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Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zum Betreiben eines Fahrzeugs, insbesondere Kraftfahrzeugs, das wenigstens zwei Radachsen mit jeweils mindestens einem Rad aufweist, wobei die Vorrichtung einen Schwungradenergiespeicher aufweist, der mindestens ein Schwungrad sowie eine das Schwungrad um eine Rotationsachse drehbar lagernde Lagereinrichtung umfasst.
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Ferner betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Betreiben einer derartigen Vorrichtung.
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Stand der Technik
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Vorrichtungen und Verfahren der eingangs genannten Art sind dem Fachmann aus dem Stand der Technik bekannt. Im Bereich der Antriebstechnik existieren Konzepte für Hybridfahrzeuge, die ein Schwungrad als Energiespeicher einsetzen. Diese Schwungradenergiespeicher haben gemein, dass ein Rotationselement, das Schwungrad, sich im Bereich des Fahrzeugszentrums befindet und beispielsweise elektrisch auf eine hohe Rotationsgeschwindigkeit beschleunigt und dort gehalten wird. Im Rekuperationsfall, beispielsweise durch beim Bremsen rekuperierte Energie, wird die Geschwindigkeit des Schwungrades erhöht. Im Boostfall wird die gespeicherte Energie wieder entnommen. Dabei wird die Rotationsgeschwindigkeit beziehungsweise die Drehzahl des Schwungrades in einem begrenzten Bereich verändert, ohne dass das Rad zum Stillstand kommt. Das Schwungrad wird dabei von einer Lagereinrichtung gehalten, die die drehbare Lagerung des Schwungrads auch bei hohen Drehzahlen sicher ermöglicht. In der Regel ist die durch die Lagereinrichtung vorgegebene Rotationsachse des Schwungrades senkrecht zur Fahrzeugebene ausgerichtet, sodass beispielsweise auch bei Kurvenfahrten Energie in den Schwungradspeicher eingespeist wird.
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Weiterhin wurden in den letzten Jahren im Bereich der Verkehrssicherheit bedeutende Fortschritte gemacht. Insbesondere im Bereich der unfallverhindernden Systeme sind wirksame Systeme entwickelt und mittlerweile zum Standard gemacht worden. Zu nennen sind hierbei beispielsweise das Antiblockiersystem (ABS) oder das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP). Um den Bremsweg eines Fahrzeugs zu verkürzen, um Kollisionen zu verhindern oder zumindest deren Folgen zu vermindern, wurden auch Systeme zum Erhöhen der Bremswirkung entwickelt. Unter anderem ist ein System bekannt geworden, bei welchem eine Bremsplatte im Fall einer bevorstehenden Kollision mittels eines Airbags auf den Fahrbahnuntergrund gepresst wird, wobei durch diese Pressbewegung und die dabei entstehende Reibung das Fahrzeug stärker abgebremst wird, als es über die den Rädern zugeordnete Bremsvorrichtung üblicherweise möglich wäre. Dieses System hat jedoch den Nachteil, dass es, wenn es einmal aktiviert wurde, nicht nochmals verwendet werden kann. Darüber hinaus ist die Wirkzeit zeitlich sehr stark begrenzt und bedarf einer hochpräzisen zeitlichen Ansteuerung.
