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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung beidseitig mikrostrukturierter Verbundfolien, die unterschiedliches plastisch-elastisches Verhalten auf der Ober- und Unterseite zeigen. Die Verbundfolie, die mindestens aus zwei Folienschichten bzw. -lagen besteht, besitzt lokal definierte Abschnitte mit hydrophoben und/oder hydrophilen Eigenschaften auf der Oberfläche. Des Weiteren betrifft die Erfindung die so hergestellten Verbundfolien sowie eine Vorrichtung zu ihrer Herstellung. Diese mikrostrukturierten Verbundfolien sind zum Einsatz in entsprechenden Bauteilen wie Mikroreaktionsanordnungen, Zellkultivatoren und diagnostischen Gebrauchssystemen vorgesehen, bei denen die Mikrostrukturen als mikrofluidische Probeaufnahme-, Mess-, Inkubations-, Vorrats-, Reaktions- und Abfallkammern sowie als Kanäle bei der Durchführung fluidischer Prozesse in chemischen, biologischen oder medizinischen Anwendungen fungieren.
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Stand der Technik
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Die Fertigung fluidischer Strukturen für diagnostischer Einmalgebrauchssysteme erfolgt im Wesentlichen immer noch mittels Laminiertechniken, die entweder durch die Aufeinanderfolge von Zwischenlagen aus Kleber- und/oder Distanzschichten und einer Abdeckfolie generiert werden oder aus aufeinanderfolgenden porösen Schichten, die meist aus Zellulose bestehen und einen lateralen Probefluss generieren. Der Nachteil dieser Technologie liegt in der begrenzten Strukturierbarkeit der Fluidwege und -oberflächen und Miniaturisierbarkeit (Mikrokanäle und Messkammern). Eine Alternative bieten mikrofluidische Anordnungen.
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Im Grundlagenbereich ist eine Vielzahl technologischer Lösungsansätze bekannt, die bisher nur für einfach strukturierte Biochips zu einer Kommerzialisierung geführt haben.
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Eine Möglichkeit zur Erzeugung mikrofluidischer Strukturen bieten die Siliziumtechnologie durch anisotropes Ätzen bzw. Silizium–Tiefätzen und die LIGA-Technologie (Beide Verfahren sind vergleichsweise kostenintensiv. Für die kostengünstige Fertigung komplexer, passiver, mikrofluidischer Disposables ist die Siliziumtechnologie nicht geeignet.
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Durch das Mikrospritzgießen, das Heißprägen und Kombinationen davon sowie durch Lithographie- und laserstrukturierende Verfahren können Kunststoffe für die Herstellung mikrofluidischer Strukturen genutzt werden (
EP 1 225 477 A1 , S. Lazare, J. Lopez, and F. Weisbuch, ”High-aspect ratio microdrilling in polymeric materials with intense KrF laser radiation”, Appl. Phys. A 69, 1–6 (1999), M. F. Jensen, J. E. McCormack, B. Helbo, L. H. Christensen, T. R. Christensen, N. J. Mikkelsen, and T. Tang. ”Rapid Prototyping of Polymeric Microstructures with a UV Laser, Proc. CIRP seminar an micro and nano technology”, Copenhagen, Denmark (2003), J. Arnold, U. Dasbach, W. Ehrfeld, K. Resch, and H. Löwe, ”Combination of excimer laser micromachining and replication processes suited for large scale production”, Appl. Surf. Sci. 86, 251–58 (1995)).
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Die zuletzt genannten Technologien sind aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten vor allem für Rapid Prototyping und die Fertigung kleinerer Stückzahlen geeignet.
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Mit etablierten Formgebungsverfahren wie Spritzguss- bzw. Mikrospritzguss lassen sich dünne Folien im Mikrometerbereich nicht oder nur unter enormen Aufwand in der Materialzuführung und -verteilung realisieren.
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Durch Nutzung der Heißprägetechnologie werden jedoch in Abhängigkeit von der Präzision und Technologie der Patrizenwerkzeugherstellung sehr gute Mikrostrukturierungen in Polymerfolien ermöglicht (M. Heckele und W. K. Schomburg, „Review an micro molding of thermoplastic polymers”, Journal of micromechanics and microengineering, pp. R1–R14, 2004).
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Die wesentliche Einschränkung der Heißprägetechnologie mittels Patrize (Stempel) und Gegenstück (Matrize) besteht derzeit in der langen Zykluszeit von 8 min bis 15 min. Sie ist unabhängig von der Anzahl der Einzelstrukturen auf der Folie für deren Abformung erforderlich, um das System zu evakuieren, die formgebenden Werkzeuge und den zu prägenden Kunststoff über die Glastemperatur aufzuheizen, abzuprägen, abzukühlen und zu entformen. Das steht einer kostengünstigen Massenproduktion im Wege.
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Rotatives Prägen stellt eine effektivere und zeitsparende Heißprägevariante dar. Problematisch für die Strukturierung von Mikrofluidiken beim rotativen Prägen ist aber die exakte Abformung im unteren Mikrometerbereich mit entsprechender Konturenschärfe, die Umsetzung unterschiedlicher Strukturtiefen und das Auftreten von Luftblaseneinschlüssen.
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DE 10 329 938 A1 beschreibt z. B. die Verwendung von Trägerschichten aus thermoplastischen – oder elastischen Kunststoffen, wobei eine aufgetragene photopolymerisierte Strukturschicht aus 80 %–100% radikalisch polymerisierten Methylmethacrylat und zu 0–20% aus einem ebenfalls radikalisch polymerisierten Co-Monomer besteht und die resultierende Strukturschicht eine niedrigere Schmelzviskosität als die Trägerschicht aufweist.
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Die dafür erforderlichen Masterstrukturen bzw. die Patrizen werden beispielsweise durch mikromechanische Bearbeitung, Laserstrukturierung, das LIGA-Verfahren, Ätzen und Lithographie hergestellt.
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Ein großer Nachteil rotativer Verfahren für die Mikrofluidikstrukturierung besteht darin, dass diese Rolle zu Rolle-Verfahren keine zweiseitige Strukturierung mit exakt gegeneinander einhaltbaren Positionierungen zulassen.
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Weiterhin ist bei der Verwendung mikrofluidischer Strukturen zur Durchführung fluidischer Prozesse in chemischen, biologischen oder medizinischen Anwendungen zu berücksichtigen, dass in Abhängigkeit von der umzusetzenden Funktion innerhalb der Mikrofluidik Abschnitte mit sowohl ausgesprochen hydrophilen als auch hydrophoben Oberflächeneigenschaften gewünscht sind. Hydrophile Abschnitte beispielsweise zum Transport einer Probe in Verbindungskanälen oder zur schnellen und gleichmäßigen Befüllung einer Messkammer, hydrophobe Oberflächenareale, um beispielsweise Proteine anzukoppeln oder während eines passiven Probetransports den Fluss zu verzögern oder zu stoppen.
