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Die Erfindung betrifft einen Flügel für ein Flugzeug, insbesondere ein Verkehrsflugzeug, wobei der Flügel eine Coanda-Klappe und eine Ausblasöffnung aufweist. Die Erfindung betrifft zudem ein Flugzeug mit einem derartigen Flügel. Gemäß einem zweiten Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Landen oder Starten eines Starrflüglers.
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Es ist erwünscht, dass Verkehrsflugzeuge möglichst leise starten und landen, um die Lärmbelästigung der Anwohner klein zu halten. Es ist zudem günstig, wenn Verkehrsflugzeuge mit einer möglichst kurzen Start- bzw. Landebahn auskommen, so dass bestehende Infrastrukturen auch durch größere Flugzeuge genutzt werden können.
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Zur Erhöhung des Auftriebs bei geringer Anströmgeschwindigkeit, beispielsweise beim Landeanflug oder kurz nach dem Start, sind Coanda-Klappen bekannt, bei denen tangential zum Flügelprofil Luft aus dem Flügel nach außen abgegeben wird. Derartige Coanda-Klappen sind bislang für Serienflugzeuge nur im militärischen Bereich eingesetzt worden, beispielsweise beim Starfighter.
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Nachteilig an Flügeln mit Coanda-Klappe ist, im Falle von großen Klappen, deren Verhalten bei großen Anstellwinkeln. Dieser Betriebszustand ergibt sich sowohl beim Starten als auch beim Landen. Um in diesen Situationen den Auftriebsbeiwert zu erhöhen, muss der Impulsstrom gesteigert werden, mit dem Luft aus der Ausblasöffnung abgegeben wird. Dann aber sinkt der Anstellwinkel, unter dem der Auftriebsbeiwert maximal wird.
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Beim Landeanflug und beim Starten soll der Auftriebsbeiwert jedoch möglich groß sein. Gleichzeitig soll aber auch der fliegbare Bereich des Anstellwinkels möglichst groß und der Impulsstrom des Ausblasens möglichst klein sein. Da alle drei Forderungen bislang nicht erfüllt werden konnten, haben sich Coanda-Klappen bei Verkehrsflugzeugen bislang nicht durchgesetzt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen hohen Auftriebsbeiwert über einen großen Anstellwinkelbereich bei niedrigem Impulsstrom des Ausblasens zu ermöglichen.
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Die Erfindung löst das Problem dadurch, dass der Flügel eine Nasenklappe besitzt, die so positionierbar angeordnet ist, dass ein Impulsverlust einer Strömungsgrenzschicht zustromseitig vor der Ausblasöffnung verringerbar ist. Die Erfindung löst das Problem zudem durch ein Flugzeug gemäß Anspruch 5 und ein Verfahren gemäß Anspruch 7.
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Der Erfindung liegt die in aufwändigen Simulationen gewonnene Erkenntnis zugrunde, dass eine Nasenklappe so ausgebildet werden kann, dass der Impulsverlust vor der Ausblasöffnung verringerbar ist. Das verhindert einen Strömungsabriss an der Coanda-Klappe und an der Flügelnase, so dass der Flügel bis zu einem höheren Anstellwinkel angestellt werden kann, bevor es zu einem Strömungsabriss kommt.
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Es ist für Hochauftriebsflügel mit Fowler-Klappen bekannt, dass Nasenklappen den Auftrieb erhöhen. Überraschend hat sich jedoch herausgestellt, dass eine Nasenklappe die Wirkung einer Coanda-Klappe stärker fördert als die Wirkung einer Fowler-Klappe. Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass bei einer Fowler-Klappe das Problem mit dem Strömungsabriss im Fall einer gut ausgelegten Nasenklappe von der Flügelnase an die Hinterkante des Hauptflügels verlagert wird.
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Es ist bekannt, dass eine Nasenklappe den Unterdruck an der Profilnase reduziert. Die auftretenden Grenzschichtverluste führen aber in der Nähe der Hinterkante des Hauptflügels schon bei relativ kleinen Anstellwinkeln zu einer Strömungsablösung, die den erreichbaren Auftriebsbeiwert begrenzt. Im Fall einer Coanda-Klappe besteht durch die große Strömungsumlenkung im Bereich der Hinterkante des Hauptflügels ein ausgedehntes Gebiet mit starkem Unterdruck. Dieser Unterdruck hat die Wirkung, dass die Grenzschicht dort entlastet wird, eine Strömungsablösung wird so vermieden.
