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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft Verfahren und Vorrichtungen zur Herstellung architektonischer Strukturen durch Aggregation konkaver Gebilde. Die konkaven Gebilde verhaken sich ineinander und bauen so Strukturen, z.B. Wände oder Gewölbe, auf. Mit diesem Verfahren lassen sich Wände, Bögen oder Kuppelgewölbe herstellen, die nach der Nutzung vollständig wiederverwendbar sind. Die Erfindung betrifft weiterhin konkave Gebilde und Verfahren zu deren Herstellung.
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Stand der Technik
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In der Architektur- und Baubranche werden zunehmend 3D-Druckverfahren auf dem Gebäudemaßstab untersucht und eingesetzt. Gegenwärtige Verfahren nutzen 3D Drucker oder 3D Laser-Sinterer, die das Material schichtweise auftragen und abbinden bzw. aufschmelzen. Die bekannten Lösungen sind zeitaufwendig, da Schicht um Schicht abgebunden bzw. geschmolzen werden muss. Sie sind darüber hinaus irreversibel, da das Material abgebunden bzw. verschmolzen wird. Es kann daher auch nicht unverändert rückgewonnen und wiederverwendet werden.
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Es wurde nun gefunden, dass sich architektonische Strukturen aus Aggregaten konkaver Gebilde erstellen lassen. Die erzeugten Strukturen sind selbstverfestigend, da sich die konkaven Gebilde sofort ineinander verhaken und so gegenseitig fixieren.
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Kurzbeschreibung der Erfindung
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ein Verfahren zur Herstellung architektonischer Strukturen durch Aggregation konkaver Gebilde. Dabei werden konkave Gebilde unter Verwendung mechanischer Fördereinrichtungen aggregiert, wobei sich die konkaven Gebilde untereinander verhaken und dadurch die entstehenden Strukturen verfestigen. Durch Einwirkung von Druck oder Vibration können die Strukturen nachverfestigt werden. Die entstehende Struktur ist reversibel, d.h. sie kann vollständig wieder in ihre Bestandteile zerlegt werden, die dann zur Erzeugung neuer Strukturen wiederverwendet werden können. Gegenstand der Erfindung sind auch Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens, für den Einsatz in dem Verfahren geeignete konkave Gebilde sowie Verfahren zu deren Herstellung.
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Kurzbeschreibung der Figuren
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1 zeigt ein Beispiel eines sternförmigen konkaven Gebildes, das aus zwei Teilelementen (1) zusammengesetzt ist;
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2 zeigt ein Beispiel eines rautenförmigen konkaven Gebildes, das aus zwei Teilelementen (2) zusammengesetzt ist;
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3 zeigt ein Schnittmuster zur Herstellung der Teilelemente (1 und 2) der in 1 und 2 dargestellten konkaven Gebilde aus einer Platte aus geeignetem Material, mit Materialkante (3) und Fabrikationsrand (4);
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4 zeigt ein Beispiel einer Schüttvorrichtung für konkave Gebilde mit einer Laufschiene (5) und einem Befestigungsflansch (6) zur Verbindung mit einer digital gesteuerten Antriebseinheit;
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5 zeigt eine erfindungsgemäße Vorrichtung bei der Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens;
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6 zeigt eine Detailaufnahme einer mit dem erfindungsgemäßen Verfahren erzeugten architektonischen Struktur.
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Ausführliche Beschreibung der Erfindung
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Im erfindungsgemäßen Verfahren werden architektonische Strukturen durch Aggregation konkaver Gebilde hergestellt. Konkave Gebilde im Sinne der Erfindung sind solche, die Strukturen aufweisen, die sie befähigen, sich mit anderen oder gleichartigen Gebilden zu verhaken. Beispiele solcher Strukturen sind Vorsprünge, Spitzen bzw. Stacheln, Einbuchtungen, Löcher oder Haken. Die Gebilde können flächig oder dreidimensional sein. In einer Ausführungsform weisen die Gebilde mindestens sechs Spitzen in mindestens zwei Raumebenen auf, in einer anderen Ausführungsform mindestens acht Spitzen in mindestens zwei Raumebenen. In einer Ausführungsform beträgt der Winkel zwischen zwei benachbarten Spitzen eines Gebildes 30 bis 90 Grad. In einer Ausführungsform weisen die Gebilde einen Durchmesser von 5 bis 2000 mm auf.
