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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum plastischen Umformen einer Platine, insbesondere zu einem Fahrzeugkarosseriebauteil, ein Computerprogrammprodukt mit einem Computerprogramm zur Durchführung eines solchen Verfahrens sowie eine Vorrichtung zur Simulation eines plastischen Umformens.
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Insbesondere bei der Herstellung von Fahrzeugkarosserien werden Blechplatinen plastisch umgeformt. Um diese Umformprozesse vorgeben und insbesondere optimieren zu können, ist es aus betriebsinterner Praxis bekannt, sie zu simulieren, wobei die Reibung zwischen Platine und Spann- und/oder Umformwerkzeug berücksichtigt wird. Dabei wurde bislang ein globaler einheitlicher Reibparameter zugrundegelegt.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, das Umformen von Platinen, insbesondere zu Fahrzeugkarosseriebauteilen, zu verbessern.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Ansprüche 8, 9 stellen ein Computerprogrammprodukt bzw. eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens unter Schutz. Vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Nach einem Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein plastisches Umformen einer Platine vorab oder während eines realen Umformens virtuell simuliert. Die Simulation kann insbesondere eine Finite-Elemente-Simulation sein. Das Umformen kann insbesondere ein Tiefziehen, Biegen, Pressen, Stanzen, Walzen oder dergleichen umfassen. Unter einer Platine im Sinne der vorliegenden Erfindung wird insbesondere ein flächenhaftes ebenes Ausgangsbauteil, insbesondere ein Blech, vorzugsweise Metallblech, insbesondere Stahlblech, verstanden. Das Blech ist in einer bevorzugten Ausführung vor dem Umformen zu einer Rolle, einem sogenannten „Coil” aufgewickelt.
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In betriebsinterner Praxis hat sich herausgestellt, dass Umformprozesse sensitiv bezüglich der Reibung zwischen Platine und Spann- und/oder Umformwerkzeug sind, wobei unter einem Spannwerkzeug insbesondere ein oder zwei gegenüberliegende Kontaktflächen zum Fixieren der Platine, unter einem Umformwerkzeug insbesondere ein oder zwei gegenüberliegende Kontaktflächen zum plastischen Umformen der Platine verstanden werden.
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Die Reibung hängt insbesondere von der Materialpaarung Platine-Werkzeug und einem Schmiermittel ab und kann durch einen Reibparameter beschrieben bzw. in der Simulation vorgegeben werden. Ein Reibparameter im Sinne der vorliegenden Erfindung kann insbesondere ein Haft- und/oder Gleitreib(bei)wert bzw. -koeffizient μ sein, der eine Normalkraft N auf eine (maximale) Haft- bzw. Gleitreibkraft R abbildet, beispielsweise bei Newtonscher Reibung gemäß R ≤ μN. Der Reibwert bzw. -koeffizient kann insbesondere konstant oder eine Funktion der Relativgeschwindigkeit und/oder Normalkraft bzw. Flächenpressung zwischen Platine und Werkzeug sein.
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Der Reibparameter hängt insbesondere von einer Schmiermittelfilmdicke ab. Versuche zeigen, dass der Reibwert üblicherweise mit zunehmender Schmiermittelfilmdicke bis zu einem Sättigungswert abnimmt.
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In betriebsinterner Praxis hat sich herausgestellt, dass das Schmiermittel jedoch über der Platine nicht homogen verteilt ist. Insbesondere kann eine Balligkeit dazu führen, dass Schmiermittel im Coil zum Rand gedrängt wird. Zudem kann sich Schmiermittel bei vertikalem Coil schwerkraftbedingt unten sammeln.
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Insbesondere aus solchen lokalen Schwankungen der Schmiermittelfilmdicke können lokal, insbesondere über einer Platinenbreite und/oder -länge, variierende Reibparameter resultieren. Wird stattdessen ein globaler einheitlicher Reibparameter zugrundegelegt, kann dies das Ergebnis der Simulation verfälschen und dazu führen, dass beispielsweise eine Prozessrobustheit falsch beurteilt und/oder Prozessparameter falsch vorgegeben werden.
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Nach einem Aspekt der vorliegenden Erfindung wird daher ein plastisches Umformen einer Platine, insbesondere zu einem Fahrzeugkarosseriebauteil auf Basis eines Reibparameters simuliert, der lokal, insbesondere über einer Platinenbreite und/oder -länge, variiert. Hierdurch kann die Aussagekraft der Simulation erhöht und auf ihrer Basis der Umformprozess verbessert werden. Insbesondere kann auf Basis der Simulation ein Schmiermittel, eine Schmiermittelmenge und/oder eine Behandlung der Platine vorgegeben und/oder eine Prozessrobustheit identifiziert werden. So kann beispielsweise auf Basis der Simulation eine Reinigung der Platine von Schmiermittel und/oder eine Mikrobeölung vorgesehen werden.
