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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bereitstellung von Kennzahlen, welche den Gefährdungszustand (SOR, engl. „state of risk“) einer Batterie beschreiben.
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Stand der Technik
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Für die Energieversorgung von elektrischen Komponenten in Kraftfahrzeugen, insbesondere von elektrischen Antrieben in Elektro- und Hybridfahrzeugen, werden meist Batterien eingesetzt. Bevorzugt werden heutzutage Lithium-Ionen-Batterien verwendet.
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Diese Batterien weisen durch ihre Bauweise und Chemie ein nicht zu vernachlässigendes Gefährdungspotential auf. Bei der Überschreitung von Betriebsgrenzen kann es zu einem Batteriebrand oder zu einem Austritt von gefährlichen chemischen Substanzen aus der Batterie kommen.
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Eine Ursache für eine solche Gefährdungslage kann beispielsweise ein zu hoher Ladestrom in der Batterie sein, der über einen zu langen Zeitraum oder mit einer zu hohen Frequenz besteht, beispielsweise bei niedrigen Temperaturen. Hierbei kann es zu sogenanntem „Lithium Plating“ kommen, ein Zustand, bei dem sich Lithium-Ionen auf der Anode der Batterie ansammeln. Dies kann zum Wachsen eines Dendriten führen, der später in der Lage sein kann, den Separator der Batterie zu beschädigen und gegebenenfalls zu durchstoßen. In der Folge kann es zu einem internen Kurzschluss in der Batterie kommen. Liegt ein solcher interner Kurzschluss vor, so kommt es zu einer thermischen Reaktion, einem sogenannten „thermal runaway“, bei der die Batterie erhitzt und schließlich ein Brand oder sogar eine Explosion ausgelöst werden kann.
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Um eine möglichst schnelle Fehleranalyse und Beurteilung von Geräten und Vorrichtungen zu ermöglichen, sind verschiedene Kennzahlen entwickelt worden, die den Zustand eines betreffenden Gerätes oder einer Vorrichtung beschreiben.
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Im Bereich der Batterien ist beispielsweise die Kennzahl SOH, für engl. „state of health“ gebräuchlich. Diese Kennzahl wird als Maß für den Alterungszustand einer Batterie verwendet und wird mittels der Eingangsgrößen Kapazitätsverlust und Erhöhung des Innenwiderstandes bestimmt.
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Von einer Batterie kann aber auch ein erhebliches Gefährdungspotential ausgehen. So kann bei einer Batterie, insbesondere einer Lithium-Ionen-Batterie, die sich in einem sogenannten „thermal runaway“ befindet, Explosionsgefahr bestehen.
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Vor diesem Hintergrund ist eine Möglichkeit für eine zügige Einschätzung der Gefährdung, die von einer Batterie ausgeht, sinnvoll. So ist es beispielsweise beim Austausch von defekten Batterien oder bei der Wartung von Batterien wünschenswert, das Risiko, welches von der Batterie im aktuellen Zustand ausgeht, verlässlich einschätzen zu können, ohne die Notwendigkeit, langwierige Diagnoseverfahren durchführen zu müssen.
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Bislang ist keine Kennzahl bekannt, welche den Gefährdungszustand einer Batterie beschreibt.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Bereitstellung von Kennzahlen, welche den Gefährdungszustand (SOR) einer Batterie beschreiben, umfasst grundsätzlich folgende Schritte:
- – Bestimmung einer Kennzahl SORT für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zelltemperatur, wobei SORT bestimmt wird mittels einer Auswertefunktion unter Berücksichtigung der Eingangsgrößen aktuelle Zelltemperatur Takt für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie, Anzahl #Thoch von Ereignissen, bei denen mindestens eine Zelltemperatur einen vorgegebenen Schwellenwert überschritten hat und der aktuellen Rate der Zelltemperaturveränderung ΔT(t) für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie; und/oder
- – Bestimmung einer Kennzahl SORV für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zellspannung, wobei SORV bestimmt wird mittels einer Auswertefunktion unter Berücksichtigung der Eingangsgrößen Batteriespannung UBat und Zellspannung UZell für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie; sowie
- – Bereitstellung der Kennzahlen SORT und SORV für die weitere Verwendung.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren werden Parameter und Informationen aus der Vorgeschichte und dem aktuellen Zustand der Batterie herangezogen, um in einfache Kennzahlen zusammengefasst zu werden. Dabei können zwei Typen von Kennzahlen erhoben werden, die Kennzahl SORT (für engl. „state of risk for thermal impact“) für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zelltemperatur und die Kennzahl SORV (für engl. „state of risk for voltage impact“) für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zellspannung. Durch jede dieser Kennzahlen einzeln sowie mit der Kombination der beiden Kennzahlen SORT und SORV lässt sich schnell feststellen, ob sich eine Batterie in einem sicheren Zustand befindet bzw. diese Kennzahlen können dazu beitragen, eine Batterie zügig in einen sicheren Zustand zu überführen. Im erfindungsgemäßen Verfahren werden dazu geeignete Einzeldiagnosen zusammengefasst, um daraus einen Risikowert für die Batterietemperatur, SORT, und/oder einen Risikowert für die Batteriespannung, SORV, zu bilden. Mit diesen beiden Kennzahlen werden im Wesentlichen alle Parameter beschrieben und überwacht, die verlässliche Hinweise auf eine bestehende Gefährdungslage bezüglich der betreffenden Batterie geben.