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Offenbarung der Erfindung
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 hat den Vorteil, dass die Radaufstandskraft das Fahrzeug an zumindest einem der Räder bei Bedarf erhöht wird, sodass das Rad später blockiert oder durchdreht, sodass höhere Bremskräfte oder Beschleunigungskräfte auf die Straße übertragen werden können. Unter der Radaufstandskraft ist hierbei die auf ein Rad wirkende Normalkraft zu verstehen, mit welcher das Rad gegen die Fahrbahnoberfläche gedrückt wird. Üblicherweise verhält sich diese proportional zum Gewicht des Fahrzeugs. Von der Radaufstandskraft ist abhängig, ab welchem Drehmoment das jeweilige Rad durchdreht oder blockiert und insofern keine Längskräfte mehr auf die Straße übertragen kann. Durch ein Erhöhen der Radaufstandskraft lassen sich diese Grenzwerte verändern. Hierzu ist erfindungsgemäß vorgesehen, dass die Lagereinrichtung zum Erhöhen der Radaufstandskraft zumindest eines der Räder Mittel zum Verschwenken der Rotationsachse in zumindest eine Richtung aufweist. Das Schwungrad des Schwungradenergiespeichers stellt einen schnell rotierenden symmetrischen Kreisel dar. Im Normalbetrieb kann es als kräftefreier Kreisel angenommen werden. Aufgrund seines Trägheitsmoments versucht das Schwungrad die Position der Rotationsachse im Raum beizubehalten. Wird diese Rotationsachse jedoch um einen bestimmten Winkel größer Null verschwenkt, so reagiert das Schwungrad mit einem Widerstand gegen dieses Verschwenken. Dieser Widerstand bildet eine Gegenkraft beziehungsweise Widerstandskraft, die sich auf das Fahrzeug entsprechend auswirkt. Wird die Rotationsachse in Fahrtrichtung gesehen nach hinten gedrückt, so erwirkt das Schwungrad eine Gegenkraft in Fahrtrichtung, die zu einer Nickbewegung des Fahrzeugs nach vorne führt, sodass die Normalkraft oder Radaufstandskraft des oder der Vorderräder auf die Fahrbahnoberfläche erhöht wird, sodass das oder die Räder später blockieren, also die Bremswirkung erhöht und der Bremsweg verkürzt wird, oder später durchdrehen, also eine höhere Beschleunigung erreicht wird.
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Bevorzugt ist die Rotationsachse in Fahrzeuglängserstreckung verschwenkbar. Insbesondere ist die Rotationsachse in Fahrtrichtung nach hinten verschwenkbar, um die auf das mindestens eine Rad der Vorderachse wirkende Normalkraft zu erhöhen. Unter der Fahrzeuglängserstreckung wird die Längsachse des Fahrzeugs verstanden, entlang welcher sich das Fahrzeug bei Geradeausfahrt bewegt. Hierdurch wird insbesondere bei einer Geradeausfahrt der Bremsweg des Fahrzeugs verkürzt beziehungsweise eine Kollisionsgeschwindigkeit verringert.
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Gemäß einer alternativen Ausführungsform der Erfindung ist vorgesehen, dass dir Rotationsachse des Schwungradspeichers quer zur Fahrzeuglängserstreckung verschwenkbar ist. Wird die Rotationsachse quer zur Fahrzeuglängserstreckung verschwenkt, führt dies dazu, dass die Räder auf einer Seite des Fahrzeugs mit einer höheren Normalkraft beaufschlagt werden, um beispielsweise die Bremswirkung an kurveninneren oder kurvenäußeren Rädern zu erhöhen. Insbesondere in Zusammenwirkung mit einem ESP-System kann dies zu weiteren sicherheitstechnischen Vorteilen durch Erhöhen der jeweiligen Radaufstandskraft führen.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Rotationsachse des Schwungradspeichers in Fahrzeuglängsrichtung und quer dazu verschwenkbar ist, insbesondere derart, dass eine Verschwenkrichtung in einem Winkel zur Fahrzeuglängsachse also schräg dazu ausgebildet ist. Aufgrund der Erhaltung des Drehimpulses führt die Einwirkung einer Kraft auf einen Kreisel zu einer sogenannten Präzessionsbewegung. Ist der Freiheitsgrad des Schwungrads in Richtung dieser Präzessionsbewegung eingeschränkt, so wirkt sich auch eine Kraft in diese Richtung auf das Fahrzeug aus. Durch die variable Verschwenkbarkeit der Rotationsachse in Längserstreckung und quer dazu kann somit zusätzlich auch die Präzessionsbewegung beziehungsweise -kraft des Schwungrads derart ausgeglichen werden, dass die insgesamt resultierende Kraft in die gewünschte Richtung, vorzugsweise in Richtung der Vorderachse, wirkt.