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Im Rahmen der vorliegenden Beschreibung wird unter dem Flugzeug ein Verkehrsflugzeug verstanden, also ein Flugzeug, das die Voraussetzung für eine Zulassung als Verkehrsflugzeug erfüllt und unter der Coanda-Klappe eine bezüglich der Strömungsrichtung am hinteren Teil des Flügels angeordnete Klappe.
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Unter der Ausblasöffnung wird insbesondere eine schlitzartige Ausnehmung in dem Flügel verstanden, aus dem Luft mit einer hohen Geschwindigkeit tangential zum Profil des Flügels abgegeben werden kann. Die Ausblasöffnung ist so relativ zur Coanda-Klappe angeordnet, dass sich ein Coanda-Strom einstellt, das heißt, dass der Strom der aus der Ausblasöffnung ausströmenden Luft der Kontur des Flügels und damit der Kontur der Coanda-Klappe folgt. Durch das Umlenken dieses Luftstroms nach unten mittels der Coanda-Klappe wird in der Umgebung der Ausblasöffnung ein Unterdruck erzeugt, der den Auftriebsbeiwert erhöht.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Nasenklappe eine spaltfreie Nasenklappe. Diese Nasenklappe kann als formvariable Nasenklappe ausgeführt sein. Alternativ kann die Nasenklappe auch eine feste Kontur besitzen und klappbar sein. Es hat sich herausgestellt, dass eine spaltfreie Nasenklappe in Kombination mit der Coanda-Klappe zu einer besonders ausgeprägten Steigerung des Auftriebsbeiwerts führt. Das ist insoweit überraschend, als dass spaltfreie Nasenklappen bei bekannten Fowler-Klappen einen geringeren Effekt haben als Nasenklappen mit Spalt. Es wäre daher eigentlich zu erwarten gewesen, dass eine Nasenklappe mit Spalt (Slats) zu bevorzugen ist. Es hat sich aber herausgestellt, dass die spaltfreie Nasenklappe die Strömungsverluste der Ausblasöffnung besonders effizient erhöht.
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Ist die Nasenklappe klappbar, das heißt, besitzt sie einen in Strömungsrichtung vorderen Teil, der mittels eines Klappgelenks an einem Hauptteil des Flügels befestigt ist. Die Nasenklappe kann aber auch mittels eines Mehrgelenks oder eines kombinierten Schiebegelenks mit dem Hauptteil verbunden sein.
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Der Einfluss der spaltfreien Nasenklappe auf den maximal erreichbaren Anstellwinkel ist zudem mit der Coanda-Klappe größer als bei herkömmlichen Fowler-Klappen. Der Grund dafür ist, dass die ansonsten bestehende Gefahr der Strömungsablösung im hinteren Bereich des Hauptflügels nicht besteht, wenn eine Coanda-Klappe eingesetzt wird. Die Coanda-Klappe verbessert daher die Wirkung der spaltfreien Nasenklappe. Wie oben ausgeführt, verbessert zudem die Nasenklappe die Wirkung der Coanda-Klappe, das heißt, es ergeben sich große Auftriebsgewinne für den eingesetzten Impulsstrom des Ausblasens. Es kann damit von einer doppelt symbiotischen Wirkung gesprochen werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform ist die Ausblasöffnung so ausgebildet, dass ein wandtangentialer Wandstrahl einer relativen Höhe zwischen 0,0005 und 0,0015 der Profiltiefe entsteht. Es hat sich gezeigt, dass ein derartiger Wandstrahl eine besonders starke Erhöhung des Auftriebsbeiwerts bei gleichzeitig relativ geringem Impulsstrom durch die Ausblasöffnung ermöglicht.