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Der Reibparameter kann lokal diskret oder kontinuierlich variieren. Insbesondere kann der Reibparameter für verschiedene diskrete, insbesondere äquidistante, Platinenbereiche unterschiedlich vorgegeben werden, was insbesondere für FE-Simulationen vorteilhaft sein kann.
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In einer Ausführung kann der Reibparameter lokal stochastisch variieren. Hierzu kann ein Wert insbesondere durch einen Grundwert vorgegeben werden, der über der Platine lokal variieren oder konstant sein kann. Dieser Grundwert kann dann durch eine oder mehrere stochastische Größen, insbesondere eine Zufallszahl und/oder stochastische Kenngrößen – wie beispielsweise eine Standardabweichung – von empirischen Messungen variiert werden.
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Wie vorstehend erläutert, kann der Reibparameter insbesondere aufgrund einer lokal variierenden Schmiermittelverteilung bzw. lokal unterschiedlicher Schmiermittelfilmdicken variieren. Daher wird in einer Ausführung der Reibparameter auf Basis einer Schmiermittelverteilung bestimmt, die lokal, insbesondere stochastisch, variiert.
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Diese kann, wie vorstehend erläutert, durch einen Grundwert vorgegeben werden, der durch eine oder mehrere stochastische Größen variiert wird. Insbesondere kann zunächst eine virtuelle Schmiermittelverteilung vorgegeben werden, die an einem Rand der Platine eine Schmiermittelanhäufung aufweist, um die Verdrängung von Schmiermittel im Coil aufgrund der Balligkeit abzubilden. In einer Weiterbildung ist diese virtuelle Schmiermittelverteilung durch eine quadratische Funktion der Coilbreite vorgegeben. Diese virtuelle Schmiermittelverteilung bzw. dieser über der Platine lokal variierende Grundwert wird dann durch eine oder mehrere stochastische Größen variiert, indem beispielsweise Zufallszahlen hinzuaddiert werden. Vorzugsweise entspricht die Schmiermittelverteilung, die der Simulation zugrundegelegt wird, stochastisch einer realen Schmiermittelverteilung. Hierunter wird insbesondere verstanden, dass die Schmiermittelverteilung, die der Simulation zugrundegelegt wird, einen Mittelwert und/oder eine Standardabweichung aufweist, der bzw. die Mittelwert bzw. Standardabweichung einer gemessenen realen Schmiermittelverteilung entspricht.
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Beim Umformen mehrerer Platinen nacheinander mit dem- bzw. denselben Werkzeugen kann Schmiermittel zwischen Platinen und Werkzeugen übertragen werden. Daher wird in einer Ausführung die Schmiermittelverteilung auf Basis eines simulierten Schmiermittelübergangs zwischen einem Spann- und/oder Umformwerkzeug und der Platine bestimmt. Zeigt diese Simulation des Schmiermittelübergangs einen stationären Endzustand, wird vorzugsweise der Umformprozess auf Basis dieses stationären Endzustands simuliert.
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Insbesondere, wenn wie vorstehend erläutert, eine lokal variierende Schmiermittelverteilung bestimmt wurde, kann hieraus ein lokal variierender Reibparameter für die Simulation des Umformens der Platine ermittelt werden. In einer bevorzugten Ausführung wird hierzu der Reibparameter auf Basis der Schmiermittelverteilung empirisch bestimmt, insbesondere auf Basis eines Streifenzugversuches, der eine Schmiermittelfilmdicke auf einen Reibparameter abbildet.
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Ein Computerprogrammprodukt nach einem Aspekt der vorliegenden Erfindung kann insbesondere ein, vorzugsweise transportabler oder stationärer Datenträger wie beispielsweise CD, DVD, Festplatte oder dergleichen, sein, auf dem ein Computerprogramm gespeichert ist, das das vorstehend erläuterte Verfahren durchführt, wenn es in einem Computer abläuft.
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Eine Vorrichtung nach einem Aspekt der vorliegenden Erfindung kann insbesondere ein Mittel zum Simulieren des Umformens auf Basis eines Reibparameters, der lokal variiert, zum lokal stochastischen Variieren des Reibparameters, zum Bestimmen des Reibparameters auf Basis einer Schmiermittelverteilung, die lokal, insbesondere stochastisch, variiert, zum Vorgeben einer virtuellen Schmiermittelverteilung, die an einem Rand der Platine eine Schmiermittelanhäufung aufweist, zum Bestimmen der Schmiermittelverteilung auf Basis eines simulierten Schmiermittelübergangs zwischen einem Werkzeug und der Platine, zum empirischen Bestimmen des Reibparameters auf Basis der Schmiermittelverteilung, insbesondere auf Basis eines Streifenzugversuches, zum Vorgeben eines Schmiermittels und/oder einer Schmiermittelmenge und/oder zum Identifizieren einer auf Basis der Simulation aufweisen. Ein Mittel im Sinne der vorliegenden Erfindung kann dabei insbesondere hard- und/oder softwaretechnisch implementiert sein, insbesondere durch einen oder mehrere Speicher, Rechnereinheiten und/oder Programme bzw. Programmmodule.
