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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Bestimmen des Schiefziehens eines Fahrzeug-Lenksystems mittels einer elektronischen Steuereinheit eines elektromotorischen Lenkunterstützungssystems eines Fahrzeugs, welche eine Ermittlungsfunktion zum Erkennen von Schiefzieheffekten enthält. Ferner betrifft die Erfindung eine elektronische Steuereinheit zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens. Zum Stand der Technik wird beispielshalber auf die
DE 10 2010 030 532 A1 oder auf die gattungsgemäße
DE 10 2006 015 636 A1 verwiesen, in denen Funktionen zur Kompensation von Schiefzieheffekten eines Fahrzeug-Lenksystems beschrieben sind, welche auf einer Ermittlungsfunktion zum Erkennen von Schiefzieheffekten aufbauen. Ferner wird zum Stand der Technik auf die
DE 10 2006 046 834 A1 , die
DE 10 2008 054 823 A1 und die
DE 10 2009 028 181 A1 verwiesen.
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Unter dem Begriff „Schiefziehen eines Lenksystems“ wird im Bereich der Fahrzeugtechnik eine unerwünschte Haltekraft am Lenkrad bei Geradeausfahrt bzw. eine unerwünschte Änderung der Fahrtrichtung beim Loslassen des Lenkrades insbesondere eines zweispurigen Kraftfahrzeugs verstanden. Ursachen für das Schiefziehen von Fahrzeugen sind vorwiegend toleranzbedingte Asymmetrien in der Radaufhängung und Karosserie, im Antriebsstrang, bei Reifen und Lenkung sowie Effekte aus ungleichmäßigen Bremskräften, Antriebskräften, Radlastverteilungen oder Fahrbahneigenschaften. Bekanntlich stellt das Schiefziehen eine vom Fahrer nicht gewünschte Lenkwirkung dar und beeinflusst somit den Fahrkomfort auf negative Weise. Es können merkliche Kräfte im Lenkrad auftreten, wodurch der Fahrer irritiert und die Konzentrationsfähigkeit für die Fahrsituation beeinträchtigt wird.
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In der eingangs genannten
DE 10 2010 030 532 A1 ist ein Verfahren zur Verbesserung des Geradeauslaufverfahrens eines Kraftfahrzeugs mit einer (heute üblichen) elektrischen bzw. elektromotorischen Hilfskraftlenkung („EPS“) beschrieben. Demnach wird während des Fahrbetriebs des Fahrzeugs ein Kompensationsmoment für antriebsbedingte Schiefzieheffekte aus dem EPS-Motormoment und dem aktuellen Handmoment des Fahrers und einem internen EPS-Reibwert bestimmt. In der weiterhin genannten
DE 10 2006 015 636 A1 ist das Schiefziehen in Folge von Asymmetrien beschrieben und es ist dort ebenfalls ein Verfahren zur Kompensation des Schiefziehens während der Fahrt erläutert, wobei ebenfalls zunächst ein Schiefziehen erkannt wird, und zwar dort mittels einer Korrelationsgröße zwischen einer das Antriebs- und/oder beschleunigungsveralten abbildenden Größe und einer ein (an das Lenkrad angelegtes) Handmoment repräsentierenden Größe.
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Aufgrund zahlreicher Störgrößen und insbesondere auch wegen des vom Fahrer an das Lenkrad angelegten Handmoments können die soweit bekannten Verfahren jedoch einen erheblichen Rechenaufwand in der bzw. allgemein einer elektronischen Steuereinheit (insbesondere des Fzg.-Lenksystems) bedingen, was gleichzeitig die Gefahr von Ungenauigkeiten erhöht.