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Lagereinrichtung eine Welle, auf welcher das Schwungrad angeordnet ist, sowie mindestens zwei die Welle drehbar lagernde Lager aufweist, wobei insbesondere die Position und/oder Ausrichtung von zumindest einem der Lager zum Verschwenken der Rotationsachse veränderbar ist. Handelt es sich bei einem der Lager beispielsweise um ein Pendellager, so reicht es aus, die Position des anderen Lagers zu verändern, um die Rotationsachse zu verschwenken. In diesem Fall wird ein Verschwenkpunkt von dem Pendellager gebildet. Alternativ, wenn es sich bei den Lagern um starre Lager handelt, werden vorzugsweise beide Lager in ihrer Position und/oder Ausrichtung verändert. Alternativ zu einem Verändern der Position und/oder Ausrichtung eines oder mehrerer Lager ist bevorzugt vorgesehen, ein die Lager tragendes Gehäuse des Schwungradspeichers verschwenkbar an dem Fahrzeug anzuordnen beziehungsweise auszubilden. Hierzu ist vorzugsweise das Gehäuse gelenkig mit der Fahrzeugkarosserie des Fahrzeugs verbunden. Wird das Gehäuse verschwenkt, ändert sich auch die Position beziehungsweise Ausrichtung der Rotationsachse mit den oben beschriebenen Folgen.
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Zweckmäßigerweise ist zum Verschwenken zumindest einem der Lager, besonders bevorzugt dem die Lager tragenden Gehäuse, eine Aktoreinrichtung zum Verschieben des mindestens einen Lagers aus seiner aktuellen Position in eine andere Position zugeordnet. Ist das andere Lager entsprechend schwenkbar gelagert, so reicht das Vorsehen einer einzigen Aktoreinrichtung an dem gegenüberliegenden Lager zum Verschwenken der Rotationsachse bereits aus. Die Aktoreinrichtung weist bevorzugt einen, besonders bevorzugt zwei Aktoren auf, um das zumindest eine Lager in eine beziehungsweise zwei Richtungen, insbesondere in Fahrzeuglängserstreckung und quer dazu, zu verschieben, um dadurch die Rotationsachse entsprechend zu verschwenken. Vorzugsweise handelt es sich bei dem mindestens einen Aktor um einen elektrischen, elektromagnetischen oder hydraulischen Aktor. Vorzugsweise weist die Aktoreinrichtung einen in seiner Wirkrichtung veränderbaren Aktor auf. Vorzugsweise ist die Verschieberichtung beziehungsweise Betätigungsrichtung des Aktors frei einstellbar, um ein Verschwenken der Rotationsachse in eine dem aktuellen Anwendungsfall angepasste Richtung zu ermöglichen.
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Gemäß einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass die Rotationsachse um einen Schwenkpunkt verschwenkbar ist, der beabstandet zu dem Schwenkpunkt des Schwungrades, insbesondere beabstandet zu dem Schwungrad liegt. Besonders bevorzugt ist der Schwenkpunkt einem Ende der das Schwungrad tragenden Welle zugeordnet, um ein größtmögliches Verschwenken des Schwungrads zu ermöglichen. Durch das Verschwenken des Schwerpunktes des Schwungrades werden besonders hohe Kräfte erzeugt, die zum Erhöhen der Radaufstandskraft genutzt werden können. Prinzipiell ist jedoch auch ein Verschwenken des Schwungrades um seinen Schwerpunkt herum denkbar, da auch hier bereits entsprechende Kräfte sich auf das Fahrzeug auswirken werden.
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Das erfindungsgemäße Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 8 führt zu den oben bereits genannten Vorteilen. Es zeichnet sich dadurch aus, dass zur Erhöhung einer Radaufstandskraft von zumindest einem der Räder die Rotationsachse der Lagereinrichtung beziehungsweise des Schwungrades des Schwungradspeichers verschwenkt wird. Weitere Merkmale und Vorteile ergeben sich aus dem oben bereits beschriebenen.