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Im Gegensatz zu diesen Anforderungen erfolgt die Formgebung bei den beschriebenen Verfahren in der Regel jedoch ausschließlich unter Verwendung eines Materials oder einer Materialmischung, so dass keine Möglichkeit besteht, chemisch unterschiedliche Oberflächenbereiche zu generieren. Lokal definierte hydrophobe Abschnitte können ggf. über das Werkzeug, das Laser-Bohrungen im Durchmesser und Abstand von wenigen Mikrometern aufweist, eingebracht werden, so dass auf der Folie Mikrozylinderareale generiert werden (Lotuseffektstrukturierung). Die Hydrophilisierung erfolgt in der Regel nachträglich beispielsweise durch Plasmabehandlung oder durch das Auftragen von Detergenzien. Die Schwierigkeit beider Verfahren liegt jedoch in der lokal definierten bzw. begrenzten Hydrophilisierung. Die Verwendung spezieller Masken bei der Plasmabehandlung verhindert nicht, dass benachbarte Flächen ebenfalls erfasst werden. Darüber hinaus deaktivieren im Verlauf der Zeit beispielsweise nach längerer Lagerung plasmabehandelte Kunststoffoberflächen und verlieren damit einen Teil ihres hydrophilen Charakters. Das reversible Setzen von Begrenzungsstegen während des Auftragens von Detergenzlösung ist für eine Fertigung im Produktionsmaßstab nicht geeignet. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Detergenz nach dem Wiederauflösen durch die Probe in andere funktionelle Fluidikbereiche eingetragen wird, wo es beispielsweise eine enzymatische Reaktion negativ beeinflussen kann.
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Für eine beidseitige Strukturierung mikrofluidischer Folien mit einerseits nach außen mechanisch stabilen (thermoplastischen) Eigenschaften und andererseits in Bezug auf die inneren Wandungen einer Mikrofluidikanordnung lokal definierten und ausschließlich materialbedingten funktionalisierten Oberflächeneigenschaften mit sowohl hydrophilen als auch hydrophoben Abschnitten, ist kein Verfahren bekannt, das eine kostengünstige Herstellung ermöglicht. Mit den aus dem Stand der Technik bekannten Technologien lassen sich jeweils nur teilweise die geforderten Kriterien umsetzen.
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Aufgabe der Erfindung
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Aufgabe der Erfindung ist deshalb, ein Verfahren zur Herstellung funktionsintegrierter Mikrofluidikfolien zu finden, das die Möglichkeit einer beidseitigen Strukturierung gestattet, wobei die Folie eine zur Benutzerseite mechanisch stabile, formstarre Oberfläche aufweisen und innerhalb der Wandungen der Mikrofluidikanordnung lokal definierte Abschnitte mit hydrophilen und hydrophoben Eigenschaften besitzen soll. Weiterhin soll eine Vorrichtung bereit gestellt werden, die die Herstellung beidseitig mikrostrukturierter Verbundfolien kostengünstig und einfach ermöglicht.
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Beschreibung der Erfindung
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Die Aufgabe der Erfindung wird gemäß der Ansprüche 1, 2, 13 und 15 gelöst. Die Unteransprüche stellen bevorzugte Ausführungsvarianten dar.
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Es wurde gefunden, dass durch die Verwendung unterschiedlicher, strahlungsaushärtender Formulierungen (strahlenchemisch polymerisierbarer Verbindungen), deren Zusammensetzung weiter hinten beschrieben wird, in einem flexibel einstellbaren, maskierbaren Spritzgusswerkzeug bei der nachfolgend beschriebenen Vorgehensweise ein beidseitig mikrostrukturierter Verbundwerkstoff im Folienformat mit einer Dicke von 20 μm bis 450 μm sehr gut reproduzierbar und kostengünstig herstellbar ist.
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Die beidseitig mikrostrukturierte Verbundfolie ist aufgrund des Einsatzes unterschiedlicher strahlenchemisch polymerisierbarer Verbindungen so aufgebaut, dass auf der Ober- und Unterseite des Verbundes Folien oder Folienabschnitte vorliegen, die ein unterschiedliches plastisch-elastisches Verhalten zeigen. Weiterhin weist die Verbundfolie mindestens zwei Folienschichten auf, gefertigt aus unterschiedlichen strahlenchemisch polymerisierbaren Verbindungen, so dass auf der Oberfläche der Verbundfolie definierte Areale erzeugt werden, die hydrophob und/oder hydrophil sind.
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Die Seite der Verbundfolie mit Mikrostrukturen, die für mikrofluidische Prozesse genutzt werden, zeigt sowohl hydrophile als auch hydrophobe Areale zur Durchführung fluidischer Prozesse.
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Die andere Seite der Verbundfolie, die plastische Eigenschaften aufweist und darüber hinaus ebenfalls eine hydophobe oder hydrophile Oberfläche besitzen kann, zeigt ebenfalls Mikrostrukturen, die bevorzugt eine haptische Funktion übernehmen.
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Alternativ können weitere erfindungsgemäße Verbundfolien derart laminiert werden, dass beide Seiten der Verbundfolien hydrophile und hydrophobe Areale aufweisen, so dass diese beidseitig in einer mikrofluidischen Anwendung, die beispielsweise über zwei oder mehrere Etagen angeordnet ist, genutzt werden kann.
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Insbesondere im Disposable-Bereich besteht ein hoher Bedarf an derartigen Verbundfolien zur kostengünstigen und massenproduktionstauglichen Fertigung mikrofluidischer Systeme.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung der Verbundfolien umfasst die Verwendung eines zweiteiligen Formwerkzeuges, das eine Patrize 1 und eine Matrize 2 aufweist, die so zueinander angeordnet sind, dass zwischen ihnen ein verstellbarer Spalt 3 mit einer Breite von 10 μm bis mindestens 500 μm einstellbar ist. Die einstellbare Spaltbreite ist abhängig von der beabsichtigten Foliendicke. Um Folien mit einer Dicke von 450 μm herzustellen, sollte das Formwerkzeug zur Gewährleistung der Entformung auf eine Spaltbreite von mindestens 500 μm einstellbar sein. Vorteilhafterweise auf eine Breite zwischen 500 und 600 μm. Patrize und Matrize sind vorzugsweise plattenartig gestaltet. Weiterhin ist eine Vorrichtung, die das Formwerkzeug umfasst, vorzugsweise so konstruiert, dass es mittels Unterdruck befüllbar sowie thermostatierbar ist. Die Patrize 1 ist mit eingelassenen verschiebbaren so genannten Maskierstempeln 4 ausgestattet, wobei Patrize und Maskierstempel auf der Seite zum Spalt 3 oberflächenstrukturiert sind. Patrize und Maskierstempel bilden ein stempelartiges Abformwerkzeug, welches auf einer Grundfläche mikrostrukturierte Vorsprünge aufweist. Die Vorrichtung kann weiterhin Entformungshilfen bzw. Auswerferflächen umfassen.