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Hiermit soll ein demgegenüber einfacheres und jedenfalls hinsichtlich toleranzbedingten Asymmetrien genaueres Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgezeigt werden (= Aufgabe der vorliegenden Erfindung). Dabei sei bereits an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein erfindungsgemäßes Verfahren zwar analog dem genannten Stand der Technik bei Einsatz des Fahrzeugs bei einem Nutzer durchgeführt werden kann, daneben aber insbesondere auch bei der Endkontrolle im Rahmen des Herstellungsprozesses eines Fahrzeugs oder bei einem Werkstattaufenthalt desselben.
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Die Lösung dieser im vorhergehenden Absatz genannten Aufgabe ist dadurch gekennzeichnet, dass die Ermittlungsfunktion zumindest eine vom Lenkunterstützungs-Elektromotor veranlasste Lenkbewegung der lenkbaren Fahrzeugräder mit einem Durchfahren der Neutralstellung (= Geradeaus-Stellung) bei stehendem Fahrzeug beinhaltet, wobei zumindest zweimal die Neutralstellung der lenkbaren Räder durchfahren wird, und zwar in den beiden möglichen einander entgegengesetzten Richtungen, wobei aus einem dabei festgestellten asymmetrischen (und) hierfür benötigten Motor-Moment oder einer entsprechenden Ersatzgröße die Auswirkung der Schiefzieheffekte bestimmt wird. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den Unteransprüchen. Ferner wird die Aufgabe durch eine elektronische Steuereinheit mit den Merkmalen des nebengeordneten Anspruchs 4 gelöst.
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Erfindungsgemäß wird das Ausmaß des Schiefziehens des Lenksystems bei still stehendem Fahrzeug in einem eigenständigen Ermittlungsmodus festgestellt und/oder analysiert, wobei das Lenken der lenkbaren Räder des Lenksystems alleinig durch den elektrischen Lenkunterstützungs-Motor initiiert wird. Fehler aufgrund von sich (insbesondere beim Fortbewegen des Fahrzeugs) verändernden Einfussgrößen oder von Störgrößen werden damit vermieden. Grundsätzlich kann ein solcher Ermittlungsmodus überall durchgeführt werden, vorzugsweise jedoch mit möglichst niedrigem Reibwert zwischen der Fahrbahn und den Reifen auf den lenkbaren FahrzeugRädern. Dafür kann das Fahrzeug mit seinen lenkbaren Rädern vorzugsweise auf speziellen Drehplatten oder Rutschplatten oder dergleichen positioniert werden, so dass das erfindungsgemäße Verfahren vorzugsweise in einer Werkstatt oder bereits im Produktionswerk des Fahrzeugs durchgeführt wird. Die vorliegende Erfindung beschäftigt sich somit vordergründig mit den Ursachen, die aufbaubedingt in den Asymmetrien insbesondere im das Lenksystem aufnehmenden Vorderwagen eines Fahrzeugs, insbesondere Personenkraftwagens zu finden sind. Beispielsweise können solche Asymmetrien bereits während des Produktionsprozesses des Fahrzeugs überprüft und noch vor Auslieferung des Fahrzeugs an Kunden ausgebessert werden. So können bereits bislang im Produktionsprozess der Fahrzeuge durchgeführte Stichproben der Achseinstellungen im Produktionswerk um einen einfachen und an jedem Fahrzeug durchzuführenden Test erweitert werden, welcher mit dem erfindungsgemäßen Verfahren äußerst einfach und reproduzierbar durchführbar ist. Es kann jedoch das erfindungsgemäße Verfahren auch - wie bereits angesprochen - im Rahmen von Wartungsarbeiten in einer Werkstatt oder allgemein bei beliebigem Stillstand des Fahrzeugs durchgeführt werden, also auch im Kundenbetrieb, vorzugsweise während ein Nutzer des Fahrzeugs dieses nutzt.