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Besonders bevorzugt wird die Rotationsachse in Fahrzeuglängserstreckung und/oder quer dazu verschwenkt. Insbesondere um zu vermeiden, dass die oben bereits beschriebene Präzessionsbewegung zu einer Kraft führt, die die Räder auf einer Seite des Fahrzeugs höher belasten würde als die auf der anderen Seite des Fahrzeugs, ist ein Verschwenken der Rotationsachse auch quer zur Fahrzeuglängsrichtung vorgesehen. Dabei wird der Schwenkwinkel in Fahrzeuglängsrichtung und/oder quer dazu in Abhängigkeit von der Rotationsgeschwindigkeit und/oder der rotierenden Masse des Schwungrades bestimmt beziehungsweise vorgegeben. Insbesondere wird der Winkel zusätzlich in Abhängigkeit einer geforderten Bremswirkung eingestellt. Zum Einstellen des Schwenkwinkels werden zweckmäßigerweise ein oder mehr Aktoren einer Aktoreinrichtung vorgesehen, die die das Schwungrad tragende Welle, wie zuvor beschrieben, verschwenken.
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Vorzugsweise wird die Rotationsachse um einen Schwenkpunkt verschwenkt, der beabstandet zu dem Schwerpunkt des Schwungrades, insbesondere beabstandet zu dem Schwungrad liegt. Hierdurch werden besonders hohe Gegenkräfte erzeugt, die sich entsprechend auf das Fahrzeug und dessen Nick- oder Wankbewegung auswirken.
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Im Vorliegenden soll die Erfindung anhand der Zeichnungen näher erläutert.
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Dazu zeigen:
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1A und 1B ein Fahrzeug mit einer Vorrichtung zur Erhöhung einer Radaufstandskraft,
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2 das Fahrzeug bei aktivierter Vorrichtung, und
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3 eine Prinzipskizze einer vorteilhaften Weiterbildung der Vorrichtung.
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1 zeigt ein Fahrzeug 1, das in 1A in einer vereinfachten Seitenansicht und in 1B in einer vereinfachten Draufsicht dargestellt ist. Das Fahrzeug 1 weist zwei Radachsen 2, 3 auf, wobei die Radachse 2 die Frontachse und die Radachse 3 die Hinterachse des Fahrzeugs 1 darstellt. Jede der Radachsen 2, 3 ist mit zwei Rädern 4 und 5 beziehungsweise 6 und 7 versehen, wobei die Räder 4, 5 und 6, 7 spiegelsymmetrisch beabstandet zu einer Fahrzeuglängsachse 8 des Fahrzeugs 1 angeordnet sind. Zur Ausbildung als Kraftfahrzeug weist das Fahrzeug 1 eine hier nicht näher dargestellte Antriebsvorrichtung auf, welche zum Antreiben der Räder 4, 5 der Radachse 2 und/oder der Räder 6, 7 der Radachse 3 ausgebildet ist. Weiterhin weist das Fahrzeug 1 eine Bremsvorrichtung 9 auf, die zumindest zum Bremsen der Räder 4 und 5 der Radachse 2 ausgebildet ist. Bei der Bremsvorrichtung 9 kann es sich beispielsweise um den Rädern 4, 5 jeweils zugeordnete Scheibenbremsen handeln. Natürlich sind aber auch andere Arten von Bremsvorrichtungen denkbar. Vorzugsweise sind auch den Rädern 6, 7 der Radachse 3 entsprechende Bremseinrichtungen der Bremsvorrichtung 9 zugeordnet.