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Die Gebilde können aus verschiedenen Materialen bestehen. Beispiele sind Holz, Kunststoff, Metall, Beton, Glas oder Stein. Die Gebilde können aus einem Stück bestehen oder aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt, beispielsweise aus zwei oder mehr Elementen zusammengesteckt sein. In einer Ausführungsform sind die Einzelteile flächige Gebilde, die aus Plattenmaterial hergestellt werden, beispielsweise durch Sägen, Stanzen, oder Schneiden. Grundkörper für die Einzelteile können beispielsweise Kreuze, Sterne oder Rauten sein. In einer Ausführungsform des Verfahrens werden Gebilde eingesetzt, die durch Spritzguss aus Kunststoff hergestellt wurden. In einer Ausführungsform wird die Oberfläche der konkaven Gebilde aufgeraut, um die Haftung der Gebilde untereinander zu verbessern.
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1 und 2 zeigen Beispiele von aus zwei orthogonal zusammengefügten Teilelementen bestehenden Gebilden. Die entsprechenden Teilelemente (1) (vierzackiger Stern) und (2) (Raute) sind in 3 abgebildet. Die Teilelemente können aus Plattenmaterial hergestellt werden. 3 zeigt ein Schnittmuster, mit dem aus einer Platte bei fast vollständiger Materialausnutzung Teilelemente unterschiedlicher Art ((1) und (2)) hergestellt werden können, die sich mit nur jeweils einem Fügevorgang über eine Einkerbung in der Mitte der Teilelemente zu konkaven Gebilden für das erfindungsgemäße Verfahren zusammenfügen lassen. In einer weiteren Ausführungsform weisen die Teilelemente (2) Löcher innerhalb der Rautenfläche auf. Dadurch wird eine weitere Interaktionsmöglichkeit mit anderen konkaven Gebilden geschaffen.
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Aus den Gebilden werden durch Aggregation architektonische Strukturen erzeugt. Die Gesamtanzahl der Gebilde in der Struktur ist natürlich von der Größe der Gebilde und der Größe der herzustellenden Struktur abhängig. In der Regel wird eine Struktur zwischen 250 und mehreren zehntausend Gebilden umfassen. Hierzu werden die Gebilde unter Verwendung mechanischer Fördereinrichtungen aggregiert. Beispielsweise können die Gebilde direkt aus einem Vorratsbehälter geschüttet oder mit Greifern (mechanisch oder mit Unterdruck arbeitend), Schaufeln oder Förderbändern transportiert und an der gewünschten Stelle abgeladen werden. Beispielsweise können die Gebilde aggregiert werden, indem sie aus geringer Höhe (beispielsweise dem ein- bis zehnfachen des Durchmessers der Gebilde) auf einen Untergrund (wobei der Begriff Untergrund auch die Oberfläche der wachsenden architektonischen Struktur umfasst) geschüttet werden. Wichtig ist dabei, dass die mechanischen Fördereinrichtungen einen gleichmäßigen Strom der konkaven Gebilde erzeugen.
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In einer Ausführungsform wird ein Magazin eingesetzt, wie es in 4 abgebildet ist. Es umfasst ein längliches Profil mit einer Laufschiene (5), in die die konkaven Gebilde eingefüllt werden. Über den Befestigungsflansch (6) wird das Magazin mit einer digital gesteuerten Antriebseinheit verbunden, die in der Lage ist, das Magazin in x-, y-, und z-Richtung zu bewegen und um die x-Achse zu kippen, so dass die Gebilde aus der Laufschiene (5) rutschen. Durch Bewegung des Magazins in x- und y-Richtung können die Grund- bzw. Höhenlinien des Bauplans abgefahren und durch Nachführen in z-Richtung kann der Abstand des Magazins von der entstehenden Struktur eingestellt werden. Dabei werden durch die heraus fließenden Gebilde die gewünschten Strukturen aufgebaut.
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In einer anderen Ausführungsform wird ein Förderband mit einer offenen Netzstruktur zum Transport der Gebilde zum Abladepunkt eingesetzt. Die konkaven Gebilde verhaken sich in der Netzstruktur und werden in gleichmäßigem Strom zum Abladepunkt transportiert. Das Förderband steht in Verbindung mit einem Vorratsbehälter für die konkaven Gebilde. In einer Ausführungsform sind Vorratsbehälter und Förderband mit einer digital gesteuerten Antriebseinheit verbunden, die den Abladepunkt des Förderbands, über das ein gleichmäßiger Strom der konkaven Gebilde aus dem Vorratsbehälter transportiert wird, entlang vorab programmierter Pfade bewegt.
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In einer weiteren Ausführungsform ist an einer digital gesteuerten Antriebseinheit eine Schaufel angebracht, die konkave Gebilde aus einem Vorratsbehälter fördert und entsprechend einer vorab programmierten Schüttkurve ausgießt.
