgedeckt werden. Insgesamt ergibt sich somit für alle aus dem Baukastensystem ausbildbaren Elektromotoren ein abdeckbarer Leistungsbereich von 1,5 kW bis 11 kW, was einem Skalierungsfaktor von ca. 7,33 entspricht, ohne dass damit wesentliche, die Herstellungskosten erhöhende Änderungen an den Statoren 1 und Rotoren 2 einhergehen würden. Die Auswahl der jeweils einzusetzenden Art der Permanentmagnete 4 sowie die Ausgestaltung von Stator 1 und Rotor 2 mit der jeweils benötigten axialen Länge ist ohne wesentliche Erhöhung der Herstellungskosten und insbesondere ohne zusätzlich erforderliche Investitionen in Werkzeuge und Maschinen möglich. Weiterhin kann vorteilhaft sein, dass die Leistungsskalierung lediglich über eine Anpassung des Drehmoments erreicht wird, während das nutzbare Drehzahlband und die Kommutierungsfrequenzen gleich bleiben können.
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Eine Besonderheit der hier beschriebenen Geometrie und Topologie der aus dem Baukastensystem ausbildbaren Elektromotoren liegt in der ausgeprägten Salienz (engl. „saliency“), d.h. dem ausgeprägten Unterschied der virtuellen Induktivitäten Ld und Lq bezogen auf ein rotorfestes Koordinatensystem. Hinzu kommt ein Vorzeichenwechsel hinsichtlich der Differenz der virtuellen Induktivitäten (Ld – Lq) im Bereich des Übergangs vom Ankerstellbetrieb zum Feldschwächbetrieb für die auf Ferritmagneten basierenden Elektromotoren, wie dies in der 3 dargestellt ist. 3 zeigt ein Diagramm, das beispielhaft den Verlauf der Induktivität L des Elektromotors über der Drehzahl n darstellt.
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Üblicherweise gilt für Elektromotoren mit vergrabenen Magneten, dass (Ld – Lq) < 0 ist. Da eine Vorkommutierung per Definition negative Id und positive Iq erzeugt, ergibt sich für das Drehmoment durch Vorkommutierung („phase advancing“) ein nutzbares Zusatzdrehmoment von (Ld – Lq)·Id·Iq.
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Ein aus dem Baukastensystem ausgebildeter Elektromotor mit Ferritmagneten (vgl. durchgezogene Linie in der 3) weist im Reluktanzbetrieb (Ld – Lq) > 0 mit erheblich größerem Beitrag als bei den Elektromotoren mit Seltenerdmagneten (vgl. gestrichelte Linie in der 3) auf. Dies ermöglicht die Nutzung eines erheblichen Reluktanzmoments durch Nachkommutierung („phase retarding“), was sowohl zur Verbesserung des Wirkungsgrads in diesem Bereich als auch zum Erreichen einer temporären Leistungssteigerung, einer sogenannten Boostleistung, genutzt werden kann. Beispielsweise kann diese Boostleistung bei einem mit einem solchen Elektromotor angetriebenen Zweiradfahrzeug zum Aufklettern auf eine Bordsteinkante genutzt werden.