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Die Matrize 2 ist ebenfalls auf ihrer Oberfläche auf der zum Spalt zugewandten Seite strukturiert. Weiterhin ist sie aus einem UV strahlungsdurchlässigen Material und die Matrizenoberfläche, die zum Spalt weist, ist vorzugsweise poliert, um eine gute Entformbarkeit zu sichern. Die abformbare Folienfläche hat bevorzugt A6 bis A3 Format, vorzugsweise A4-Format.
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Die Patrize 1 besteht bevorzugt aus einer metallischen Platte und weist erhaben das Negativ der gewünschten mikrofluidischen Struktur, eine Vielzahl von Replikationen davon oder in ihrer Architektur unterschiedliche Oberflächenstrukturen für mikrofluidische Elemente oder Systeme bzw. Kammern und Kanäle auf. Die erhabenen Strukturen werden beispielsweise durch mikromechanische Formgebung, Ätztechnik, Erodieren, mittels Laserbearbeitung der Metallplatte oder andere geeignete Verfahren hergestellt.
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Innerhalb jeder Einzelmikrofluidikstrukturanordnung sind in gleicher Weise und als Teil der Gesamtanordnung des Negativs funktionsbestimmende Abschnitte der Mikrofluidikanordnung auf separaten Flächen strukturiert, die passgenau in die Patrize eingelassen sind. Diese als Maskierstempel 4 bezeichneten Elemente, die mit einer Tiefe von mindestens 500 μm in die Patrize passgenau eingelassen sind und deren Grundflächen auf der dem Spalt 3 zugewandten Seite eine Ebene mit der Grundfläche der Patrize bilden, lassen sich aus der Plattenebene heraus bis zu 500 μm in Richtung der gegenüberliegenden Matrize verschieben. Als Grundfläche wird die zum Spalt gewandte Oberfläche von Patrize und Maskierstempel verstanden, von der aus die Erhebungen (Vorsprünge) ansetzen.
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Als Matrize dient bevorzugt eine Platte aus Quarzglas oder einem UV-durchlässigen Polymer, dessen zum Spalt zugewandte Seite poliert ist und gegebenenfalls auch eine Strukturierung in Form von Erhebungen und Vertiefungen aufweisen kann. Die Matrize weist außerdem passgenaue Aufnahmen für die in der Patrize gegenüber angeordneten Maskierstempel auf. Die Vertiefungen (Aufnahmen) für die Maskierstemel betragen zwischen 10 μm und 100 μm und dienen bevorzugt dem Schutz der erhabenen Strukturierungen auf der Oberfläche der Maskierstempel. In einer alternativen Variante der Matrize wird die Vertiefung zur Aufnahme der Maskierstempeloberflächenstrukturen durch einen darin positionierbaren Blindstempel flexibel gehalten, so dass sowohl die Aufnahmetiefe variabel einstellbar ist, als auch ein ebener Abschluss mit der Patrizenoberfläche einstellbar ist. Die Strukturierung des Matrizenmaterials wird z. B. mittels Laserbearbeitung und in Kombination mit einem Ätzprozess sowie einer mechanischen Nachbearbeitung hergestellt.
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Die Matrize ist in der Regel feststehend und die Patrize kann in Bezug auf deren Abstand gegenüber der Matrize zwischen 10 μm und mindestens 500 μm verstellt werden. Zur Erleichterung der Entformbarkeit weisen die Oberflächen von Patrize und Matrize gegebenenfalls eine geeignete Beschichtung (Antihaftbeschichtung, release layer, z. B. basierend auf Fluorpolymeren (Fluoralkylsilanen)) auf. Die Vorrichtung umfassend das Formwerkzeug kann mit einer Einrichtung zur Thermostatierung bevorzugt zwischen 5°C und 70°C versehen sein und weiterhin mechanische Entformhilfen z. B. in Kombination mit Düsen, über die eine Druckluftzuführung erfolgen kann, enthalten.
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Die einzelnen UV-strahlenaushärtbaren Formulierungen (strahlenchemisch polymerisierbaren Verbindungen), die flüssig bis zähflüssig sein können, werden z. B. jeweils über Einlassöffnungen, die ggf. unterhalb des bestrahlten Bereichs der Patrizenplatte angeordnet und an Pumpen angeschlossen sein können, zugeführt. Die Beschaffenheit der strahlenchemisch polymerisierbaren Verbindungen, insbesondere ihre Viskosität, muss hierbei gewährleisten, dass unerwünschte Kriecheffekte in Spalten zwischen Maskierstempel und Patrize/Matrize verhindert werden. Dies erfolgt z. B. durch eine Kühlung des Maskierstempels, die zu einer lokalen Erhöhung der Viskosität im Kontaktbereich führt.
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Das zweigeteilte, vorzugsweise plattenartige Formwerkzeug wird im erfindungsgemäßen Verfahren wie folgt genutzt: Es wird zwischen Patrize und Matrize eine erste Spaltbreite zwischen 10 μm und 150 μm eingestellt und die Maskierstempel werden in Richtung Spalt soweit herausgeschoben, bis sie zwischen 10 μm und 100 μm tief in den dafür vorgesehenen Vertiefungen der Matrize positioniert sind. Es wird zwischen beiden Platten aus Patrize und Matrize ein Unterdruck von bevorzugt mindestens 1 × 10–2 mbar angelegt, so dass der eingestellte Spalt mit Ausnahme der Areale, an denen sich die Maskierstempel befinden, durch eine erste strahlenaushärtbare Formulierung luftblasenfrei befüllt wird. Die eingesetzte strahlenhärtbare Formulierung polymerisiert strahleninduziert zu einem festen Material oder Kompositmaterial, welches vorzugsweise hydrophile oder hydrophobe Oberflächeneigenschaften aufweist. Die Polymerisation erfolgt fachgemäß unter Zuhilfenahme eines Photoinitiators innerhalb weniger Millisekunden bis Sekunden vorzugsweise durch Bestrahlung mit einer UV-Quelle in einem Wellenlängenbereich zwischen 200 nm und 450 nm und einem mittels UV-Einstrahlung durch die entsprechend transparente Matrize hindurch erzeugten Energieeintrag von 5 mJ/cm2 bis 5 J/cm2, vorzugsweise zwischen 200 mJ/cm2 und 5 J/cm2. Als UV-Quelle dient z. B. ein Quecksilbermitteldruckstrahler, ein Excimer-Strahler oder ein Leuchtdioden-Array.