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Der Schütt- bzw. Abladevorgang wird digital gesteuert, beispielsweise durch einen Computer. Die digitale Steuerung erlaubt es, den Abladepunkt gemäß einer programmierten Vorgabe über die Zeit zu variieren, so dass er beispielsweise automatisch die Grund- und Höhenlinien eines einprogrammierten Bauplans abfährt und so die gewünschte architektonische Struktur erzeugt. In einer Ausführungsform ist die Steuerung mit einem 3D-Scanner gekoppelt, der die durch den Schütt- bzw. Abladevorgang erzeugte Struktur ausmisst. Anhand der Messdaten kann die erzeugte Struktur mit dem Bauplan verglichen werden, der als digitalisiertes 2D- oder 3D-Modell in der Steuerung der Schüttvorrichtung hinterlegt ist, und auf Abweichungen kann durch Änderung der Schüttparameter, beispielsweise der Schüttgeschwindigkeit, der Vorschubgeschwindigkeit oder der Position der Abladevorrichtung reagiert werden. In einer Ausführungsform ist der 3D-Scanner auf der Schütt- bzw. Abladevorrichtung angebracht, so dass er den jeweiligen Abladepunkt erfassen und während des Schütt- bzw. Abladevorgangs die entstehende Struktur scannen kann.
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Die Positionierung des Abladepunkts erfolgt über eine digital gesteuerte Antriebseinheit, die eine Bewegung entlang mindestens zweier Raumachsen, bevorzugt aller drei Raumachsen durchführen kann. In einer Ausführungsform kann die Antriebseinheit zusätzlich Drehungen um mindestens eine Raumachse durchführen. In einer Ausführungsform des Verfahrens erfolgt die Positionierung des Abladepunkts unter Einsatz eines mehrachsigen (beispielsweise drei- oder sechsachsigen) Industrieroboters. Die Steuerung des Industrieroboters durch einen Computer erlaubt die vollautomatische Erzeugung der architektonischen Strukturen gemäß einem einprogrammierten Bauplan. Hierbei variiert der Industrieroboter programmgesteuert den Abladepunkt der Gebilde entlang der Höhenlinien des Bauplans der architektonischen Struktur.
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In einer Ausführungsform des Verfahrens werden die Gebilde ohne Schalung geschüttet bzw. abgeladen. In einer anderen Ausführungsform werden Schalungen verwendet. Beispielsweise können die Gebilde zwischen Schaltafeln gegossen werden. Ein anderes Beispiel ist die Verwendung pneumatischer Schalungen. So können z.B. Gewölbe aufgebaut werden, indem die Gebilde auf eine Schalung in Form eines gas- oder flüssigkeitsgefüllten Ballons oder einer Kuppel gegossen werden. Nach Aufbau und Verfestigung der Struktur wird die Schalung entleert und entfernt. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von Schalungen aus lose abfließenden Granulaten. Hierbei wird eine Form, z.B. ein Schüttkegel, aus lose abfließenden (nicht konkaven) Granulaten, beispielsweise Sand, erzeugt, auf bzw. über welche die erfindungsgemäßen konkaven Gebilde geschüttet werden. Nach Aufbau und Verfestigung des gewünschten Struktur lässt man die nicht konkaven Granulate abfließen oder saugt sie ab. Die beiden letztgenannten Verfahren eignen sich insbesondere zum Aufbau von Bögen oder Gewölben bzw. Kuppeln. Kuppeln können jedoch auch ohne Schalung aufgebaut werden, indem man die konkaven Gebilde in enger werdenden konzentrischen Kreisen schüttet, wobei eine hohe Vorschubgeschwindigkeit des Abladepunkts der Schüttvorrichtung zum Einsatz kommt.
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Beim Schütten bzw. Abladen verhaken sich die Gebilde ineinander und bauen so Strukturen auf, z.B. Wände, Bögen oder Gewölbe. Die Agglomeration der Gebilde lässt sich beispielsweise durch Schütten der Gebilde aus geringer Höhe erreichen; die Verfestigung der entstehenden Strukturen kann durch von Aufbringen von Druck oder Einwirkung von Vibrationen verstärkt werden.
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In einer Ausführungsform des Verfahrens werden die konkaven Gebilde über ein Förderband transportiert, dessen Endpunkt mittels eines sechsachsigen Industrieroboters positioniert wird. Es wird so eine Schüttung der konkaven Gebilde hergestellt, die sich ineinander verhaken und so Strukturen aufbauen.
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Durch den Einsatz eines Industrieroboters wird ein erheblich schnellerer Aufbau der Strukturen und eine hohe Präzision bzw. Wiederholgenauigkeit beim Aufbau der Strukturen erreicht. Zudem können Strukturen erzeugt werden, die mit manuellen Verfahren nicht oder nur schwierig abzubilden sind.