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Um eine besonders sichere Einschätzung des Gefährdungszustandes einer Batterie zu gewährleisten, werden im erfindungsgemäßen Verfahren bevorzugt beide Kennzahlen, SORT und SORV, bestimmt.
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Unter einer Batterie wird für die Zwecke der vorliegenden Erfindung eine funktionale Anordnung verstanden, die ein oder eine Mehrzahl von Batteriemodulen und/oder Batteriezellen umfasst. Dabei weist jedes Batteriemodul eine oder mehrere Batteriezellen auf, die jeweils zu einer funktionalen Einheit zusammengefasst sind. Die Mehrzahl von Batteriemodulen oder Batteriezellen einer Batterie können in geeigneter Weise verbunden vorliegen. Dazu können die einzelnen Batteriemodule oder Batteriezellen der Batterie derart elektrisch leitend miteinander verbunden sein, dass diese zu gewünschten Batteriemodul- oder Batteriesystemarchitekturen arrangiert vorliegen.
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Unter einer Batteriezelle wird dabei ein elektrochemischer Energiespeicher verstanden, der eine Energie mittels elektrochemischer Prozesse speichern und bei Bedarf wieder bereitstellen kann. Grundsätzlich können in der Batterie des erfindungsgemäßen Bordnetzes Batteriemodule mit Batteriezellen jedes Akkumulator- oder Batteriezelltyps verwendet werden. Bevorzugt umfasst die Batterie Batteriezellen vom Typ der Lithium-Ionen-Zellen, insbesondere vom Typ Li-Ion-Lithium-Ionen-Akku, LiPo-Lithium-Polymer-Akku, LiFe-Lithium-Metall-Akku, Li-Mn-Lithium-Mangan-Akku, LiFePO4-Lithium-Eisen-Phosphat-Akkumulator, LiTi-Lithium-Titanat-Akku.
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Bevorzugt handelt es sich bei der Batterie im erfindungsgemäßen Verfahren um eine Lithium-Ionen-Batterie, insbesondere um eine hochkapazitive Lithium-Ionen-Batterie, besonders bevorzugt um eine Batterie, zum Beispiel eine Lithium-Ionen-Batterie, mit einer nominalen Kapazität von ≥ 2 Ah, bevorzugt von ≥ 3 Ah.