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Im Anschluss erfolgt eine Entformung des strahlengehärteten Polymerkörpers von der Matrize. Dies kann durch Rücksetzen der Patrize um vorzugsweise 25 bis 50 μm bei gleichzeitiger Inbetriebnahme mechanischer Entformhilfen und Anlegen von Druckluft erfolgen. Gegebenenfalls wird zusätzlich eine schnelle Temperaturänderung an der Matrizenoberfläche erzeugt, so dass sich die erzeugte Polymerschicht von der Matrize schnell ablösen kann. Im nächsten Schritt wird der Spalt zwischen der Polymerschicht und der Matrize durch Änderung der Patrizenposition erneut auf eine Breite zwischen 10 bis 150 um eingestellt. D. h. die erste Folienschicht mit einer Schichtdicke von 10 μm bis 150 μm verbleibt an der Patrize. Gleichzeitig werden die Maskierstempel in die Ausgangslage der Patrizenebene (Grundfläche) zurückgeschoben. Wiederum nach Einstellung eines definierten Unterdrucks von bevorzugt mindestens 1 × 10–2 mbar erfolgt die Befüllung des Spaltes einschließlich der von den Maskierstempeln in der ersten Polymerschicht freigehaltenen Areale durch eine zweite strahlenaushärtbare Formulierung, die wiederum mittels UV-Strahlung gehärtet wird und die sich nach Aushärtung in ihrer Funktionalität von der ersten unterscheidet. Das nach der Polymerisation erhaltene zweite Polymer zeichnet sich durch sehr gute Hafteigenschaften zu der benachbarten (ersten) Polymerschicht aus und weist demzufolge in Abhängigkeit von der ersten Polymerschicht hydrophile oder hydrophobe Oberflächenbereiche auf. Ggf. kann die zweite strahlenaushärtbare Formulierung darüber hinaus plastische Eigenschaften haben. Danach erfolgt wiederum eine Teilentformung zwischen der Matrizenoberfläche und der zweiten Polymerschicht wie bereits für die erste Entformung beschrieben. Bei Verwendung einer Formulierung, die auch plastische Eigenschaften aufweist, wird alternativ bereits eine gewünschte Verbundfolie gewonnen. Bei Teilentformung der entstandenen Verbundfolie an der Matrizenseite kann der Spalt erneut auf eine dritte Breite wiederum zwischen 10 μm bis 150 μm durch Änderung bevorzugt der Patrizenposition bzw. Zurückziehen der Patrize eingestellt werden. Nach Einstellung eines definierten Unterdrucks von bevorzugt mindestens 1 × 10–2 mbar erfolgt die Befüllung des Spaltes durch eine dritte UV-härtende Formulierung, die nach Polymerisation plastische Eigenschaften besitzt. Die daraufhin nach der UV-induzierten Polymerisation so erhaltene Deckschicht ist bevorzugt eine Polyacrylatdeckschicht und weist eine erhöhte Härte und Festigkeit auf. Dies wird dadurch erreicht, dass die Formulierung insbesondere Monomere, Additive und/oder Füllstoffe enthält, die die mechanische Festigkeit und Härte vermitteln. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn in der Formulierung Komponenten eingesetzt werden, die den Vernetzungsgrad erhöhen, beispielsweise multifunktionelle Komponenten. Auch durch den Zusatz von Füllstoffen oder modifizierten Füllstoffen in Form von Nano- oder Mikropartikeln (z. B. SiO2, TiO2, Al2O3) können die mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Härte erhöht werden. Ausgangspunkt für eine entsprechende Formulierung können auch entsprechende kommerzielle Produkte sein, die direkt eingesetzt oder abgemischt werden (CETOSIL Acrylat-Nanokomposit-Lack, CETELON).
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Die Entformung der Verbundfolie sowohl von der Matrize als auch Patrize erfolgt wie bereits beschrieben. Die Gesamtschichtdicke der so hergestellten Verbundfolie kann zwischen 20 μm und 450 μm betragen. Bevorzugt werden Folien mit einer Dicke zwischen 100 bis 400 μm hergestellt, besonders bevorzugt mit einer Dicke von 150 bis 350 μm. Die mikrostrukturierten Verbundfolien weisen bevorzugt äußere Abmaße im DIN A6 bis DIN A3-Format, vorzugsweise im DIN A4-Format auf.
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In Abhängigkeit von den in der mikrofluidischen Struktur umzusetzenden Funktionen weist dementsprechend das erste Polymer hydrophile Eigenschaften auf und das zweite Polymer hydrophobe Eigenschaften, wobei auch die umgekehrte Reihenfolge möglich ist. In einer weiteren erfindungsgemäßen Ausführung können die hydrophilen oder hydrophoben Oberflächeneigenschaften einhergehen mit einer für die weitere Verarbeitung und Anwendungszweck geeigneten mechanischen Festigkeit und Härte des Polymers. In diesen Fällen entfällt die Herstellung einer dritten Polymerschicht, so dass der resultierende Folienverbund lediglich aus zwei Verbundmaterialien besteht.
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Zur Erzeugung einer Polymerschicht mit hydrophilen Oberflächeneigenschaften sind vorzugsweise UV-härtende Monomere, Oligomere oder Polymere/Präpolymere mit einer hohen Oberflächenspannung größer 35 mN/m Bestandteile der aushärtbaren Formulierung. Die Erzeugung einer Polymerschicht mit hydrophoben Oberflächeneigenschaften erfolgt bevorzugt unter Verwendung von UV-härtenden Monomeren, Oligomeren oder Polymeren/Präpolymeren in den aushärtbaren Formulierungen mit einer niedrigen Oberflächenspannung gleich oder kleiner 35 mN/m.
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Die strahlenchemische Polymerisation (Strahlenhärtung) zur Herstellung der hydrophilen/hydrophoben mikrofluidischen Polymerstrukturen basiert auf dem Fachmann bekannten Technologien wie der freien radikalischen Polymerisation (a) und/oder der kationischen Polymerisation (b) entsprechend funktionalisierter Komponenten (Monomere, Oligomere oder Präpolymere), die als Mischung (Formulierung) vorliegen können, unter der Zuhilfenahme geeigneter Photoinitiatoren (PI) und Photosensitizern. Darüber hinaus können die Formulierungen weitere Bestandteile wie beispielsweise Additive und Füllstoffe enthalten. Neben den strahlenchemisch induzierten Polymerisations- und Vernetzungsreaktionen sind bei Einsatz entsprechender Verbindungen auch weitere Reaktionen möglich, die nicht strahleninduziert ablaufen. Dies sind beispielsweise Hydrolyse- und/oder Kondensationsvorgänge wie sie bei Einsatz von Alkoxysilanen, Isocyanat-Amin-Systemen auftreten. Hierunter fallen auch sogenannte „dual cure”-Systeme, welche mindestens 2 unterschiedliche Polymerisations- bzw. Vernetzungsprozesse umfassen.
