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Die Erfindung betrifft ein veterinärmedizinisches Mittel zur prophylaktischen und therapeutischen Behandlung von Virusinfektionen mit EHV-Viren.
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Die Behandlung von Virusinfektionen in Mensch und Tier stellt nach wie vor eine Herausforderung dar, da die Zahl der Wirkstoffe begrenzt ist. Dies gilt auch für die Viren der Herpesfamilie.
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Die Familie der Herpesviren (Herpesviridae) umfasst eine große Anzahl von Viren mit doppelsträngiger DNA. Weit verbreitet im humanen Bereich sind die Herpes simplex-Viren vom Typ HSV1 und HSV2 sowie das Varicella-Zoster-Virus VZV. Alle verursachen schmerzhafte Infektionen, die sich in oberflächlichen Entzündungen äußern. Herpesviren überdauern lange Zeit im menschlichen Körper, so dass es immer wieder zu Ausbrüchen der Krankheit mit zum Teil gravierenden Krankheitserscheinungen kommt.
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Zu den Herpesviren gehört das Cytomegalievirus, CMV, auch als HHV5 bezeichnet. Wie auch andere Viren der Herpesfamilie verbleibt es nach der Erstinfektion lebenslang im menschlichen Körper und kann – insbesondere unter Stressbedingungen – jederzeit wieder aktiv werden.
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Von den derzeit etwa 170 Spezies der Familie der Herpesviridae sind nicht auf den Humanbereich beschränkt sondern befallen auch zahlreiche Wirbeltiere, insbesondere Säugetiere, aber auch Vögel, Reptilien, Fische und Wirbellöse.
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Die Herpesviren sind in der Regel streng wirtspezifisch und können unterschiedliche Erkrankungen hervorrufen.
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Infektionen mit Herpesviren sind u. a. auch beim Pferd bekannt und können sowohl bei der Zucht als auch im Leistungsbereich zu schwerwiegenden Problemen führen.
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Wie auch die humanen Herpesviren sind die equinen Herpesviren (HEV) durch ihre Latenz gekennzeichnet. Insbesondere unter Stress kommt es immer wieder zu Ausbrüchen der Krankheit mit schweren Folgen. Bei tragenden Stuten führt dies häufig zum Virusabort der Stuten.
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Derzeit sind insgesamt 9 Equineherpesviren bekannt, EHV-1 bis EHV-9. EHV-1 führt zur respiratorischen Erkrankungen, Abort bei tragenden Stuten, und zur equinen Herpes-Myeloenzephalopathie. Das EHV-1-Virus ist für den größten Teil der Schäden, den Herpesviren in Pferdezucht und Pferdesport verursachen, verantwortlich.
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Darüber hinaus sind noch respiratorische Erkrankungen bekannt, die auf das EHV-4-Virus zurückzuführen sind. Auch dieses Virus kann zum Abort führen; es steht im Verdacht, Myeloenzephalopathien auszulösen.
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EHV-1 und EHV-4 gehören zur Subfamilie der Alpha-Herpesviren. EHV-2, EHV-5 und EHV-7 gehören zur Gamma-Subfamile, die verbleibenden gehören ebenfalls der Alpha-Subfamilie an. Gegen EHV-1 und EHV-4 stehen Impfstoffe zur Verfügung.
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Klinische Symptome einer Infektion mit EHV-1-Viren sind Fieber, neurologische Ausfallerscheinungen, insbesondere an den Gliedmaßen sowie Festlegen des Pferdes. EHV-2 manifestiert sich in Form einer Keratokonjunktivitis und in Erkrankungen der oberen Luftwege. EHV-3 führt zu gutartigen Genitalinfektionen die sich in Koitalexanthemen manifestieren. Infizierte Tiere bleiben lebenslang Virusträger und müssen von der Zucht ausgeschlossen werden.
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EHV-5 bis EHV-9 sind bislang noch wenig untersucht und scheinen von geringerer Bedeutung zu sein.
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Gegen EHV-1- und EHV-4-Infektionen stehen verschiedene Impfstoffe zur Verfügung, die aber keinen vollständigen und dauerhaften Schutz verleihen. Häufige Nachimpfungen, zumeist nach 9 bis 12 Monaten sind erforderlich. Impfungen sind geeignet, den Verlauf einer Infektion abzumildern, stellen aber einen hohen Kostenfaktor dar. Sie können Infektionen und Reinfektionen nicht verhindern.