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Die Batterie im erfindungsgemäßen Verfahren kann ein Batteriemanagementsystem (BMS) aufweisen. Unter einem Batteriemanagementsystem wird eine elektronische Schaltung verstanden, die insbesondere den Betrieb, sowie den Lade- und Entladevorgang der Batterie überwacht und regelt. Darüber hinaus kann das BMS als Schnittstelle zwischen der Batterie sowie deren elektronischen Bestandteilen und der Umwelt ausgebildet sein. Dabei können dem BMS verschiedene Funktionen zukommen, so z. B. eine Ladekontrolle der Batterie bzw. Batteriezellen, ein Lastmanagement, ein Ausbalancieren von Zellen sowie ein Temperaturmanagement. Um diese Funktionen ausüben zu können, werden dem BMS laufend Daten über bestimmte Parameter der Batterie bzw. der Batteriezellen zugeführt. Solche Daten umfassen in der Regel Daten zur Temperatur der Batterie bzw. der Batteriezellen, Daten bezüglich der Spannung der Batterie bzw. der Batteriezellen, Daten bezüglich des Batteriestroms usw. Diese Daten werden vom BMS erfasst und in einem Speicher abgelegt. Diese Daten können im erfindungsgemäßen Verfahren aus dem Speicher des BMS ausgelesen werden und als Eingangsgrößen für die Bestimmung der Kennzahlen SORT und/oder SORV verwendet werden. Somit kann mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens der Gefährdungszustand einer Batterie schnell und effizient unter Nutzung der vorhandenen Daten aus dem BMS in Form der Kennzahlen SORT und SORV ermittelt und für die weitere Verwendung bereitgestellt werden.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren kann für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Temperatur die Kennzahl SORT bestimmt werden. Als Eingangsgröße für die Bestimmung von SORT wird die aktuelle Temperatur Takt für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie verwendet. Aus dieser Eingangsgröße lässt sich ermitteln, ob wenigstens eine Batteriezelle den Temperaturbereich für einen ungefährlichen Betrieb der Batterie aktuell bereits verlassen hat.
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Zusätzlich wird als Eingangsgröße für die Bestimmung von SORT die Anzahl #Thoch von Ereignissen herangezogen, bei denen für mindestens eine Batteriezelle eine Überschreitung der Zellentemperatur über einen vorgegebenen Schwellenwert stattgefunden hat. Dabei ist der Schwellenwert bevorzugt derart gewählt, dass bei einer Überschreitung des Schwellenwertes eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines bleibenden Schadens in der Zelle besteht. Aus dieser Eingangsgröße lässt sich ermitteln, ob bereits für eine Zelle der Batterie von einer Schädigung oder Beeinträchtigung ausgegangen werden muss.
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Als dritte Eingangsgröße für die Bestimmung von SORT wird die aktuelle Rate der Temperaturänderung ΔT(t) für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie eingesetzt. Diese Eingangsgröße beschreibt die Veränderung der Temperatur einer Zelle der Batterie in Abhängigkeit von der Zeit. Nimmt die Temperatur einer Batteriezelle pro Zeiteinheit in besonders hohem Maße zu, so ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich diese Zelle auf einen „thermal runaway“ zu bewegt oder sich bereits in einem „thermal runaway“ befindet. Aus dieser Eingangsgröße lässt sich also ermitteln, ob von dieser Zelle unmittelbar und konkret eine erhöhte Gefährdung ausgeht.
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Bei der Bestimmung von SORT können daneben noch weitere Eingangsgrößen verwendet werden. So ist es bekannt, dass sowohl die Entladung einer Batterie bzw. einer Batteriezelle über einen bestimmten Schwellenwert hinaus, eine sogenannte Tiefentladung, ebenso eine Schädigung der Batterie nach sich ziehen kann wie eine Überladung der Batterie oder einer Batteriezelle. Auch kann der Anstieg des Druckes in der Batterie oder in einer Batteriezelle ein Hinweis sein auf eine gestiegene Gefährdungslage, die von der Batterie ausgeht. Ein anderer Indikator für das Vorliegen einer Schädigung in einer Batterie ist die Entstehung und/oder Freisetzung von Gas aus einer, mehreren oder allen Zellen der Batterie. Eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zeichnet sich dadurch aus, dass bei der Bestimmung von SORT zusätzlich die Eingangsgrößen Anzahl an Tiefentladungen einer, mehrerer oder aller Zellen der Batterie, Überladung einer, mehrerer oder aller Zellen der Batterie, Zelldruck einer, mehrerer oder aller Zellen der Batterie und/oder die Entwicklung von Gas in einer, mehreren oder allen Zellen der Batterie berücksichtigt werden.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren kann für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Spannung die Kennzahl SORV bestimmt werden. Als Eingangsgröße für die Bestimmung von SORV werden die Batteriespannung UBat und die Zellspannung UZell für eine, mehrere oder alle Zellen der Batterie verwendet. Über- oder Unterschreiten eine, mehrere oder alle dieser Eingangsgrößen jeweils einen Schwellenwert, so muss von einer Schädigung der Batterie ausgegangen werden und damit von einer erhöhten Gefährdungslage, die von der Batterie ausgeht.
