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Die Erfindung betrifft einen rostfreien, ferritischen Stahl, ein Hochtemperaturbauteil aus diesem Werkstoff sowie ein Verfahren zur Herstellung eines Hochtemperaturbauteils.
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Hochtemperaturbauteile werden zumeist aus rostfreien, ferritischen Edelstählen, unter anderem auf der Basis von Stahlsorten mit den Bezeichnungen DIN EN 1.4509 oder 1.4521, hergestellt. Als Hochtemperaturbauteile im Sinne der Erfindung sind insbesondere Abgas führende Bauteile zu verstehen, insbesondere Abgaskrümmer und Auflademaschinen, wie z. B. Turbolader oder Druckwellenlader.
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Abgaskrümmer werden in einem Temperaturbereich zwischen 250° und 850°C (mit einer Variationsbreite von +/–100°C) betrieben. Turbolader unterliegen noch höheren Temperaturbelastungen. Sie werden teilweise bei maximalen Temperaturen von 1.100°C +/–50°C betrieben.
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Die genannten Werkstoffe weisen bei typischen Abgastemperaturen zwischen 250°C und 850°C hinreichend große Kriechfestigkeiten auf, wodurch sie für den Einsatz bei derart hohen Temperaturen geeignet sind. Die Warmzugfestigkeit bei einer Temperatur zwischen 800°C und 900°C liegt bei der Stahlsorte mit der Bezeichnung 1.4509 in einer Größenordnung von 60 MPa bei 800°C bis 23 MPa bei 900°C.
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Im KFZ Bereich besteht das grundsätzliche Bedürfnis, Bauteile so leicht wie möglich zu konstruieren, um das Gesamtgewicht des Fahrzeugs niedrig zu halten. Ziel ist es, den Kraftstoffverbrauch durch ein geringes Fahrzeuggewicht zu reduzieren. Ein weiteres Ziel ist es, die Luftverschmutzung durch den Betrieb von Verbrennungsmotoren so weit wie möglich zu verhindern. Es ist bekannt, dass der Wirkungsgrad eines Abgaskonverters mit der Abgastemperatur steigt. Daher ist ein schneller Temperaturanstieg wünschenswert. Das kann durch dünnwandige Werkstoffe erreicht werden, um die Wärmekapazität des Abgassystems so gering wie möglich zu halten. Aufgrund der geringeren Wärmekapazität strömt das Abgas mit höherer Temperatur in den Abgaskonverter, welcher schneller aufgeheizt wird und dadurch bessere Reinigungsergebnisse erzielt. Andererseits bedingen höhere Gastemperaturen verbesserte thermomechanische Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe.
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Es ist bekannt, dass die Komponenten eines Abgasstrangs mit der Zeit thermisch ermüden. Das ist auf das vielfache Erhitzen und Abkühlen zurückzuführen. Diese thermischen Wechselbelastungen können bei ungeeigneten Werkstoffen zu einem vorzeitigen Bruch führen, bedingt durch Spannungskonzentrationen aufgrund thermischer Ausdehnungen. Folglich sollten die eingesetzten Werkstoffe einen möglichst geringen thermischen Ausdehnungskoeffizienten und gleichzeitig eine hinreichend große Temperaturfestigkeit besitzen. Obwohl die Temperaturfestigkeit ferritischer Stähle niedriger ist als diejenige der austenitischen Stähle, werden sie für die Anwendungsfälle von Hochtemperaturbauteilen aufgrund ihrer geringeren thermischen Ausdehnung dennoch verwendet. Es ist daher wünschenswert, die Temperaturfestigkeit rostfreier, ferritischer Stähle mit ihrem hohem Widerstand gegen thermische Ermüdung zu kombinieren.
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Der Erfindung liegt mithin die Aufgabe zu Grunde, einen rostfreien ferritischen Stahl aufzuzeigen, der eine hohe Temperaturfestigkeit besitzt, sowie ein Hochtemperaturbauteil aus einem solchen Werkstoff aufzuzeigen. Darüber hinaus soll ein Verfahren zur Herstellung eines Hochtemperaturbauteils aus diesem Werkstoff aufgezeigt werden, wobei sich das Hochtemperaturbauteil durch hohe Temperaturfestigkeit auszeichnet.
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Diese Aufgabe ist durch einen rostfreien, ferritischen Stahl mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 gelöst, der entsprechend dem beanspruchten Verfahren verwendet wird und insbesondere zur Herstellung von Hochtemperaturbauteilen zum Einsatz kommt.
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Unter verbesserten thermomechanischen Eigenschaften sind solche zu verstehen, die der Stahlsorte 1.4509 überlegen sind.