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Im Rahmen der erfindungsgemäßen Ermittlungsfunktion werden die lenkbaren Räder des Fahrzeugs vom Lenkunterstützungsmotor bewegt, d.h. gelenkt oder „eingeschlagen“, wobei zumindest zweimal die Neutralstellung, d.h. die Geradeausstellung der lenkbaren Räder durchfahren wird, und zwar in den beiden möglichen einander entgegengesetzten Richtungen, d.h. in jeder Richtung zumindest einmal. Das für dieses Lenken oder Einschlagen benötigte Motor-Moment ist anhand der elektrischen Leistungsaufnahme einfach meßbar und aus der Asymmetrie dieses Motormoments bezüglich der Neutralstellung der lenkbaren Räder kann die Auswirkung der aktuell vorliegenden Schiefzieheffekte einfach festgestellt werden. Alternativ kann jedoch auch die für jeden Lenkvorgang von links über die Neutralstellung nach rechts und zurück die hierfür benötigte Zahnstangenkraft (im Falle einer Zahnstangen-Lenkung) gemessen werden, falls ein hierfür geeigneter Sensor vorhanden ist, oder mittels eines ggf. vorhandenen Momentensensors das hierfür benötigte Lenkmoment.
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Vorzugsweise wird dabei der die lenkbaren Räder bei stillstehendem Fahrzeug bewegende, d.h. lenkende oder „einschlagende“ Lenkunterstützungs-Elektromotor in der besagten Ermittlungsfunktion mit konstanter Geschwindigkeit betrieben. Hierdurch werden nicht nur Fehler aufgrund von Beschleunigungs-Vorgängen vermieden oder zumindest minimiert, sondern hiermit ist auf einfache Weise das gewünschte Ergebnis erzielbar. Würden hingegen die jeweiligen Lenkvorgänge momentengesteuert durchgeführt, so wäre die Auswirkung der Schiefzieheffekte nur in aufwändiger Weise durch Auswertung der sich einstellenden Unterschiede in der Lenkwinkel-Änderungsgeschwindigkeit feststellbar.
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Sollen die Schiefzieheffekte kompensiert oder auch nur einfach analysiert werden, so wird deren Auswirkung in Form eines Offsets für die Neutralstellung des Lenksystems bestimmt. Unter Verwendung dieses Offsets kann in der (bereits erwähnten) Werkstatt oder im Produktionswerk das Fahrwerk des Fahrzeugs entsprechend dahingehend eingestellt werden, dass die Schiefzieheffekte kompensiert werden. Insbesondere wenn dieser Offset in der elektronischen Steuereinheit selbst ermittelt wird kann eine gegebenenfalls weiterhin in der elektronischen Steuereinheit des elektromotorischen Lenkunterstützungssystems des Fahrzeugs vorgesehene Funktion zur Kompensation von Schiefzieheffekten diesen Offset aber auch geeignet berücksichtigen und somit im täglichen Fahrbetrieb des Fahrzeugs die festgestellten Schiefzieheffekte selbsttätig kompensieren.
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Bei einer elektronischen Steuereinheit zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens oder einer seiner vorteilhaften Weiterbildungen kann bzw. können die Geschwindigkeit der Rad-Lenkbewegung und/oder der maximale Rad-Lenkwinkel oder die Anzahl der in entgegengesetzten Richtungen durchzuführenden Lenkbewegungen oder diesen Größen entsprechende Größen vorgebbar, d.h. parametrierbar sein.
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In anderen Worten ausgedrückt wird vorliegend eine Funktionserweiterung eines EPS-Steuergerätes vorgeschlagen. Mithilfe einer erfindungsgemäßen Zusatzfunktion können in einem speziellen Testverfahren (= „Ermittlungsmodus“, „Ermittlungsfunktion“) mögliche Asymmetrien im Lenksystem bzw. insbesondere auch im Vorderwagen des Fahrzeugs, bspw. PKW's, detektiert werden. Die Testergebnisse können somit auch Informationen darüber liefern, welches Fahrzeug eine Nachbesserung benötigt und ob Toleranzen eingehalten sind.