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Für die freie radikalische Polymerisation (a) werden als Komponenten z. B. Verbindungen eingesetzt, die der Stoffgruppe bestehend aus Acrylaten, Methacrylaten, Acrylamiden, Methacrylamiden, Vinylverbindungen oder Styrolverbindungen zugehörig sind. Diese Verbindungen weisen typischerweise mindestens eine radikalisch polymerisierbare funktionelle Gruppe auf. Als Vernetzer wirken z. B. Komponenten, welche mindestens zwei polymerisierbare Gruppen aufweisen. Zusätzlich tragen die Komponenten mindestens eine weitere eigenschaftsbestimmende Funktionalität. Für den speziellen Fall der Acrylate mit der allgemeinen Struktur CH2=CH-COOR sowie für Methacrylate mit der allgemeinen Struktur CH2=CH(CH3)-COOR ist die Art des Restes R mit eigenschaftsbestimmend. Wesentliche Eigenschaften wie Hydrophilie, Hydrophobie, Viskosität, Haftung etc. werden hierüber bestimmt. Im speziellen Fall der Acrylate können diese beispielsweise folgenden kommerziell verfügbaren Gruppen zugehörig sein: aliphatische und aromatische Urethanacrylate, Polyetheracrylate, Polyesteracrylate, Epoxyacrylate, acrylische Acrylate, mono-, bi-, tri- und multifunktionale Acrylate. Neben den radikalisch polymerisierenden Komponenten kann eine Formulierung noch weitere Zusätze (Additive, Füllstoffe, Coinitiatoren, Sensitizer) enthalten, die die Eigenschaften des Polymermatrials bzw. des Polymerkompositmaterials bestimmen und vom Fachmann anhand entsprechender Versuchsreihen ausgewählt werden können. Entsprechende Eigenschaften sind beispielsweise Haftung, Entformbarkeit, Hydrophobie, Hydrophilie, Substratbenetzung, mechanische Eigenschaften, Dispersion von Feststoffen, Luftblasenfreiheit (Entschäumer) etc. Die P1, welche typischerweise einer Formulierung bis zu einem Anteil von 10% zugesetzt werden, gehören im Fall der freien radikalischen Polymerisation beispielsweise folgenden Klassen an: Typ I-Photoinitiatoren (z. B. Benzoinderivate, Acetophenonderivate, Benzilketale, alpha-Hydroxyalkylphenone und alpha-Aminoalkylphenone, O-Acyl-alpha-oximinoketone, Acylphosphinoxide und Acylphosphonate, Peroxyverbindungen) und Typ II-Photoinitiatoren (z. B. Benzophenone, Xanthone und Thioxanthone, alpha-Ketocoumarine, aromatische 1,2-Diketone, Phenylglyoxylate).
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Bei der photoinitiierten kationischen Polymerisation (b) werden als Komponenten z. B. Verbindungen eingesetzt, die der Gruppe bestehend aus beispielsweise cycloaliphatischen Epoxiden (z. B. 3,4-Epoxycyclohexylmethyl-3',4'-epoxycyclohexancarboxylat), Epoxiden, epoxidierte Verbindungen wie beispielsweise epoxidiertes Leinöl, Vinylethern, Polyolen, Oxetanen, Hydroxyverbindungen, Etherverbindungen, Siloxane zugehörig sind. Diese Verbindungen weisen mindestens eine kationische polymerisierbare Gruppe auf. In Analogie zu der radikalischen Polymerisation wirken als Vernetzer z. B. Komponenten, welche mindestens zwei polymerisierbare Gruppen aufweisen. Ebenso tragen die Komponenten weitere eigenschaftsbestimmende Funktionalitäten. Ebenso können die Formulierungen weitere oben genannte Zusätze wie beispielsweise Additive oder Füllstoffe enthalten. Die PI gehören im Fall der kationischen Photopolymerisation u. a. folgenden Verbindungsklassen an: Onium-Salze (Aryldiazoniumsalze, Diaryliodonium- und Triarylsulfoniumsalze, Phenacylsulfonium- und 4-Hydroxyphenylsulfoniumsalze, Sulfoxoniumsalze) und gemischte Ligand-Aren-Cyclopentadienyl-Metallsalze.
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Additive, welche einen Anteil von wenigen Prozent einer strahlenhärtenden Formulierung zugegeben werden, sind Verlaufs-/Benetzungsadditive, Dispergieradditive und Oberflächenadditive, welche die Oberflächenspannung beeinflussen (z. B. BYK®-077, BYK®-302, BYK®-307, BYK®-308, BYK®-320, BYK®-323, BYK®-330, BYK®-333, BYK®-341, BYK®-345, BYK®-346, BYK®-348, BYK®-354, BYK®-356, BYK®-359, BYK®-361, BYK®-371, BYK®-373, BYK®-375, BYK®-380, BYK®-381, BYK®-UV 3500, BYK®-UV 3510, BYK®-UV 3530, BYK®-UV 3570, Efka® 6220, Efka® 6225, Efka® 6230, Efka® 5220, Efka® 7500, Efka® 7503, Efka® 7701, Efka® 7731, Efka® 7732, Efka® 7414, Texaphor 873 Conc, Hydropalat® 140, Perenol® F 40, Perenol® F 41, Perenol® F 45, Perenol® S 44, Perenol® S 58, Perenol® S 59, Perenol® S Conc, Irgaflow® 110, Efka® 3277 N, Efka® 3600 N, Efka® 3236, Efka® 3239, Efka® 3288, Efka® 3299, Efka® 7305, Efka® 7310, Efka® 3883).
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Additive wie (z. B. NANOBYK®-3601) beeinflussen die mechanischen (Kratzfestigkeit) von UV-härtenden Systemen positiv.
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Entschäumer- und Entlüftungsadditive sind z. B. BYK®-011, BYK®-019, BYK®-020, BYK®-022, BYK®-024, BYK®-025, BYK®-028, BYK®-055, BYK®-060 N, BYK®-065, BYK®-066 N, BYK®-067 N, BYK®-080, BYK®-088, BYK®-141, Dehydran® 1620, Foamaster® 306, Foamaster® 223, Foamstar® A 38, Perenol® E 8, Perenol® E 1, Efka® 2010, Efka® 2721, Efka® 2723, Efka® 7280. Schließlich dienen als Rheologieadditive beispielsweise z. B. BYK®-405, BYK®-410.
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Formulierungskomponenten, die zu hydrophilen Oberflächeneigenschaften des Polymers führen, sind vorzugsweise UV-härtende Monomere, Oligomere oder Polymere mit einer hohen Oberflächenspannung. Hierzu zählen beispielsweise Sartomer-Produkte wie SR-344, SR-349, SR-610, SR-9036, SR-415; Polyethylenglycol-modifizierte Acrylate/Methacrylate oder Acrylate mit ionischen oder stark polaren Gruppen für radikalisch härtende Systeme.
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Formulierungskomponenten, die zu hydrophoben Oberflächeneigenschaften des Polymers führen, sind vorzugsweise UV-härtende Monomere, Oligomere oder Polymere mit einer niedrigen Oberflächenspannung. Hierzu zählen beispielsweise Sartomer-Produkte wie SR-440, SR-395, SR-489, SR-335, SR-506, SR-501, SR-350, SR-492, fluorierte Acrylatoligomere wie beispielsweise CN-4002, CN-4003 (Sartomer); oder Fluoralkylacrylate wie beispielsweise 1H,1H,2H,2H-Perfluorodecylacrylat (AB103668, ABCR) für radikalisch härtende Systeme. Die im Rahmen der Polymerisation durch Abformung oder Selbstorganisation erzeugten Oberflächenstrukturierungen können die hydrophilen und hydrophoben Eigenschaften zusätzlich verstärken.