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Weiterhin weist das Fahrzeug 1 einen Schwungradenergiespeicher 10 auf. Der Schwungradenergiespeicher 10 weist ein Schwungrad 11 auf, das auf einer drehbar gelagerten Welle 12 angeordnet ist. Seine Rotationsachse 13 ist mittig im Fahrzeug 1, insbesondere im Schwerpunkt des Fahrzeugs 1 angeordnet und vertikal ausgerichtet, sodass sie zumindest im Wesentlichen senkrecht zur hier nicht dargestellten Fahrbahnoberfläche ausgerichtet ist. Die Welle 12 ist hierzu in einem Gehäuse 14 des Schwungradenergiespeichers 10 drehbar gelagert. Dabei sind Lager 15, 16 vorgesehen, die vorzugsweise als Wälzlager ausgebildet sind, und die beidseitig des Schwungrads 11 die Welle 12 tragen beziehungsweise lagern. Durch eine Antriebseinheit, vorzugsweise durch eine elektrische Maschine, wird das Schwungrad 11 auf eine hohe Rotationsgeschwindigkeit, insbesondere zwischen 28.000 und 36.000 U/min beschleunigt, wie durch Pfeile in 1B angedeutet. Das Gehäuse 14 und die Lager 15, 16 bilden zusammen eine Lagereinrichtung für das Schwungrad 11. Zweckmäßigerweise ist das Schwungrad 11, insbesondere über die Welle 12, mechanisch mit der Antriebsvorrichtung des Fahrzeugs 1 wirkverbunden.
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Dem Lager 15 ist eine Aktoreinrichtung 17 zugeordnet, die einen ersten Aktor 18 umfasst. Der Aktor 18 ist mit dem Lager 15 verbunden und ausgebildet, um die Position des Lagers 15 zu verändern. Im Bereich des Lagers 15 ist die Welle 12 somit verschiebbar gelagert. An ihrem dem Lager 15 gegenüberliegenden Ende ist die Welle 12 derart mit dem Gehäuse 14 verbunden, dass sie einen Schwenkpunkt 19 bildet, um welchen die Welle 12 und damit die Rotationsachse 13 und das Schwungrad 11 verschwenkbar sind. Vorzugsweise wird der Schwenkpunkt 19 von einem Schwenklager gebildet. Um ein Verschwenken der Welle 12 zuzulassen, ist zweckmäßigerweise auch das Lager 16 verschwenkbar beziehungsweise in seiner Position veränderbar in dem Gehäuse 14 angeordnet. Die Aktoreinrichtung 17 und die verlagerbaren Lager 15, 16 bilden somit Mittel zum Verschwenken der Rotationsachse 13.
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Der Aktor 18 ist dazu ausgebildet, das Lager 15 entlang einer Geraden, insbesondere entlang der Fahrzeuglängsachse 8 in seiner Position zu verändern. 1A zeigt den Ausgangszustand, in welchem die Rotationsachse 13 im Wesentlichen senkrecht zur Fahrbahnoberfläche ausgerichtet ist. Wird der Aktor 18 der Aktoreinrichtung 17 entsprechend angesteuert, schwenkt die Rotationsachse 13 um den Schwenkpunkt 19, sodass das Schwungrad 11 aus seiner ursprünglichen Position heraus in eine neue Position verlagert wird. Der derart ausgebildete Schwungradenergiespeicher 10 bildet dadurch eine Vorrichtung 20 zur Erhöhung einer Radaufstandskraft des Fahrzeugs 1. Dies soll anhand des folgenden Ausführungsbeispiels und der 1 und 2 näher erläutert werden:
Als Ausgangszustand wird angenommen, dass sich das Fahrzeug 1 entlang der Fahrzeuglängsachse 8 in Vorwärtsfahrt, wie durch einen Pfeil 21 angedeutet, befindet. Wird durch den Fahrer ein Bremsvorgang eingeleitet, beispielsweise durch Betätigen eines entsprechenden Bremspedals, wird die Bremsvorrichtung 9 aktiviert und zusätzlich die Aktoreinrichtung 17 derart angesteuert, dass der Aktor 18 das Lager 15 entgegen der Fahrtrichtung, also nach hinten verlagert, wodurch die Rotationsachse 13 und damit das Schwungrad 11 um den Schwenkpunkt 19 herum um einen bestimmten Winkel α verschwenkt wird.