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Konkret handelt es sich bei der Erweiterung für die elektronische Steuereinheit des elektromotorischen Lenkunterstützungssystems (= „EPS-Steuergerät“) um eine integrierte Durchlenk-Funktion, d.h. das elektromotorische Lenkunterstützungssystem soll selbsttätig die üblicherweise im Lenksystem als das die lenkbaren Räder lenkendes (bzw. einschlagendes) Element vorgesehene Zahnstange insbesondere um die Lenkungsmitte (= Neutralstellung des Lenksystems) in beide Richtungen bewegen. Zu diesem Zweck wird die Vorderachse des Fahrzeugs auf Rutschplatten oder ähnlich freibewegliche Vorrichtungen gestellt. Sobald ein Fahrzeug gravierende Asymmetrien im Vorderwagen aufweist und somit ein Schiefziehen die Folge wäre, wird dies aufgrund unterschiedlicher Zahnstangenkräfte in beiden Lenkrichtungen erkannt. (Der Einfachheit halber wird im weiteren nur noch von einer Zahnstange als einem die vom Lenkunterstützungs-Motor initiierte Lenkbewegung auf die lenkbaren Räder übertragendem Element gesprochen).
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Der Offset der Zahnstangenkräfte in beiden Lenkrichtungen stellt demnach ein Maß für die aufbaubedingten Asymmetrien im Vorderwagen dar. Dabei sind die Zahnstangenkräfte durch das EPS-Steuergerät mithilfe des aufgebrachten EPS-Motormomentes leicht zu ermitteln; alternative Möglichkeiten wurden weiter oben bereits genannt. Höchste Genauigkeit wird dabei erzielt, wenn das gesamte Lenkmoment betrachtet wird, d.h. die Summe der Momente an der Lenksäule und am Lenkunterstützungsmotor. Daher wird vorgeschlagen, im Testverfahren den Lenkeinschlag ausschließlich durch den Lenkunterstützungsmotor durchführen zu lassen. Hierdurch eröffnet sich die Möglichkeit einer besonders einfachen Berechnung des Zahnstangen-Offsets aus dem EPS-Motormoment sowie die vollständige Reproduzierbarkeit des Testverfahrens
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Für die detaillierte Ausgestaltung der besagten Durchlenkfunktion im EPS-Steuergerät gibt es verschiedene Möglichkeiten. Besonders vorteilhaft ist jedoch eine geregelte konstante Zahnstangen-Geschwindigkeit bzw. Motorgeschwindigkeit. Vorteilhafterweise können der Zahnstangen-Hub (und somit der maximal dargestellte Rad-Lenkwinkel) und die besagte Geschwindigkeit parametrierbar sein. Es kann die Berechnung des Zahnstangen-Offsets aus dem EPS-Motormoment automatisch erfolgen und beispielsweise über eine Diagnose-Schnittstelle (OBD) ausgegeben werden, alternativ können auch lediglich die Messdaten zu Motormoment und Zahnstangenkräften ausgegeben werden, was eine zusätzliche Berechnung im Anschluss an das Testverfahren bedingt. Vor dem Hintergrund einer relativ langsamen Datenübertragung sowie geringen Speicherkapazitäten kann weiterhin gewählt werden, ob die Datenausgabe online während eines Testdurchlaufs oder nach Beenden des Tests erfolgen soll. Darüber hinaus könnte eine Datenausgabe auf die Messwerte im Nulldurchgang beschränkt werden (Zahnstangenhub gleich Null), da diese für die Berechnung der Schiefzieh-Kompensation entscheidend sind.
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Durch einen hiermit vorgeschlagenen automatischen Lenkungs-Durchlauf mithilfe des elektromotorischen Lenkunterstützungssystems wird die Durchführung und Auswertung von Schiefzieh-Tests stark vereinfacht. Da der Lenkunterstützungs-Motor die einzige Momentenquelle für den Testdurchlauf darstellt, entfallen aufwändige Umrechnungen und es besitzt das erfindungsgemäße Verfahren eine äußerst hohe Wiederhol-Genauigkeit.