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Die Haftung der einzelnen Folienverbundmaterialien aufeinander kann u. a. durch den Einsatz haftvermittelnder strahlenaushärtender Monomere, Oligomere oder Polymere, z. B. Sartomer-Produkte wie CN-704, SR-9052 oder die Zugabe haftvermittelnde Additive erfolgen. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Verbindungen die der Gruppe der organofunktionellen Silane angehören (z. B. Geniosil® (Wacker) oder Dynasylan® (Evonik) oder andere Agenzien wie beispielsweise Silok®Adhesion-promoting 628) Füllstoffe, welche Hydrophobie, Hydrophilie und mechanische Eigenschaften des Polymermaterials als auch die rheologischen Eigenschaften (Viskosität) der Ausgangsformulierung beeinflussen, sind vorzugsweise nanoskalige Partikel, welche mit einer Polymer-kompatiblen, organischen Umhüllung versehen sind, wie beispielsweise pyrogene Kieselsäuren (AEROSIL®, vorzugsweise AEROSIL® R 972, AEROSIL® R 974, AEROSIL® R 104, AEROSIL® R 106, AEROSIL® R 202, AEROSIL® R 208, AEROSIL® R 805, AEROSIL® R 812, AEROSIL® R 812 S, AEROSIL® R 816, AEROSIL® R 7200, AEROSIL® R 8200, AEROSIL® R 9200, AEROSIL® R 711)
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Vorzugsweise werden mittels eines hydrophilen Polymers Oberflächen der mikrofluidischen Verbindungskanäle und Mess- und Reaktionskammern, Substratreservoiren sowie Probeaufnahme- und Abfallkammern strukturiert. Mittels eines hydrophoben Polymers werden vorzugsweise Oberflächen zur Immobilisierung von Proteinen, Antikörpern oder Nukleinsäuren, Be- und Entlüftungskanäle sowie Flussratenbegrenzungsabschnitte strukturiert. Die Deckschicht aus einem Polymer mit erhöhter Festigkeit und Härte dient vor allem als Schutzschicht für das Verbundmaterial durch mechanisch stabile (biegefest), die Mikrofluidik umgebende Flächen, die zur Laminierung bzw. zur „Kapselung” der Mikrofluidik erforderlich sind.
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Die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens herstellbaren Verbundfolien können vorteilhafterweise zweiseitig mikrostrukturiert werden und bereits während der Herstellung mit Oberflächen- und Materialeigenschaften versehen werden, die ansonsten erst durch chemische oder physikalische Nachbehandlungsschritte erzielbar sind, so dass eine kostengünstigere Fertigung ermöglicht wird. Die Strukturdimensionen, die bis im Submikrometerbereich liegen können, lassen sich mit dem Verfahren mindestens so detailgenau und reproduzierbar abformen wie die zum Stand der Technik diskutierten Verfahren. Im Unterschied beispielsweise zu (Mikro)spritzguss- und Heißprägeverfahren wird das erfindungsgemäße Verfahren mit einem signifikant geringerem externen Eintrag von Energie durchgeführt und ist auch hinsichtlich der Prozesszyklenzeit äußerst effizient. Durch die neuartige Verfahrensweise ergibt sich eine massenproduktionstaugliche Herstellungsvariante von Verbundmaterialien mit unterschiedlich funktionalisierten, mikrostrukturierten Bereichen.
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Eine Vorrichtung zur Herstellung der beidseitig mikrostrukturierten Verbundfolien umfasst ein zweiteiliges Formwerkzeug, das eine Patrize 1 und eine Matrize 2 aufweist, die so zueinander angeordnet sind, dass zwischen ihnen ein verstellbarer Spalt 3 mit einer Breite von 10 μm bis mindestens 500 μm (vorteilhafterweise ggf. bis 600 μm) einstellbar ist, das außerdem thermostatierbar ist und Entformhilfen aufweist. Die Patrize 1 weist Oberflächenausformungen 1a zwischen 1 und 100 μm auf der zum Spalt 3 gerichteten Seite als Negativ für gewünschte unterschiedliche Mikrostrukturen auf sowie jeweils passgenau eingelassene verschiebbare Maskierstempel 4, die mit der Patrize 1 auf der Seite des Spaltes 3 eine Ebene bilden und deren Oberfläche ebenfalls auf der zum Spalt 3 gerichteten Seite Oberflächenausformungen 4a als Negativ für Mikrostrukturen zwischen 1 und 100 μm aufweist. Die Matrize 2 ist UV-strahlungsdurchlässig und hat auf der zum Spalt 3 gerichteten Seite Vertiefungen in Abstimmung mit den Oberflächenausformungen der Patrize 1 sowie Vertiefungen zwischen 10 μm und 100 μm zur Aufnahme für die Maskierstempel 4. Die äußere Form der Maskierstempel 4 ist identisch mit den Umrissen der Aufnahmevertiefung der Matrize und kann passgenau bis zu einer Tiefe zwischen 10 μm und 100 μm darin positioniert werden.
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Weiterhin kann die Vorrichtung einen Thermostaten, wodurch die Patrize 1 und Matrize 2 sowohl kühlbar als auch heizbar sind; eine Unterdruckpumpe zur Erzeugung eines Unterdruckes zum Befüllen des verstellbaren Spaltes 3 mit Polymeren, eine UV-Strahlungsquelle zum Aushärten der Polymere, sowie Entformhilfen umfassen.
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Die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren herstellbaren strukturierten und funktionalisierten Verbundfolien sind insbesondere für den Aufbau ein- oder mehrlagiger mikrofluidischer Systeme geeignet, die z. B. bei diagnostischen Einmalgebrauchssensoren, Lab an Chip-Applikationen, DNA Chips, Screening-Arrays, PCR-Applikationen, Mikroelektrophoresesystemen, Zellzählkammern, Zellzuchtsystemen und chemischen Mikroreaktoren zur Anwendung kommen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird durch nachfolgendes Ausführungsbeispiel und Zeichnungen in 1 bis 6 näher erläutert.