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Bei der Bestimmung von SORV können zusätzlich noch weitere Eingangsgrößen herangezogen werden. So können aus dem aktuellen Isolationswiderstand Riso ebenfalls wichtige Informationen über den Gefährdungszustand der Batterie abgeleitet werden, wie aus dem aktuellen Batteriestrom IBat. Zusätzlich kann festgestellt werden, ob ein sogenannter „Schützkleber“ vorliegt. Auch die Anzahl an erkannten durchgebrannten Sicherungen kann berücksichtigt werden. Eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zeichnet sich dadurch aus, dass bei der Bestimmung von SORV zusätzlich die Eingangsgrößen Link-Spannung Ulink, aktueller Isolationswiderstand Riso, Batteriestrom IBat und/oder die Anzahl erkannter durchgebrannter Sicherungen der Batterie berücksichtigt werden.
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Durch eine Auswertefunktion wird aus den entsprechenden Eingangsgrößen die Kennzahl SORT für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zelltemperatur und/oder die Kennzahl SORV für den Gefährdungszustand der Batterie bezüglich der Zellspannung bestimmt. Die tatsächliche Ausgestaltung der Auswertefunktion hängt von der zu überwachenden Batterie ab und der Fachmann kann diese ohne unzumutbaren Aufwand für den konkreten Anwendungsfall ermitteln. Insbesondere kann im erfindungsgemäßen Verfahren vorgesehen sein, dass die Auswertefunktionen für die Ermittlung der Kennzahlen SORT und/oder SORV die Bestimmung der Kennzahl anhand eines Fehlerbaumes, einer Wahrheitstabelle und/oder eines Algorithmus umfassen. Dabei können die verschiedenen Eingangsgrößen in geeigneter Weise gewichtet in die Bestimmung einfließen. Die Kennzahlen SORT und SORV können jeweils als diskreter Wert angegeben werden. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Es kann beispielsweise jede Kennzahl nur zwei Werte annehmen, z. B. 0 für ungefährlich und 1 für möglicherweise gefährlich. Alternativ kann aber auch eine Werteskala mit mehreren Abstufungen für die tatsächliche Gefährdungslage verwendet werden, z. B. eine Bewertung auf einer Skala von 0 bis 10. Es ist auch möglich, die Kennzahlen SORT und SORV jeweils als Fehlercode auszubilden, der es einer externen Software erlaubt, die Fehlerfälle anzuzeigen.
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Im erfindungsgemäßen Verfahren werden die ermittelten Kennzahlen SORT und/oder SORV für eine weitere Verwendung bereitgestellt. Eine solche weitere Verwendung kann darin bestehen, dass die Kennzahlen visuell angezeigt werden. Eine solche Anzeige kann beispielsweise über ein Display erfolgen, in einer einfachen Ausgestaltung kann die Gefährdungslage anhand der Kennzahl auch durch ein einfaches visuelles Signal, wie z. B. eine Kontrolllampe erfolgen. Alternativ oder zusätzlich kann die Gefährdungslage akustisch angezeigt werden. Es kann beispielsweise die Ausgabe eines Warnsignals vorgesehen sein, wenn eine Kennzahl das Vorliegen einer tatsächlichen Gefährdung durch die Batterie anzeigt. Die Kennzahlen SORT und/oder SORT können aber auch derart bereitgestellt werden, dass diese an ein externes oder on-board Diagnosesystem übertragbar sind und dort gegebenenfalls für eine weitere Beurteilung der Gefährdungslage eingesetzt werden.
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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auch auf ein Computerprogramm, welches es einer Datenverarbeitungseinrichtung ermöglicht, nachdem es in Speichermittel der Datenverarbeitungseinrichtung geladen worden ist, ein erfindungsgemäßes Verfahren durchzuführen.
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Die Erfindung ist auch auf ein computerlesbares Speichermedium gerichtet, auf dem ein Programm gespeichert ist, das es einer Datenverarbeitungseinrichtung ermöglicht, nachdem es in Speichermittel der Datenverarbeitungseinrichtung geladen worden ist, ein erfindungsgemäßes Verfahren durchzuführen.
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Die vorliegende Erfindung bezieht sich auch auf ein Verfahren, bei dem oben genanntes Computerprogramm aus einem elektronischen Datennetz, wie beispielsweise aus dem Internet, auf eine an das Datennetz angeschlossene Datenverarbeitungseinrichtung heruntergeladen wird.