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Der erfindungsgemäße rostfreie ferritische Stahl besitzt folgende Legierungskomponenten (in Massenprozent):
Kohlenstoff (C) | 0,003–0,05 |
Silizium (Si) | 0,08–0,9 |
Chrom (Cr) | 14,0–17,9 |
Aluminium (Al) | max. 0,02 |
Nickel (Ni) | max. 2,0 |
Bor (B) | 0,0008–0,005 |
Titan (Ti) | 0,01–0,06 |
Niob (Nb) | 0,40–0,90 |
Stickstoff (N) | 0,006–0,026 |
Molybdän (Mo) | 0,02–2,0 |
Wolfram (W) | 0,1–2,0 |
Vanadium (V) | max. 0,2 |
Mangan (Mn) | 0,01–0,5 |
Cobalt (Co) | max. 0,1 |
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Rest Eisen (Fe) und erschmelzungsbedingte Verunreinigungen, wobei das Gefüge einen Korndurchmesser von 12 μm bis 80 μm besitzt.
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Diese Legierung zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass die Summe der Legierungsanteile minimal gehalten ist. Insbesondere soll die Summe aus Wolfram und Molybdän nicht mehr als 2,5 Massenprozent ausmachen, d. h.
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W + Mo < = 2,5%, aber bevorzugt mindestens 0,2 Gew.-% Höhere Gehalte von Molybdän und Wolfram sind wirtschaftlich ungünstig. Die Legierung zeichnet sich zudem durch die weiter unten erläuterte Lavesphasenbildung aus, wodurch sich optimale Hochtemperatureigenschaften ergeben, d. h. insbesondere für einen zyklischen Anwendungsbereich mit Temperaturen von 250° bis 950°C. Die Kriechzeiten (tk) liegen bei der Vorgabe einer Zugspannung von 23 MPa und einer Temperatur von 850°C mit tk ≥ 4 h deutlich über 10% höher im Vergleich zur Stahlsorte 1.4509. Die thermozyklischen Versuche zeigten eine vergleichbare Tendenz.
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Es wird angestrebt, den Gesamtgehalt an C so niedrig wie möglich zu halten und den gelösten Gehalt durch Ti (und zum Teil Nb) weiter abzusenken, um die Anfälligkeit für interkristalline Korrosion zu minimieren. Diese Werkstoffeigenschaften werden insbesondere durch ein feinförniges Gefüge mit geeigneten Korngrößen erreicht. Der Korndurchmesser liegt in einem Bereich von 12 μm und 80 μm entsprechend ASTM4 bis ASTM10 (ASTM = American Society for Testing Materials). Vorzugsweise liegt der Korndurchmesser in einem Bereich von 30 μm und 60 μm entsprechend ASTM5 bis 7. Besonders bevorzugt beträgt der Korndurchmesser 35 μm entsprechend ASTM7.
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Selbstverständlich hat die Legierungszusammensetzung einen entscheidenden Einfluss auf die gewünschten Hochtemperatureigenschaften. Unter gewünschten Hochtemperatureigenschaften sind solche zu verstehen, die dem Stahlwerkstoff 1.4509 überlegen sind. Insbesondere soll die Warmzugfestigkeit bei einer Temperatur von 900°C größer als 26 MPa sein. Bevorzugt bewegt sie sich in einer Größenordnung von 30 MPa bis 45 MPa.
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Insbesondere der Niob-Zusatz in Kombination mit Silizium dient zur Erzeugung von Lavesphasen. Lavesphasen sind intermetallische Verbindungen. Diese intermetallischen Verbindungen kommen durch Zusatz von Niob zustande. Die Zugabe von Silizium begünstigt die Bildung der Lavesphase. Das Zulegieren von Wolfram oder Molybdän (X-Anteil von Fe2X) dient unter anderem zur Mischkristallverfestigung. Die Superposition der beiden Effekte führt zur einer Verbesserung der Hochtemperatureigenschaft des Werkstoffs.
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Die Lavesphase hat Einfluss auf die Verbesserung der Warmzugfestigkeit. Zwar ist es aus dem Anwendungsbereich der Brennstoffzellen bekannt, ferritische, rostfreie Edelstähle zu verwenden, allerdings nur im Zusammenhang mit seltenen Erden wie z. B. Lanthan. Hierbei handelt es sich um sehr kostenintensive Legierungskomponente, deren Verwendung an wirtschaftlichen Gründen bei der Erfindung vermieden wird.