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Ausführungsbeispiel
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Zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Herstellung einer funktionalisierten, beidseitig strukturierten Mikrofluidikverbundfolie für einen passiv befüllenden mikrofluidischen Sensor mit hydrophilen und hydrophoben Oberflächeneigenschaften innerhalb der Mikrofluidikstruktur und einer mechanisch stabilen Deckfolienschicht dient ein Formwerkzeug, das aus zwei parallel und verstellbar zueinander angeordneten Platten 1, 2 besteht, die einen Spalt 3 bilden (1). Die erste Platte mit einer Dicke von 20 mm und Außenmaßen von 200 × 200 mm ist als Patrize 1 ausgebildet. Sie enthält auf der zum Spalt 3 weisenden Oberflächenseite eine Anordnung aus erhabenen und vertieften Mikrostrukturierungen 1a mit Dimensionen zwischen 50 μm und 200 μm, die das Negativ einer Mikrofluidikanordnung darstellt. An dieser Oberfläche soll ein Polymer mit hydrophilen Oberflächeneigenschaften abgeformt werden. Die Patrize 1 ist gegenüber der zweiten Platte, die die Matrize 2 bildet, zwischen 10 μm und 500 μm planparallel verschiebbar und enthält einen verstellbaren Maskierstempel 4, der innerhalb der strukturierten Oberfläche 1a eingelassen ist. Die Oberfläche des Maskierstempels, die in der Ausgangsstellung eine Ebene mit der Patrizenoberfläche bildet, weist ebenfalls eine mikrostrukturierte Oberfläche 4a auf. An dieser mikrostrukturierten Oberfläche soll ein Polymer mit hydrophoben Oberflächeneigenschaften abgeformt werden.
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Patrize 1 und Maskierstempel 4 sind aus Stahl hergestellt. Die Oberflächenstrukturen 1a und 4a von Patrize 1 und Maskierstempel 4a werden mikromechanisch und in Kombination mit Laserablation erzeugt. Der Maskierstempel lässt sich aus der Ebene der Patrizenoberfläche heraus bis zu 500 μm in Richtung der gegenüberliegenden Matrize 2 verschieben.
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Als Matrize 2 dient eine Platte aus bis zu 15 mm dickem Quarzglas mit Außenmaßen von 200 × 200 mm, deren zum Spalt 3 zugewandte Seite poliert ist und eine Strukturierung in Form von Vertiefungen aufweist. Bei den Vertiefungen handelt es sich einerseits um die Fortführung sehr tief strukturierter Mikrofluidikabschnitte 2a, die innerhalb der abzuformenden Mikrofluidikanordnung als Aufnahmeraum für verdrängte Luft und als Probeauffangraum dienen und andererseits um die passgenaue Aufnahmevertiefung 2b für den gegenüber angeordneten Maskierstempel 4, dessen Oberflächenstrukturen 4a im herausgefahrenen Zustand darin geschützt werden. Beide Vertiefungen 2a, 2b betragen 150 μm.
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Die Strukturierung des Glases erfolgt mittels Laserbearbeitung und in Kombination mit einem Ätzprozess.
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Die Oberflächen von Patrize 1 und Matrize 2 weisen eine Antihaftbeschichtung auf (release layer, z. B. kondensiertes Fluoralkylsilan oder eine CxFy-Plasmapolymerschicht). Patrize 1 und Matrize 2 enthalten mechanische Entformhilfen in Kombination mit Düsen, über die eine Druckluftzuführung erfolgt. Außerdem wurde die Patrize mit Peltierelementen versehen, die eine Thermostatierbarkeit zwischen 5°C und 70°C ermöglichen und die Entformung unterstützen.
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Die Plattenanordnung befindet sich in einer Werkzeugaufnahmevorrichtung, in der ein Vakuum von mindestens 1 × 10–2 mbar erzeugt werden kann.
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Unterhalb des bestrahlten Spaltbereiches 3 sind in der Patrize drei Einlassöffnungen angeordnet, die jeweils mit einem Ventil und einer Förderpumpe verbunden sind und für das Einbringen von drei unterschiedlichen strahlungshärtbaren Formulierungen vorgesehen sind.
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Als strahlungshärtbare Formulierungen werden folgende Ansätze (alle Angaben in Masseprozente) verwendet:
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Ansatz 1 (zur Herstellung eines hydrophilen Polymers)
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- 30% EBECRYL-244 (Aliphatisches bifunktionelles Urethanacrylat)
- 20% SR-415
- 20% Polyethylenglycolmethacrylat
- 30% EBECRYL-CL1039
- +3% Lucirin TPO-L (Photoinitiator)
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Ansatz 2 (zur Herstellung eines hydrophoben Polymers)
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- 60% EBECRYL-244
- 30% EB-CL 1039
- 10% CN-4003 (fluoriertes Acrylatoligomer)
- +3% Lucirin TPO-L
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Ansatz 3 (zur Herstellung eines Polymers mit erhöhter mechanischer Stabilität)
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- 15% AEROSIL® R 711
- 20% SR-415
- 50% EBECRYL-244
- 15% EBECRYL-CL 1039
- +3% Lucirin TPO-L (Photoinitiator).
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Zur Aushärtung der jeweiligen Formulierung dient ein LED-Array 5, das unmittelbar hinter der Matrize 2 angeordnet ist und seine maximale Lichtintensität in einem Wellenlängenbereich bei ca. 400 nm hat.
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Das erfindungsgemäße Verfahren wird mit diesem Formwerkzeug und den beschriebenen Formulierungen wie folgt umgesetzt:
Es wird zwischen Patrize 1 und Matrize 2 eine erste Spaltbreite 3a von 100 μm eingestellt und der Maskierstempel 4 in Richtung Spalt 3 soweit herausgeschoben, bis er 150 μm tief in der vorgesehenen Vertiefung der Matrize positioniert ist (2). Es wird in der Aufnahmevorrichtung für das Formwerkzeug ein Unterdruck von mindestens 1,0 × 10–2 mbar angelegt und das erste Ventil und die dazugehörige Pumpe zur Förderung der ersten strahlungshärtbaren Formulierung (Ansatz 1) in Betrieb genommen so dass der eingestellte Spalt mit Ausnahme der Areale, an denen sich die Maskierstempel befinden, durch Ansatz 1 luftblasenfrei befüllt wird. Die Pumpe wird abgestellt und das Ventil geschlossen. Nach Belichtung mittels des LED-Arrays über eine Zeitdauer von 1 s polymerisiert die eingesetzte strahlenhärtbare Formulierung strahleninduziert zu einer festen Polymerfolie 6, die hydrophile Oberflächeneigenschaften aufweist. Die Polymerfolie 6 weist mit Ausnahme des Areals der Maskierstempelfläche die mikrofluidische Strukturierung der Patrizenoberfläche auf.
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Im Anschluss erfolgt nach Abstellen des Unterdrucks eine Entformung der Polymerfolie von der Matrize durch Zurücksetzen der Patrize um 50 μm bei gleichzeitiger Inbetriebnahme mechanischer Entformhilfen und Anlegen von Druckluft. Im nächsten Schritt wird der Spalt zwischen der Polymerschicht und der Matrize durch Änderung der Patrizenposition auf eine Spaltbreite 3b von 100 μm eingestellt. Gleichzeitig wird der Maskierstempel 4 in die Ausgangslage der Patrizenebene zurückgeschoben (3).