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Vorzugsweise ist die Nasenklappe so bewegbar, dass eine Steigung einer Nasenspitze der Nasenklappe auf zumindest 60° einstellbar ist. Diese Steigung ist die Differenz zwischen der Richtung der Skelettlinie des Tragflügelprofils an der Profilnase im Reiseflug und der Richtung der Skelettlinie an der gleichen Stelle im Landeanflug oder beim Start.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Dabei zeigt
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1 eine Darstellung des Auftriebsbeiwerts über dem Anstellwinkel für einen Flügel mit Coanda-Klappe, aber ohne Nasenklappe, wie er aus dem Stand der Technik bekannt ist,
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2 mit den Teilfiguren 2a und 2b einen Flügel nach dem Stand der Technik in einem Querschnitt,
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3 den Querschnitt durch einen erfindungsgemäßen Flügel mit Nasenklappe bei ansonsten gleichen Randbedingungen,
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4 in seiner Teilfigur 4a ein Diagramm, in dem der Auftriebsbeiwert cl über den Anstellwinkel α für einen erfindungsgemäßen Flügel aufgetragen ist, und in seiner Teilfigur 4b die Kontur der Nasenklappe mit einer formvariablen Kontur und die Druckverteilung,
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5 in seiner Teilfigur 5a die Darstellung des Auftriebsbeiwerts cl gegenüber dem Anstellwinkel α für eine weitere Kontur einer Nasenklappe mit fester Kontur und in seiner Teilfigur 5b die Kontur der zugehörigen Nasenklappe, und
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6 eine schematische Ansicht eines erfindungsgemäßen Verkehrsflugzeugs.
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1 zeigt ein Diagramm, in dem der Auftriebsbeiwert c
l eines Tragflügelprofils, für den
- Fa:
- Auftriebskraft,
- ρ:
- Dichte,
- v:
- Anströmgeschwindigkeit
- A:
- Bezugsfläche des Körpers
- q:
- Staudruck
gilt, gegen den Anstellwinkel α aufgetragen. Der Anstellwinkel α ist der Winkel zwischen der anströmenden Luft und der Profilsehne (Bezugszeichen 16 in den 2, 3, 4) des Flügels.
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Es ist zu erkennen, dass bei konstantem Impulsbeiwert c
μ, für den
- m:
- Massestrom aus der Ausblasöffnung,
- vj:
- Geschwindigkeit der aus der Ausblasöffnung strömenden Luft
- ρ∞:
- Dichte der zuströmenden Luft,
- v∞:
- Anströmgeschwindigkeit der zuströmenden Luft
- S:
- Flügelfläche
gilt, der Auftriebsbeiwert cl ein Maximum bei einem kritischen Anstellwinkel αkrit(cμ) durchläuft. Der kritische Anstellwinkel akrit(cμ) sinkt mit zunehmendem Impulsbeiwert cμ.
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Wenn also hohe Auftriebsbeiwerte cl erreicht werden sollen, so muss das bei einem Profil nur mit Coanda-Klappe damit erkauft werden, dass der kritische Anstellwinkel αkrit sinkt. Es ist für den Wert cμ = 0,0693 (oberste Linie) zu erkennen, dass der Auftriebsbeiwert cl beim Überschreiten des kritischen Anstellwinkels αkrit stark abfällt. Dieses Verhalten ist für Verkehrsflugzeuge im Wesentlichen nicht akzeptabel.
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2 zeigt in der Teilfigur 2a einen Querschnitt durch einen Flügel 10, wobei zusätzlich das sich einstellende Druckfeld angegeben ist. Es sind ausgewählte Isobaren und Strömungspfade eingezeichnet. Es ist zu erkennen, dass der Flügel 10 eine Coanda-Klappe 12 und eine Ausblasöffnung 14 aufweist. In 2 beträgt der Anstellwinkel α = 2°, das heißt, dass eine Profilsehne 16 einen Winkel von 2° mit der anströmenden Luft bildet.
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Es ist zu erkennen, dass sich an einer Profilnase 18 ein erstes Unterdruckgebiet in Form einer Saugspitze 20 aufbaut. In Strömungsrichtung hinter der Saugspitze 20 steigt der Druck p an, was zu Impulsverlusten in der Grenzschicht führt. Dies wiederum führt zu einem Ablösen der Strömung, so dass der kritische Anstellwinkel αkrit relativ klein ist. Des Weiteren führen die Grenzschichtverluste dazu, dass ein großer Massenstrom aus der Ausblasöffnung 14 ausgeblasen werden muss.