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Mit der erfindungsgemäßen Legierung, die sowohl Molybdän, Wolfram als auch Niob in Kombination mit Silizium erhält, können Lavesphasen in dem gewünschten Umfang gebildet werden, die auch bei Temperaturen über 850°C vorliegen. Der Anteil von Wolfram und Molybdän ist insbesondere insgesamt 2,5% kleiner als die Summe der Anteile von Silizium und Niob. In Kombination mit der Korngröße ASTM7 ergibt sich insgesamt eine für Hochtemperaturanwendungen angestrebte verbesserte Kriechfestigkeit.
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Bei der beanspruchten Legierungszusammensetzung haben Bor und Nickel die Funktion, die Festigkeit und Streckgrenze der Legierung zu erhöhen.
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Mangan bindet Schwefel in Form von Mangansulfiden (MnS) ab. Zudem wird die Bildung von FeS durch Mangan gehemmt, FeS trägt zu einer starken Abschwächung der Korngrenzen bei. Die Reduzierung von FeS führt somit zu der gewünschten Stärkung der Korngrenzen.
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Niob hat entscheidenden Einfluss auf die Lavesphasenbildung (Fe2Nb). Dadurch neigen rostfreie ferritische Edelstähle, die Niob enthalten, zur Lavesphasenbildung. Dabei ist der C-Gehalt entscheidend, da Nb eine hohe Affinität zu C hat. Wenn der C-Gehalt nicht niedrig genug ist, bildet sich keine Lavesphase, sondern NbC. Allerdings kann sich die Lavesphase bei höheren Temperaturen (T > 800°C) auflösen, wodurch die Warmzugfestigkeit abnehmen kann. Dies wiederum hängt von der Legierungszusammensetzung und damit von Solvustemperatur der Lavesphase ab. Die Wechselwirkung mit den nachfolgend genannten Legierungselementen führt jedoch dazu, dass feinste Lavesphasen und in einem geringen Anteil auch Karbide sich vorzugsweise innerhalb des Korns bilden und sich auch nicht bei höheren Temperaturen auflösen. Zudem liegt durch die Wechselwirkung sowohl eine Kornverfestigung als auch eine verbesserte Kohäsion der Korngrenzen vor.
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Kohlenstoff, der bei ferritischen rostfreien Stählen in der typischen Größenordnung C < 0,02% enthalten ist, sorgt innerhalb der genannten Grenzen bei höheren Anteilen (C > 0,017%) für feinste Karbidausscheidungen im Korn. Die feine Verteilung der Karbidausscheidung im Korn ist wichtig und zudem, dass sich das Gefüge bei höheren Temperaturen nicht vergröbert.
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Wichtig für die erfindungsgemäße Legierung ist zudem der Anteil von Silizium. Si dient zur Stabilisierung der Lavesphase. Ab-initio-Berechnungen und thermodynamische Berechnungen zeigen, dass durch den Si-Anteil die Lavesphasenbildung begünstigt wird. Dadurch kann erreicht werden, dass die Lavesphase auch bei höheren Temperaturen in einem Bereich von T = 900° bis T = 950°C erhalten bleibt. Maximal 0,08 bis 0,9% Silizium bilden den optimalen Bereich der Stabilisierung der Lavesphase. Wenn der Si-Anteil zu hoch ist, dann könnte die Solvustemperatur der Lavesphase zu höheren Temperaturen verschoben sein, so dass die Lavesphasen bei der Herstellung grob ausgeschieden werden und nicht mehr gelöst werden können.
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Die kombinierte Zugabe von Molybdän in einer Größenordnung von 0,02 bis 2,0% und Wolfram, 0,1% bis 2,0%, führt zu einer Mischkristallverfestigung.
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Die Mischkristallverfestigung trägt zu einer Verbesserung der Warmzugfestigkeit bei. In dem genannten Konzentrationsbereich liegt das optimale Verhältnis hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Hochtemperatureigenschaften.
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Titan und Vanadium bilden zusammen mit Kohlenstoff und Stickstoff Karbonitride. Titankarbonitride können zu einer Abschwächung der Hochtemperatureigenschaften führen, sie dienen allerdings hauptsächlich dazu, noch vor Niob mit Kohlenstoff zu reagieren. Somit wird Niob nicht als Niobkarbid gebunden, sondern steht für die Lavesphasenbildung zur Verfügung. Ab-initio-Berechnungen zeigten, dass insbesondere die Legierungselemente Wolfram, Vanadium, Silizium und Titan die Werkstoffeigenschaften positiv beeinflussen (Erhöhung des Kompressionsmoduls).