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Gegen Herpesviren kommen eine Reihe von Arzneimitteln zum Einsatz, die im Wesentlichen alle nur geeignet sind, die Symptome zu lindern und nur einen geringen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit selbst nehmen. Zumeist kommt es nur zu einer Verkürzung der Krankheitsdauer. Ein im humanen Bereich viel eingesetzter Wirkstoff ist Acyclovir. Weitere, neu entwickelte Wirkstoffe sind Ganciclovir und Foscarnet. Alle diese Wirkstoffe sind Virostatika.
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Grundsätzlich besteht ein Bedarf an Mitteln, mit denen einer EHV-Infektion wirksam begegnet werden kann. Dabei wäre ein Wirkstoff von besonderem Interesse, der nicht nur virostatisch, sondern darüber hinaus auch virozid wirkt.
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Aus der
EP 1 457 202 A2 ist die Verwendung von sog. nicht-steroiden entzündungshemmenden Mitteln (NSAIDs) zur Behandlung von Herpesinfektionen beschrieben. Obwohl in der Anmeldung eine große Anzahl von NSAIDs genannt wird, wird eine Wirksamkeit nur für zwei Vertreter dieser Gruppe, Diclofenac und Ketorolac beschrieben und nur für Diclofenac anhand belastbarer Daten belegt. Demnach ist Diclofenac in topischer Anwendung geeignet, den Krankheitsverlauf zu mildern; im Schnitt wird eine Abheilung der Läsionen nach fünf Tagen erreicht. Dies ist zwar eine Verkürzung der normalen Infektionsdauer, die bis zu 10 Tage dauert, jedoch für den Patienten immer noch unbefriedigend.
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Aus der
WO 2011/124366 A1 ist die Verwendung von Piroxicam zur Behandlung von HSV1-, HSV2- und VSV-Infektionen bekannt. Alle diese Viren sind humane Herpesviren. Aus der Wirksamkeit bei humanen HSV- und VSV-Infektionen kann die Einsetzbarkeit im veterinären Bereich, insbesondere bei EHV-Infektionen nicht hergeleitet werden.
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Es wurde jetzt überraschend gefunden, dass Piroxicam geeignet ist, EHV-Infektionen prophylaktisch und therapeutisch zu behandeln.
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Piroxicam, 4-Hydroxy-2-methyl-N-pyridyl-2-yl-2H-1,2-benzothiazin-3-carboxamid-1,1-dioxid, ist ein COX-Hemmer und wird als stark wirkendes Antirheumatikum eingesetzt. Es wirkt analgetisch, entzündungshemmend und fiebersenkend und, wie sich jetzt herausgestellt hat, virozid auf equine Herpesviren.
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Entsprechend betrifft die Erfindung ein veterinärmedizinisches Mittel der eingangs genannten Art, das Piroxicam in einer geeigneten Trägersubstanz enthält.
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Die Erfindung betrifft ferner die Verwendung von Piroxicam (zur Herstellung eines Arzneimittels) zur Behandlung von EHV-Infektionen bzw. zur Vorbeugung derselben, insbesondere zur Behandlung und Vorbeugung von EHV1- und EHV Infektionen.
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Das erfindungsgemäße Mittel enthält Piroxicam vorzugsweise in einer Menge von 0,1 bis 10 Gew.-%, insbesondere von 0,1 bis 5 Gew.-% und besonders bevorzugt in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-%. Es kann topisch, oral und parenteral verabreicht werden.
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Für die orale Verabreichung liegt das Mittel in üblicher Weise in einer bei Tabletten üblichen Trägersubstanz vor. Eine Verabreichung in Pulverform, beispielsweise durch Einrühren in eine Flüssigkeit, ist ebenfalls möglich. Daneben sind übliche Injektions- und Infusionslösungen als Verabreichungsform geeignet, ebenso Salben und Lotionen für die äußerliche Anwendung.
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Die Verabreichung erfolgt im Allgemeinen analog zur Verabreichung von Piroxicam bei der Behandlung von Rheumaerkrankungen. Auch die Dosierung entspricht der Dosierung bei Rheumaerkrankungen.