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Es wird in der Aufnahmevorrichtung für das Formwerkzeug wiederum ein Unterdruck von mindestens 1,0 × 10–2 mbar angelegt und das zweite Ventil und die dazugehörige Pumpe zur Förderung der zweiten strahlungshärtbaren Formulierung (Ansatz 2) in Betrieb genommen, so dass der eingestellte Spalt zuzüglich des Areals, das nach dem Rückziehen des Maskierstempels frei gegeben wurde, durch Ansatz 2 luftblasenfrei befüllt wird. Nach Belichtung mittels des LED-Arrays über eine Zeitdauer von 1 s polymerisiert die eingesetzte strahlenhärtbare Formulierung strahleninduziert zu einer festen Polymerfolie 7, die hydrophobe Oberflächeneigenschaften aufweist.
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Das abgeformte hydrophobe Polymer 7 stellt das Positiv der Oberflächenstruktur des Maskierstempels dar und bildet innerhalb der späteren, resultierenden mikrofluidischen Verbundfolie einen hydrophoben Abschnitt zwischen den ansonsten hydrophilen mikrofluidischen Strukturen der ersten Polymerfolie 6.
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Im Anschluss erfolgt nach Abstellen des Unterdrucks eine Entformung der Polymerfolie von der Matrize durch Zurücksetzen der Patrize um 50 μm bei gleichzeitiger Inbetriebnahme mechanischer Entformhilfen und Anlegen von Druckluft. Für die letzte aufzubringende Formulierung (Ansatz 3), wird der Spalt zwischen der Polymerschicht und der Matrize durch Änderung der Patrizenposition auf eine Spaltbreite 3c von 100 μm eingestellt (4).
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Es wird in der Aufnahmevorrichtung für das Formwerkzeug wiederum ein Unterdruck von mindestens 1,0 × 10–2 mbar angelegt und das dritte Ventil und die dazugehörige Pumpe zur Förderung der dritten strahlungshärtbaren Formulierung (Ansatz 3) in Betrieb genommen, so dass der eingestellte Spalt durch Ansatz 3 luftblasenfrei befüllt wird. Nach Belichtung mittels des LED-Arrays über eine Zeitdauer von 1,0 s polymerisiert die eingesetzte strahlenhärtbare Formulierung strahleninduziert zu einer festen Polymerfolie 8, die eine mechanisch erhöhte Stabilität aufweist.
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Die Entformung der resultierenden Verbundfolie 9 sowohl von der Matrize als auch Patrize erfolgt wie bereits beschrieben. Die Gesamtschichtdicke der Verbundfolie 9 beträgt 300 μm und deren äußere Abmaße betragen 200 mm × 200 mm.
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Die Gesamtzeit zur Herstellung der funktionalisierten Verbundpolymerfolie beträgt 20 s, wobei die Herstellung bei Raumtemperatur erfolgt.
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Die Verbundpolymerfolie 9 mit der Oberflächenstruktur, die von der Patrize 1 und dem Maskierstempel 4 erzeugt wurde, ist auf einen Grundsensor zu laminieren, so dass damit dessen Mikrofluidik realisiert wird.
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Die von der Patrize 1a erzeugte Oberflächenstruktur 6 sichert aufgrund der homogenen hydrophilen Oberflächenstruktur einen zuverlässigen und schnellen passiven Transport der Probe. Der hydrophobe Polymerabschnitt 7 der Mikrofluidikanordnung, der mit dem Maskierstempel 4 erzeugt wurde, dient zur Kopplung von Proteinen und als flussverzögerte Reaktions- bzw. Inkubationsstrecke.
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Zur Stabilisierung des Verbundes 9 dient die dritte Polymerschicht 8, deren erhöhte mechanische Stabilität die Druckempfindlichkeit der darunter befindlichen Polymerschichten 6, 7 kompensiert.
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Die hier beschriebene Verfahrensweise bezieht sich auf die Herstellung eines Laminates aus 3 Teilfolien. Durch den Einsatz einer beliebigen Anzahl an Maskierstempeln in Anlehnung an 4/4a als auch Prozesszyklen lässt sich die Komplexität des Verbundmaterials und der unterschiedlich funktionellen mikrostrukturierten Teilbereiche weiter erhöhen.
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Erfindungsgemäßes Verfahren zur Herstellung funktionalisierter, beidseitig mikrostrukturierter Verbundfolien mit unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften und unterschiedlichen plastisch-elastischen Verhalten von Ober- und Unterseite.
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Zur Erläuterung dienen 1 bis 6
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Patrize
- 1a
- Oberflächenmikrostrukturierung der Patrizenoberfläche
- 2
- Matrize
- 2a
- Mikrofluidikbedingte Strukturierung der Matrizenoberfläche
- 2b
- Vertiefung der Matrize zur Aufnahme des Maskierstempels
- 3, 3a–3c
- Einstellbarer Spalt zwischen Patrize und Matrize
- 4
- Maskierstempel
- 4a
- Oberflächenmikrostrukturierung des Maskierstempels
- 5
- UV-Lichtquelle
- 6
- Polymerschicht 1
- 7
- Polymerschicht 2
- 8
- Polymerschicht 3
- 9
- Verbundpolymerfolie
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1 Schematische Darstellung des Formwerkzeuges zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit Patrize 1, Oberflächenmikrostrukturierung der Patrizenoberfläche 1a, Matrize 2, Mikrofluidikbedingte Strukturierung der Matrizenoberfläche 2a, Vertiefung der Matrize zur Aufnahme des Maskierstempels 2b, einstellbarem Spalt zwischen Patrize und Matrize 3, Maskierstempel 4, Oberflächenmikrostrukturierung des Maskierstempels 4a und UV-Lichtquelle 5.
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2 Schematische Darstellung des Formwerkzeuges zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einer ersten eingestellten Spaltbreite 3a und dem in der Aufnahmevertiefung der Matrize positioniertem Maskierstempel
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3 Schematische Darstellung des Formwerkzeuges zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einer ersten abgeformten Polymerschicht 6 und einer zweiten eingestellten Spaltbreite 3b und Maskierstempel 4, der in die Ausgangsposition zurück gesetzt ist
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4 Schematische Darstellung des Formwerkzeuges zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einer ersten und zweiten abgeformten Polymerschicht 6, 7 und einer dritten eingestellten Spaltbreite 3c
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5 Schematische Darstellung des Formwerkzeuges zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einer ersten zweiten und dritten abgeformten Polymerschicht 6, 7, 8
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6 Schematische Darstellung des Querschnitts der resultierenden Polymerverbundfolie 9
- (A): nach dem ersten Abformschritt mit resultierender erster Polymerschicht 6,
- (B) nach dem zweiten Abformschritt mit resultierender erster und zweiter Polymerschicht 6, 7 und
- (C) nach dem dritten Abformschritt mit resultierender erster, zweiter und dritter Polymerschicht 6, 7, 8