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Weitere vorteilhafte Weiterbildungen der vorliegenden Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungen. Hierzu zeigt, teilweise schematisiert, die einzige:
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1 ein Verfahren nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung.
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1 zeigt Schritte S10 bis S70 eines Verfahrens nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung. Gleichermaßen können die Elemente der 1 auch Mittel einer Vorrichtung nach einer Ausführung der vorliegenden Erfindung darstellen, die beispielsweise durch Programmmodule softwaretechnisch und/oder durch Verarbeitungseinheiten hardwaretechnisch implementiert sein können.
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Zunächst wird in einem Schritt bzw. Mittel S10 eine virtuelle Schmiermittelverteilung s''(b), d. h. Zuordnung von Coil(breiten)positionen b zu Schmierfilmmitteldicken s'', durch eine quadratische Funktion der Coilbreite b einer Platine P vorgegeben, die an den beiden Rändern der Platine P eine Schmiermittelanhäufung s'' (Coilrand) > s'' (Coilmitte) aufweist.
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Dann wird in einem Schritt bzw. Mittel S20 durch Addition von Zufallszahlen hieraus eine stochastisch variierende Schmiermittelverteilung s'(b) erzeugt. Diese Pertubierung wird so gewählt, dass stochastische Kenngrößen der stochastisch variierenden Schmiermittelverteilung s'(b), beispielsweise Mittelwerte, Standardabweichungen und dergleichen, wenigstens im Wesentlichen mit denen einer empirisch vermessenen Schmiermittelverteilung übereinstimmen.
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Anschließend werden in einem Schritt bzw. Mittel S30 Schmiermittelübergange zwischen einem Werkzeug und der Platine P simuliert und im weiteren eine stationärere Schmiermittelverteilung s(b) zugrundegelegt, die sich dabei einstellt.
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Dann wird in einem Schritt bzw. Mittel S40 ein Reibparameter μ, beispielsweise ein Haft- oder Gleitreibbeiwert, auf Basis dieser Schmiermittelverteilung bestimmt (μ = μ(s(b))), der aufgrund der stochastischen Variation der Schmiermittelfilmdicke s über der Coilbreite b ebenfalls lokal stochastisch variiert. Hierzu kann die Schmiermittelverteilung insbesondere auf Basis eines Streifenzugversuches auf die Reibparameter abgebildet werden.
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Dies wird in einem Schritt bzw. Mittel S50 für diskrete Bereiche der Platine P durchgeführt. Beispielsweise kann die Platine in Längs- und Breitenrichtung b in diskrete Bereiche aufgeteilt werden, für die dann jeweils, wie vorstehend erläutert, ein lokaler Reibparameter μij bestimmt wird, der von Bereich zu Bereich stochastisch variiert.
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Anschließend wird in einem Schritt bzw. Mittel S60 das plastische Umformen der Platine P zu einem Fahrzeugkarosseriebauteil auf Basis dieses Reibparameters μij simuliert.
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Auf Basis dieser Simulation können in einem Schritt bzw. Mittel S70 insbesondere ein Schmiermittel, eine Schmiermittelmenge und/oder eine Behandlung der Platine vorgegeben und/oder eine Prozessrobustheit identifiziert werden. Beispielsweise kann entschieden werden, ob vorab eine Platinenreinigung bzw. -entfettung, insbesondere durch eine Platinenwaschanlage, und/oder eine Mikrobeölung durchzuführen ist.
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Obwohl in der vorhergehenden Beschreibung exemplarische Ausführungen erläutert wurden, sei darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Abwandlungen möglich ist. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den exemplarischen Ausführungen lediglich um Beispiele handelt, die den Schutzbereich, die Anwendungen und den Aufbau in keiner Weise einschränken sollen. Vielmehr wird dem Fachmann durch die vorausgehende Beschreibung ein Leitfaden für die Umsetzung von mindestens einer exemplarischen Ausführung gegeben, wobei diverse Änderungen, insbesondere in Hinblick auf die Funktion und Anordnung der beschriebenen Bestandteile, vorgenommen werden können, ohne den Schutzbereich zu verlassen, wie er sich aus den Ansprüchen und diesen äquivalenten Merkmalskombinationen ergibt. Bezugszeichenliste
S10–S70 | Verfahrensschritte bzw. Vorrichtungsmittel |
P | Platine |
b | Coil-/Platinenbreite |
μij | lokaler Reibparameter für Platinenbereich ij |