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Testbericht 1
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In Screening-Tests wurde eine Injektionslösung „Piroxicam parenteral 20 mg” auf ihre virusinaktivierenden Eigenschaften gegenüber dem EHV-1-Virus untersucht. Die Wirksamkeit wurde ohne organische Belastung geprüft. Das Prüfprodukt wurde in Verdünnungsreihen 1:5 bis 1:40 der Injektionslösung (20 mg/ml) getestet.
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Die Tests wurden nach einem Protokoll vorgenommen, das von
K. van der Meulen et al., in BMC Veterinary Research 2006, 2:13 beschrieben ist. Als Testreagenzien wurden eingesetzt:
MEM: | Eagle's MEM mit Earl's Salz/Biochrom, Deutschland, mit 5% fötalen Rinderserum (Biochrom), 100 μ/ml Penicillin und 100 μg/ml Streptomycin; |
MEM-CMC (halbfestes Medium): | MEM mit 0,8% Carboxymethylcellulose niedriger Viskosität (Sigma, USA); |
PBS: | 3% Formaldehyd in PBS; |
Kristallviolett: | 0,75% in 40% Methanol |
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In einer Testplatte mit 12 Eintiefungen wurden RK13-Zellen vorbereitet. Parallel dazu wurden Verdünnungen der Piroxicam-Injektionslösungen (20 mg/ml) von 1:5 bis 1:40 im Zellmedium hergestellt. Das Zellmedium wurde von der Platte abgezogen. 200 μl der Piroxicamverdünnung und 50 μl des EHV-1-Virus im Zellmedium wurden zugesetzt, danach 2 Stunden bei 37°C inkubiert, anschließend die Piroxicamlösung und die Viruslösung aus den Eintiefungen abgezogen. Nach der Wäsche wurden 400 μl halbfestes CMC-Medium zugesetzt. Die Proben wurden 4 Tage bei 37°C inkubiert, danach fixiert, gefärbt und hinsichtlich der Plaques-Zahlen ausgewertet.
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Im Ergebnis ergab sich für die Verdünnung der Piroxicamlösung im Verhältnis 1:5 und 1:10 eine mehr als 50% Reduktion der Plaquezahlen im Vergleich zu einer Kontrollkultur. Die Verdünnung im Verhältnis 1:5 ergab eine vollständige Reduktion.
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Testbericht 2
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In einer weiteren Versuchsreihe wurden Verdünnungen im Verhältnis 1:5 bis 1:30 eingesetzt. In der Verdünnung 1:5, 1:10 und 1:15 ergaben sich Reduktionen von mehr als 50% im Vergleich zur Kontrolle. Die Verdünnung 1:5 ergab eine vollständige Reduktion.
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Testbericht 3
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In einer dritten Versuchsreihe wurden in einer Testplatte mit 24 Eintiefungen RK13-Zellen vorbereitet. Parallel dazu wurden Verdünnungen der Piroxicam-Infektionslösung (1:40 bis 1:640) in MEM-CMC-Medium erstellt.
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Nach 24 Stunden wurde das Zellmedium von der Platte abgezogen. EHV-1-Virus mit 50 Plaques-bildenden Einheiten in 50 μl wurde zugesetzt. Es wurde 2 h bei 37°C in einer feuchten 5% CO2 Atmosphäre inkubiert. Die Viruslösung wurde von der Platte entfernt und es wurde mit PBS gewaschen. Anschließend wurden 400 μl der Piroxicamverdünnung in MEM-CMC (halbfestes Medium) zugesetzt. Es wurde 3 Tage bei 37°C in einer feuchten 5% CO2 Atmosphäre inkubiert.
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Am 5. Tag wurde mit 3%igem Formalyhyd 20 Minuten bei Raumtemperatur fixiert, danach abgegossen und mit Kristallviolett 20 Minuten bei Raumtemperatur angefärbt. Nach dem Waschen mit Wasser wurden die Plaquezahlen bestimmt.
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Verdünnungen im Verhältnis von 1:40 und 1:80 ergaben eine mehr als 50%ige Reduktion der Plaquezahlen, im Vergleich zur Kontrolle. Die Verdünnung 1:160 führt zu kleineren Plaquegrößen.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- EP 1457202 A2 [0017]
- WO 2011/124366 A1 [0018]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- K. van der Meulen et al., in BMC Veterinary Research 2006, 2:13 [0027]