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In einer Ausführungsform des Verfahrens kommt mehr als eine Sorte konkaver Gebilde zum Einsatz. Beispielsweise können zwei oder mehr Sorten von Gebilden eingesetzt werden, die aus unterschiedlichem Material bestehen und/oder unterschiedliche geometrische Formen aufweisen. Die unterschiedlichen Gebilde können gleichzeitig oder nacheinander im Verfahren eingesetzt werden Die ermöglicht die Erzeugung von Strukturen aus makro-gradiertem Material. Beispiele sind Strukturen, in denen die Granulate in verschiedenen Zonen unterschiedlich dicht gepackt sind, oder Strukturen, die Zonen unterschiedlicher Steifigkeit oder Festigkeit aufweisen, oder Strukturen mit Zonen unterschiedlicher Wärme- oder Schallisolierung.
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Die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellten Strukturen sind reversibel, d.h. sie können vollständig wieder in ihre Bestandteile zerlegt werden, die dann zur Erzeugung neuer Strukturen wiederverwendet werden können. In einer Ausführungsform erfolgt das Zerlegen der Strukturen in ihre Bestandteile durch mechanische Einwirkung, z.B. durch Kräne oder Greifer, oder durch Druckluft oder Unterdruck. In einer anderen Ausführungsform des Verfahrens erfolgt das Zerlegen der Strukturen durch Einwirkung von Vibrationen, z.B. Schall, die Teile der Struktur oder die vollständige Struktur zu Resonanzschwingungen anregen und dadurch den Zusammenbruch der Struktur herbeiführen.
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Beispiele für architektonische Strukturen, die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren hergestellt werden können, sind Wände, Bögen oder Kuppelgewölbe, die nach der Nutzung durch Zerlegen in ihre Bestandteile vollständig wiederverwendbar sind.
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In einer Ausführungsform werden die entstehenden Strukturen mit einer Beschichtung und/oder einem Adhäsionsmittel versehen, beispielsweise um sie gegenüber Witterungseinflüssen zu schützen oder ihnen zusätzliche mechanische Stabilität zu verleihen. In einer Ausführungsform des Verfahrens ist die Beschichtung bzw. das Adhäsionsmittel reversibel, d.h. sie bzw. es kann vollständig wieder aus der Struktur entfernt werden. Ein Beispiel eines reversiblen Beschichtungs- und/oder eines Adhäsionsmittels ist Wachs.
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Im Folgenden soll die Erfindung anhand eines Beispiels weiter erläutert werden.
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Beispiel
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Herstellung eines Wandelements aus konkaven Gebilden
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Eine Schüttvorrichtung gemäß 4 wurde mittels des Befestigungsflansches (6) am Arm eines computergesteuerten sechsachsigen Industrieroboters befestigt. Die Abmessungen des länglichen Profils waren 1200 mm × 150mm × 60 mm, die Schlitzbreite der Laufschiene (5) betrug 20 mm. Die Schüttvorrichtung wurde automatisch aus einem Magazinschrank mit ca. 40 konkaven Gebilden, wie sie in 1 dargestellt sind (Durchmesser ca. 10 cm), befüllt. Der Industrieroboter wurde so programmiert, dass er die Schüttvorrichtung um ca. 0,5 m in der z-Richtung kippte und anschließend mit 75% Vorschub ca. 3 m entlang der y-Achse bewegte. Die Bewegung wurde anschließend um ca. 0,1 m entlang der x-Achse versetzt wiederholt. Man ließ den Roboter dieses Bewegungsmuster mehrfach wiederholen, um in z-Richtung mehrere Schichten der konkaven Gebilde abzulagern. Zwischen den einzelnen Schüttvorgängen wurde die Schüttvorrichtung jeweils aus dem Magazinschrank wieder nachgefüllt.
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5 zeigt eine Momentaufnahme des Schüttvorgangs. Das Wandelement umfasst bereits mehrere Schichten der konkaven Gebilde und es ist gut zu erkennen, wie die konkaven Gebilde aus der Schüttvorrichtung fließen und das Wandelement weiter wachsen lassen. 6 zeigt einen Ausschnitt des hergestellten Wandelements in der Aufsicht. Man erkennt gut, wie sich die konkaven Gebilde ineinander verhakt haben und so eine stabile Struktur bilden. Es lassen sich auch die beiden Schichten des Wandelements erkennen, die aus den in x-Richtung versetzten Bewegungen der Schüttvorrichtung resultieren.