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2b zeigt den Bereich des Flügels 10 an der Coanda-Klappe 12 hinter der Ausblasöffnung 14. Die Ausblasöffnung 14 ist in Strömungsrichtung unmittelbar vor einer Krümmung 22 an der Hinterkante 24 des Hauptprofils angeordnet.
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3 zeigt den Flügel 10 gemäß 2, der zusätzlich eine Nasenklappe 26 besitzt. Die Nasenklappe 26 besitzt eine formvariable, äußere Kontur. Das ist durch einen innen liegenden Mechanismus erreichbar, beispielsweise ein Mehrfachgelenk an einem Hauptteil des Flügels 10 befestigt. Derartige Mehrfachgelenke sind aus dem Stand der Technik bekannt.
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Es ist zu erkennen, dass die Saugspitze 20 an der Profilnase 18 weniger lokalisiert ist. Des Weiteren ist ein Unterdruckfeld 28 an der Hinterkante 24 unmittelbar hinter der Ausblasöffnung 14 deutlich schwächer ausgebildet. Das führt dazu, dass ein von der Ausblasöffnung 14 abgegebener Wandstrahl 30 weniger Ablösungen zeigt und der Profillinie besser folgt. Daraus resultiert ein höherer Auftrieb für den in 3 gezeigten Flügel. Der Auftriebs-Koeffizient cl beträgt für den in 3 gezeigten Flügel 5,452, für den Flügel 10 in 2a jedoch nur 5,266.
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3 zeigt, dass die Ausblasöffnung 14 eine relative Höhe H von 0,001 der Profiltiefe hat.
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4a zeigt eine Abhängigkeit des Auftriebsbeiwerts cl vom Anstellwinkel α für verschiedene Konturwinkel der Nasenklappe an der Profilnase σ. Mit σ wird die Differenz der Skelettlinie des Tragflügelprofils an der Nase bei Start und Landung und der Skelettlinie im Reiseflug bezeichnet.
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Es ist zu erkennen, dass der Auftriebsbeiwert cl umso größer ist, je größer die Steigung σ ist. Die eingefügte kleine Zeichnung im Diagramm zeigt die Verläufe der Nasenklappe für die im Diagramm gezeigten Steigungen σ.
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4b zeigt den Flügel 10 für den Fall σ = 90°.
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5 zeigt in Teilfigur 5a die Abhängigkeit des Auftriebsbeiwerts cl vom Anstellwinkel α für eine weitere Form der Profilnase 18, bei der ein Ausschlag der Nasenklappe mit fester Geometrie und eine Scharnierlinie auf der Profilsehne des Tragflügelprofils erfolgt.
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5b zeigt die Nasenklappe mit fester Geometrie. Der Flügel 10 besitzt ein Klappgelenk 27, mittels dem die Nasenklappe 26 verschwenkbar ist. Selbstverständlich sind auch Scharnierlinien auf der Unterseite des Tragflügelprofils und zwischen Profilsehne und Tragflügelprofil möglich.
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6 zeigt ein erfindungsgemäßes Flugzeug 31 mit zwei erfindungsgemäßen Flügeln 10.1, 10.2 und zwei Druckluftquellen 32.1, 32.2 in Form von Triebwerken, die die Ausblasöffnungen 14 mit Druckluft versorgen. Dazu existieren Zapfluftleitungen, die von den Triebwerken zu den Ausblasöffnungen 14 führen.
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Alternativ sind auch Lösungen denkbar, bei denen die Triebwerke 32.1 und 32.2 elektrische Generatoren antreiben, die elektrische Leistungen für den Betrieb von Kompressoren im Tragflügel erzeugen.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Flügel
- 12
- Coanda-Klappe
- 14
- Ausblasöffnung
- 16
- Profilsehne
- 20
- Profilnase
- 22
- Krümmung
- 24
- Hinterkante
- 26
- Nasenklappe
- 28
- Unterdruckfeld
- 30
- Wandstrahl
- 31
- Flugzeug
- 32
- Druckluftquellen
- cl
- Auftriebsbeiwert
- α
- Anstellwinkel
- σ
- Steigung
- H
- relative Höhe
- T
- Profiltiefe