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Im Rahmen der Erfindung wird der Stahl vorzugsweise vollständig Ti-stabilisiert, um den Anteil an gelöstem Nb zu minimieren. Das kann gemäß folgender Formel erfolgen: %Ti_min = 4 × (%C + %N) + 0,15% (in Massenprozent). Da C und N abgebunden sind, bleiben als freie Variablen mit Einfluss auf die Lavesphase im Wesentlichen Nb und Si übrig. Wird der Volumengehalt an Lavesphase (bei 1% Mo + 1% W (in Massenprozent)) auf 1 Vol.-% bei 950°C fixiert, dass lässt sich die gegenseitige Abhängigkeit der Elemente berechnen, was hinsichtlich der Übereinstimmung von Rechnung und Experiment an verschiedenen Proben nachgewiesen worden ist. Der Zusammenhang kann durch folgende Gleichung beschrieben werden (Angaben in Massenprozent): %Nb = –0,25 (Si%)3 + 0,65 (%Si)2 – 0,75 (%Si).
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Dieser Zusammenhang gilt insbesondere für die Legierung Fe-17,9Cr-1W-0,02C-0,02N-0,31Ti-Nb-Si mit 1 Vol.-% Lavesphase.
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Mit dem erfindungsgemäßen Stahl lassen sich vorzugsweise Hochtemperaturbauteile herstellen, insbesondere Abgas führende Bauteile einer Verbrennungskraftmaschine, wobei hierunter insbesondere Auflademaschinen, wie Turbolader oder Druckwellenlader, sowie Abgaskrümmer zu verstehen sind. Die Herstellung erfolgt durch Kalt- oder Warmumformung eines Stahlblechs. Die Warmumformung ermöglicht höhere Umformgrade, weshalb im Rahmen des erfindungsgemäßen Verfahrens das Stahlblech mit der vorstehend beschriebenen Zusammensetzung auf eine Temperatur erwärmt wird, die zwischen 400°C und höchstens 50°C über der Rekristallisationstemperatur liegt, für 5 min bis 5 h in diesem Temperaturbereich gehalten wird und anschließend warm umgeformt wird. Im Anschluss besitzt das Gefüge einen Korndurchmesser von 12 μm bis 80 μm entsprechend etwa ASTM4 bis ASTM10. Vorzugsweise liegt der Korndurchmesser zwischen 30 μm und 60 μm entsprechend ASTM5 bis ASTM7. Insbesondere liegt der Korndurchmesser bei 30 μm entsprechend ASTM7. Das Gefüge besitzt zudem Lavesphasen Fe2X, wobei X für wenigstens ein Legierungselement ausgewählt aus der Gruppe umfassend Nb, W, oder Mo steht.
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Das Lösungsglühen bei erhöhter Temperatur, während dessen auch Erholung und Rekristallisation stattfinden können, führt dazu, dass Niob in Lösung geht. Durch die Variation der Temperatur und der Haltezeit beim Lösungsglühen wird einerseits Niob in Lösung gehen. Andererseits wird die Korngröße eingestellt. Die Rekristallisationstemperatur liegt bei etwa 1.150°C und ist stark von der Legierungszusammensetzung, dem Umformgrad und vor allem der Präsenz einer zweiten Phase (Laves, MX etc.) abhängig. Der Werkstoff wird auf eine Temperatur über 400°C bis maximal 50° oberhalb der Rekristallisationstemperatur erwärmt. Die minimale Temperatur der Erwärmung liegt bei 200° unterhalb der Rekristallisationstemperatur. In diesem Temperaturbereich wird der Werkstoff für eine bestimmte Zeitdauer gehalten. Möglich ist eine Zeitdauer zwischen 5 min und 5 h.
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Bei einer reinen Kaltumformung hängt der Zustand des Endgefüges einerseits von dem Anlieferungszustand des Blechs ab, wobei der Korndurchmesser zumeist ASTM8 oder ASTM9 beträgt. Dem Kaltumformen schließt sich daher zumeist ein Lösungsglühprozess an, um die gewünschte Korngröße sowie das gewünschte Gefüge auch bei dem kalt umgeformten Bauteil zu erreichen.
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Die Erfindung betrifft mithin einen mit Lavesphase verstärkten ferritischen Chromstahl, der durch die kombinierte Zugabe von Mo und W eine höhere Warmfestigkeit erhält und diese aufgrund der Behinderung des Kornwachstums durch stabile Lavesphase bei T > 900°C auch über einen langen Zeitraum beibehalten kann, während andere MO-W-legierte Ferrite ohne Lavesphase durch Vergröberung entfestigen würden.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- DIN EN 1.4509 oder 1.4521 [0002]