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Der Schwungradenergiespeicher 10 gelangt somit in den in 2 dargestellten Zustand. 2 zeigt hierzu das in 1A dargestellte Fahrzeug 1 mit dem Unterschied, dass die Rotationsachse 13 um den Winkel α verschwenkt ist. Der Aktor 18 weist beispielsweise einen Teleskoparm auf, der mit dem Lager 15 verbunden ist, um dieses linear in Richtung der Fahrzeuglängsachse 8 zu bewegen. Aufgrund seines Trägheitsmoments versucht das Schwungrad im Sinne eines Kreisels die Position seiner Rotationsachse 13 im Raum beizubehalten. Durch das Verschwenken der Rotationsachse 13 um den Winkel α reagiert das Schwungrad 11 daher mit einer Widerstandskraft gegen diese Veränderung. Die Widerstandskraft wirkt dabei im Wesentlichen der Verschwenkrichtung entgegengesetzt. Durch das Verschwenken der Rotationsachse 13, wie zuvor beschrieben, wenn also der obere Teil der Schwungradaufhängung beziehungsweise der Lagereinrichtung um den Winkel α nach hinten gedrückt wird, bewirkt das Schwungrad 11 eine Widerstandskraft, die in die entgegengesetzte Richtung, also nach vorne wirkt, was zu einer Nickbewegung des Fahrzeugs nach vorne führt. Das Fahrzeug 1 stößt sich sozusagen von dem Schwungrad 11 ab. Dadurch wird eine zusätzlich wirkende Normalkraft erzeugt, die auf die Vorderräder beziehungsweise die Räder 5, 4 der Radachse 2 wirkt, wie durch einen Pfeil 22 angedeutet. Die Fahrzeugfederung wirkt der Nickbewegung vorzugsweise mit einer Federkraft entgegen und entsprechend dem gleichen Maße wird die Normalkraft beziehungsweise Radaufstandskraft erhöht. Durch die so erhöhte Radaufstandskraft der Räder 4, 5, die zusammen mit dem Reibungskoeffizienten zwischen den Rädern und der Fahrbahnoberfläche für die Bremswirkung des Fahrzeugs verantwortlich ist, wird die Bremswirkung der Bremsvorrichtung erhöht. Dadurch kann ein Bremsweg verkürzt oder eine Kollisionsgeschwindigkeit vermindert werden, falls das Fahrzeug vor einer Kollision nicht mehr bis zum Stillstand abgebremst werden kann. Da die Fahrzeuggeschwindigkeit quadratisch in die Energiebilanz eingeht, ist die Verminderung der Kollisionsgeschwindigkeit ein sehr wirksamer Parameter, um die Kollisionsschwere zu vermindern und damit die Verletzungsgefahr für Insassen des Fahrzeugs zu verringern.
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Aufgrund der Erhaltung des Drehimpulses führt die Einwirkung einer Kraft auf das Schwungrad 11 zu einer sogenannten Präzessionsbewegung, die von der Richtung, in welcher das Schwungrad verschwenkt wurde, abweicht. Ist der Freiheitsgrad des Schwungrads 11 in diese Richtung eingeschränkt, wird eine Kraft erzeugt, die in diese Richtung wirkt. Eine derartige Situation ist dann gegeben, wenn eine Bewegung der Rotationsachse 13 des Schwungrads 11 nur in der Richtung erlaubt wird, in die der Aktor 18 wirkt. Die Präzessionskraft wirkt im Wesentlichen senkrecht zu der Verschwenkrichtung. Die auf das Fahrzeug 1 resultierende Kraft ist die Vektorsumme aus der Präzessionskraft und der Widerstandskraft, wie in 3 schematisch dargestellt.
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3 zeigt eine Draufsicht auf die Vorrichtung 20. Dabei sind die Präzessionskraft mit einem Pfeil 23, die durch den Aktor 18 auf das Schwungrad 11 aufgebrachte Kraft mit einem Pfeil 24 und die aus dieser Präzessionskraft und der Widerstandskraft resultierende Kraft mit einem Pfeil 25 gekennzeichnet beziehungsweise dargestellt.
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Um also zu erreichen, dass die resultierende Kraft genau in Längsrichtung des Fahrzeuges wirkt, um die Räder 4, 5 der Radachse 2 gleichmäßig zu belasten, wird die Richtung, in welche der Aktor 18 wirkt, entsprechend um einen Winkel β ausgelenkt. Ist die Drehzahl des Schwungrads 11 variabel, so ändert sich auch entsprechend das Trägheitsmoment des Schwungrads 11 und somit auch der Betrag der Präzessionskraft. Aus diesem Grund wird der Winkel β des Aktuators 18 der momentanen Drehzahl des Schwungrades 11 angepasst. Zweckmäßigerweise wird bei der Bestimmung des Winkels β zusätzlich die Größe des Winkels α berücksichtigt, da die Präzessionskraft auch davon abhängig ist, wie weit die Rotationsachse 13 aus ihrer ursprünglichen Ruhelage ausgelenkt wurde.
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Der Aktuator 18 ist vorzugsweise hydraulisch arbeitend ausgebildet. Alternativ kann er aber auch elektromotorisch oder magnetisch arbeitend ausgebildet sein. Dabei kann sich der Aktuator 18 innerhalb des Gehäuses 14 befinden, wie es in den Figuren dargestellt ist. Alternativ kann er aber auch außerhalb des Gehäuses 14 angeordnet sein und das Gehäuse 14 als Ganzes in der beschriebenen Weise beeinflussen. Hierzu ist das Gehäuse zweckmäßigerweise um den Verschwenkpunkt 19 verschwenkbar angeordnet und die Lager 15, 16 sind ortsfest in dem Gehäuse angeordnet, sodass das Schwungrad 11 eine feste Lageposition bezüglich des Gehäuses 14 aufweist. Wenn das Gehäuse 14 verschwenkt wird, wird auch das Schwungrad 11 verschwenkt, wodurch sich die entsprechenden Kräfte, wie zuvor beschrieben, ergeben.
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Ist der Bremsvorgang abgeschlossen, kann das Schwungrad 11 wieder langsam in seine Ausgangsposition zurückgestellt beziehungsweise geschwenkt werden. Durch die langsame Bewegung, die vorzugsweise im Stillstand des Fahrzeugs erfolgt, ist mit keiner negativen Auswirkung auf die Fahrdynamik zu rechnen.
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Die Vorrichtung 20 sowie das dazu beschriebene Verfahren lassen sich auch zu anderen Zwecken als zur Erhöhung der Bremswirkung verwenden. Insbesondere ist vorgesehen, die Vorrichtung 20 auch zum Erhöhen der Radaufstandskraft beziehungsweise Normalkraft beim Beschleunigen des Fahrzeugs zu nutzen. Hierbei wird lediglich der Winkel β derart eingestellt, dass die Normalkraft an den durch die Antriebsvorrichtung angetriebenen beziehungsweise antreibenden Rädern erhöht wird. Ebenso kann die Vorrichtung 20 dazu verwendet beziehungsweise angesteuert werden, ein Drehmoment auf das Fahrzeug 1 auszuüben. Dazu wird durch eine Variation des Winkels β der resultierende Kraftvektor beziehungsweise die resultierende Kraft so eingestellt/ausgerichtet, dass ein Moment in die gewünschte Richtung erzeugt wird.
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Der Schwungradenergiespeicher 10 wird ansonsten vorzugsweise wie üblich zur Speicherung und Abgabe von (kinetischer) Energie genutzt, um beispielsweise die Antriebsvorrichtung mit einem zusätzlichen Drehmoment zu beaufschlagen, oder um bei einem Rekuperations-Bremsvorgang Energie aufzunehmen und zu speichern.